Gericht | OLG Brandenburg 6. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 16.05.2023 | |
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Aktenzeichen | 6 U 47/21 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:0516.6U47.21.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Potsdam vom 29.06.2021, Az. 52 O 111/20, teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, mit der Maßgabe, dass die Ordnungshaft an einem ihrer Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen,
1. im geschäftlichen Verkehr mit dem Verbraucher im Fernabsatz betreffend Hobby- und / oder Bastelartikel Angebote zu veröffentlichen und / oder zu unterhalten, und / oder zur Abgabe von Angeboten aufzufordern, bei denen der Verbraucher nicht vor Abgabe von dessen Vertragserklärung in klarer und verständlicher Weise informiert wird über den Inhalt einer angebotenen Garantie und alle wesentlichen Angaben, die für die Geltendmachung der Garantie erforderlich sind, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie Namen und Anschrift des Garantiegebers, und ohne gleichzeitig auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers hinzuweisen sowie darauf, dass diese durch die Garantie nicht eingeschränkt werden, und / oder
2. im geschäftlichen Verkehr mit dem Verbraucher betreffend Hobby- und / oder Bastelartikel Angebote zu veröffentlichen und / oder unter Angabe von Preisen zu werben und / oder Angebote bzw. Preiswerbung zu unterhalten, bei denen es sich um nach Gewicht von 10 Gramm und mehr und / oder um nach Volumen von 10 Milliliter und mehr und / oder um nach Länge angebotene und / oder beworbene Waren in Fertigpackungen, offenen Packungen oder als Verkaufseinheiten ohne Umhüllung handelt, für die nicht gleichzeitig der Preis je Mengeneinheit (Grundpreis) und der Gesamtpreis jeweils unmissverständlich, klar erkennbar (in unmittelbarer Nähe) und gut lesbar angegeben werden,
insbesondere, wenn dies wie nachstehend wiedergegeben erfolgt:
(Anmerkung: Auf Seiten 3 bis 22 folgen Abbildungen aus dem Internet.)
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung im Hinblick auf den Unterlassungsanspruch durch Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Hinsichtlich der Kosten bleibt der Beklagten nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz und – in Abänderung der landgerichtlichen Streitwertfestsetzung – für das erstinstanzliche Verfahren auf 25.000 € festgesetzt.
I.
Der Kläger ist ein eingetragener Verein. Sein Zweck besteht nach § 2 Abs. 2 der Satzung in der umfassenden Förderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen deutscher Online-Unternehmer und Online-Freiberufler, unter anderem im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes. Nach § 2 Abs. 4 der Satzung wird der Vereinszweck in streitigen Fällen insbesondere durch den Versuch der Herbeiführung einer Einigung, beispielsweise durch Erstellung und Versendung von Abmahnungen, sowie bei erfolglosen Abmahnungen durch das Führen von Zivilprozessen, verwirklicht.
Gemäß § 3 Abs. 1 der Satzung nimmt der Kläger aktive und passive Mitglieder sowie Ehrenmitglieder auf. Nach § 3 Abs. 3, Abs. 4 der Satzung sind (nur) aktive Mitglieder berechtigt, in Vereinsorgane gewählt zu werden; nur sie haben das Stimmrecht in der Mitgliederversammlung. Die Bestimmungen unter § 3 Abs. 6 und Abs. 7 der Satzung sehen vor, dass rechtsfähige Verbände und Vereinigungen Mitglied des Klägers werden können und dass Mitglieder solcher Verbände oder Vereinigungen kein Stimmrecht haben, aber bei der Festlegung der Verbandsstärke in der Außenrepräsentation berücksichtigt werden. Von den insgesamt über 2.600 Mitgliedern des Klägers sind etwa 2 % aktive Mitglieder, während etwa 98 % die passive Mitgliedschaft innehaben.
Die Beklagte offeriert und vertreibt als gewerbliche Verkäuferin auf der Internethandelsplattform („ Plattform 1„) unter dem Verkäufernamen („Verkäufer 1“) Hobby- und Bastelartikel.
Mit Schreiben vom 24.09.2020 mahnte der Kläger die Beklagte wettbewerbsrechtlich ab, weil sie am 23.09.2020 bei der Werbung für eine („Ware 1“) auf eine Garantie verwies, ohne Angaben zu deren Inhalt und Umfang zu machen, und weil sie bei der Werbung für eine („Ware 2“), eine („Ware 3“) und ein („Ware 4“), die jeweils in Fertigpackungen nach Gewicht, Volumen bzw. Länge präsentiert waren, keinen Grundpreis angab. Er forderte die Beklagte auf, bis zum 05.10.2020 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung nach dem dem Schreiben beigefügten Entwurf abzugeben. Die Beklagte wies die Forderung mit Schreiben ihrer nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vom 12.10.2020 zurück.
Der Kläger hat gemeint, nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs legitimiert zu sein. Unter seinen Mitgliedern – Unternehmern und Freiberuflern – hätten sich im April 2020 69 und im April 2021 90 Händler befunden, die bundesweit Hobby- bzw. Bastelartikel über die Handelsplattformen („Plattform 2“), („Plattform 1“) und/ oder in eigenen Online-Shops vertrieben. Diese Händler seien in der als Anlage K8a vorgelegten Auflistung (AB V am Ende) namhaft gemacht.
Seinen Mitgliedern gewähre er allgemeine und individuelle Leistungen, wie Rechtstexte, einen Formular-Service, einen Update-Service, eine Ersteinschätzung bei Abmahnungen, sog. Web-Checks, technischen Support, ein Forderungsmanagement, einen sog. Strafanzeigen-Generator, die Möglichkeit des Detekteiauftrags, Informationsdienste, ein Online-Magazin, sonstige allgemeine Serviceleistungen sowie Lobbyarbeit. Wettbewerbsverstöße verfolge er seinem Satzungszweck gemäß durch Abmahnungen und erforderlichenfalls auf dem Gerichtsweg.
Er beschäftige eine Hauptgeschäftsführerin, Frau („Name 1“), sowie weitere Mitarbeiter, nämlich die 1. Vorsitzende Frau („Name 2“), Frau („Name 3“), Frau („Name 4“), Frau („Name 5“), Frau („Name 6“), Herrn („Name 7“) und Herrn Rechtsanwalt („Name 8“). Seine Mitarbeiter seien rechtlich qualifiziert: Frau („Name 1“) sei Verkehrsfachwirtin und nach einer Prüfung qualifizierte Person im Sinne des § 12 Abs. 4 Satz 1 RDG, sie habe zudem die Prüfung zur Fachkraft für Wettbewerbsrecht bestanden; Frau („Name 3“) und Frau („Name 4“) seien Rechtsanwaltsfachangestellte, Frau („Name 3“) zusätzlich Rechtsfachwirtin; Frau („Name 6“) habe einen Abschluss als Bachelor of Laws. Die Mitarbeiter würden regelmäßig umfassend geschult. Sie stünden zudem im Informationsaustausch mit den im Vorstand des Verfügungsklägers tätigen spezialisierten Volljuristen.
Der Kläger unterhalte eine Geschäftsstelle, die das Tagesgeschäft wahrnehme und den Mitgliedern während der Geschäftszeiten für Fragen allgemeiner Art zur Verfügung stehe. Er habe hierfür Geschäftsräume von ca. 160 m² angemietet, für die er monatlich 2.105,11 € zahle. Ferner trage er die Kosten für Energie und Telekommunikation (Telefon, Internet), einer PC-Anlage, einem Multifunktionsgerät und zwei Druckern nebst Wartungsvertrag sowie einer Anwaltssoftware mit Wartungsvertrag. Hinzu kämen die Kosten für die externe Lohn- und Finanzbuchhaltung sowie für die Erstellung der Jahresabschlüsse. Er sei immer in der Lage gewesen, seine Verbindlichkeiten zu erfüllen, insbesondere die Kosten verlorener Prozesse zu bezahlen. Im Jahr 2020 habe er Mitgliedsbeiträge in Höhe von insgesamt 552.708,63 € eingenommen. Auf seinem für Rücklagen bestimmten Konto sei am 23.07.2020 ein Guthaben von ca. 125.000 € vorhanden gewesen.
Mit seiner am 25.11.2020 anhängig gemachten Klage hat der Kläger beantragt,
der Beklagten aufzugeben, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, mit der Maßgabe, dass die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen,
1. im geschäftlichen Verkehr mit dem Verbraucher im Fernabsatz betreffend Hobby- und / oder Bastelartikel Angebote zu veröffentlichen und / oder zu unterhalten, und / oder zur Abgabe von Angeboten aufzufordern, bei denen der Verbraucher nicht vor Abgabe von dessen Vertragserklärung in klarer und verständlicher Weise informiert wird über den Inhalt der Garantie, einschließlich einer bei Kauf der Ware vom Hersteller angebotenen Garantie, und alle wesentlichen Angaben, die für die Geltendmachung der Garantie erforderlich sind, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie Namen und Anschrift des Garantiegebers, und ohne gleichzeitig auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers hinzuweisen sowie darauf, dass diese durch die Garantie nicht eingeschränkt werden, und / oder
2. im geschäftlichen Verkehr betreffend Hobby- und / oder Bastelartikel Angebote zu veröffentlichen und / oder unter Angabe von Preisen zu werben und / oder Angebote bzw. Preiswerbung zu unterhalten, bei denen es sich um nach Gewicht von 10 Gramm und mehr und / oder um nach Volumen von 10 Milliliter und mehr und / oder um nach Länge angebotene und /oder beworbene Waren in Fertigpackungen, offenen Packungen oder als Verkaufseinheiten ohne Umhüllung handelt, für die nicht gleichzeitig der Preis je Mengeneinheit (Grundpreis) und der Gesamtpreis jeweils unmissverständlich, klar erkennbar (in unmittelbarer Nähe) und gut lesbar angegeben werden,
insbesondere, wenn dies wie in den im Antrag wiedergegebenen Ausdrucken der inkriminierten Werbeinseraten erfolgt.
