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Entscheidung 14 K 2457/18


Metadaten

Gericht VG Potsdam 14. Kammer Entscheidungsdatum 21.02.2023
Aktenzeichen 14 K 2457/18 ECLI ECLI:DE:VGPOTSD:2023:0221.14K2457.18.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Genehmigungsbescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom wird insoweit aufgehoben, als dass
unter den Tenorpunkten IV. b) 2. bis 6 und IV. c) eine Ersatzpflanzung angeordnet und die Erhebung einer Ausgleichszahlung vorbehalten ist; der
Widerspruchsbescheid wird zusätzlich hinsichtlich Tenorpunkt 3. Aufge-hoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Auflage einer Ersatzpflanzung und eine Gebührenfestsetzung, die im Zusammenhang mit einer ihm erteilten Genehmigung zur Fällung einer Pappel auf dem Flurstück , Flur der Gemarkung stehen.

Der circa 23 Meter hohe Baum stand bis zur Fällung von drei Bäumen durch die Stadt im Jahr in einer Baumgruppe, was zu einem einseitigen Bewuchs geführt hatte. Als der Kläger am den Antrag auf Erteilung einer Fällgenehmigung stellte, hatte die Pappel bereits eine Neigung entwickelt.

Mit Bescheid vom (im Folgenden: Genehmigungsbescheid) erteilte der Beklagte dem Kläger die Genehmigung zur Fällung der Pappel auf Grundlage der Gehölzschutzverordnung Potsdam-Mittelmark (GehölzSchutzVO PM, Tenorpunkt I.), zudem die Befreiung vom Baumbeseitigungsverbot der Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet („Potsdamer Wald- und Havelseengebiet“, Tenorpunkt II.) sowie die Befreiung vom Gehölzbeseitigungsverbot innerhalb der geschützten Nist- und Brutzeit (Tenorpunkt III.). Unter IV. ordnete der Beklagte mehrere Nebenbestimmungen an, unter b) 2. die hier angegriffene Ersatzpflanzung, wonach für die Beseitigung der Pappel im Herbst 2017 Ersatz durch Anpflanzung eines heimischen, standortgerechten Laubbaums in bestimmter Mindestpflanzqualität zu leisten ist.

Neben diversen Spezifikationen hinsichtlich der Ersatzpflanzung in den Tenor-punkten IV. b) 3. bis 6., wird unter IV. c) des Bescheides festgelegt, dass sich die untere Naturschutzbehörde die Erhebung einer Ausgleichszahlung in Höhe von 350 Euro vorbehält, soweit die beauflagte Pflanzung nicht oder nicht fristgerecht umgesetzt wird.

Zur Begründung führte der Beklagte an, dass die GehölzSchutzVO PM anwendbar sei, weil der Stammumfang des Baumes mehr als 60 cm betrage und dieser im Außenbereich stehe. Die Fällgenehmigung sei gestützt auf § 7 Abs. 1, 2 c) GehölzSchVO PM, wonach die Genehmigung bei von geschützten Landschaftsbestand-teilen ausgehenden Gefahren für Personen oder für Sachen von bedeutendem Wert zu erteilen sei. Dem Antrag habe ein aussagefähiges Foto beigelegen, welches die Gefahrenlage deutlich dargelegt habe, weshalb auf eine Ortsbesichtigung habe verzichtet werden können. Die Pappel habe sich aufgrund der extremem Wetter-ereignisse der letzten Wochen geneigt und sei nunmehr in eine Schräglage in Richtung eines Gebäudes des Klägers geraten. Die Anordnung der Ersatzpflanzung begründete er damit, dass dem Antragsteller gemäß § 8 Abs. 1 GehölzSchVO PM auferlegt werden soll, als Ersatz Gehölze zu pflanzen; für einen Baum, der aufgrund einer akuten Gefahr gefällt werde, sei nur ein Ersatzbaum zu pflanzen.

Mit (Gebühren-)Bescheid (gleichfalls) vom setzte der Beklagte für die Erarbeitung des Bescheides eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 60 Euro fest.

Mit am beim Beklagten eingegangenen Schreiben erhob der Kläger Widerspruch gegen beide Bescheide. Die GehölzSchutzVO PM sei schon nicht anwendbar, weil das Flurstück, auf dem der Baum gestanden habe, im Außen-bereich gelegen sei. Davon abgesehen bedürfe die Notfällung von Bäumen keiner Genehmigung, weshalb auch eine Ersatzpflanzungspflicht nicht bestehe, wofür er auf § 6 a) und § 8 GehölzSchutzVO PM verweist.

Den Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom zurück und setzte unter Tenorpunkt 3. hierfür eine Gebühr in Höhe von 60 Euro fest.

Hiergegen hat der Kläger am Klage erhoben, zu deren Begründung er seine Ausführungen aus dem Widerspruchsschreiben wiederholt und vertieft.

Er beantragt zuletzt noch,

den Genehmigungsbescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom insoweit aufzuheben, als dass eine Pflicht zur Ersatzpflanzung und eine Pflicht zur vorbehalt-lichen Leistung einer Ausgleichszahlung dort vorgesehen ist sowie den Widerspruchsbescheid vom hinsichtlich des Tenorpunktes 3. aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt und vertieft er seine Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten (1 Hefter, Bl. 1 − 27) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage, über die die Einzelrichterin gemäß § 6 Abs. 1 VwGO (Beschluss vom ) entscheidet, hat Erfolg.