Die Beklagte hat beantragt
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, dem Kläger fehle die Aktivlegitimation. Es sei davon auszugehen, dass er nach seiner finanziellen Ausstattung nicht im Stande sei, seine satzungsmäßigen Aufgaben tatsächlich wahrzunehmen. Dies gelte zumal im Hinblick darauf, dass er ständig neue wettbewerbsrechtliche Verfahren betreibe und dabei zunehmend Wettbewerbsverstöße geltend mache, die bis dahin weitgehend ungeklärt seien.
Der Kläger handle auch rechtsmissbräuchlich. Dies ergebe sich bereits daraus, dass er – wie in anderen Rechtsstreiten zu Tage getreten sei – bei seinem Vorgehen gegen (vermeintliche) Wettbewerbsverstöße eigene Mitglieder gezielt verschone. Für einen Rechtsmissbrauch spreche ferner, dass der Kläger Mitglieder gezielt nur als passive Mitglieder aufnehme, um sie ohne sachlichen Grund von der Willensbildung des Vereins auszuschließen, und dass er darauf angelegt sei, Einnahmen zu erzielen, um bestimmten Personen unangemessen hohe Zahlungen zu gewähren. So beziehe die Schwester der 1. Vorsitzenden, Frau („Name 5“), als freie Mitarbeiterin ein Gehalt von 120 € pro Stunde, was für eine gelernte Bürokauffrau nicht mehr angemessen sei und erst recht für die Geschäftsführung eine deutlich überzogene Vergütung vermuten lasse. Ebenso sei zu vermuten, dass ein Missverhältnis zwischen den Einnahmen des Klägers und den von ihm eingegangenen Kostenrisiken bestehe. Des Weiteren seien die vom Kläger vorformulierten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärungen standardmäßig zu weit gefasst. Dies lasse auf die Absicht schließen, zu weit gefasste Unterlassungsverträge zu Stande zu bringen, um die Wahrscheinlichkeit der Einnahme von Vertragsstrafen zu erhöhen. Dem entspreche es, dass der Kläger der Beklagten vorliegend einen Unterlassungsvertrag vorgeschlagen habe, der nicht nur – wie im Streitfall – die Bewerbung einer Garantie ohne ergänzende Informationen hierzu betroffen habe, sondern darüberhinausgehend auch das Fehlen von Informationen zu bestehenden Herstellergarantien habe umfassen sollen. Hinsichtlich der fehlenden Grundpreisangabe sei die vorformulierte Erklärung des Klägers insoweit zu weitgehend gewesen, als eine Beschränkung auf den geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern sowie über das Internet gefehlt habe und keine Verpflichtung zur Angabe des Grundpreises „in unmittelbarer Nähe“ zum Gesamtpreis bestehe. Im Umfang der mithin unberechtigten Unterlassungsforderungen sei die Klage daher jedenfalls teilweise unbegründet.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat dafür gehalten, dass die Rechtsverfolgung durch den Kläger im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG in der bis 01.12.2020 geltenden Fassung rechtsmissbräuchlich sei, da dessen Satzung zwischen aktiven und passiven Mitgliedern unterscheide, wobei letztere kein Stimmrecht in der Mitgliederversammlung hätten. Da hierfür kein sachlicher Grund ersichtlich sei, sei davon auszugehen, dass der Kläger Mitglieder nur deshalb aufnehme, um die für seine Aktivlegitimation und Klagebefugnis nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG erforderliche Voraussetzung der Mitgliedschaft einer erheblichen Zahl von Unternehmen zu erreichen und auf diese Weise durch die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen auf unterschiedlichen sachlichen Märkten Einnahmen zu erzielen.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er rügt eine Verletzung rechtlichen Gehörs und macht geltend, dass die das angefochtene Urteil tragenden Erwägungen in der Sache unzutreffend seien und durch die Bezugnahmen auf die vom Landgericht zitierten Entscheidungen anderer Gerichte nicht getragen würden.
Er sei vor dem Hintergrund eines stetig wachsenden Online-Einzelhandels und einer stark zugenommenen Regulierung dieses Marktes gegründet worden. Die meisten Händler seien mit den rechtlichen Rahmenbedingungen überfordert gewesen und hätten möglichst einfache Anleitungen und Mustertexte benötigt. Sein – des Klägers – Zweck sei es, insofern unterstützend zu wirken, die Forderungsbeitreibung im Online-Handel zu optimieren und zugleich wettbewerbsrechtliche Abmahnungen einzudämmen. Durch die Zweckausrichtung, möglichst einfach und kostengünstig die rechtlichen Rahmenbedingungen zu liefern, habe er recht schnell hunderte Mitglieder gewonnen, bei denen es sich zu einem großen Teil um kleinere und mittlere Unternehmen handle. Aktuell habe er ca. 2.750 Mitglieder, von denen 51 aktive Mitglieder seien.
Zwischen Oktober 2016 und Anfang des Jahres 2022 sei ein Teil seiner Aufgaben von der („Firma 1“) GmbH wahrgenommen worden. Die Gründung der Gesellschaft gehe auf Einwände der IHK („Ort 1“) zurück, die bestimmte von ihm – dem Kläger – erbrachte Tätigkeiten als mit den Zwecken eines Idealvereins nicht vereinbar angesehen habe. Er habe diese Auffassung nicht geteilt, zur Vermeidung eines Rechtsstreits mit der IHK aber dennoch im Jahr 2016 die Gesellschaft errichtet und die betreffenden Aufgabenbereiche auf der Grundlage eines Dienstleistungsvertrages auf diese ausgegliedert. Im Gegenzug habe er der Gesellschaft im Jahr 2019 633.600 €, im Jahr 2020 755.700 € und im Jahr 2021 553.200 € gezahlt. Hiermit habe die Gesellschaft, die über eigene Büroräume verfügt habe, insbesondere die Kosten für Miete, Energieversorgung, Kommunikation und EDV, Steuern, Kosten für Sozialabgaben und Steuerberater, Kosten für weitere Projekte der Gesellschaft wie zum Beispiel eine Datenschutzplattform, sowie die Vergütung für die freien Mitarbeiter („Name 9“), („Name 10“), („Name 11“), („Name 12“), („Name 7“) und die Geschäftsführer Frau („Name 2“) und Herrn („Name 11“) gezahlt. Die Geschäftsführer hätten als freie Mitarbeiter ein Monatsbetrag von je 5.000 € netto abgerechnet.
Nachdem sich im laufenden Registrierungsverfahren Hinweise des Bundesamtes für Justiz ergeben hätten, wonach keine Notwendigkeit für die Zwischenschaltung einer derartigen Organgesellschaft bestehe, sei Anfang des Jahres 2022 deren Liquidation beschlossen worden. Die Leistungsbereiche Vertrieb der Rechtstexte, Informationsdienst und Online-Magazin, welche bis dahin an die Gesellschaft ausgelagert gewesen seien, würden seither durch die in seinem – des Klägers – Vorstand tätigen spezialisierten Volljuristen erbracht, die ihre Tätigkeiten insofern nicht mehr über die Organgesellschaft, sondern unmittelbar bei ihm abrechneten. Im Jahr 2022 habe er an die Gesellschaft im Wesentlichen nur eine Ausstattung für Steuern, Nachzahlung von Sozialabgaben, Miete und laufende Kosten geleistet. Löhne, Geschäftsführergehälter und Mitarbeitervergütungen seien im Jahr 2022 nicht mehr gezahlt worden.
Seine Vereinsstruktur mit aktiven und passiven Mitgliedern sei verfassungsrechtlich durch Art. 9 GG geschützt; die dem zu Grunde liegende Satzungsbestimmung vom Vereinsregister überprüft und für rechtmäßig befunden worden.
Aktive Mitglieder leisteten entweder einen erhöhten monatlichen Mitgliedsbeitrag zwischen 1.000 € bis 5.000 € oder seien dem Kläger in anderer Weise aktiv behilflich. Es handele sich unter anderem um Großunternehmen, einen Berufsverband, einen Fachverband, Verlage, Rechtsdienstleister, Anwälte sowie Mitglieder, die über eine breite Kundenstruktur im Onlinehandel verfügten, zum Beispiel Rechtsdienstleistungsunternehmen, denen die Leistungen des Klägers wiederum mittelbar zugutekämen und die dafür einen erhöhten Beitrag zahlten. Diese Mitglieder wirkten entweder in Ausschüssen, regelmäßigen Besprechungen, durch Anregung betreffend den Ausbau des Informationssystems des Klägers oder der Erarbeitung von Expertisen zu verschiedenen Rechtsthematiken sowie teilweise zudem bei der Lobbyarbeit, der Suche nach Kooperationspartnern oder der Gewinnung weiterer Mitglieder aktiv mit. Sie leisteten insgesamt ca. 35.000 € monatlich an Mitgliedsbeiträgen.
Passive Mitglieder hingegen könnten oder wollten inhaltlich nicht mitwirken, wie nach Erstellung des Informationssystems des Klägers von Anfang an klar gewesen sei. Diese Mitglieder verfügten zwar nicht über ein Stimmrecht in Mitgliederversammlungen, seien aber bereits nach § 37 BGB zur Mitwirkung an der Einberufung und zur Teilnahme an Mitgliederversammlungen berechtigt. Sie würden zu den einmal jährlich stattfindenden ordentlichen Mitgliederversammlungen persönlich unter Mitteilung der Tagesordnung per E-Mail eingeladen, würden über die Ergebnisse und Berichte der Versammlungen, die Vereinstätigkeit sowie über Einnahmen und Ausgaben des Klägers informiert, könnten Anträge stellen und in Ausschüssen mitwirken. Beanstandungen eines passiven Mitgliedes, sich in seinen Rechten eingeschränkt zu fühlen, habe es bislang in keinem Fall gegeben. Passive Mitglieder hätten die Möglichkeit, aktive Mitglieder zu werden. Bei einer dahingehenden Bewerbung, über die der Vorstand entscheide, solle mitgeteilt werden, welcher aktive Beitrag in fördernder oder finanzieller Hinsicht angeboten werde.
Der Unterschied zwischen den Beitragshöhen aktiver und passiver Mitglieder hänge mit den mittelbaren Mitgliedern bzw. Kundenstrukturen der aktiven Mitglieder zusammen, die durch die unmittelbare Mitgliedschaft von den Leistungen des Klägers profitierten. So habe der („Verein 1“) e.V. mit über 200 angeschlossenen Mitgliedern, bei denen es sich um mittelbare Mitglieder des Klägers handele, in den Jahren 2019-2021 monatlich 5.000 € gezahlt. Auch der „Immobilien-Profi“ mit seinen angegliederten „Premium-Mitgliedern“, die zugleich unmittelbare Mitglieder des Klägers seien, zahle einen erhöhten Jahresbeitrag. Ebenfalls erhöhte Beiträge, nämlich zwischen 1.000 € und 2.000 €, zahlten Rechtsdienstleister, die ihren Kunden die Mustertexte und den Support des Klägers zukommen ließen. Die Struktur des Klägers sei nicht darauf angelegt, dass Mitglieder sich aktiv beteiligen wollten. Eine Mitgliederbefragung im Dezember 2021/ Januar 2022 habe ergeben, dass sich nur ca. 5 % eine aktive Mitgliedschaft überlegen würden, allerdings erst nach weiterer Erläuterung, was von ihnen als aktives Mitglied erwartet werde. Der ganz überwiegende Teil der Mitglieder hingegen habe dies von vornherein kategorisch abgelehnt, unter anderem weil dies für sie mehr Aufwand bedeute, der nicht gewünscht sei. Gleichwohl stünden allen Mitgliedern dieselben Leistungen des Klägers zu. Insbesondere erhielten sie regelmäßig sog. Web-Checks ihrer Internetseiten und -angebote und würden sie in diesem Zusammenhang – zum Teil auch telefonisch oder per E-Mail – kontaktiert. Sie wüssten, dass der Kläger seine Aktivlegitimation wahrnehme, Abmahnungen ausspreche und Prozesse führe.
Der Kläger habe im Jahr 2019
· an das Vorstandsmitglied („Name 2“), die in Vollzeit beim Kläger angestellt sei, ein Gesamtbruttogehalt von 54.806,05 € gezahlt,
· an Herrn („Name 12“), der bis zum 31.12.2021 Vorstand des Klägers gewesen sei und seine Tätigkeit als freier Mitarbeiter nach einem Stundensatz von 200 € netto abgerechnet habe, insgesamt 37.800 € netto gezahlt,
· an das Vorstandsmitglied („Name 9“), der Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht sei und nach einem Stundensatz von 250 € netto abgerechnet habe, insgesamt 140.313,76 € netto gezahlt und
· an das Vorstandsmitglied („Name 10“), der Rechtsanwalt mit einem Zusatzstudium im gewerblichen Rechtschutz sei und ebenfalls nach einem Stundensatz von 250 € netto abgerechnet habe, insgesamt 40.627,16 € netto gezahlt.
In den folgenden beiden Jahren habe der Kläger
· an Frau („Name 2“) 112.029,46 € brutto (2020) und 103.595,26 € brutto (2021),
· an Herrn („Name 12“) 72.163,87 € netto (2020) und 75.053,70 € netto (2021),
· an Herrn („Name 9“), 200.378,29 € netto (2020) und 185.358,65 € netto (2021) sowie
· an Herrn („Name 10“) 54.642,11 € netto (2020) und 25.628,04 € netto (2021)
gezahlt. Die zwischen dem 01.01.2022 und dem 30.09.2022 geleisteten Zahlungen des Klägers an die Vorstände hätten sich auf
· 52.062,44 € brutto an Frau („Name 2“) sowie
· jeweils 2.500,00 € netto im Monat an Herrn („Name 9“) und Herrn („Name 10“)
belaufen. An die Mitarbeiter unterhalb des Vorstandes seien folgende Zahlungen geleistet worden:
· an die Angestellte Frau („Name 1“) im Jahr 2019 89.011,62 € brutto, im Jahr 2020 106.297,29 € brutto, im Jahr 2021 89.598,05 € brutto und für die Zeit vom 01.01.-30.09.2022 32.150,83 € brutto;
· an die Angestellte Frau („Name 3“) im Jahr 2020 47.965,76 € brutto und im Jahr 2021 47.965,76 € brutto;
· an die Angestellte Frau („Name 4“) im Jahr 2019 63.065,76 € brutto, im Jahr 2020 63.065,76 € brutto und im Jahr 2021 58.504,49 € brutto;
· an die Angestellte Frau („Name 13“) im Jahr 2019 53.988,31 € brutto, im Jahr 2020 53.988,31 € brutto und im Jahr 2021 40.604,81 € brutto;
· an die zunächst als freie Mitarbeiterin und später als Angestellte tätige Frau („Name 5“) im Jahr 2019 130.440,00 € netto, im Jahr 2020 112.446,05 € netto, im Jahr 2021 für ihre freie Mitarbeiterschaft bis zum 31.10.2021 72.900,00 € netto und für ihre Tätigkeit als Angestellte ab dem 01.11.2021 14.394,26 € brutto, und für die Zeit vom 01.01.-30.09.2022 39.966,00 € brutto;
· an den freien Mitarbeiter Herrn („Name 7“) im Jahr 2019 52.380,00 € netto, im Jahr 2020 60.918,72 € netto, im Jahr 2021 65.006,60 € netto und für die Zeit vom 01.01.-31.07.2022 6.440,00 € netto;
· an die freie Mitarbeiterin Frau („Name 6“) im Jahr 2019 41.550,00 € netto, im Jahr 2020 27.765,00 € netto, im Jahr 2021 62.450,00 € netto und für die Zeit vom 01.01.-31.07.2022 12.020,00 € netto;
· an den freier Mitarbeiter Herrn („Name 11“) im Jahr 2019 93.600,00 € netto, im Jahr 2020 123.654,20 € netto und im Jahr 2021 132.379,00 € netto;
· an Rechtsanwalt („Name 8“) Beratungshonorare im Jahr 2020 in Höhe von 44.812,37 € netto und im Jahr 2021 in Höhe von 44.375,38 € netto.
Unter den Mitgliedern des Klägers befänden sich weiterhin 90 Händler, die bundesweit Hobby- bzw. Bastelartikel über die Handelsplattformen („Plattform 2“), („Plattform 1“) und/ oder in eigenen Online-Shops vertrieben.
Im Übrigen wiederholt und vertieft der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen.
Der Kläger beantragt der Sache nach,
unter Abänderung des am 29.06.2021 verkündeten und am 05.07.2021 zugestellten Urteils des Landgerichts Potsdam, Az.: 52 O 111/20, nach den erstinstanzlichen Anträgen mit der Maßgabe zu erkennen, dass es im Antrag zu 1) anstelle von „über den Inhalt der Garantie“ heißt: „über den Inhalt einer angebotenen Garantie“.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung, wobei auch sie ihren erstinstanzlichen Vortrag wiederholt und vertieft. Angesichts des Zeitablaufs seit dem erstinstanzlichen Vortrag des Klägers zu seinen in dem hier in Rede stehenden Branchenbereich tätigen Mitgliedern werde mit Nichtwissen bestritten, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für die vom Kläger in Anspruch genommene Aktivlegitimation aktuell erfüllt seien. Auch werde an der Einrede der unzulässigen Rechtsausübung festgehalten. Hierzu macht die Beklagte teils unter Bezugnahme auf Vorbringen aus anderen Rechtsstreitigkeiten insbesondere geltend, dass bei Mitgliedern des Klägers in zahlreichen Fällen Wettbewerbsverstöße selbst nach entsprechender Mitteilung an den Kläger auffindbar seien, was auf ein gezieltes Verschonen der eigenen Mitglieder schließen lasse. Daher sei auch davon auszugehen, dass der Kläger bewusst und gewollt den Eindruck vermittle, Gewerbetreibende auf dem Gebiet des Online-Handels könnten sich mit einer passiven Mitgliedschaft bei ihm von dem Risiko freikaufen, von ihm wegen wettbewerbswidrigen Handelns in Anspruch genommen zu werden. Weiterhin sei anzunehmen, dass ein Missverhältnis zwischen den Einnahmen des Klägers und den von ihm eingegangenen Kostenrisiken bestehe sowie dass der Kläger sich die Vielzahl der von ihm eingeleiteten Verfahren nicht leisten könne. So lägen mittlerweile in der Kanzlei der Beklagtenvertreter aus dem Zeitraum seit Anfang 2019 mehr als 100 vom Kläger eingeleitete Abmahnverfahren vor, in denen die Unterlassungsansprüche nicht weiterverfolgt worden seien, obwohl keine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgegeben worden sei.