Die (geänderte) Klage ist zulässig. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei der Änderung des Klageantrags, der die Anfechtung der Tenorpunkte I. bis III. des Genehmigungsbescheides sowie diejenige des Gebührenbescheides nicht mehr enthält, um eine bloße Beschränkung im Sinne des § 264 Nr. 2 ZPO i. V. m. § 173 Satz 1 VwGO handelt oder um eine nur unter den Voraussetzungen des § 91 zulässige Änderung der Klage. Auf Grundlage der Annahme, dass eine Klageänderung vorliegt, kann gleichfalls dahinstehen, ob der Beklagte sich, ohne der Klageänderung zu wider-sprechen, in der mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat. Jedenfalls ist die Sachdienlichkeit im Sinne des § 91 Abs. 1 VwGO zu bejahen, da durch eine Entscheidung über die geänderte Klage der sachliche Streitstoff zwischen den Parteien im anhängigen Verfahren endgültig ausgeräumt wird. Die isolierte Anfechtung der Nebenbestimmungen als Auflagen begegnet zudem keinen recht-lichen Bedenken. Für die Anfechtung der Gebührenfestsetzung im Widerspruchs-bescheid war die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens entbehrlich (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO).

Die Klage ist begründet. Der Genehmigungsbescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom ist in den Tenorpunkten IV. b) 2. bis 6. und IV. c) – betreffend die Ersatzpflanzung und die vorbehaltene Erhebung einer Ausgleichszahlung – rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Zwar ist die Verordnung des Landkreises Potsdam-Mittelmark zum Schutz der Bäume und Feldgehölze als geschützte Landschaftsbestandteile vom 29. September 2011 (GehölzSchVO PM) aufgrund der Belegenheit des Flurstücks der Flur (Gemarkung ), auf dem der streitbetroffene Baum stand, im bauplanungsrechtlichen Außenbereich anwendbar (§ 1 Abs. 1 Buchst. a) GehölzSchVO PM). Auch gelangt die vom Beklagten für die Ersatzpflanzung bzw. Ausgleichszahlung herangezogene Rechtsgrundlage – § 7 Abs. 5 Satz 2 i. V. m. § 8 Abs. 1 Satz 1 GehölzSchVO PM – zur Anwendung, weil die Fällung nicht als „zulässige Handlung“ im Rahmen des § 6 Buchst. a) GehölzSchVO PM zu qualifizieren ist und daher einer Genehmigung bedurfte (wogegen sich der Kläger nicht mehr wendet).

Allerdings entsprechen die Anordnung der Ersatzpflanzung und die vorbehaltene Erhebung einer Ausgleichszahlung nicht den Vorgaben der GehölzSchutzVO PM. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 GehölzSchVO PM soll dem Antragsteller mit der Genehmigung zur Beseitigung eines geschützten Landschaftsteils auferlegt werden, als Ersatz Gehölze auf seine Kosten in bestimmter Anzahl, Art und Größe zu pflanzen und zu erhalten oder eine Ausgleichszahlung zu leisten. Gemäß § 8 Abs. 2 GehölzSchVO PM kann der Antragsteller zwischen einer Ersatzpflanzung oder einer Ausgleichszahlung wählen.

Diesem, nach der Gehölzschutzverordnung vorgegebenen Wahlrecht des Genehmigungsantragstellers widerspricht der Genehmigungsbescheid, in dem eine Ersatzpflanzung unter gleichzeitigem Vorbehalt der Erhebung einer Ausgleichszahlung im Falle der Nichterfüllung der beauflagten Ersatzpflanzung angeordnet wird. Der Genehmigungsbescheid vom in der Gestalt des Widerspruchs-bescheids vom ist deshalb betreffend die Ersatzpflanzung / die Ausgleichszahlung rechtswidrig und rechtsverletzend und insoweit aufzuheben, zumal, was die Rechtsprechung fordert, der verbleibende Verwaltungsakt (die in den Tenorpunkten I. bis III. enthaltenen Genehmigung und Befreiungen) sinnvoller- und rechtmäßigerweise fortbestehen kann (BVerwG, Urteil vom 22. November 2000 - 11 C 2.00 -, juris).

Rechtswidrig und rechtsverletzend im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist auch Tenorpunkt 3. des Widerspruchsbescheides vom , mit dem für das Widerspruchsverfahren eine Gebühr in Höhe von 60 Euro festgesetzt wird (vgl. zum Widerspruchsbescheid als Gegenstand der Anfechtungsklage § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 Gebührengesetz für das Land Brandenburg (GebGBbg) wird für die vollständige Zurückweisung eines Widerspruchs gegen eine gebührenpflichtige Sachentscheidung – von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen – eine Verwaltungsgebühr in Höhe der Sachentscheidungsgebühr erhoben. Da die auf die teilweise Aufhebung des Genehmigungsbescheides vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom gerichtete Klage begründet ist (s. o.), fehlt es an einer vollständigen Zurückweisung des Widerspruchs, so dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erhebung der Widerspruchsgebühr rückwirkend entfallen sind (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Januar 2017 - OVG 11 S 89.16 -, juris Rn. 4). Die Festsetzung der Gebühr ist daher gleichfalls aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Nebenentscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO. Ein Grund für die Zulassung der Berufung (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegt nicht vor.

BESCHLUSS

Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG auf 410 Euro festgesetzt.