Ferner wiederholt und vertieft die Beklagte ihren bisherigen Vortrag unter Bezugnahme auf einen Schriftsatz des hiesigen Klägers aus dem vor dem Landgericht Köln unter dem Aktenzeichen 81 O 7/21 geführten Rechtsstreit. Unter anderem macht sie auf dieser Grundlage geltend, dass sich unter den 51 aktiven Mitgliedern des Klägers im Jahr 2020 neben der („Firma 1“ GmbH die Vorstände des Klägers, die Unternehmen der Vorstände, Ehepartner der Vorstände, Unternehmen der Ehepartner der Vorstände und Mitarbeiter des Klägers fänden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der überreichten Unterlagen, im Übrigen auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. In der Sache hat das Rechtsmittel mit Ausnahme eines geringen Teils des unter 1. verfolgten Unterlassungsbegehrens Erfolg.
1.
Die Klage ist zulässig.
a)
Der Unterlassungsantrag genügt den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Trotz der abstrakten Beschreibung der zu unterlassenden Verstöße wird der Streitgegenstand jedenfalls durch die Bezugnahme auf die konkret beanstandeten Angebote hinreichend bestimmt (vgl. BGH, Urteil vom 07.04.2011 – I ZR 34/09, Leistungspakete im Preisvergleich, GRUR 2011, 742).
b)
Der Kläger ist nach der Vorschrift des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in der bis zum Inkrafttreten der Neuregelung nach Art. 9 des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs am 02.12.2020 geltenden Fassung (im Folgenden UWG a.F.), die gemäß § 15a Abs. 1 UWG auf das am 01.09.2021 bereits rechtshängig gewesene Verfahren weiterhin anwendbar ist, zur Geltendmachung des mit der Berufung weiterverfolgten Unterlassungsanspruchs gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. §§ 3, 3a, 5a UWG a.F. befugt.
aa)
Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG a.F. stehen die Ansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen zu, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, wenn sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt.
Die Vorschrift regelt neben der sachlich-rechtlichen Anspruchsberechtigung zugleich die prozessuale Klagebefugnis. Deren Voraussetzungen müssen daher nicht nur im Zeitpunkt der beanstandeten Wettbewerbshandlung bestanden haben; als Sachurteilsvoraussetzung sind sie darüber hinaus in jeder Lage des Verfahrens – und damit auch im Berufungsrechtszug – von Amts wegen zu prüfen, wobei sich das Gericht des Freibeweises bedienen kann (vgl. BGH, Vorabentscheidungsersuchen vom 28.05.2020 – I ZR 186/17, App-Zentrum, GRUR 2020, 896, Rn. 32; Urteil vom 13.09.2018 – I ZR 26/17, Prozessfinanzierer, GRUR 2018, 1166, Rn. 12 jeweils m.w.N.). Die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich die Anspruchsberechtigung und die Prozessführungsbefugnis ergeben, liegt dabei nach den allgemeinen Grundsätzen bei dem klagenden Verband.
bb)
Bei dem Kläger handelt es sich um einen rechtsfähigen Verband zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG a.F.
Ob der Kläger, der als ein nach § 21 BGB rechtsfähiger Verein ein rechtsfähiger Verband in diesem Sinne ist, auch der Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen dient, ist anhand seiner Zielsetzung, d.h. seiner Satzung und seiner tatsächlichen Betätigung, zu ermitteln (vgl. BGH, Urteil vom 27.01.2005 – I ZR 146/02, Sammelmitgliedschaft III, GRUR 2005, 689; Urteil vom 06.04.2017 – I ZR 33/16, Anwaltsabmahnung II, GRUR 2017, 926, Rn. 18). Nach § 2 Abs. 2 der Satzung besteht der Verbandszweck des Klägers in der umfassenden Förderung insbesondere der rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen deutscher Online-Unternehmer und Online-Freiberufler, wobei unter anderem die rechtlichen Interessen der Mitglieder in den Bereichen des gewerblichen Rechtsschutzes einschließlich der Informations- und Kennzeichnungspflichten für definierte Waren und Dienstleistungen, des Urheberrechts, des Datenschutzrechts sowie des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gefördert werden sollen. Gemäß § 2 Abs. 4 der Satzung werden diese Zwecke unter anderem durch Erstellung und Versendung von Abmahnungen auf der Grundlage der Aktivlegitimation des Klägers nach dem UWG und dem Führen von Gerichtsverfahren verwirklicht. Dem kommt der Kläger unstreitig nach.
cc)
Dem Kläger gehört nach wie vor eine erhebliche Zahl von Unternehmern an, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art wie die von der Beklagten angebotenen Waren auf demselben Markt vertreiben.
Unstreitig ist, dass dem Kläger im April 2020 insgesamt 69 und im April 2021 90 Unternehmen angehörten, die bundesweit Hobby- und / oder Bastelartikel über die Handelsplattformen („Plattform 2“), („Plattform 1“) und bzw. oder in eigenen Online-Shops vertrieben haben und damit Wettbewerber der Beklagten waren. Diese Zahl ist erheblich im Sinne der Vorschrift. Denn hierfür müssen lediglich Unternehmen aus dem Kreis der Mitbewerber auf dem relevanten Markt nach Anzahl und/oder Größe, Marktbedeutung oder wirtschaftlichem Gewicht in der Weise repräsentativ vertreten sein, dass ein missbräuchliches Vorgehen des Verbandes ausgeschlossen werden kann (st. Rspr., s. etwa BGH, Urteil vom 16.11.2006 – I ZR 218/03, Sammelmitgliedschaft V, GRUR 2007, 610, Rn. 18 m.w.N.). Dies ist bei 69 bzw. 90 Unternehmen nicht zweifelhaft (vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2023 – I ZR 111/22, Mitgliederstruktur, GRUR 2023, 585, Rn. 30, wonach mehr als 20 auf dem einschlägigen Markt tätige Unternehmen ausreichen, um eine ernsthafte kollektive Wahrnehmung der Interessen durch den klagenden Verband zu bejahen).
Davon, dass dem Kläger auch weiterhin in entsprechender Anzahl derartige Unternehmen angehören, ist der Senat nach dem Vorbringen aus dem Schriftsatz vom 02.03.2023 (Blatt 1439 d.A.) überzeugt. Der Kläger hat hiermit eine 90 Unternehmer ausweisende Liste entsprechender Mitglieder nebst exemplarischer Ausdrucke aus deren Online-Inseraten, Beitragsrechnungen und Zahlungsnachweisen vorgelegt (Anlage BK57). Die Liste datiert zwar auf den 03.01.2022; die Ausdrucke der online veröffentlichten Inserate, der Beitragsrechnungen und der Zahlungsbelege weisen indes Daten zwischen Oktober 2022 und März 2023 aus. Diesem Vorbringen ist die Beklagte nicht entgegen getreten.
dd)
Der Senat ist ferner mit der nach § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit davon überzeugt, dass der Kläger nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande ist, seine satzungsmäßigen Aufgaben zu erfüllen.
Der Kläger hat vorgetragen, welche Personen er beschäftigt und unter Vorlage von Aus- und Weiterbildungsnachweisen dargelegt, über welche Kenntnisse diese verfügen. Ferner hat er durch entsprechende Unterlagen belegte Angaben zu seinen Büroräumen und seiner Büroausstattung, den hierfür anfallenden Kosten sowie zu seinen Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen gemacht. Zu berücksichtigen ist des Weiteren, dass der Kläger unstreitig seit dem Jahr 2012 tätig ist, er dabei – wie schon die Vielzahl der von beiden Parteien angeführten Entscheidungen aus Rechtsstreiten, an denen der Kläger beteiligt war bzw. ist, belegen – vielfach wettbewerbsrechtliche Ansprüche auch gerichtlich geltend gemacht hat und dass er noch in keinem Fall sich aus den Rechtsstreiten etwaig ergebenden Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen ist. Vor diesem Hintergrund wird das Vorhandensein einer ausreichenden finanziellen Ausstattung auch nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass der Kläger – wie die Beklagte meint – aufgrund der Vielzahl der von ihm eingeleiteten Verfahren erhebliche Kostenrisiken eingeht. Nach den Darlegungen im Schriftsatz des hiesigen Klägers an das Landgericht Köln zum dortigen Verfahren 81 O 7/21, den die Beklagte im hiesigen Rechtsstreit als Anlage B45 (Blatt 1324 ff. d.A.) vorgelegt hat und dessen Ausführungen sie unter anderem hinsichtlich der Einnahmen des Klägers ausdrücklich zum Gegenstand ihres Vortrags macht, waren die Einnahmen und Ausgaben des Klägers in den Jahren 2017-2020 in etwa ausgeglichen (s. Blatt 1355 ff. d.A.). Anhaltspunkte dafür, dass sich die finanzielle Situation des Klägers seither zu seinen Lasten verändert haben könnte, sind nicht ersichtlich. Vielmehr spricht der Umstand, dass sich der Kläger – schon in den vergangenen zehn Jahren und auch gegenwärtig – zur Finanzierung seiner Prozesstätigkeit in der Lage zeigt, für das Fortbestehen einer ausreichenden finanziellen Leistungsfähigkeit.
Die Liquidation der („Firma 1“) GmbH begründet ebenfalls keine durchgreifenden Zweifel an der Fähigkeit des Klägers zur Wahrnehmung seiner satzungsmäßigen Aufgaben. Die Ausführungen des Klägers, wonach er bestimmte Tätigkeiten auf die Gesellschaft ausgelagert habe, um einen Rechtsstreit hinsichtlich der Vereinbarkeit dieser Tätigkeiten mit den Zwecken eines Idealvereins zu vermeiden, er die Gesellschaft aber liquidiert und die Wahrnehmung der betreffenden Aufgaben wieder unmittelbar übernommen habe, nachdem er sich der vereinsrechtlichen Zulässigkeit dieser Tätigkeit hinreichend sicher sei, sind plausibel. Auch entsprechen diesem Vorbringen die weiteren Darlegungen des Klägers, wonach die Geschäftsführer der Gesellschaft, Frau („Name 2“) und Herr („Name 11“), zugleich Organe bzw. freie Mitarbeiter des Klägers gewesen seien, es sich auch bei den übrigen Mitarbeitern der Gesellschaft – den Herren („Name 9“), („Name 10“), („Name 12“) und („Name 7“) – um Mitarbeiter des Klägers gehandelthabe und die Gesellschaftsanteile der („Firma 1“) GmbH zunächst zu 52 % vom Kläger und zu 48 % – wie dem vom Beklagten vorgelegten Schriftsatz der Klägerseite an das Landgericht Köln zu entnehmen ist (s. Blatt 1351 d.A.) – von Herrn („Name 11“) gehalten worden seien, ehe der Kläger im Jahr 2022 Alleingesellschafter der Organgesellschaft geworden sei. Angesichts dieser Umstände, die von der Beklagten nicht bestritten sind, ist davon auszugehen, dass es dem Kläger ohne weiteres möglich ist, die auf die („Firma 1“) GmbH ausgelagert gewesenen Aufgaben nach Liquidation der Gesellschaft wieder unmittelbar wahrzunehmen.
Schließlich rechtfertigt auch die Mitgliederstruktur des Klägers nicht die Annahme, dass er zur tatsächlichen Wahrnehmung der Mitgliederinteressen nicht imstande sei. Der hiervon abweichenden Einschätzung des Oberlandesgerichtes Düsseldorf (Urteil vom 23.06.2022 – 20 U 325/20, Katzenfutter, GRUR-RS 2022, 21346) ist der Bundesgerichtshof entgegengetreten (Urteil vom 26.01.2023 – I ZR 111/22, Mitgliederstruktur, a.a.O., Rn. 31 ff.). Die dieser Entscheidung zu Grunde gelegten rechtlichen Erwägungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, teilt der Senat.
c)
Der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs steht auch nicht der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen.
aa)
Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG a.F., der inhaltsgleich mit § 8c Abs. 1, 2 Nr. 1 UWG (n.F.) ist, ist die Geltendmachung der in § 8 Abs. 1 UWG bezeichneten Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung wegen einer unzulässigen geschäftlichen Handlung unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.
Von einem Rechtsmissbrauch in diesem Sinne ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele sind. Diese müssen allerdings nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein; vielmehr reicht es aus, dass die sachfremden Ziele überwiegen (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 26.04.2018 – I ZR 248/16, Abmahnaktion II, GRUR 2019, 199; Versäumnisurteil vom 28.05.2020 – I ZR 129/19, Al Di Meola, GRUR 2020, 1087). Dabei ist jeweils unter Abwägung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu beurteilen, ob ein Missbrauch vorliegt. Maßgebend sind die Motive und Zwecke der Geltendmachung des Anspruchs, die in der Regel aber nur aus den äußeren Umständen erschlossen werden können. In die Beurteilung einfließen kann das Verhalten des Gläubigers bei der Verfolgung des konkreten, aber auch anderer Wettbewerbsverstöße (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2005 – I ZR 300/02, MEGA SALE, GRUR 2006, 243).
Ist die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs demnach als missbräuchlich anzusehen, führt dies dazu, dass der Anspruch nicht mehr gerichtlich geltend gemacht werden kann; eine dahingehende Klage ist unzulässig (st. Rspr., s. etwa BGH, Urteil vom 15.12.2011 – I ZR174/10, Bauheizgerät, GRUR 2012, 730, Rn. 47; BGH, Versäumnisurteil vom 26.04.2018 – I ZR 248/16, Abmahnaktion II, GRUR 2019, 199, Rn. 20). Das Vorliegen eines Missbrauchs ist daher, weil eine Prozessvoraussetzung betreffend, wiederum von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (BGH, Urteil vom 20.12.2001 – I ZR 215/98, Scanner-Werbung, GRUR 2002, 715), wobei sich das Gericht auch insoweit des Freibeweises bedienen kann (Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Auflage 2023, § 8c UWG, Rn. 42 m.w.N.).
Da grundsätzlich von der Zulässigkeit der Geltendmachung des Anspruchs auszugehen ist (vgl. KG, Urteil vom 30.03.2009 – 24 U 145/08, JACKPOT!, GRUR-RR 2010, 22), geht ein non-liquet zu Lasten der beklagten Partei. An dieser ist es daher grundsätzlich, Tatsachen für das Vorliegen eines Missbrauchs darzulegen und dafür Beweis anzubieten (s. etwa OLG Nürnberg, Urteil vom 15.01.2019 – 3 U 724/18, GRUR-RR 2019, 170). Dies gilt auch für das Vorgehen eines Verbandes, für den die Vermutung spricht, seinen satzungsmäßigen Zwecken nachzugehen (BGH, Urteil vom 06.04.2000 – I ZR 294/97, Impfstoffversand an Ärzte, GRUR 2001, 178). Ist allerdings durch entsprechenden Tatsachenvortrag die für die Anspruchsberechtigung sprechende Vermutung erschüttert, so muss der Kläger substanziiert die Gründe darlegen, die gegen einen Missbrauch sprechen (BGH, Urteil vom 06.04.2000 – I ZR 294/97, Impfstoffversand an Ärzte, GRUR 2001, 178; BGH Urteil vom 17.11.2005 – I ZR 300/02, MEGA SALE, GRUR 2006, 243, Rn. 21).
bb)
Nach diesen Maßstäben ist nicht festzustellen, dass die Geltendmachung des streitgegenständlichen Unterlassungsanspruchs missbräuchlich ist.
(1)
Der Annahme des Landgerichtes, die Rechtsverfolgung des Klägers sei missbräuchlich, weil aufgrund des geringen Anteils aktiver Mitglieder davon auszugehen sei, der Kläger nehme Mitglieder ganz überwiegend nur deshalb auf, um die für seine Aktivlegitimation und Klagebefugnis erforderlichen Voraussetzungen zu erreichen und auf diese Weise durch die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen auf unterschiedlichen sachlichen Märkten Einnahmen zu erzielen, vermag der Senat nicht beizutreten.
Schon im Hinblick auf den Vereinszweck nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der Satzung, die wirtschaftlichen Interessen deutscher Online-Unternehmer und Online-Freiberufler umfassend zu fördern, ist es ohne weiteres plausibel, dass der Kläger um eine möglichst große Mitgliederzahl bemüht ist. Auch erscheint es noch nachvollziehbar, dass der Kläger – wie den von den Parteien eingereichten Schriftsätzen des Klägers in anderen Verfahren zu entnehmen ist – seine Vereinsziele bei der Vielzahl der Mitglieder nicht mit kostspieligen Versammlungen und endlosen Debatten mit juristischen Laien zu erreichen sucht und deshalb als Regelfall die passive Mitgliedschaft mit eingeschränkten Rechten vorgesehen hat. Denn hierdurch kann der für die Vereinsverwaltung erforderliche Aufwand reduziert und damit ein größerer Teil der personellen und sächlichen Ressourcen des Vereins zur Förderung des Satzungszwecks eingesetzt werden.
(2)
Die Annahme, es gehe dem Kläger vorrangig um die Verfolgung sachfremder Motive, rechtfertigt sich nicht daraus, dass sich der Beitrag für passive Mitglieder im Zeitraum 2020/ 2021 nach den mit Anlage K8c vorgelegten Beitragsrechnungen (AB III) auf lediglich 96 € (netto) im Jahr belief, während aktive Mitglieder nach dem Berufungsvorbringen einen monatlichen Mitgliedsbeitrag zwischen 1.000 € bis 5.000 €, also einen Jahresbeitrag von bis zu 60.000 € leisten oder sich in anderer Weise aktiv beim Kläger einbringen mussten.
Die vom Kläger für diese Differenzierung angeführte Begründung, wonach über aktive Mitglieder vermittelte mittelbare Mitglieder ohne weiteres von seinen Leistungen profitieren könnten, weshalb entsprechende aktive Mitglieder einen höheren Beitrag zahlten, ist jedenfalls nicht unplausibel. Zwar ist keine Satzungsbestimmung ersichtlich, der zufolge bei Verbänden, die aktive Mitglieder sind, auch deren Mitglieder die Leistungen des Klägers in Anspruch nehmen können, während dies bei Verbänden mit passiver Mitgliedschaft nicht der Fall ist. Immerhin sieht aber § 3 Abs. 6 der Satzung (Anlage K3, Anlagenband I) vor, dass bei Aufnahme rechtsfähiger Verbände oder Vereinigungen dessen Mitglieder „nicht zwangsläufig selbst Mitglieder“ des Klägers werden, und dass die rechtliche Ausgestaltung solcher Mitgliedschaften durch Vertrag zwischen dem Kläger und dem Bewerber geregelt wird. Dass der Kläger eine derartige Vereinbarung, die den Mitgliedern des Bewerbers unmittelbaren Zugriff auf seine Leistungen eröffnet, nur bei Eingehung einer aktiven Mitgliedschaft mit entsprechend höheren Beiträgen abzuschließen bereit ist, liegt nahe. Entsprechendes gilt für das weitere Vorbringen des Klägers, wonach Rechtsdienstleister deshalb höhere Beiträge zahlten, weil ihnen die Möglichkeit eingeräumt werde, ihren Kunden die Mustertexte und den Support des Klägers zukommen zu lassen.
(3)
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist im Streitfall auch nicht anzunehmen, es gehe dem Kläger mit seiner Abmahntätigkeit und der Geltendmachung von Vertragsstrafen vorrangig darum, Einnahmen zu generieren und bestimmten Personen unangemessen hohe Zahlungen zukommen zu lassen.
Der Kläger hat seine Einnahmen und seine Aufwendungen für Personal konkret dargelegt. Dem Vorbringen ist zu entnehmen, dass die aufgewandten Mittel nicht – wie von der Beklagten geltend gemacht worden ist – im Wesentlichen sechs bzw. acht Personen zugeflossen sind, sondern dass der Kläger insgesamt 13 Personen als Organe, Angestellte und freie Mitarbeiter beschäftigt, nämlich Frau („Name 2“), Herrn („Name 12“), Herrn („Name 9“), Herrn („Name 10“), Frau („Name 1“), Frau („Name 3“), Frau („Name 4“), Frau („Name 13“), Frau („Name 5“), Herrn („Name 7“), Frau („Name 6“), Herrn („Name 11“) und Rechtsanwalt („Name 8“). Auch lassen die vom Kläger dargelegten Gehalts- und Vergütungshöhen nicht ohne weiteres auf eine Unangemessenheit der geleisteten Zahlungen schließen.
Dass die Voraussetzungen eines Rechtsmissbrauchs insofern mithin nicht festzustellen sind, geht zulasten der hierfür darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten. Diese kann sich nicht auf ein bloßes Bestreiten des klägerischen Vorbringens beschränken, sondern war gehalten, dem unter Beweisantritt entgegenzutreten. Der Einwand, hierzu mangels substantiierten Vortrags des Klägers nicht in der Lage zu sein, trifft nicht zu. Der Kläger hat zwar nicht dargelegt, welche konkreten Leistungen die benannten Mitarbeiter im Gegenzug für die behaupteten Zahlungen erbracht haben. Er hat aber die Aufgabenbereiche der Mitarbeiter geschildert und deren jeweilige Abrechnungsgrundlagen mitgeteilt. Beispielsweise ist ausgeführt worden, dass es sich bei Herrn („Name 12“), der bis zum 31.12.2021 Vorstand des Klägers gewesen sei, um einen erfahrenen Kaufmann mit Kontakten zu Wirtschaftsunternehmen und Kenntnissen in der Zusammenarbeit mit Verbänden und mit Lobbyarbeit handle. Er habe die Tätigkeitsfelder Arbeitsabläufe, Steuerliche Fragen, Beratung und Unterstützung beim Forderungsmanagement der Mitglieder, Beratung der Mitglieder in werblichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten, Liquiditätsplanung, Lobbyarbeit usw. (Schriftsatz vom 23.11.2022, Seite 22, Blatt 1173 d.A.) bearbeitet und mit einem Stundensatz von 200 € netto abgerechnet. Aufgrund dieser Ausführungen und den entsprechenden Angaben zu den weiteren Mitarbeitern des Klägers war es der Beklagten hinreichend möglich, die Angemessenheit der geleisteten Vergütungszahlungen zu überprüfen.
(4)
Die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens rechtfertigt sich ferner nicht unter dem Gesichtspunkt eines selektiven Verschonens wettbewerbswidrig handelnder Mitglieder des Klägers.
Einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. klagebefugten Verband ist es grundsätzlich nicht verwehrt, nur gegen bestimmte Verletzer gerichtlich vorzugehen. Die Entscheidung hierüber steht ebenso in seinem freien Ermessen, wie es dem einzelnen Gewerbetreibenden freisteht, ob und gegen welche Mitbewerber er Klage erheben will. Eine andere Beurteilung kann zwar bei Vorliegen besonderer Umstände im Einzelfall in Betracht kommen, etwa wenn ein Verband gegen außenstehende Dritte vorgeht, den unlauteren Wettbewerb durch gleichartige Verletzungshandlungen der eigenen Mitglieder jedoch planmäßig duldet (BGH, Urteil vom 23.01.1997 – I ZR 29/94, Produktwerbung, GRUR 1997, 681; Urteil vom 17.08.2011 – I ZR 148/10, Glücksspielverband, a.a.O.; Urteil vom 26.01.2023 – I ZR 111/22, Mitgliederstruktur, a.a.O.). Derartige Umstände sind dem Sachvortrag der Beklagten aber nicht zu entnehmen. Sie zeigt weder auf, dass der Kläger gegen Wettbewerbsverstöße von Mitgliedern nicht – und nicht etwa nur auf andere Weise als gegenüber Nicht-Mitgliedern – vorgeht, noch benennt sie greifbare Anhaltspunkte für ein diesbezüglich planmäßiges oder gezieltes Vorgehen. Insofern verbleibt der Senat bei der im Urteil vom 19.07.2022 im Verfahren 6 U 41/21 (aromatisierter Zucker, GRUR-RR 2023, 81, Rn. 32 ff.) dargelegten Rechtsauffassung. Auf die dortigen Ausführungen, der im Wesentlichen dieselben Erwägungen zu Grunde lagen, die auch vorliegend von Beklagtenseite vorgebracht werden, wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
Auch das Vorbringen der Beklagten, wonach in Internet-Auftritten von Mitgliedern des Klägers festgestellte Wettbewerbsverstöße selbst längere Zeit nach deren Anzeige beim Kläger noch vorhanden gewesen seien, lässt ohne weiteres nicht darauf schließen, dass der Kläger gegen eigene Mitglieder planmäßig, also grundsätzlich nicht oder zumindest verhältnismäßig seltener als gegen Nicht-Mitglieder vorgeht.
Da es mithin bereits an einem prozessual beachtlichen Vortrag der (primär) darlegungsbelasteten Partei fehlt, trifft den Kläger insoweit auch keine sekundäre Darlegungslast (vgl. etwa BGH, Urteil vom 08.12.2021 – VIII ZR 190/19, NJW 2022, 1238).
(5)
Der Senat vermag der Beklagten des Weiteren nicht darin zu folgen, ein vorrangig auf die Erzielung von Vertragsstrafen gerichtetes Interesse des Klägers daraus herleiten zu können, dass Abmahnschreiben zu weit gefasst würden.
Unter der Geltung von § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG a.F. kann es als ein Indiz für einen Missbrauch anzusehen sein, wenn eine vom Gläubiger vorgefertigte Unterlassungsverpflichtungserklärung so weit gefasst ist, dass darunter auch gänzlich andere als die abgemahnten Verstöße fallen (vgl. BGH, Urteil vom 15.12.2011 – I ZR 174/10, Bauheizgerät, GRUR 2012, 730, Rn. 26). Nach § 8c Abs. 2 Nr. 5 UWG n.F. ist eine missbräuchliche Geltendmachung im Zweifel anzunehmen, wenn eine vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung offensichtlich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht. Die Annahme eines Rechtsmissbrauchs wegen eines überschießenden Unterlassungsverlangens setzt mithin sowohl nach alter als auch nach neuer Rechtslage ein in unvertretbarer Weise zu weit gefasstes Unterwerfungsverlangen voraus (vgl. Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Auflage 2023, § 8c UWG, Rn. 21). Hieran fehlt es vorliegend.
Die Beklagte macht zwar dem Grunde nach zutreffend geltend, dass die vom Kläger vorgeschlagene Verpflichtungserklärung die Information der Verbraucher über vom Hersteller angebotene Garantien umfasste, obwohl er der Beklagten nicht zur Last legt, nicht über eine bestehende Herstellergarantie informiert zu haben. Es ist aber zumindest vertretbar, anzunehmen, dass ein Verstoß gegen die Informationspflichten nach § 312d Abs. 1 Satz 1, Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB in der bis zum 27.05.2022 geltenden Fassung (im Folgenden: EGBGB a.F.) in Bezug auf eine vom Hersteller angebotene Garantie kerngleich mit einem Verstoß gegen die Pflicht zur Information über die vom Händler beworbene Garantie und daher in die Reichweite des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs einbezogen ist.
Im Ergebnis gleiches gilt im Hinblick darauf, dass die vom Kläger vorgeschlagene Verpflichtungserklärung hinsichtlich des gerügten Fehlens von Grundpreisangaben nicht auf den geschäftlichen Verkehr über das Internet beschränkt ist. Davon abgesehen ist nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte Hobby- und Bastelartikel auch abseits des Online-Handels vertreibt und der Kläger zumindest die Möglichkeit in Betracht gezogen hat, einen außerhalb des geschäftlichen Verkehrs über das Internet begangenen Verstoß der Beklagten gegen den Unterlassungsvertrag feststellen und ahnden zu können. Aus denselben Erwägungen lässt auch die fehlende Beschränkung auf den geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern unter den konkreten Umständen des Streitfalls nicht darauf schließen, dass es dem Kläger hiermit darum gegangen sein könnte, seine Möglichkeiten zur Erlangung einer Vertragsstrafe zu erhöhen. Soweit die Beklagte die von der vorgeschlagenen Erklärung umfasste Verpflichtung beanstandet, Gesamtpreis und Grundpreis in unmittelbarer Nähe darzustellen, fehlt es bereits in rechtlicher Hinsicht an einer zu weiten Fassung der Unterlassungsverpflichtung (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 19.05.2022 – I ZR 69/21, Grundpreisangabe im Internet, GRUR 2022, 1163).
Dem Vorbringen der Beklagten, der Kläger fasse Abmahnschreiben standardmäßig und systematisch zu weit, ermangelt es an einem hinreichend konkreten Tatsachenvortrag.
(6)
Unschlüssig ist ferner das Vorbringen der Beklagten, wonach ein Missverhältnis zwischen den Einnahmen des Klägers und den von ihm eingegangenen Kostenrisiken bestehe. Das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten erschöpft sich im Wesentlichen in der Behauptung zur Anzahl der von der Kanzlei des Beklagtenvertreters bearbeiteten Streitfälle, die wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche des Klägers zum Gegenstand haben. Mit dem unter Beweis gestellten Vortrag des Klägers zu den Einnahmen und dem Mitgliederbestand des Vereins setzt sich die Beklagte insoweit nicht auseinander. Auch ist unstreitig geblieben, dass der Kläger seine finanziellen Verpflichtungen, insbesondere gegenüber Gerichten, beauftragten Rechtsanwälten und kostenerstattungsberechtigten Gegnern, bislang stets vollständig erfüllt hat.
Die behaupteten Umstände, dass der Kläger zwischen 2017 und 2020 in mehr als 5.000 Fällen Abmahnverfahren nicht weiterverfolgt habe und dass in der Kanzlei der Beklagtenvertreter aus dem Zeitraum seit Anfang 2019 mehr als 100 vom Kläger eingeleitete Abmahnverfahren vorlägen, in denen Unterlassungsansprüche nicht weiterverfolgt worden seien, rechtfertigt ohne weiteres ebenfalls nicht den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs. Der Kläger hat mit näheren Ausführungen vorgetragen, in 25 % der nicht weiterverfolgten Fälle hätten sich die maßgebenden Rechtsfragen zwischenzeitig geklärt gehabt oder habe eine Klärung in anderen Verfahren abgewartet werden sollen. In 12 % der Fälle seien Ansprüche ohne förmliche Unterwerfung anerkannt und die betreffenden Webseiten komplett überarbeitet worden. In 9 % der Fälle seien die Verstöße beseitigt worden und sei aus sozialen bzw. wirtschaftlichen Aspekten von der weiteren Verfolgung abgesehen worden. In einer bestimmten Anzahl von Fällen seien festgestellte Wettbewerbsverstöße deshalb nicht weiterverfolgt worden, weil die betreffenden Geschäfte aufgegeben oder die Webseiten dauerhaft abgeschaltet worden seien oder weil im Ausland ansässige Unternehmen für Zustellungen nicht erreichbar gewesen seien. Diesem Vorbringen, mit dem der Kläger seiner sekundären Darlegungslast Rechnung getragen hat, hat die Beklagte keinen Sachvortrag entgegengehalten, der darauf schließen lässt, dass die vom Kläger genannten Gründe lediglich vorgeschoben sind und er die fraglichen Wettbewerbsverstöße tatsächlich deshalb nicht weiterverfolgt hat, weil er – wie die Beklagte geltend macht: – das Kostenrisiko scheue und stattdessen „lieber“ gerichtliche Vertragsstrafenverfahren führe.
Davon abgesehen sprechen das Verhältnis zwischen der für die vier Jahre von 2017-2020 genannten Zahl nicht weiterverfolgter Wettbewerbsverstöße und der Anzahl der Mitglieder des Klägers sowie die Vielzahl der – auch von der Beklagten – zitierten gerichtlichen Entscheidungen zu vom Kläger geltend gemachten wettbewerblichen Unterlassungsansprüchen gegen die Annahme, die Tätigkeit des Klägers sei vorrangig auf die Verfolgung von Vertragsstrafenansprüchen, statt auf die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen gerichtet.
(7)
Dass Vereinsorgane und auch deren Angehörige aktive Mitglieder des Vereins sind, erscheint nicht unüblich und rechtfertigt entgegen der Auffassung der Beklagten ebenfalls nicht den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers. Gleiches gilt für die sonstigen Verbindungen zwischen den Vorständen des Vereins und weiteren aktiven Mitgliedern. Hinzu kommt, dass die von der Beklagten aufgezeigten familiären und sonstigen Verbindungen von Organen des Klägers zu weniger als der Hälfte seiner aktiven Mitglieder bestehen.
(8)
Da weder die vorstehend erörterten Gesichtspunkte noch das weitere Vorbringen der Beklagten hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen des Klägers bieten, rechtfertigt sich die Annahme des Rechtsmissbrauchs schließlich auch nicht in der anzustellenden zusammenfassenden Gesamtwürdigung der konkreten Umstände des Streitfalls.
2.
Die Klage ist ganz überwiegend begründet, unbegründet ist die Klage insoweit, als der Unterlassungsantrag zu 1. auch eine vom Hersteller angebotene Garantie erfasst, denn in diesem Punkt fehlt es an der für einen Unterlassungsanspruch erforderlichen Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr.
a)
Der mit dem Klageantrag zu 1. geltend gemachte Unterlassungsanspruch rechtfertigt sich im zuerkannten Umfang aus § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, §§ 3a, 5a Abs. 2 Satz 1, 4 UWG a.F. i.V. mit § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB a.F. und mit § 479 Abs. 1 Satz 2 BGB in der bis 31.12.2012 geltenden Fassung (im Folgenden: BGB a.F.). Aus den seither in Kraft getretenen Änderungen von §§ 8, 5a UWG, Art. 246a § 1 EGBGB und § 479 BGB folgt keine für den Streitfall maßgebliche Änderung der Rechtslage.
aa)
Bei der in Rede stehenden Werbung der Beklagten für die („Ware 1“) auf der Internetplattform („Plattform 1“) handelt es sich um eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Diese war zum Zeitpunkt ihrer Vornahme im September 2020 und auch zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Berufungsinstanz sowohl nach § 3 Abs. 1 UWG, § 5a Abs. 2, 4 UWG a.F. bzw. § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG (n.F.) als auch nach § 3 Abs. 1, § 3a UWG jeweils i.V. mit § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB a.F. bzw. Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 EGBGB (n.F.) und mit § 479 Abs. 1 Satz 2 BGB unlauter.
Gemäß § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Unternehmer bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen verpflichtet, den Verbraucher nach Maßgabe des Art. 246a EGBGB zu informieren. Diese Pflicht umfasst nach Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB a.F. und Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 EGBGB n.F. gegebenenfalls Informationen über das Bestehen und die Bedingungen von Garantien. Diese Informationen sind dem Verbraucher nach Art. 246a § 4 Abs. 1 EGBGB vor Abgabe von dessen Vertragserklärung in klarer und verständlicher Weise zur Verfügung zu stellen. Nach der für den Verbrauchsgüterkauf geltenden Vorschrift des § 479 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. muss eine Garantieerklärung zudem den Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers und darauf enthalten, dass diese durch die Garantie nicht eingeschränkt werden, sowie den Inhalt der Garantie und alle wesentlichen Angaben, die für die Geltendmachung der Garantie erforderlich sind, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie den Namen und die Anschrift des Garantiegebers. Entsprechendes gilt nach § 479 Abs. 1 Satz 2 BGB (n.F.).
Diesen Anforderungen trägt die angegriffene Werbung der Beklagten nicht Rechnung. Die („Ware 1“) wird mit der Aussage „10 Jahre Garantie" beworben, ohne Angaben zum Inhalt und den Bedingungen der Garantie zu machen, den Garantiegeber zu benennen und auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers hinzuweisen.
Die von der Beklagten damit verletzten Informationspflichten stellen Marktverhaltensregelungen i.S.v. § 3a UWG dar (Köhler, in: ders./Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Auflage 2023, § 3a UWG, Rn. 1.311; vgl. auch BGH Urteil vom 20.10.2021 – I ZR 96/20, Kurventreppenlift, GRUR 2021, 1531, Rn. 14, 29, Urteil vom 10. November 2022 – I ZR 241/19, Herstellergarantie IV, GRUR 2022, 1832 Rn. 44).
Die inkriminierte Werbung der Beklagten ist im Sinne dieser Vorschrift auch geeignet, die durch § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 246a § 1 EGBGB und § 479 Abs. 1 Satz 2 BGB geschützten Interessen von Verbrauchern und sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Bei den fehlenden Angaben zu den Bedingungen der beworbenen Garantie handelt es sich um wesentliche Informationen (§ 5a Abs. 4 UWG a.F. bzw. § 5b Abs. 4 UWG). Durch die Pflicht, dem Verbraucher die betreffenden Informationen zur Verfügung zu stellen, bevor dieser eine vertragliche Bindung eingeht, soll unter anderem sichergestellt werden, dass der Verbraucher vor Abschluss eines Vertrags über dessen Bedingungen und Folgen unterrichtet ist, um ihm die Entscheidung zu ermöglichen, ob er sich vertraglich binden will (vgl. EuGH, Urteil vom 05.05.2022 – C-179/21, EuZW 2022, 611, Rn. 26). Dieses Anliegen erfordert es, den Verbraucher gegebenenfalls auch über den Inhalt und die Konditionen einer vom Kaufvertrag umfassten Garantievereinbarung zu unterrichten. Denn durch das Vorenthalten derartiger Informationen kann bei dem angesprochenen Verbraucher der Anschein erweckt werden, der Abschluss des Vertrages über das mit der Garantie beworbene Produkt sei günstiger, als ein anderweitiger Erwerb des gleichen Produktes ohne Garantie, auch wenn die Garantie aufgrund ihres Inhalts oder ihrer Bedingungen keinen praktisch relevanten Mehrwert gegenüber den gesetzlichen Rechten des Käufers bietet.
Aus denselben Erwägungen stellt der hier in Rede stehende Verstoß der Beklagten gegen § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB a.F. bzw. Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 EGBGB eine Irreführung durch Unterlassen im Sinne von § 5a Abs. 2, 4 UWG a.F. bzw. § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG dar.
bb)
Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr wird aufgrund der begangenen Verletzungshandlung vermutet. Da die Beklagte mit der in Rede stehenden Werbeaussage „10 Jahre Garantie" eine Garantie angeboten hat, ohne Angaben zum Inhalt und den Bedingungen der Garantie zu machen, den Garantiegeber zu benennen und auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers hinzuweisen, greift die vorgenannte tatsächliche Vermutung insoweit ein.
Anders verhält es sich aber, soweit der Antrag auch Herstellergarantien einschließt. Eine Herstellergarantie erwähnt die vom Kläger beanstandete Werbung der Beklagten nicht. Zwar erstreckt sich die Wiederholungsfahr grundsätzlich auch auf im Kern gleichartige Verstöße, ein kerngleicher Verstoß ist entgegen der Ansicht der Klägerin aber zu verneinen.
Im Kern gleichartig ist ein Verhalten, das von der Verletzungshandlung nur unbedeutend abweicht, weil sich das Charakteristische der Verletzungshandlung auch in dem abweichenden Verhalten wiederfindet (Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Auflage 2023, § 8 UWG, Rn. 1.47). Das ist für den hier zu beurteilenden Fall der Informationspflichten bei Werbung des Unternehmers für seine eigene Garantie einerseits und für eine vom Hersteller gebotene Garantie andererseits nicht der Fall.
Da nach dem nationalen und dem unionsrechtlichen Begriff der (gewerblichen) Garantie der die Ware anbietende Unternehmer und der die Garantie gewährende Hersteller nicht identisch sein müssen, können die Informationspflichten nach § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB a.F., Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 EGBGB n.F. den Unternehmer allerdings auch im Falle einer Werbung mit einer Herstellergarantie treffen. Nach der Rechtsprechung des EuGH wird die Pflicht des Unternehmers zur Informationserteilung hinsichtlich der vom Hersteller angebotenen Garantie (Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU) aber nicht schon allein aufgrund des Bestehens dieser Garantie ausgelöst, sondern lediglich dann, wenn der Verbraucher ein berechtigtes Interesse daran hat, Informationen über die Garantie zu erhalten, um sich entscheiden zu können, ob er sich vertraglich an den Unternehmer binden möchte. Ein solches berechtigtes Interesse liegt insbesondere dann vor, wenn der Unternehmer die gewerbliche Garantie des Herstellers zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots macht (EuGH, Urteil vom 5. Mai 2022 – C-179/21, GRUR 2022, 832; BGH, Urteil vom 10. November 2022 – I ZR 241/19, Herstellergarantie IV a.a.O. Rn. 34). Erwähnt eine Produktwerbung im Internet eine Herstellergarantie hingegen nur beiläufig oder in belangloser oder vernachlässigbarer Weise, so dass sie im Hinblick auf Inhalt und Ausgestaltung des Angebots objektiv weder als Geschäftsargument angesehen werden noch einen Irrtum beim Verbraucher hervorrufen kann, ist der Unternehmer nicht verpflichtet, dem Verbraucher vorvertragliche Informationen über die Garantie zur Verfügung zu stellen (BGH, Urteil vom 10. November 2022 – I ZR 241/19, Herstellergarantie IV a.a.O. Rn. 36). Folglich ist das Charakteristische der Verletzungshandlung im Falle einer Werbung mit einer Herstellergarantie im Unterschied zur Werbung mit einer eigenen Garantie auch davon geprägt, dass der Unternehmer die Aufmerksamkeit des Verbrauchers ausdrücklich auf das Bestehen derselben lenkt, um daraus ein (zusätzliches) Verkaufs- oder Werbeargument herzuleiten.
Das Bestehen einer Erstbegehungsgefahr nimmt der Kläger nicht für sich in Anspruch, ein tragfähiger Anhalt dafür ist auch nicht ersichtlich.
b)
Das mit dem Klageantrag zu 2. verfolgte Unterlassungsbegehren begründet sich ebenfalls aus § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 UWG a.F. sowie § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG (n.F.) i.V. mit § 1 Abs. 1 Satz 1, § 2 Abs. 1 PAngV in der bis zum 27.05.2022 geltenden Fassung (a.F.) sowie § 4 Abs. 1 PAngV in der seit dem 28.05.2022 geltenden Fassung. Die Beklagte hat sich unlauter verhalten, weil sie Verbrauchern in den inkriminierten Werbeinseraten wesentliche Informationen über den Grundpreis der beworbenen Waren vorenthalten hat.
aa)
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV a.F. hat derjenige, der Verbrauchern gewerbs- oder geschäftsmäßig oder regelmäßig in sonstiger Weise Waren in Fertigpackungen, offenen Packungen oder als Verkaufseinheiten ohne Umhüllung nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche anbietet, neben dem Gesamtpreis (§ 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV) auch den Preis je Mengeneinheit einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile (Grundpreis) in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises anzugeben. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 PAngV (n.F.) hat derjenige, der als Unternehmer Verbrauchern Waren in Fertigpackungen, offenen Packungen oder als Verkaufseinheiten ohne Umhüllung nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche anbietet oder als Anbieter dieser Waren gegenüber Verbrauchern unter Angabe von Preisen wirbt, neben dem Gesamtpreis auch den Grundpreis unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar anzugeben. Die Pflicht zur Grundpreisangabe beruht auf der Richtlinie 98/6/EG und stellt eine wesentliche Informationspflicht gem. Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG dar (vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2023 – I ZR 111/22, Mitgliederstruktur, a.a.O., Rn. 61 m.w.N.).
Die Beklagte hat als Unternehmerin in den inkriminierten Inseraten über die Verkaufsplattform („Plattform 1“) („Ware 2“) in einer Blockgröße von 57 g, („Ware 3“) in einer Abpackung von 750 ml und („Ware 4“) mit einer Länge von 30 m beworben. Eine der Ausnahmevorschriften nach § 9 Abs. 4, 5 oder 6 PAngV a.F. oder § 4 Abs. 3 PAngV (n.F.) ist für diese Waren nicht einschlägig. Insbesondere verfügen die Waren nicht über ein Nenngewicht oder Nennvolumen von weniger als 10 Gramm oder Milliliter (§ 9 Abs. 4 Nr. 1 PAngV a.F., § Abs. 3 Nr. 1 PAngV). Der damit ausgelösten Pflicht zur Angabe des Grundpreises nach § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV a.F. bzw. § 4 Abs. 1 Satz 1 PAngV (n.F.) hat die Beklagte nicht Rechnung getragen; in den Werbeinseraten ist neben dem Gesamtpreis der Grundpreis nicht angegeben worden.
Die fehlende Information über den Grundpreis stellt im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG a.F. und § 5a Abs. 1 UWG (n.F.) eine wesentliche Information dar, die der Verbraucher nach den Umständen benötigte, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten geeignet war, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Ein Unternehmer, der geltend macht, dass der Verbraucher – abweichend vom Regelfall – eine ihm vorenthaltene wesentliche Information für eine Kaufentscheidung nicht benötigt und dass das Vorenthalten dieser Information den Verbraucher nicht zu einer anderen Kaufentscheidung veranlassen kann, trifft eine sekundäre Darlegungslast (Urteil vom 26.01.2023 – I ZR 111/22, Mitgliederstruktur, a.a.O., Rn. 64). Dahingehenden Sachvortrag hat die Beklagte nicht gehalten.
Die Beklagte ist demnach entsprechend dem Klageantrag zur Unterlassung zu verurteilen, wobei zu ergänzen ist, dass sich der Anspruch auf den geschäftlichen Verkehr mit dem Verbraucher bezieht. Da der diesbezügliche Unterlassungsanspruch bereits nach der Klagebegründung allein in Bezug auf an den Letztverbraucher gerichtete Angebote geltend gemacht worden ist, handelt es sich hierbei allerdings nicht um eine Abweichung vom Klagebegehren, sondern lediglich um eine Klarstellung, die inhaltlich dem Klagebegehren entspricht, wie es dem Antrag bei gebotener Auslegung zu entnehmen ist.
Auch ist dem Klageantrag im Hinblick auf die Anforderung zu folgen, Grundpreis und Gesamtpreis „jeweils unmissverständlich, klar erkennbar (in unmittelbarer Nähe) und gut lesbar“ anzugeben. Die in § 2 Abs. 1 PAngV a.F. enthaltene Bestimmung, wonach der Grundpreis in unmittelbarer Nähe zum Gesamtpreis anzugeben ist (vgl. hierzu BGH, Versäumnisurteil vom 19.05.2022 – I ZR 69/21, Grundpreisangabe im Internet, GRUR-RS 2022, 15055), findet sich zwar nicht im Wortlaut von § 4 Abs. 1 Satz 1 PAngV (n.F.). Nach dem Willen des Verordnungsgebers ist die Vorgabe einer guten Erkennbarkeit aber so auszulegen, dass Gesamtpreis und Grundpreis auch weiterhin auf einen Blick wahrnehmbar seien müssen (BR-Drs 669/21, Seite 30).
Schließlich bedarf es keiner Beschränkung auf den Vertrieb über das Internet, da ein über andere Handelskanäle begangener Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 PAngV (n.F.) kerngleich wäre.
bb)
Die Wiederholungsgefahr stützt sich auf die infolge begangener Verletzungshandlung begründete Vermutung.
3.
Die Kostenentscheidung begründet sich aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Zuvielforderung des Klägers im Unterlassungsantrag zu 1. ist verhältnismäßig gering und hat keine besonderen Kosten verursacht.
Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus § 708 Nr. 10 Satz 1, § 711, § 709 Satz 2 ZPO.
Anlass für die Zulassung der Revision besteht nicht (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Entscheidung beruht auf der Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze, sodass die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 51 Abs. 2, § 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG.