Gericht | OLG Brandenburg 4. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 21.06.2023 | |
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Aktenzeichen | 4 U 62/22 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:0621.4U62.22.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 16.03.2022, Az. 6 O 344/18, - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung im Übrigen – hinsichtlich der Zinsforderungen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 130.592,76 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
aus 26.647,97 € ab dem 14.11.2017,
aus weiteren 2.174,40 € ab dem 04.08.2017,
aus weiteren 9.629,48 € ab dem 04.08.2017,
aus weiteren 9.629,48 € seit dem 17.08.2017,
aus weiteren 9.629,48 € seit dem 04.10.2017,
aus weiteren 9.629,48 € seit dem 18.10.2017,
aus weiteren 9.629,48 € seit dem 23.11.2017,
aus weiteren 9.629,48 € seit dem 18.12.2017,
aus weiteren 9.629,48 € seit dem 11.01.2018,
aus weiteren 9.629,48 € seit dem 13.02.2018,
aus weiteren 9.629,48 € seit dem 10.03.2018,
aus weiteren 8.092,00 € seit dem 07.04.2018 und
aus weiteren 7.013,07 € seit dem 07.05.2018
zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits in der ersten Instanz haben die Klägerin zu 84 % und die Beklagten zu 16 % zu tragen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zu 82 % und der Beklagten zu 18 % zur Last.
4. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die jeweilige Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einem Vertrag über die technische Unterstützung der von der Beklagten durchzuführenden Kontrollen von Höchstgeschwindigkeiten mit stationären Verkehrsüberwachungssystemen auf Vergütung in Anspruch.
Unter dem 12.12./19.12.2012 schlossen die Parteien einen als Dienstleistungsvertrag bezeichneten Vertrag, der u.a. die folgenden Regelungen zum Inhalt hat:
„§ 1 Gegenstand
Der Mieter führt die amtliche Überwachung des fließenden Straßenverkehrs durch. Für die Durchführung stellt der Vermieter dem Mieter Geschwindigkeitsmessgeräte und Geschwindigkeitsmessplätze vom Typ ... einschließlich Service zur Verfügung.
§ 3 Leistungsart, Qualität der Leistungen und Umfang
3.1 Der Vermieter oder dessen Beauftragter errichtet auf eigene Rechnung im Zuständigkeitsbereich des Mieter(s) stationäre (ortsfeste) Geschwindigkeitsmessplätze … und stellt ein oder mehrere dazugehörige Geschwindigkeitsmessgeräte … zur Verfügung.
Die Geschwindigkeitsmessplätze und die technische Soft- und Hardware bleiben auch nach Lieferung und Übergabe an den Mieter Eigentum des Vermieters. …
3.2 Der Mieter wählt in eigener Verantwortung nach Abstimmung mit dem Vermieter die Punkte für die Errichtung der Geschwindigkeitsmessplätze aus und berät sich hierzu mit den zuständigen Ämtern und ggf. der Polizei.
…
3.3 … Der Vermieter übergibt unverzüglich, spätestens jedoch vor dem 31.03.2013 6 (sechs) Stück Geschwindigkeitsmessplätze und vor dem 31.03.2013 bis zu 6 (sechs) Stück Geschwindigkeitsmessgeräte. …
3.4 Dem Mieter obliegt die Entscheidung über die Auswertung der Ergebnisse aus der Überwachung des fließenden Verkehrs. …
§ 5 Dauer des Vertrages und Beginn der Leistung
Der Vertrag wird für die Dauer von 60 (sechzig) Monaten geschlossen. Die Laufzeit des Vertragsverhältnisses beginnt ab dem Zeitpunkt, an dem der letzte Messplatz in Betrieb genommen wurde. …
Sollten die Vertragsparteien feststellen, dass dieses Verkehrssicherheitsprojekt nicht dem gemeinsam gewünschten Ziel entspricht oder es entsprechend fortgeführt werden kann, so werden sie gemeinsam alles Erdenkliche unternehmen, um dieses zu erreichen.
Sollte dies nicht innerhalb einer Frist von 3 Monaten (ab der letzten Zwischenbewertung) realisierbar sein, so besteht für den Vermieter jeweils das Sonderkündigungsrecht mit Ablauf dieser Frist. Sofern sich weiterhin wesentliche Rahmenbedingungen während der Vertragslaufzeit ändern, die dem Vermieter die Grundlage der Wirtschaftlichkeit des Projektes entziehen, steht dem Vermieter ebenfalls ein Sonderkündigungsrecht zu. …
Für den Fall, dass die Vertragsziele anhaltend erreicht werden und keiner der Partner das Recht der ordnungsgemäßen Kündigung wahrnimmt, verlängert sich die Dauer des Vertrages (nach der Dauer von 5 Jahren) stillschweigend um 1 Jahr. Die Kündigung bedarf der Schriftform. …
§ 6 Weitere Mitwirkungshandlungen und Informationspflichten
… Der Mieter nimmt die Leistung täglich ab und bezahlt diese.
Verzögerungen oder die Unmöglichkeit der Leistung des Vermieters können u.a. … auf höhere Gewalt, wie der technischen Durchführung entgegenstehende erhebliche Witterungsbedingungen oder andere von außen wirkende nicht vorhersehbare Ereignisse, … zurückzuführen sein. …
§ 7 Falldaten aus der Ordnungswidrigkeit, Preis und Bezahlung
Der Vermieter finanziert die Errichtung und Unterhaltung der technischen Anlagen entsprechend dem Angebot.
Die Falldaten werden ausschließlich durch die von ("Firma01) gmbh gelieferte Gesamtanlage erzeugt. Der Vermieter übernimmt für die erzeugten Bildinformationen die Falldatenherstellung und übermittelt diese samt Schnittstelle zum vorhandenen OWi-System an den Mieter. Der Vermieter übermittelt diese Daten dem Mieter so, dass dieses sowohl die verwertbaren als auch die nach den Merkmalen der Anlage 3 als zu verwerfen festgestellten Bilder einer hoheitlichen Auswertung unterziehen kann. Die Falldatenerstellung dient lediglich dem Mieter als vorbereitende Hilfstätigkeit, die nach den vertraglich vereinbarten Merkmalen gemäß Anlage 3 erarbeitet wurden. Die hoheitliche Auswertung sowie die Entscheidung über die Einleitung eines Verfahrens, die Übergabe der Daten an die Schnittstelle zum OWi-System sind nicht Gegenstand der Leistungspflicht des Vermieters.
Als vereinbart gelten die Preise aus unserem Angebot vom 21.11.2012:
ein einmaliges kostenpflichtiges Nutzungsrecht von (Euro/netto) | 1,00 |
ein einmaliges Verwaltungskostenentgelt in Höhe von (Euro/netto) | 0.00 |
Preis je verwertbarem Falldatensatz (Stück/Euro/netto) | 7,28 |
(erzeugt durch von ("Firma01) gmbh gelieferte Verkehrsüberwachungssysteme)
Falldatenerstellung (Stück/Euro/netto) | 0,00 |
Ein Falldatensatz ist verwert- und abrechenbar, wenn der Mieter nach vorheriger Falldatenerstellung des Vermieters das Bild nach den Merkmalen in Anlage 3 akzeptiert hat. Ein Korrekturdurchgang der Falldatensätze ist zulässig.
Die Vergütung je Falldatensatz basiert auf den vor Vertragsschluss gemäß Anlage 2 festgelegten Fotoauslösegrenzwerten. Sofern der Mieter aus einem verwaltungsinternen Anlass den Betrieb der Geschwindigkeitsmessplätze befristet oder unbefristet aussetzen möchte, steht dem Vermieter für diesen Zeitraum eine angemessene Vergütung zu. Diese orientiert sich nach dem durchschnittlichen Tagesvolumen der vorangegangenen Monate. Eine Betriebsunterbrechung durch höhere Gewalt ist von dieser Regelung ausgenommen....
Der Mieter verpflichtet sich zum Führen von aktuellen Messnachweisen. Diese Nachweise beinhalten insbesondere Messprotokolle, Gesamtanzahl der registrierten Verkehrsverstöße sowie die Anzahl an verwertbaren und nicht verwertbaren Verstöße(n). Die Aufstellung erfolgt messplatzspezifisch dient u.a. gleichzeitig der lückenlosen Darstellung der nachhaltigen aktiven Verkehrsgestaltung der Verkehrsüberwachung (tägliche Geschwindigkeitskontrollen) mit den Verkehrsüberwachungssystemen des Vermieters sowie der Rechnungslegung. …
§ 8 Gewährleistung und Haftung
Der Vermieter übernimmt keine Gewähr für die rechtliche Verwertbarkeit der registrierten Verkehrsverstöße.
…
§ 9 Geheimhaltungspflicht und sonstiges
… Die folgenden Umstände gelten als höhere Gewalt, insofern sie nach der Unterzeichnung dieses Dienstleistungsvertrages auftreten und wesentlich die Ausführung desselben behindert: Feuer, Krieg, Diebstahl, Überschwemmung, Erdbeben, Streiks, Aussperrungen, Handel- und Arbeitsstreitigkeiten, Arbeitskampf, Aufruhr, innere Unruhen, staatliches Eingreifen, Einschränkungen, ernsthafte Unterbrechungen des Transports, allgemeine Knappheit an Waren, weitere von außen kommende, nicht voraussehbare und auch durch äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbare Ereignisse.
Wird eine Partei aufgrund höherer Gewalt daran gehindert seinen Verpflichtungen, wie in diesem Dienstleistungsvertrag getroffen, über einen Zeitraum von 6 Monaten nachzukommen, ist jede Vertragspartei berechtigt, diesen Dienstleistungsvertrag durch schriftliche Kündigung gegenüber der anderen betroffenen Partei zu beenden.“
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf die Anlage BB 1 (Aktenordner zum Schriftsatz vom 21.05.2019) Bezug genommen.
Die letzte der vereinbarten sechs Messstellen wurde am 26.04.2013 in Betrieb genommen. Eine positive Stellungnahme der Hessischen Polizeiakademie lag für keinen der sechs Standorte der Messstellen vor, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob es möglich gewesen wäre, nachträglich eine positive Stellungnahme zu erlangen.
Seit November 2015 konnte an einem der Standorte, dem Standort Eckelshausen, wegen einer defekten Induktionsschleife keine Verkehrsüberwachung stattfinden. Die Klägerin verband ihre Vorbereitungen zur Reparatur mit Gesprächen über eine Festlegung zukünftiger Standorte für Messstellen und eine Fortführung des Vertragsverhältnisses über den bislang vereinbarten Vertragszeitraum hinaus. Mit Schreiben vom 04.04.2016 bot die Klägerin der Beklagten neun Varianten für eine Vertragsänderung und -verlängerung unter grundsätzlicher Beibehaltung des bisherigen Vergütungsmodells an, wobei sie jedoch darauf hinwies, dass sie derzeit noch auf Angebote vom örtlichen Tiefbauer sowie Stromversorger und Elektrounternehmen warte und, sollten diese Gewerke ihre kalkulatorischen Kosten wider Erwarten übersteigen, die entsprechende Preisänderung je verwertbarem Datensatz rechtzeitig mitteilen und diesen anpassen werde.
Mit Schreiben vom 12.10.2016 (Anlage BB 2 b; Anlagenordner zum Schriftsatz vom 21.05.2019) teilte der Leiter des Fachbereichs Sicherheit und Ordnung der Beklagten ("Name01") der Klägerin mit, dass der Magistrat der Beklagten am 10.10.2016 beschlossen habe, das Angebot „AN ("AN...") anzunehmen, das die Beibehaltung von sechs Standorten und die Versetzung von zwei stationären Verkehrsüberwachungsanlagen an neue Standorte unter Beibehaltung des Preises von 7,28 € pro Falldatensatz bei einer Vertragslaufzeit von acht Jahren vorsah. Gleichzeitig bat er um Übersendung des Ergänzungsvertrages zur Unterschrift.
Mit E-Mail vom 08.02.2017 (Anlage BB 2 c; Anlagenordner zum Schriftsatz vom 21.05.2019) teilte ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes der Beklagten, Herr ("Name02"), der Klägerin mit, dass der Magistrat der Beklagten beschlossen habe, das Angebot der Klägerin zu einem Preis von 7,28 € pro Falldatensatz anzunehmen, wobei die Vertragslaufzeit von 8 auf 9 Jahre geändert werden könne. Auch er bat um die Übersendung eines neuen Vertrages.
Am 04.05.2017 kündigte die Klägerin der Beklagten zum einen an, die Reparatur der Induktionsschleife am Standort Eckelshausen am 11.05.2017 vorzunehmen, und übersandte zum anderen eine auf den 08.02.2017 datierte „ergänzende Erläuterung zum aktuellen Dienstleistungsvertrag“ auf der Grundlage ihres Angebotes vom 04.04.2016 und der Ergänzung aus der E-Mail vom 08.02.2017 mit der Bitte, ein von der Beklagten gegengezeichnetes Exemplar zurückzusenden. Die Unterzeichnung durch die Beklagte erfolgte in der Folgezeit nicht.
Am 26.04.2017 hatte das Oberlandesgericht Frankfurt zum Az. 2 Ss-OWi 295/17 in einer Bußgeldsache im Rechtsbeschwerdeverfahren gemäß § 79 OWiG einen Beschluss erlassen, in dem es Ausführungen dazu machte, inwieweit die Mitwirkung privater Dienstleister an der Verkehrsüberwachung und der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zulässig sei und unter welchen Voraussetzungen bei einer solchen Mitwirkung Beweiserhebungs- und/oder Beweisverwertungsverbote bestünden. Die Entscheidung betraf die Stadt Lauterbach, die mit einem anderen Anbieter als der Klägerin einen Vertrag geschlossen hatte. Wegen der Einzelheiten dieses Beschlusses wird auf die Anlage B 1 (Bl. 183 ff.) Bezug genommen.
Ab dem 25.05.2017 stellte die Beklagte die Verkehrsüberwachung an sämtlichen Standorten der von der Klägerin errichteten Überwachungsanlagen ein. Die durchschnittlichen Monatsumsätze hatten zuvor im Jahr 2014 netto 9.556 €, im Jahr 2015 9.498 € und im Jahr 2016 9.590 € betragen, wobei netto 1.456 € auf den Standort Eckelshausen entfielen.
Mit Schreiben vom 31.05.2016 (Anlage BB 97 Anlagenordner zum Schriftsatz vom 21.05.2019) teilte der Regierungspräsident Kassel als Zentrale Bußgeldstelle des Landes Hessen hessischen Gemeinden unter Bezugnahme auf den Beschluss des OLG Frankfurt vom 26.04.2017 mit, dass private Dienstleister nicht mit hoheitlichen Tätigkeiten im Rahmen der Geschwindigkeitsüberwachung betraut werden dürften. Insbesondere sei eine Einflussnahme bzw. Beteiligung privater Dienstleister bei der Auswahl der Messstelle, dem Aufbau des Messgerätes, der Durchführung des Messbetriebes, dem Datentransfer und der Durchführung der Auswertung ausgeschlossen. Außerdem sei vor Einrichtung ortsfester Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen eine positive Stellungnahme der Polizeiakademie Hessen erforderlich, die jedoch ggf. nachträglich eingeholt werden könne.
Mit Schreiben vom 27.06.2017 kündigte die Beklagte den Dienstleistungsvertrag fristlos und mit sofortiger Wirkung. Wegen der Einzelheiten dieses Schreibens wird auf die Anlage BB 96 (Anlagenordner zum Schriftsatz vom 21.05.2019) Bezug genommen.
Die Klägerin hat die Beklagte zum einen auf der Grundlage von im Zeitraum vom 17.03.2016 bis zum 30.05.2017 gelegter Rechnungen aufgrund durchgeführter Geschwindigkeitsmessungen auf Zahlung von 26.647,97 € in Anspruch genommen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe insoweit unberechtigt Kürzungen vorgenommen. Tatsächlich seien, so hat die Klägerin behauptet, sämtliche abgerechneten Falldatensätze verwertbar gewesen.
Zum anderen hat die Klägerin mit weiteren ab dem 30.06.2017 gelegten Rechnungen für die Folgezeit Vergütung auf der Grundlage der durchschnittlichen Monatsumsätze der Standorte der Messstellen aus den Jahren 2014 bis 2016 verlangt. Sie hat die Auffassung vertreten, ihr stehe aufgrund der in § 7 Abs. 6 des Vertrages getroffenen Regelung ein Anspruch auf angemessene Vergütung auch für den Zeitraum nach der Einstellung der Geschwindigkeitsmessungen durch die Beklagte zu. Dies gelte auch für den auf der Grundlage des Änderungsangebotes der Klägerin vom 04.04.2016 um acht Jahre verlängerten Vertragszeitraum; dieses Änderungsangebot habe die Beklagte aufgrund des Magistratsbeschlusses vom 10.10.2016 mit Schreiben vom 12.10.2016 wirksam angenommen. Die Klägerin hat behauptet, der Magistrat der Beklagte habe mit seinem Beschluss gleichzeitig den Leiter des Fachbereichs Sicherheit und Ordnung zum Abschluss eines entsprechenden Vertrages mit der Klägerin bevollmächtigt. Ebenso sei der Mitarbeiter ("Name02") der Beklagten zur Abgabe der Erklärung vom 08.02.2017 bevollmächtigt gewesen.
Das Landgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 16.03.2022, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO), unter Klageabweisung im Übrigen zu einer Zahlung von 130.592,76 € nebst (im Wesentlichen) Rechtshängigkeitszinsen verurteilt.
Für die teilweise unbezahlten Rechnungen in Höhe von 26.647,97 € ergebe sich der Anspruch aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag. Die Beklagte treffe in Bezug auf die von der Klägerin behauptete Verwertbarkeit der Falldaten eine sekundäre Darlegungslast. Nach dem Vortrag der Beklagten in dem ihr nachgelassenen Schriftsatz habe diese Kenntnis davon, welche Falldatensätze ihre Mitarbeiter aus welchen Gründen nicht als verwertbar erachteten. Die Klägerin habe dagegen – davon müsse das Gericht nach dem Vortrag der Parteien ausgehen – keinen Zugriff auf die Falldatensätze, so dass sie auch keine Überprüfung habe vornehmen können, ob und wieso die Einschätzung der Beklagten zur fehlenden Verwertbarkeit zutreffe. Ein Zinsanspruch sei mangels Vortrages zum Zeitpunkt des Zugangs der Rechnungen oder Mahnungen jedoch erst ab Zustellung des Mahnbescheides begründet.
Ein Anspruch auf weitere 88.839,72 € für den Zeitraum vom 25.05.2017 bis zum 28.02.2018 stehe der Klägerin aus § 7 Abs. 6 des Vertrages zu. Dass die Beklagte aufgrund der Vorgaben des Oberlandesgerichts Frankfurt und mangels Zustimmung der Polizeiakademie zu den mit der Klägerin vereinbarten Standorten keine Geschwindigkeitsmessungen mehr habe durchführen wollen, beruhe auf einem in der Risikosphäre der Beklagten liegenden verwaltungsinternen Anlass. Eine Vergütung anlässlich einer solchen Entscheidung der Beklagten hätten die Parteien – entgegen der in dem Urteil des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 24.02.2022 (Az. 10 U 13/21) vertretenen Auffassung - wirksam vereinbaren können. Die Interessenlage stelle sich nicht anders dar, wenn die Beklagte die Anlagen gekauft oder zu festen monatlichen Preisen gemietet hätte und insoweit an Einnahmen interessiert gewesen wäre. Die Regelung in § 7 Abs. 6 sei auch nicht überraschend. Sie sei vielmehr logische Folge der gewählten Vergütungsstruktur auf der einen Seite und der rechtlichen Situation, dass es die Entscheidung der Beklagten sei und sein müsse, ob, wann und in welchem Umfang sie Geschwindigkeitsmessungen durchführe, andererseits, wobei keine Erwartung bestehen könne, dass die Klägerin bei einem Verzicht auf Geschwindigkeitsmessungen durch die Beklagte ihre Leistungen unentgeltlich zur Verfügung stelle. Es liege auch kein Fall höherer Gewalt vor, insbesondere auch nicht in Form eines staatlichen Eingreifens. Die Beklagte sei ferner nicht zur fristlosen Kündigung berechtigt gewesen. Ein Kündigungsgrund ergebe sich nicht aus § 314 BGB, weil der Beklagten die Fortsetzung des Vertrages bis zur vereinbarten Beendigung habe zugemutet werden können. Selbst wenn die Einschätzung der Beklagten zuträfe, dass auf der Grundlage des mit der Klägerin vereinbarten Vergütungsmodells keine Bußgelder mehr hätten verhängt werden können, hätten die Parteien ihren beiderseitigen Interessen im Wege einer Anpassung des Vertrages Rechnung tragen können. Der Höhe nach bestehe ein Anspruch von 9.629,48 € brutto/Monat. Die Regelung in § 7 Abs. 6 des Vertrages sei dahin auszulegen, dass ohne Bindung an einen konkreten Zeitraum die verfügbaren Daten zu Umsätzen der Vormonate zugrunde zu legen seien. Aus den Durchschnittsumsätzen der Jahre 2014 bis 2016 sei jedoch der Umsatz für den defekten Standort Eckelshausen herauszurechnen. Zinsen seien - mit Ausnahme der Rechnungen für die Monate November und Dezember 2015, für die eine Mahnung vorliege – nur ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit begründet.
Ein weiterer Anspruch in Höhe von 15.105,07 € sei aus denselben Gründen für den Zeitraum vom 01.03.2018 bis zum 26.04.2018 – insoweit allerdings auf der Basis der von der Klägerin allein geltend gemachten Nettobeträge – begründet.
Für den Zeitraum nach dem 26.04.2018 stehe der Klägerin dagegen kein Zahlungsanspruch mehr zu. Der Vertrag sei wirksam zum 26.04.2018 gekündigt worden; das Kündigungsschreiben der Beklagten sei problemlos in eine ordentliche Kündigung umzudeuten. Dies ergebe sich daraus, dass die Beklagte einen Messbetrieb aus ihrer Sicht nicht mehr für fortsetzbar gehalten habe und daher an einer Fortsetzung des Vertrages auch im Falle der Unwirksamkeit ihrer fristlosen Kündigung kein Interesse mehr haben konnte.
Der Vertrag sei nicht wirksam verlängert worden. Die Erklärung des Herrn ("Name01") könne nicht als Übermittlung der Willenserklärung des Magistrats im Sinne einer Annahmeerklärung ausgelegt werden, da er um Übersendung der Vertragsurkunde zur Unterzeichnung gebeten habe. Bei der E-Mail des Herrn ("Name02") fehle es jedenfalls daran, dass Erklärungen, durch die die Gemeinde verpflichtet werden solle, gemäß § 71 Abs. 2 S. 1 HGO der Schriftform bedürften oder in elektronischer Form mit einer dauerhaft überprüfbaren qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein müssten, für die nichts ersichtlich sei.
Der Feststellungsantrag sei aus denselben Gründen unbegründet.
Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit ihren Berufungen.
Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiter, soweit ihre Klage abgewiesen wurde. Sie rügt, dass das Landgericht ohne Hinweis auf die Notwendigkeit von Vortrag betreffend den Zugang der Rechnungen auf die zuerkannten Beträge lediglich Rechtshängigkeitszinsen als begründet erachtet habe. Sie hält auch an ihrer Auffassung fest, dass der Vertrag bereits aufgrund des mit Schreiben vom 12.10.2016 mitgeteilten Magistratsbeschlusses verlängert worden sei. Dafür spreche insbesondere, dass beide Parteien in der Folgezeit mit der Umsetzung des neuen Vertrages begonnen hätten. So habe etwa die Klägerin Angebote betreffend die Errichtung der neuen Standorte eingeholt; die Beklagte habe für den neuen Messplatz Biedenkopf-Kombach einen Gestattungsvertrag mit („Firma02“) -Mobil geschlossen. Darüber hinaus habe die Beklagte die neue Vergütung gezahlt und darauf gedrängt, die erforderlichen Schritte für die Einrichtung der neuen Messplätze sowie die Reparatur des Messplatzes Eckelshausen einzuleiten. Schließlich habe das Landgericht die unwirksame außerordentliche Kündigung der Beklagten zu Unrecht in eine ordentliche Kündigung umgedeutet. Die Klägerin als Kündigungsempfängerin habe nicht zweifelsfrei erkennen können, dass der Vertrag nach dem Willen der Beklagten in jedem Fall habe beendet werden sollen.
Nachdem die Klägerin zunächst – wie in der ersten Instanz – neben dem Zahlungsantrag die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Bezahlung sämtlicher noch nicht fälliger oder noch nicht geltend gemachter Rechnungsbeträge bis zum Ende der Grundlaufzeit der Ergänzungsvereinbarung vom 04.04./12.10.2016 am 14.10.2024 beantragt hatte, hat sie diesen Antrag mit Schriftsatz vom 21.02.2023 zurückgenommen.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
1. unter Abänderung des am 16.03.20122 verkündeten Urteils des Landgerichts Cottbus, Az. 6 O 344/18,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 520.370,84 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
- auf den Betrag von 485,15 € seit dem 24.03.2016,
- auf den Betrag von 433,17 € seit dem 30.03.2016,
- auf den Betrag von 476,47 € seit dem 07.04.2016,
- auf den Betrag von 407,18 € seit dem 14.04.2016,
- auf den Betrag von 606,43 € seit dem 20.04.2016,
- auf den Betrag von 424,50 € seit dem 25.04.2016,
- auf den Betrag von 477,28 € seit dem 02.05.2016,
- auf den Betrag von 467,81 € seit dem 10.05.2016,
- auf den Betrag von 465,94 € seit dem 19.05.2016,
- auf den Betrag von 441,83 € seit dem 26.05.2016,
- auf den Betrag von 450,48 € seit dem 01.06.2016,
- auf den Betrag von 537,12 € seit dem 07.06.2016,
- auf den Betrag von 580,43 € seit dem 14.06.2016,
- auf den Betrag von 693,06 € seit dem 20.06.2016,
- auf den Betrag von 753,70 € seit dem 27.06.2016,
- auf den Betrag von 511,14 € seit dem 04.07.2016,
- auf den Betrag von 684,39 € seit dem 12.07.2016,
- auf den Betrag von 623,75 € seit dem 15.07.2016,
- auf den Betrag von 693,05 € seit dem 26.07.2016,
- auf den Betrag von 736,37 € seit dem 01.08.2016,
- auf den Betrag von 563,11 € seit dem 10.08.2016,
- auf den Betrag von 580,44 € seit dem 18.08.2016,
- auf den Betrag von 363,85 € seit dem 24.08.2016,
- auf den Betrag von 493,81 € seit dem 31.08.2016,
- auf den Betrag von 589,10 € seit dem 08.09.2016,
- auf den Betrag von 511,13 € seit dem 12.09.2016,
- auf den Betrag von 450,49 € seit dem 21.09.2016,
- auf den Betrag von 545,78 € seit dem 28.09.2016,
- auf den Betrag von 563,11 € seit dem 04.10.2016,
- auf den Betrag von 415,83 € seit dem 14.10.2016,
- auf den Betrag von 346,54 € seit dem 20.10.2016,
- auf den Betrag von 355,19 € seit dem 26.10.2016,
- auf den Betrag von 346,53 € seit dem 03.11.2016,
- auf den Betrag von 407,18 € seit dem 07.11.2016,
- auf den Betrag von 415,84 € seit dem 17.11.2016,
- auf den Betrag von 311,88 € seit dem 24.11.2016,
- auf den Betrag von 407,18 € seit dem 30.11.2016,
- auf den Betrag von 285,89 € seit dem 05.12.2016,
- auf den Betrag von 407,18 € seit dem 13.12.2016,
- auf den Betrag von 294,56 € seit dem 20.12.2016,
- auf den Betrag von 389,84 € seit dem 26.12.2016,
- auf den Betrag von 277,23 € seit dem 30.12.2016,
- auf den Betrag von 398,53 € seit dem 06.01.2017,
- auf den Betrag von 207,92 € seit dem 17.01.2017,
- auf den Betrag von 147,28 € seit dem 23.01.2017,
- auf den Betrag von 207,92 € seit dem 27.01.2017,
- auf den Betrag von 294,55 € seit dem 06.02.2017,
- auf den Betrag von 294,55 € seit dem 10.02.2017,
- auf den Betrag von 337,87 € seit dem 16.02.2017,
- auf den Betrag von 181,93 € seit dem 27.02.2017,
- auf den Betrag von 450,49 € seit dem 03.03.2017,
- auf den Betrag von 355,19 € seit dem 13.03.2017,
- auf den Betrag von 294,55 € seit dem 20.03.2017,
- auf den Betrag von 251,24 € seit dem 28.03.2017,
- auf den Betrag von 199,26 € seit dem 05.04.2017,
- auf den Betrag von 251,24 € seit dem 12.04.2017,
- auf den Betrag von 285,88 € seit dem 19.04.2017,
- auf den Betrag von 303,22 € seit dem 27.04.2017,
- auf den Betrag von 234,71 € seit dem 02.05.2017,
- auf den Betrag von 459,16 € seit dem 06.05.2017,
- auf den Betrag von 268,56 € seit dem 15.05.2017,
- auf den Betrag von 233,91 € seit dem 19.05.2017,
- auf den Betrag von 311,88 € seit dem 29.05.2017,
- auf den Betrag von 407,17 € seit dem 06.06.2017,
- auf den Betrag von 2.589,96 € seit dem 07.07.2017,
- auf den Betrag von 11.262,16 € seit dem 07.07.2017,
- auf den Betrag von 13.861,12 € seit dem 20.07.2017,
- auf den Betrag von 13.861,12 € seit dem 30.08.2017,
- auf den Betrag von 13.685,00 € seit dem 20.09.2017,
- auf den Betrag von 13.685,00 € seit dem 25.10.2017,
- auf den Betrag von 11.305,00 € seit dem 21.11.2017,
- auf den Betrag von 11.305,00 € seit dem 13.12.2017,
- auf den Betrag von 11.305,00 € seit dem 16.01.2018,
- auf den Betrag von 11.305,00 € seit dem 13.02.2018,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 09.03.2018,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 10.04.2018,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 09.05.2018,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 11.06.2018,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 09.07.2018,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 09.08.2018,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 10.09.2018,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 08.10.2018,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 08.11.2018,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 08.12.2018,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 10.01.2019,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 11.02.2019,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 08.03.2019,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 08.04.2019,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 10.05.2019,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 08.06.2019,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 09.07.2019,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 08.08.2019,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 08.09.2019,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 08.10.2019,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 08.11.2019,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 08.12.2019,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 09.01.2020,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 08.02.2020,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 08.03.2020,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 08.04.2020,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 08.05.2020,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 08.06.2020,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 08.07.2020,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 10.08.2020,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 08.09.2020,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 08.10.2020,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 08.11.2020,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 08.12.2020,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 08.01.2021,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 08.02.2021,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 08.03.2021,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 08.04.2021,
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 08.05.2021 und
- auf den Betrag von 9.500,00 € seit dem 08.06.2021,
zu zahlen,
2. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
1. die Berufung der Klägerin zurückzuweisen,
2. das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 16.03.2022, Az. 6 O 344/18, teilweise abzuändern und die Klage abzuweisen.
Mit ihrer eigenen Berufung macht die Beklagte geltend, das Landgericht habe der Klägerin zu Unrecht Vergütungsansprüche zuerkannt. Bei der Verurteilung zu einer Zahlung in Höhe von 26.647,97 € aus dem Zeitraum der durchgeführten Verkehrsüberwachung habe das Landgericht den Sachvortrag verkannt; entscheidend sei, dass die Klägerin die jeweiligen Rechnungen bereits gestellt habe, bevor die Beklagte Falldatensätze als nicht verwertbar deklariert habe. Da die Mitarbeiter der Beklagten lediglich eine Freigabe erteilt hätten und die freigegebenen Datensätze sodann von der Klägerin konvertiert worden seien, treffe es auch nicht zu, dass die Klägerin keine Daten über die Falldatensätze habe. Soweit das Landgericht der Klägerin Zahlungsansprüche für den Zeitraum nach der Einstellung des Betriebs der Verkehrsüberwachungsanlagen zuerkannt habe, stehe diese Entscheidung im Widerspruch zu der Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 24.02.2022. Der Vergütungsanspruch könne auch deshalb nicht auf § 7 Abs. 6 des Vertrages gestützt werden, weil die Voraussetzungen dieser Regelung nicht vorlägen; insbesondere sei es keine freie, allein dem Willen der Beklagten unterworfene Entscheidung gewesen, die Verkehrsüberwachung an den vorhandenen Standorten nicht weiter durchzuführen. Die Auslegung der Regelung durch das Landgericht verstoße gegen § 305 Abs. 2 BGB, jedenfalls handele es sich um eine unangemessene Benachteiligung der Beklagten im Sinne des § 307 BGB. Im Übrigen habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass die Beklagte sich auch darauf gestützt habe, es liege ein Fall der höheren Gewalt im Sinne des § 9 des Vertrages vor. Soweit das Landgericht die fristlose Kündigung als unwirksam beurteilt habe, habe es versäumt, sich mit dem Aspekt einer fehlenden Anpassungsmöglichkeit bei einem in der Geschäftsgrundlage gestörten Vertrages auseinanderzusetzen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
II.
Die Berufungen beider Parteien sind zulässig; sie sind insbesondere jeweils form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517 ff. ZPO).
In der Sache bleibt die Berufung der Beklagten jedoch ohne Erfolg; die Berufung der Klägerin hat lediglich in Höhe eines Teils der Zinsforderungen Erfolg.
A. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte aufgrund des unter dem 12.12./19.12.2012 geschlossenen Vertrages Vergütungsansprüche in der – vom Landgericht zu Recht zuerkannten – Höhe von insgesamt 130.592,76 € zu.
I. Der für den Zeitraum bis zum 25.05.2017 geltend gemachte Anspruch auf Vergütung für die mit den Rechnungen vom 17.03.2016 bis 30.05.2017 abgerechneten Falldatensätze in Höhe von 26.647,97 € ist aus § 7 Abs. 4 des Vertrages begründet.
1. Der Vertrag vom 12.12./19.12.2012 ist nicht gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig. Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf das Urteil des 10. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 24.02.2022 – Az. 10 O 13/21 - stützen.
a) Es kann im Ergebnis offenbleiben, ob der vorgenannten Entscheidung dahin zu folgen ist, dass aus § 47 Abs. 1 S. 1 OWiG, wonach die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten im pflichtgemäßen Ermessen der Verfolgungsbehörde liegt, ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB für Regelungen in einem zwischen einer Verkehrsüberwachung zuständigen Ordnungsbehörde und einem in die Durchführung von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen eingebundenen privaten Dienstleister geschlossenen Vertrag hergeleitet werden kann. Jedenfalls trifft es zu, dass das Ermessen der Behörde durch den Zweck der Verfolgung der Ordnungswidrigkeit begrenzt ist, der bei Verkehrsordnungswidrigkeiten darin besteht, Verkehrsunfälle, insbesondere mit schweren Folgen, zu verhüten und sonstigen Verkehrsgefahren entgegenzuwirken, darüber hinaus auch dem Schutz der Bevölkerung vor Gesundheitsbeeinträchtigen, insbesondere durch Lärm und Abgase, sowie der Leichtigkeit des Verkehrs zu dienen, und damit der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten im vornehmlich fiskalischen Interesse zur Erzielung von Einnahmen durch Verwarn- und Bußgelder entgegensteht. Diese Begrenzung des Ermessens der Ordnungsbehörde mag auch nicht erst für die Entscheidung über die Einleitung und Durchführung des Bußgeldverfahrens als solchem gelten, sondern auch bereits für die zur Ermittlung von Verstößen gegen Verkehrsregelungen zu treffenden Maßnahmen der Verkehrsüberwachung, insbesondere die Art und Weise von Geschwindigkeitsmessungen einschließlich der in diesem Zusammenhang gegebenenfalls erfolgenden Einbindung privater Dienstleister.
Die aus diesen Grenzen des Ermessens für die Verfolgung von Verkehrsordnungsverstößen resultierenden Verbote richten sich – dies verkennt auch die Entscheidung des 10. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 24.02.2022 nicht – allein an die Verfolgungsbehörde. Ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB mit der Folge der Nichtigkeit eines zwischen der Behörde und einem in die Durchführung von Geschwindigkeitsmessungen eingebunden privaten Dritten geschlossenen Vertrages lässt sich deshalb allein aus einer nach § 47 Abs. 1 S. 1 OWiG fehlerhaften Ermessensentscheidung nicht herleiten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist entscheidend für die Frage, ob der Verstoß einer Vereinbarung gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB zu deren Nichtigkeit führt oder ob sich aus dem Gesetz etwas anderes ergibt, ob sich das Verbot nicht nur gegen den Abschluss des Rechtsgeschäfts wendet, sondern auch gegen seine privatrechtliche Wirksamkeit und damit gegen seinen wirtschaftlichen Erfolg (BGH, Urteil vom 25.07.2002 - III ZR 113/02 – Rn.7). Danach ist ein zweiseitiges Rechtsgeschäft, dessen Vornahme lediglich einem Beteiligten verboten ist, in der Regel gültig; (Gesamt-)Nichtigkeit nach § 134 BGB tritt nur ein, wenn einem solchen einseitigen Verbot ein Zweck zugrunde liegt, der die Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäfts erfordert, weil er nicht anders als durch dessen Annullierung zu erreichen ist und die getroffene Regelung nicht hingenommen werden kann (BGH, Urteil vom 08.12.2020 – KZR 124/18 –, Rn. 24, juris).
Nach diesen Maßstäben kann ein Vertrag, mit dem eine für die Verkehrsüberwachung und Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten zuständige Behörde sich – wie hier – zur Erfüllung dieser Aufgaben eines privaten Dienstleisters bedient, allenfalls dann (insgesamt oder in Bezug auf einzelne Regelungen) nichtig sein, wenn die Behörde mit diesem Vertrag den Kern der ihr als Staatsaufgabe obliegenden, hoheitlich wahrzunehmenden Maßnahmen auf den privaten Vertragspartner übertragen hätte, d.h. sich ihrer Funktion als „Herrin des Verfahrens“ begeben hätte, oder wenn sie sich gegenüber dem privaten Vertragspartner verpflichtet hätte, ihre hoheitlichen Aufgaben im wirtschaftlichen Interesse ihres privaten Vertragspartners in einer bestimmten Weise wahrzunehmen, d.h. mindestens der Sache nach einen Anspruch des privaten Vertragspartners auf (ggf. gemessen an den Zwecken des § 47 Abs. 1 S. 1 OWiG auch ermessensfehlerhaftes) hoheitliches Tätigwerden gegenüber einem Dritten begründet hätte. Dass sich die Behörde überhaupt bei der Durchführung von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen, insbesondere zur technischen Unterstützung, eines privaten Dienstleisters bedient, widerspricht den Zwecken des § 47 Abs. 1 S. 1 OWiG dagegen ebenso wenig wie der Umstand, dass sich die Behörde aufgrund eines entsprechenden Vertrages verpflichtet, für die zu erbringenden Leistungen ihres Vertragspartners eine Vergütung zu zahlen.
b) Dass sich die Beklagte ihrer hoheitlich wahrzunehmenden Aufgabe der Verkehrsüberwachung durch Übertragung auf die Klägerin in einer Weise entledigt hätte, dass sie nicht mehr Herrin des Verfahrens war, oder sich gegenüber der Klägerin in einer ihr Ermessen bindenden Weise zur Durchführung von bestimmten Maßnahmen bei der Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten verpflichtet hätte, lässt sich jedoch in Bezug auf die in dem Vertrag vom 12.12./19.12.2012 mit der Klägerin getroffenen Vereinbarungen nicht feststellen.
aa) Die Beklagte war nach den mit der Klägerin getroffenen Vereinbarungen jederzeit Herrin des Verfahrens. Die Beklagte bestimmte die Standorte der stationären Verkehrsüberwachungsanlagen (§ 3 Ziff. 3.2 Abs. 1); dass dies in Abstimmung mit der Klägerin erfolgte, ändert daran nichts, sondern war vielmehr bereits mit Blick auf die technischen Erfordernisse sinnvoll und erforderlich. Ebenso oblag – anders als in der dem Beschluss des OLG Frankfurt vom 26.04.2016 zugrunde liegenden Konstellation – der Betrieb der stationären Verkehrsüberwachungsanlagen allein der Beklagten (§ 3 Ziff. 3.2 Abs. 4). Auch die Entscheidung über die Auswertung der Ergebnisse aus der Überwachung oblag der Beklagten (§ 3 Ziff. 3.4 Abs. 1). Die Beklagte blieb schließlich – unstreitig - in jeder Phase der Auswertung der Messdaten im Besitz der Rohdaten und verfügte damit über die einzig authentischen Daten, die - mag dazu in Ermangelung entsprechender Software praktisch auch die Inanspruchnahme der Klägerin oder eines Sachverständigen erforderlich gewesen sein - sowohl in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren als auch bei etwaigen Zweifeln an der Ordnungsmäßigkeit von der Klägerin übernommenen Aufgabe der Umwandlung der Rohmessdaten in Bilddateien, eine Überprüfung ermöglichten.
bb) In dem Vertrag vom 12.12/19.12.2012 wird – auch in zeitlicher Hinsicht, d.h. in Bezug auf die Dauer und Häufigkeit - keine Verpflichtung der Beklagten gegenüber der Klägerin zur Durchführung von Geschwindigkeitsmessungen begründet.
Dabei verkennt der Senat nicht, dass verschiedene in dem Vertrag getroffene Regelungen erkennen lassen, dass die Vertragsparteien von einem ständigen Betrieb der Geschwindigkeitsmessanlagen ausgingen. Dies beruht jedoch nicht auf einer vertraglich begründeten Verpflichtung der Beklagten zum Betrieb der Anlagen, sondern auf der bereits im Vorfeld des Vertrages getroffenen Entscheidung der Beklagten, die Verkehrsüberwachung an sechs Standorten in ihrem Gemeindebereich mithilfe stationärer Geschwindigkeitsmessanlagen durchführen zu wollen. Stationäre Geschwindigkeitsmessanlagen sind ihrer Art nach von vorn herein darauf ausgerichtet und auch nur dann sinnvoll, wenn damit ständig oder zumindest regelmäßig Geschwindigkeitsmessungen durchgeführt werden sollen. Dies ändert nichts daran, dass es – was sich insbesondere aus § 7 Abs. 6 S. 2 des Vertrages ergibt – der verwaltungsinternen Entscheidung der Beklagten überlassen blieb, den Betrieb der Geschwindigkeitsmessplätze befristet oder unbefristet auszusetzen.
Etwas anderes folgt entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht aus der in § 6 Abs. 1 S. 2 des Vertrages getroffenen Regelung: „Der Mieter nimmt die Leistung täglich ab und bezahlt diese.“ Diese Regelung ist im Kontext zu der in § 6 („weitere Mitwirkungshandlungen und Informationspflichten“) - dort in § 6 Abs. 1 S. 1 - getroffenen Regelung, wonach die Klägerin als Vermieterin die ihr obliegenden Leistungen zuverlässig, fehlerfrei und vollständigen erfüllt, sowie ausgehend von dem gängigen Begriff der Abnahme im Sinne einer Entgegennahme einer Leistung als im Wesentlichen ordnungsgemäß erbracht, lediglich dahin zu verstehen, dass die Beklagte Zahlungen nicht gestützt auf Mängel der in der Errichtung und Unterhaltung der technischen Anlagen bestehenden Hauptleistungen der Klägerin verweigern konnte, die sie bei einer täglichen Überprüfung hätte erkennen können.
Die in dem Vertrag vom 12.12./19.12.2012 getroffenen Regelungen begründen schließlich auch nicht deshalb „der Sache nach“ einen Anspruch der Klägerin auf eine dauerhafte, ständige Durchführung von Geschwindigkeitsmessungen durch die Beklagte, weil die Beklagte im Falle einer Nichtdurchführung von Geschwindigkeitsmessungen nach § 7 Abs. 6 S. 2 und S. 3 des Vertrages gegenüber der Klägerin gleichwohl zu einer, an dem durchschnittlichen Tagesvolumen der vorangegangenen Monate orientierten, angemessenen Vergütung verpflichtet blieb und sich zudem ggf. der Gefahr aussetzte, dass die Klägerin von dem ihr in § 5 Abs. 3 des Vertrages für den Fall des Entfallens der Grundlage der Wirtschaftlichkeit des Projektes eingeräumten Sonderkündigungsrecht Gebrauch machte. Der Senat verkennt nicht, dass mit einer derartigen Vertragsgestaltung (ebenso wie mit der an die Anzahl verwertbarer Falldatensätze anknüpfenden Vergütungsregelung überhaupt) die Gefahr verbunden ist, dass sich eine für die Verkehrsüberwachung und Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten zuständige Behörde bei ihrer nach § 47 Abs. 1 S. 1 OWiG zu treffenden Ermessensentscheidung über die Durchführung von Geschwindigkeitsmessungen nicht von den mit der Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten verfolgten Zwecken, sondern (ermessensfehlerhaft) von fiskalischen Interessen leiten lässt. Diese Gefahr beruht jedoch nicht darauf, dass die Parteien mit dieser Vertragsgestaltung einen die Ermessensentscheidung der Beklagten bindenden Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte begründet hätten, dem wirtschaftlichen Interesse der Klägerin an der Rentabilität ihrer in Errichtung der dem Erhalt der Funktionsfähigkeit der Geschwindigkeitsmessanlagen bestehenden Leistungen den Vorrang vor einer ermessensfehlerfreien Durchführung der hoheitlichen Aufgaben der Beklagten bei der Verkehrsüberwachung und Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten einzuräumen. Die Gefahr resultiert vielmehr allein aus dem eigenen fiskalischen Interesse der Beklagten, die Vergütung für vereinbarungsgemäß erbrachte Leistungen der Klägerin nicht aufbringen zu müssen, ohne dass diese durch Einnahmen aus Bußgeldern wegen mithilfe von Geschwindigkeitsmessungen festgestellter Ordnungswidrigkeiten ausgeglichen würden. Dieser Gefahr entgegenzuwirken ist jedoch nicht Zweck der Begrenzung des der Beklagten gemäß § 47 Abs. 1 S. 1 OWiG eingeräumten Ermessens.
2. Die für den Zeitraum bis zum 25.05.2017 geltend gemachten Ansprüche sind auch der Höhe nach begründet. Die Beklagte hat – wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat – die mit den Rechnungen der Klägerin vom 17.03.2016 bis zum 30.05.2017 abgerechnete Anzahl verwertbarer Falldatensätze nicht erheblich bestritten. Die Klägerin hat jeder ihrer als Anlagen vorgelegten Rechnungen für den Zeitraum vor dem 25.05.2017 eine Aufstellung beigefügt, aus der sich für jeden der Messstandorte die jeweilige Anzahl der verwertbaren und ggf. nicht verwertbaren Falldatensätze ergibt. Angesichts dieses durch Bezugnahme auf die vorgenannten Anlagen gehaltenen Vortrages reicht das bloße Bestreiten der Beklagten, auch soweit es mit der Begründung erfolgt, die Klägerin habe vor Rechnungserstellung lediglich einzelne Falldatensätze von sich aus als nicht verwertbar aussortiert, nicht aus. Auch wenn man berücksichtigt, dass ein Falldatensatz gemäß § 7 Abs. 5 des Vertrages nur dann verwert- und abrechenbar ist, wenn der Mieter, d.h. die Beklagte, das Bild nach den Merkmalen in Anlage 3 akzeptiert hat und zugunsten der Beklagten als wahr unterstellt, dass es sich bei den den Rechnungen der Klägerin beigefügten Anlagen noch nicht um das Ergebnis einer vorherigen Verwertbarkeitsprüfung der Beklagten handelte, sondern die Klägerin als unverwertbar nur solche Falldatensätze aufgeführt hatte, die sie selbst (vorab) aussortiert hatte, so hat die Beklagte die ihr obliegende Verwertbarkeitsprüfung doch spätestens in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem sie die jeweiligen Rechnungen kürzte und ihrer Prüfung entsprechend nur verringerte Beträge zahlte. Angesichts dessen kann sich die Beklagte prozessual nicht auf einfaches Bestreiten beschränken, sondern müsste, zumal sie allein über die Rohdaten der Messaufzeichnungen verfügt, – darauf hat der Senat im Termin am 01.03.2022 ausdrücklich hingewiesen - angeben, welche der von der Klägerin als verwertbar deklarierten Falldatensätze an welchen Messstellen sie wegen Fehlens welcher den Anforderungen der Anlage 3 entsprechender Merkmale nicht akzeptiert hat.
II. Ein weiterer Vergütungsanspruch in Höhe von insgesamt 103.944,79 € besteht für die Klägerin für den Zeitraum vom 25.05.2016 bis zum 26.04.2018 aus § 7 Abs. 6 S. 2 und S. 3 des Vertrages.
1. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Vergütungsregelung in § 7 Abs. 6 S. 2 und S. 3 des Vertrages auch auf die streitgegenständliche Fallkonstellation anwendbar, in der die Beklagte nicht aufgrund eines Willensentschlusses ihrer eigenen Organe Geschwindigkeitsmessungen mithilfe der von der Klägerin errichteten stationären Geschwindigkeitsmessanlagen durchführen wollte, sondern sich daran infolge des Beschlusses des OLG Frankfurt vom 26.04.2017 zum Az. 2 Ss-OWi 295/17 sowie der nachfolgenden Äußerungen des Regierungspräsidenten Kassel als Zentrale Bußgeldstelle des Landes Hessen (Schreiben vom 31.05.2017) bzw. des Regierungspräsidenten Gießen (Schreiben vom 28.08.2017) gehindert sah.
Dem steht nicht entgegen, dass § 7 Abs. 6 S. 2 daran anknüpft, dass „der Mieter aus einem verwaltungsinternen Anlass den Betrieb der Geschwindigkeitsmessplätze … aussetzen möchte“. Soweit hier mit dem Begriff „möchte“ sprachlich auf eine freie Willensentscheidung des Mieters abgestellt wird, kann dies im vorliegenden Kontext, in dem beiden Parteien bekannt war, dass die Beklagte als für die Verkehrsüberwachung und Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten zuständige staatliche Behörde zu einer autonomen Willensbildung nur zum Zwecke der Wahrnehmung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben und unter Wahrung pflichtgemäßen Ermessens befugt war, nur dahin verstanden werden, dass sie über eine Aussetzung des Betriebes der Geschwindigkeitsmessplätze ohne Berücksichtigung entgegenstehender Belange der Klägerin befinden konnte. Dieses Verständnis entspricht auch dem Zweck der in § 7 Abs. 6 S. 2 und S. 3 getroffenen Regelung, der darin besteht, der Klägerin, die gemäß § 7 Abs. 3 und Abs. 4 eine Vergütung für ihre in der Errichtung und Unterhaltung der Geschwindigkeitsmessanlagen bestehen Leistungen nur nach der Anzahl Geschwindigkeitsmessungen voraussetzender verwertbarer Falldatensätze verlangen konnte, für den Fall der Nichtdurchführung von Geschwindigkeitsmessungen durch die Beklagte gleichwohl einen Vergütungsanspruch zu verschaffen. Im Hinblick auf diesen Zweck der Regelung kommt es aber nicht darauf an, ob die Entscheidung über die Nichtdurchführung von Geschwindigkeitsmessungen durch autonomen Willensentschluss der Organe der Beklagten oder durch der Beklagten übergeordnete Aufsichtsbehörden veranlasst wurde. Davor, dass auch andere als behördliche Entschließungen einen Vergütungsanspruch der Klägerin begründen konnten, war die Beklagte dadurch geschützt, dass Betriebsunterbrechungen durch höhere Gewalt gemäß § 7 Abs. 6 S. 4 des Vertrages von der Vergütungsregelung ausgenommen waren.
2. Ein Fall höherer Gewalt im Sinne des § 7 Abs. 6 S. 4 des Vertrages lag jedoch – entgegen der Auffassung der Beklagten – nicht vor. Als höhere Gewalt werden in § 9 Abs. 2 des Vertrages folgende Umstände definiert: Feuer, Krieg, Diebstahl, Überschwemmung, Erdbeben, Streiks, Aussperrungen, Handel- und Arbeitsstreitigkeiten, Arbeitskampf, Aufruhr, innere Unruhen, staatliches Eingreifen, Einschränkungen, ernsthafte Unterbrechungen des Transports, allgemeine Knappheit an Waren, weitere von außen kommende, nicht voraussehbare und auch durch äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbare Ereignisse.
Bei der Entscheidung des OLG Frankfurt vom 26.04.2017 zum Az. 2 Ss-OWi 295/17 sowie den aus dieser Entscheidung mit den nachfolgenden Äußerungen der Regierungspräsidenten Kassel als Zentrale Bußgeldstelle des Landes Hessen vom 31.05.2017 und Gießen vom 28.08.2017 gezogenen Konsequenzen handelt es sich insbesondere nicht um einen Fall staatlichen Eingreifens im Sinne der vertraglichen Regelungen.
Das OLG Frankfurt hat in seinem Beschluss vom 26.04.2017 lediglich Bedenken gegen eine Beweiserhebung in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren erhoben, bei dem Geschwindigkeitsmessungen und deren Auswertung unter Einbindung eines privaten Dienstleisters erfolgen. Das Verfahren betraf nicht die Parteien und auch eine andere Vertragsgestaltung. Bei dem Schreiben des Regierungspräsidenten Kassel vom 31.05.2017 – für dasjenige des Regierungspräsidenten Gießen vom 28.08.2017 gilt nichts anderes – handelte es sich um eine verwaltungsinterne - im Übrigen nicht abschließende - Äußerung zur Abstimmung weiteren Vorgehens und der zukünftigen Anpassung von Geschwindigkeitsmessungen an die geänderten Vorgaben und Bedenken aus der Rechtsprechung. Etwas anderes gilt auch nicht, soweit der Regierungspräsident Kassel in seiner Funktion als Zentrale Bußgeldstelle in seinem Schreiben vom 31.05.2017 für ortsfeste Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen eine, erforderlichenfalls jedoch nachträglich einzuholende, positive Stellungnahme der Hessischen Polizeiakademie (HPA) als erforderlich erachtete und der Regierungspräsident Gießen als Fachaufsichtsbehörde in seinem Schreiben vom 28.08.2017 (Anlage B 2; Bl. 196 d.A.) darauf hinwies, dass nach einer Aussage des zuständigen Ministeriums des Innern und für Sport des Landes Hessen (HMdIS) Geschwindigkeitsmessungen mittels stationärer Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen bis zum Vorliegen einer positiven Stellungnahme der Polizeiakademie zu unterbleiben hätten. Unabhängig davon, ob die vorgenannten oder jedenfalls inhaltsgleiche Schreiben an die Beklagte ergangen sind und für diese Bindungswirkung entfalteten, handelt es sich nicht um eine von außen kommende Einwirkung im Sinne der Definition höherer Gewalt in § 9 Abs. 2 des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages. Dies gilt umso mehr, wenn man in den Blick nimmt, dass es sich bei der dem mit der Klägerin geschlossenen Vertrag zugrunde liegenden Entscheidung, die stationären Geschwindigkeitsmesseinrichtungen an Standorten zu installieren, für die positive Stellungnahmen der HPA nicht vorlagen – mag dies bis zu der Entscheidung des OLG Frankfurt vom 26.04.2017 aufgrund der geltenden Erlasse, wonach lediglich eine Anhörung der HPA erforderlich war (vgl. Ziff. 4.1 des Erlasses des HMdIS vom 05.02.2015; Anlage BB 98) auch zulässig gewesen sein –, und die sich deshalb für die ungehinderte Durchführung des mit der Klägerin geschlossenen Vertrages als besonders problematisch erwies, um eine eigene Entscheidung der Beklagten handelte.
3. Die Regelungen in § 7 Abs. 6 S. 2 und S. 3 des Vertrages sind auch nicht unwirksam.
a) Sie verstoßen – auch isoliert betrachtet – aus den bereits unter I.1. ausgeführten Gründen nicht gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB.
b) Die Regelungen sind auch AGB-rechtlich nicht unwirksam.
Allerdings – dies hat die Klägerin nicht in Abrede gestellt - handelt es sich auch bei den in § 7 Abs. 6 S. 2 und S. 3 des Vertrages getroffenen Regelungen über die Vergütung für den Fall der Aussetzung des Betriebs der Geschwindigkeitsmessanlagen um allgemeine Geschäftsbedingungen der Klägerin.
aa) Die Regelungen sind – anders als die Beklagte meint – insbesondere nicht wegen unangemessener Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam.
Die Regelungen sind vielmehr als Preisvereinbarung gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB der Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 ff. BGB entzogen.
Nach dieser Vorschrift sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die keine von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen enthalten, von der Inhaltskontrolle ausgenommen. Das gilt insbesondere für vertragliche Vereinbarungen betreffend Leistung und Gegenleistung, die von den Vertragsparteien nach dem Grundsatz der Privatautonomie frei bestimmt werden können. Kontrollfrei sind danach allerdings lediglich (echte) Preisabsprachen, nicht dagegen sog. Preisnebenabreden, wie insbesondere Preis- und Zahlungsmodifikationen, die sich zwar mittelbar auf den Preis auswirken, an deren Stelle aber bei Fehlen einer wirksamen vertraglichen Regelung dispositives Gesetzesrecht treten kann. Entscheidend für die Abgrenzung zwischen einer danach kontrollfreien Preisvereinbarung und einer kontrollfähigen (Preisneben-)Abrede ist, ob der streitigen Klausel eine echte (Gegen-)Leistung zugrunde liegt (BGH, Urteil vom 22.11.2012 – VII ZR 222/12 – Rn. 16, juris).
Danach handelt es sich bei den in § 7 Abs. 6 S. 2 und 3 des Vertrages getroffenen Regelungen um eine kontrollfreie Preisvereinbarung. Die Hauptleistungspflicht der Klägerin bestand in der Errichtung der stationären Geschwindigkeitsmessstellen und Zurverfügungstellung der zugehörigen Geschwindigkeitsmessgeräte sowie in der Unterhaltung dieser technischen Anlagen während der Vertragslaufzeit, d.h. im Kern – dies wird auch aus den in dem Vertrag durchgehend verwandten Bezeichnungen der Parteien als Vermieter bzw. Mieter deutlich - in einer Vermieterleistung. Soweit die Klägerin darüber hinaus gemäß § 7 Abs. 2 des Vertrages die Falldatenerstellung für die Bildinformationen und deren Übermittlung samt Schnittstelle zum vorhandenen OWi-System übernommen hat, handelt es sich – wie die Preisangabe „Falldatenerstellung (Stück/Euro/netto) 0,00“ in § 7 Abs. 4 deutlich macht - um eine nicht vergütungspflichtige, d.h. nicht im Synallagma von Leistung und Gegenleistung stehende, Nebenleistung. Nachdem die Parteien den Preis für die danach von der Klägerin zu erbringende Hauptleistung in Form der Zurverfügungstellung der technischen Anlagen zur Geschwindigkeitsmessungen nach der Anzahl der – die Nutzung der Anlagen durch entsprechende Geschwindigkeitsmessungen durch die Beklagte voraussetzenden - verwertbaren Falldatensätze bestimmt hatten, stellen sich die in § 7 Abs. 6 S. 2 und S. 3 getroffenen Regelungen lediglich als (notwendige) Modifikation des Maßstabes der Bildung eines Preises für die Hauptleistung der Klägerin für den Fall der Inanspruchnahme des der Beklagten eingeräumten Rechts zur Aussetzung der Nutzung der von der Klägerin zur Verfügung gestellten Anlagen dar.
bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten verstoßen die in § 7 Abs. 6 S. 2 und S. 3 des Vertrages getroffenen Regelungen auch nicht gegen das Transparenzgebot, das, wie aus § 307 Abs. 3 S. 2 BGB folgt, auch für das Hauptleistungsversprechen und das Preis-/Leistungsverhältnis gilt (BGH, Urteil vom 07.02.2019 – III ZR 38/18 – Rn. 21, juris; BGH, Urteil vom 15.02.2017 - IV ZR 91/16 - Rn. 15 mwN, juris; Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 307 Rn. 20).
Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört nicht nur, dass die einzelne Regelung für sich genommen klar formuliert ist; sie muss auch im Kontext mit dem übrigen Klauselwerk verständlich sein. Erforderlich ist ferner, dass zusammengehörende Regelungen im Zusammenhang aufgeführt werden oder dieser in anderer Weise, zum Beispiel durch Bezugnahme auf konkrete Klauseln, deutlich gemacht wird. Die Klausel muss die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen für einen durchschnittlichen Vertragspartner so weit erkennen lassen, wie dies unter Berücksichtigung von Treu und Glauben nach den Umständen gefordert werden kann. Der Vertragspartner des Verwenders muss bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was gegebenenfalls "auf ihn zukommt". Eine Vertragsgestaltung, die objektiv dazu geeignet ist, den Vertragspartner bezüglich seiner Rechtsstellung in die Irre zu führen, verstößt gegen das Transparenzgebot. Die Transparenzanforderungen dürfen andererseits aber nicht überspannt werden. Die Verpflichtung, den Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren, besteht nur im Rahmen des Möglichen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der Klauselinhalt in aller Regel nicht weniger komplex sein kann als der Sachverhalt, den er regelt, und die diesem zugrunde liegende gesetzliche Regelung. Weder bedarf es eines solchen Grades an Konkretisierung, dass alle Eventualitäten erfasst sind und im Einzelfall keinerlei Zweifelsfragen auftreten können, noch ist ein Verstoß gegen das Transparenzgebot schon dann zu bejahen, wenn Bedingungen noch klarer und verständlicher hätten formuliert werden können (zum Ganzen vgl. nur: BGH, Urteil vom 07.02.2019 – III ZR 38/18 –, Rn. 22/23, juris). Insbesondere darf der Verwender aus der Gesetzessprache auch unbestimmte Rechtsbegriffe übernehmen (Grüneberg, a.a.O., Rn. 22 mwN).
Diesen Anforderungen an die Transparenz werden die in § 7 Abs. 6 S. 2 und S. 3 getroffenen Regelungen gerecht. Insbesondere wird der in § 7 Abs. 6 S. 2 zur Bestimmung des Preises im Falle der Aussetzung des Betriebs der Geschwindigkeitsmessplätze verwandte unbestimmte Rechtsbegriff der „angemessenen Vergütung“ in § 7 Abs. 6 S. 3 hinreichend dahin konkretisiert, dass Maßstab für eine entsprechende Auslegung das durchschnittliche Tagesvolumen der vorangegangenen Monate sein soll. Es ist unter Transparenzgesichtspunkten auch nicht zu beanstanden, dass die konkrete Anzahl der insoweit heranzuziehenden Monate nicht benannt wird. Dadurch wird die Beklagte – zumal es sich bei dieser nicht um eine Verbraucherin, sondern um eine juristische Person handelt – insbesondere nicht im Unklaren gelassen „was auf sie zukommt“; die Regelung eröffnet vielmehr, indem sie die Anzahl der heranzuziehenden Vormonate nicht festlegt, gerade die Möglichkeit, im Einzelfall eine sachgerechte Auslegung des Begriffs der angemessenen Vergütung vorzunehmen und dabei etwaige Besonderheiten zu berücksichtigen, die zu Abweichungen von üblichen Fallzahlen in den dem Aussetzungsfall vorangegangenen Monaten geführt haben.
4. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der danach für die Klägerin aus § 7 Abs. 6 S. 2 und S. 2 des Vertrages begründete Anspruch nicht – auch nicht für den Zeitraum nach dem 27.06.2017 – infolge der mit Schreiben vom 27.06.2017 erklärten Kündigung der Beklagten entfallen.
a) Ein Kündigungsrecht stand der Beklagten zu diesem Zeitpunkt nicht gemäß § 9 Abs. 3 des Vertrages zu, wonach jede Vertragspartei zu einer Kündigung berechtigt sein sollte, wenn sie aufgrund höherer Gewalt daran gehindert war, ihren Verpflichtungen aus dem Vertrag über einen Zeitraum von sechs Monaten nachzukommen. Wie bereits unter 2. ausgeführt, lag ein Fall höherer Gewalt im Sinne des § 9 Abs. 2 des Vertrages, der die Beklagte an der Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem Vertrag gehindert hätte, nicht vor. Aus denselben Gründen scheidet auch ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund gemäß § 314 BGB aus.
b) Die Beklagte war auch nicht gemäß § 313 Abs. 3 S. 2 BGB wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage berechtigt, den mit der Klägerin geschlossenen Vertrag zu kündigen.
Das Kündigungsrecht gemäß § 313 Abs. 3 S. 2 BGB setzt voraus, dass sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben, die Parteien, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, den Vertrag nicht oder mit einem anderen Inhalt geschlossen hätten, dem einem Teil deshalb unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen Risikoverteilung, das Festhalten an dem unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann und eine Anpassung des Vertrages nicht möglich oder dem Benachteiligten nicht zumutbar ist.
Zwar mag der Beklagten durchaus dahin zu folgen sein, dass Geschäftsgrundlage des mit der Klägerin geschlossenen Vertrages war, dass der Beklagten der Betrieb der von der Klägerin zu errichtenden stationären Geschwindigkeitsmessanlagen nicht nur zum Zwecke der Verkehrsüberwachung, sondern auch zum Zwecke der Verfolgung von Geschwindigkeitsübertretungen im Ordnungswidrigkeitenverfahren sowohl technisch als auch rechtlich möglich war. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Parteien die Anzahl der infolge der Geschwindigkeitsmessungen erstellten verwertbaren Falldatensätze zur Grundlage der für die Leistungen der Klägerin zu zahlenden Vergütung machten.
Ob diese Geschäftsgrundlage infolge der Entscheidung des OLG Frankfurt vom 26.04.2017 und/oder der nachfolgenden Reaktionen des Regierungspräsidenten Kassel als Zentrale Bußgeldstelle des Landes Hessen oder auch des (wenngleich nach Ausspruch der Kündigung vom 27.06.2017 erfolgten) Regierungspräsidenten Gießen bzw. des HMdIS als Fachaufsichtsbehörden entfallen und auch eine Anpassung des Vertrages – anders als die Klägerin meint - nicht möglich war, kann jedoch im Ergebnis dahinstehen.
Selbst wenn man zugunsten der Beklagten deren – von der Klägerin bestrittene – Behauptung als wahr unterstellt, dass eine positive Stellungnahme der Polizeiakademie des Landes Hessen, von deren ggf. nachträglicher Einholung der Regierungspräsident Kassel mit Schreiben vom 31.05.2017 eine Verfolgung von auf Geschwindigkeitsmessungen beruhenden Ordnungswidrigkeiten und der Regierungspräsident Gießen mit Schreiben vom 28.08.2017 sogar die Durchführung von Geschwindigkeitsmessungen abhängig gemacht hatte, für keinen der sechs Standorte der aufgrund des Vertrages vom 12.10.2012 errichteten stationären Geschwindigkeitsmessanlagen hätte erlangt werden können, war für die Beklagte unter Berücksichtigung der Umstände, insbesondere der vertraglichen Risikoverteilung, eine Fortsetzung des Vertrages bis zu dessen regulärem Ablauf, der gemäß § 5 Abs. 1 des Vertrages infolge der Inbetriebnahme der letzten der sechs Messplätze am 26.04.2013 am 26.04.2018 eintrat, zumutbar.
Das Risiko der rechtlichen Verwertbarkeit der mithilfe der von der Klägerin errichteten und zu unterhaltenden Geschwindigkeitsmessanlagen registrierten Verkehrsverstöße haben die Parteien in § 8 Abs. 1 des Vertrages ausdrücklich und eindeutig der Beklagten zugewiesen. Der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Vertrages für die Beklagte steht auch nicht entgegen, dass das Regelungskonzept des Vertrages im Übrigen darauf basierte, dass der Beklagten keinerlei Kosten entstehen sollten, da sie Zahlungen für die Leistungen der Klägerin nur nach der Anzahl verwertbarer Falldatensätze leisten sollte, die sie ihrerseits durch Einnahmen aus aufgrund dieser Falldatensätze eingeleiteten Bußgeldverfahren ausgleichen konnte; das Risiko der Rentabilität der Investitionen in die technischen Einrichtungen lag mithin nach dem Regelungskonzept des Vertrages allein bei der Klägerin. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die nach diesem Regelungskonzept für die Beklagte vereinbarte Kostenfreiheit nur bestehen sollte, wenn die Beklagte die Geschwindigkeitsmessanlagen auch betrieb. Das Vergütungsrisiko für ein Nichtbetreiben der Anlage die Parteien dagegen mit der Regelung in § 7 Abs. 6 S. 2 des Vertrages bis zur Grenze höherer Gewalt der Beklagten auferlegt. Dieser Risikoverteilung unterfällt aber – wie bereits ausgeführt – auch die infolge der Entscheidung des OLG Frankfurt vom 26.04.2017 eingetretene Situation der Hinderung des Betriebs der Geschwindigkeitsmessanlagen wegen Fehlens einer positiven Stellungnahme des Hessischen Polizeiakademie für die Standorte der von der Klägerin errichteten stationären Geschwindigkeitsmessanlagen.
Angesichts der in § 7 Abs. 6 S. 2 des Vertrages getroffenen Regelung – insoweit unterscheidet sich der vorliegende Vertrag entscheidend von demjenigen, den der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgericht im Verfahren 12 U 87/22 zu beurteilen hatte – und der damit bestimmten Risikoverteilung kann sich die Beklagte im Hinblick auf die Zumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum vereinbarten Vertragsende am 26.04.2018 auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Klägerin ihrerseits auf die - unterstellt eine (nachträgliche) positive Beurteilung der Standorte der Geschwindigkeitsmessanlagen wäre nicht zu erlangen gewesen – spätestens nach dem Schreiben des Regierungspräsidenten Gießen feststehende Nichterreichbarkeit der Vertragsziele durch Ausübung des ihr in § 5 Abs. 3 des Vertrages eingeräumten Sonderkündigungsrechts hätte reagieren können.
5. Steht der Klägerin danach aus § 7 Abs. 6 S. 2 und S. 3 des Vertrages für den gesamten Zeitraum vom 15.05.2017 bis zum 26.04.2018 dem Grunde nach ein Vergütungsanspruch zu, so ist dieser auch der Höhe nach in dem vom Landgericht zuerkannten Umfang begründet. Es ist insbesondere nicht zu beanstanden, dass das Landgericht zur Bemessung der angemessenen Vergütung einen durchschnittlichen Betrag von 9.629,48 € brutto/Monat, berechnet zugunsten der Beklagten aus den durchschnittlichen Monatsumsätzen für die Jahre 2014 bis 2016 und unter Abzug der auf den seit November 2015 nicht funktionsfähigen Standort Eckelshausen bezogenen Umsätze, zugrunde gelegt hat. Dies wird - ebenso wie Berechnung des Landgerichts - im Berufungsverfahren auch von keiner der Parteien angegriffen. Dabei hat das Landgericht ferner zutreffend erkannt und berücksichtigt, dass die Klägerin für den Zeitraum ab dem 01.03.2018 nur eine monatliche Vergütung von 9.500 € netto geltend gemacht hatte.
III. Über den 26.04.2018 hinaus bestehen dagegen keine Ansprüche der Klägerin.
Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag vom 12.12./19.12.2012 ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht über den 26.04.2018 hinaus verlängert worden.
1. Auf der Grundlage der „Angebote“ der Klägerin vom 04.04.2016 ist – entgegen der Auffassung der Klägerin - keine wirksame Änderungsvereinbarung zu dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag vom 12.12./19.12.2012 dahin zustande gekommen, dass er bereits vor Ausspruch der Kündigung der Beklagten vom 27.06.2017 verlängert worden wäre.
a) Es kann – dies hat der Senat in der mündlichen Verhandlung am 01.03.2023 ausdrücklich angesprochen – letztlich offenbleiben, ob es sich bei den insgesamt neun Alternativen, die die Klägerin der Beklagten mit ihrem Schreiben vom 04.04.2016 offeriert hat, überhaupt schon um Angebote im rechtlichen Sinne des § 145 BGB handelte. Dafür, dass das Schreiben rechtlich lediglich als sog. invitatio ad offerendum, d.h. als Aufforderung an die Beklagte ihrerseits ein Angebot zu unterbreiten, zu verstehen war, spricht nicht nur die Unterschiedlichkeit der neun Varianten, sondern vor allem, dass die Klägerin mit diesem Schreiben ausdrücklich darauf hinwies, dass sich in Bezug auf die Höhe der von der Beklagten zu zahlenden Vergütung pro Falldatensatz in Abhängigkeit von den ihr noch nicht bekannten Fremdkosten für die Errichtung neuer Messeinrichtungen noch Änderungen ergeben könnten. Letztlich kommt es darauf jedoch nicht an.
b) Selbst wenn man das Schreiben der Klägerin vom 04.04.2016 dahin versteht, dass sie der Beklagten damit (auch im rechtlichen Sinne) neun Angebote im Rechtssinne zur Wahl stellte, hat die Beklagte das Angebot ("AN...") weder mit dem Schreiben des Fachbereichsleiters des Fachbereichs Sicherheit und Ordnung der Beklagten ("Name01") vom 12.10.2016, noch in der Folgezeit in rechtlich verbindlicher Weise angenommen.
Der Inhalt dieses Schreibens ist vielmehr lediglich als Mitteilung („Bestätigung“) der Beklagten an die Klägerin zu verstehen, dass der Magistrat der Beklagten, bei dessen Entscheidung es sich – wie sich aus § 71 HGO ergibt – um die interne Willensbildung des Gemeindevorstandes als Verwaltungsorgan der Beklagten handelt, sich entschieden habe, von den der Beklagten mit dem Schreiben vom 04.04.2016 unterbreiteten Angeboten für dasjenige anzunehmen, bei dem – was in dem Schreiben vom 12.10.2016 ausdrücklich betont wird - unter Beibehaltung des in dem Vertrag vom 12.12./19.12.2012 vereinbarten Preises pro Falldatensatz und einer Laufzeit von 8 Jahren vier stationäre Verkehrsüberwachungsanlagen an den bisherigen Standorten verblieben und zwei Anlagen an neue Standorte verlegt werden sollten. Für diese Auslegung – und damit gleichzeitig gegen eine Auslegung des Schreibens als verbindliche Annahme des Angebotes vom 04.04.2016 – spricht entscheidend, dass die Beklagte im letzten Satz des Schreibens vom 12.10.2016 ausdrücklich um „Übersendung des Ergänzungsvertrages zur Unterschrift“ bittet und dies nicht nur dem in § 10 des Vertrages vom 12.12./19.12.2012 vereinbarten Schriftformerfordernis für Vertragsänderungen, sondern zudem genau dem Procedere entspricht, das die Klägerin in ihrem Angebot ("AN...") vorgesehen hatte. Auf dessen Seite 4 heißt es nämlich: „Nach der schriftlich eingereichten Bestätigung dieses unverbindlichen Richtpreis-Angebotes durch den Nutzer sowie vorbehaltlich der Annahme durch den/die Vertretungsberechtigten der ("Firma01) gmbh verifizieren die Vertragsparteien die ergänzende Erläuterung zum Dienstleistungsvertrag.“ Dies wiederum kann jedoch nur dahin verstanden werden, dass die Parteien – jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt auch die Klägerin – sich darüber einig waren, dass verbindliche Erklärungen zur Ergänzung und Verlängerung des Vertrages vom 12.12./19.12.2012 erst mit der beiderseitigen Unterzeichnung der „ergänzenden Erläuterung zur Dienstleistungsvertrag“ erfolgen sollten. Hinzu kommt, dass dieses Procedere auch den Interessen beider Parteien entsprach. Die Klägerin konnte sinnhaft die Kalkulation ihrer - insbesondere bei neuen Standorten von den Kosten für Tiefbauarbeiten, Strom und Elektroleistungen abhängigen - angebotenen „Richt“preise erst endgültig überprüfen, nachdem sich die Beklagte entschieden hatte, an wie vielen alten bzw. neuen Standorten sie nach Ablauf des mit dem Vertrag vom 12.12./19.12.2012 vereinbarten Zeitraums weiterhin stationäre Verkehrsüberwachungen durchführen wollte. Die Beklagte ihrerseits konnte schon aus haushalterischen Gründen eine verbindliche Entscheidung über eine vertragliche Bindung, zumal für einen Zeitraum von weiteren acht Jahren, erst treffen, wenn die Höhe der für die Leistungen der Klägerin zu zahlenden Vergütung endgültig feststand.
Vor diesem Hintergrund stellt sich – entgegen der Auffassung der Klägerin – auch das Verhalten der Parteien im Anschluss an die Übersendung des Schreibens vom 12.10.2016 (Einholung von Angeboten betreffend die Errichtung der neuen Standorte durch die Klägerin/Abschluss eines Gestattungsvertrages mit („Firma02“)-Mobil für den neuen Messplatz Biedenkopf-Kombach durch die Beklagte) nicht als Umsetzung des geänderten Vertrages unter gleichzeitigem einvernehmlichem Abbedingen des vereinbarten Schriftformerfordernisses dar, sondern als Vorbereitungsmaßnahmen im Hinblick auf den beiderseits erwarteten Abschluss des Änderungsvertrages. Soweit die Klägerin sich darüber hinaus darauf beruft, die Beklagte habe in der Folgezeit die neue Vergütung gezahlt und darauf gedrängt, die Reparatur des Messplatzes Eckelshausen einzuleiten, übersieht sie, dass sich die Vergütung pro Falldatensatz nicht geändert hat und die Beklagte diese nach dem Vertrag vom 12.12./19.12.2012 noch bis zum 26.04.2018 schuldete und die Klägerin ihrerseits zur Reparatur der am Standort Eckelshausen errichteten Messanlage ebenfalls bereits aufgrund des Vertrages vom 12.12./19.12.2012 verpflichtet war. Mit ihrem Verhalten im Anschluss an den Magistratsbeschluss haben sich die Parteien vielmehr im Gegenteil genau so verhalten, wie aufgrund des Angebotes der Klägerin vom 04.04.2016 und des Schriftformerfordernisses in § 10 des Vertrages vom 12.12./19.12.2012 vorgesehen; sie haben den ursprünglichen Vertrag unverändert fortgeführt, die Klägerin hat die Voraussetzungen für die endgültige Bestimmung des Preises für das Angebot ("AN...") ermittelt mit dem Ergebnis, dass sie die bisherige Vergütung als nicht auskömmlich erachtete, die Parteien haben darüber erneut auf Arbeitsebene verhandelt und eine Lösung dahin entwickelt, nicht den Preis sondern die Laufzeit zugunsten der Klägerin auf neun Jahre zu verändern, und die Klägerin hat sodann im Anschluss an die E-Mail vom 08.02.2017, in der ebenfalls aus den vorgenannten Gründen keine Vertragsannahme gesehen werden kann, mit Schreiben vom 04.05.2017 an die Beklagte die „ergänzende Erläuterung zum aktuellen Dienstleistungsvertrag“ auf der Grundlage ihres Angebotes vom 04.04.2016 und der Ergänzung aus der E-Mail vom 08.02.2017 übersandt mit der Bitte, ein von der Beklagten gegengezeichnetes Exemplar zurückzusenden.
Darauf, ob – wie die Klägerin behauptet – der Magistrat der Beklagten den Fachbereichsleiter ("Name01") gleichzeitig mit seinem Beschluss vom 10.10.2016 gemäß § 71 Abs. 3 HGO bevollmächtigt hat, den Änderungsvertrag mit der Klägerin zu schließen - und damit auf eine wegen dieser Behauptung durchzuführende Beweisaufnahme - kommt es danach nicht an.
c) Der Umstand, dass die Beklagte die ihr mit Schreiben der Klägerin vom 04.05.2017 übersandte Vertragsänderung nicht unterzeichnet hat, stellt sich auch nicht als treuwidrig im Sinne des § 242 BGB dar. Auch insoweit betreffen die von der Klägerin angeführten Entscheidungen zu einem treuwidrigen Berufen auf ein Schriftformerfordernis andere Fallkonstellationen. Ist das Verhalten der Parteien – wie unter b) ausgeführt – nicht dahin zu verstehen, dass sie ein zuvor vereinbartes Schriftformerfordernis (stillschweigend) aufgehoben haben, ist für die Annahme einer Treuwidrigkeit des Berufens auf das Schriftformerfordernis ebenso wie bei einem gesetzlichen Schriftformerfordernis nur in engen Ausnahmefällen Raum, in denen es nach den Beziehungen der Parteien und den gesamten Umständen mit Treu und Glauben nicht vereinbar wäre, das Rechtsgeschäft am Formmangel scheitern zu lassen. Erforderlich ist insbesondere ein schutzwürdiges Vertrauen der Partei, die an dem Vertrag festhalten will, auf die Formgültigkeit (vgl. dazu nur Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 125 Rn. 25 m.w.N.). Mangels schutzwürdigen Vertrauens ist § 242 BGB deshalb nicht anwendbar, wenn beide Parteien den Formmangel kannten; auch grob fahrlässige Unkenntnis findet keinen Schutz. Entsprach es jedoch – wie bereits unter b) ausgeführt – dem von der Klägerin selbst in ihrem Angebot vorgeschlagenen Procedere, dass beiderseits abschließend verbindliche Erklärungen zur Änderung des Vertrages vom 12.12/19.12.2012 noch nicht mit der Bestätigung der Angebotsannahme durch die Beklagte, sondern – nach Klärung auch der Auskömmlichkeit des angebotenen Preises – erst mit der beiderseitigen schriftlichen Unterzeichnung des Vertrages erfolgen sollten, so stellt sich ein allein durch die Bestätigung vom 12.10.2016 oder die E-Mail vom 08.02.2017 begründetes Vertrauen der Klägerin auf die Formgültigkeit der Änderungsvereinbarung jedenfalls als grob fahrlässig dar.
Unabhängig davon kann der Beklagten die Verweigerung der Unterzeichnung der von der Klägerin mit Schreiben vom 04.05.2017 übersandten Änderungsvereinbarung, die u.a. eine Verlängerung der Vertragslaufzeit um neun Jahre vorsah, auch deshalb nicht als schwerwiegende, für die Klägerin schlechthin untragbare Treuepflichtverletzung zur Last gelegt werden, weil mit der Entscheidung des OLG Frankfurt vom 26.04.2017 für beide Parteien zumindest eine erheblich Unsicherheit entstanden war, ob das Vertragskonzept zukünftig noch geeignet sein werde, die damit verfolgten Vertragsziele zu erreichen.
2. Die Dauer des Vertrages vom 12.12./19.2012 hat sich auch nicht gemäß § 5 Abs. 5 S. 1 des Vertrages stillschweigend verlängert.
Nach dieser Regelung verlängerte sich die Dauer des Vertrages (nach der Dauer von fünf Jahren) stillschweigend um ein Jahr, sofern die Vertragsziele anhaltend erreicht werden und keiner der Partner das Recht der ordnungsgemäßen Kündigung wahrnimmt. Die Voraussetzungen für diese stillschweigende Vertragsverlängerung sind nicht eingetreten, da die Beklagte den Vertrag mit Erklärung vom 27.06.2017 gekündigt hat.
Zwar war diese Kündigung – wie bereits ausgeführt – als fristlose außerordentliche Kündigung unwirksam. Diese Kündigung kann jedoch – wie das Landgericht zutreffend angenommen hat – in eine wirksame ordentliche Kündigung umgedeutet werden. Erforderlich, aber auch ausreichend für eine solche Umdeutung ist, dass sich aus der Erklärung der Wille des Erklärenden erkennen lässt, dass er auch für den Fall der Unwirksamkeit seiner außerordentlichen Kündigung das Vertragsverhältnis nicht über den vereinbarten Zeitraum hinaus fortsetzen will. Dies ist bei der Kündigung vom 27.06.2017 der Fall. Die Beklagte macht in ihrem Schreiben deutlich, dass sie sich aufgrund der Weisungen des Regierungspräsidenten und wegen aus ihrer Sicht nicht erreichbarer positiver Stellungnahmen der Hessischen Polizeiakademie für die Messstandorte dauerhaft daran gehindert sieht, die Anlagen in der bisher praktizierten Form weiter zu betreiben, kündigt an, eventuelle Forderungen der Klägerin zurückzuweisen und zieht ausdrücklich auch ihre Erklärung vom 12.10.2016 zu dem Änderungsangebot zurück. Auch wenn dies alles zur Begründung für die aus Sicht der Beklagten wirksame fristlose Kündigung erfolgt, so macht sie damit jedoch gleichzeitig deutlich, dass sie auch für den Fall, dass ihre Rechtsansicht zum Vorliegen eines Kündigungsgrundes wegen höherer Gewalt gemäß § 9 des Vertrages nicht zutreffen sollte, keine Grundlage für eine zukünftige Erreichung der Vertragsziele nach Ablauf der vereinbarten Laufzeit mehr sieht.
B. Die von der Klägerin geltend gemachten Zinsansprüche sind gemäß §§ 280 Abs. 2, 286, 288 Abs. 2 BGB – zumindest teilweise in einem über den vom Landgericht zuerkannten hinausgehenden Umfang – begründet.
Nach dem im Berufungsverfahren gehaltenen Vortrag stehen der Klägerin Verzugszinsansprüche überwiegend nicht erst ab Rechtshängigkeit bzw. Zugang der Mahnung vom 08.01.2018, sondern bereits ab einem früheren Zeitpunkt zu.
Zwar setzt Verzug gemäß § 286 Abs. 1 BGB neben der Nichtleistung des Schuldners trotz Fälligkeit grundsätzlich eine Mahnung voraus. Einer Mahnung bedarf es allerdings nicht unter den Voraussetzungen des § 286 Abs. 2 BGB, insbesondere dann nicht, wenn für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist (Nr. 1) oder der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt (Nr. 2). Unabhängig von den vorgenannten Voraussetzungen kommt der Schuldner einer Entgeltforderung gemäß § 286 Abs. 3 BGB spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufforderung leistet.
1. Dies vorausgeschickt, kann der Klägerin allerdings nicht dahin gefolgt werden, dass die Beklagte wegen sämtlicher mit den von der Klägerin vorgelegten Rechnungen geltend gemachter Forderungen, soweit die diesen zugrunde liegenden Ansprüche nach den Ausführungen unter A. bestehen, bereits sieben Tage nach dem Zugang der jeweiligen Rechnung in Verzug geraten ist.
Insoweit kann die Klägerin sich nicht mit Erfolg auf die in § 7 Abs. 11 S. 4 des Vertrages getroffene Regelung stützen, wonach der Mieter die Leistung innerhalb von 7 Kalendertagen bezahlt.
Bei dieser Regelung handelt es sich nicht um eine Bestimmung der Leistungszeit nach dem Kalender im Sinne des § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB, da eine solche nur vorliegt, wenn durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung unmittelbar oder jedenfalls mittelbar ein bestimmter Kalendertag festgelegt wird.
Ebenso wenig genügt die Regelung den Anforderungen des § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB, da – wie die Beklagte zu Recht geltend macht – das Ereignis, von dem an sich der Leistungszeitpunkt nach dem Kalender bestimmen lassen müsste, nicht hinreichend genau beschrieben ist. Selbst wenn man insoweit unter Heranziehung der Regelungen in § 7 Abs. 11 S. 1 bis 3 auf die von der Klägerin zu legenden Rechnungen abstellt, bleibt offen, ob die Frist von 7 Tagen an das Rechnungsdatum oder an den Zeitpunkt des Zugangs der jeweiligen Rechnung anknüpfen soll.
2. Nach dem Vortrag der Klägerin im Berufungsverfahren liegen jedoch die Voraussetzungen des § 286 Abs. 3 BGB vor.
Bei sämtlichen von der Klägerin geltend gemachten Forderungen handelt es sich um Entgeltforderungen im Sinne des § 286 Abs. 3 BGB, d.h. um Forderungen, die auf Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für eine Leistung gerichtet sind. Dies gilt aus den bereits unter A. II. 3. b) aa) ausgeführten Gründen insbesondere auch für die auf § 7 Abs. 6 S. 2 und 3 gestützten Ansprüche für den Zeitraum ab dem 25.05.2017, d.h. nach Einstellung des Betriebs der Geschwindigkeitsmessanlagen durch die Beklagte.
Entgegen der Auffassung der Beklagten fehlt es im Berufungsverfahren – anders als in der ersten Instanz - auch nicht an dem für die Feststellung der Voraussetzungen des § 286 Abs. 3 BGB erforderlichen Vortrag der Klägerin für den Zeitpunkt des Zugangs der jeweiligen Rechnung. Die Klägerin hat vielmehr mit der Berufung vorgetragen, ihre Mitarbeiterin habe die streitgegenständlichen Rechnungen immer am Tag des Rechnungsdatums zur Post gegeben mit der Folge, dass diese jeweils spätestens vier Tage nach dem Rechnungsdatum bei der Beklagten zugegangen seien.
Diesen Tatsachenvortrag hat die Beklagte nicht bestritten. Sie hat vielmehr mit der Berufungserwiderung lediglich die Auffassung vertreten, der Vortrag der Klägerin sei verspätet. Diese Rechtsauffassung der Beklagten trifft indes nicht zu. Zwar handelt es sich um neuen Vortrag der Klägerin im Berufungsverfahren. Auch neues Vorbringen im Berufungsverfahren ist jedoch, wenn es unstreitig ist, zu berücksichtigen und unterliegt nicht dem Novenausschluss des § 531 Abs. 2 ZPO. Eines entsprechenden Hinweises des Senats auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt bedurfte es bereits deshalb nicht, weil davon lediglich die geltend gemachten Nebenforderungen betroffen sind.
3. Ist danach für die nach den Ausführungen unter A. begründeten Forderungen der Klägerin ein Verzugseintritt grundsätzlich gemäß § 286 Abs. 3 BGB festzustellen, so gilt etwas anderes allein für die den Ansprüchen in Höhe von insgesamt 26.647,97 € zugrunde liegenden Forderungen, weil für diese – aus den unter A. I. 2. ausgeführten Gründen - nicht festgestellt werden kann, dass sie vor der jeweiligen Zahlung der von der Beklagten akzeptierten Teilbeträge fällig waren. Geht eine Rechnung vor Fälligkeit zu, so beginnt die Frist des § 286 Abs. 3 BGB jedoch erst mit Fälligkeit (Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 286 Rn. 30). Wann die Beklagte die jeweiligen Teilzahlungen auf die den Zeitraum vor dem 25.05.2017 betreffenden Rechnungen geleistet hat, hat die Klägerin jedoch nicht vorgetragen. Eines Hinweises des Senats betreffend die Nebenforderungen bedurfte es allerdings auch insoweit nicht.
Für die Forderungen in Höhe von insgesamt 26.647,97 € sind Ansprüche der Klägerin auf Zahlung von Verzugszinsen nach dem - ebenfalls zwar im Berufungsverfahren neuen aber unbestrittenen – Vortrag der Klägerin jedoch ab dem 14.11.2017 begründet, da diese Ansprüche sämtlich Gegenstand der am 06.11.2017 unter Fristsetzung bis zum 13.11.2017 erfolgten, der Beklagten per Telefax am 06.11.2017 und per Post am 09.11.2017 zugegangenen Mahnung waren.
4. Für die bezogen auf den Zeitraum vom 25.05.2017 bis zum 26.04.2018 begründeten Forderungen ist Verzug dagegen jeweils bezogen auf die Rechnungsdaten der Rechnungen Nr. ("Nummer01") vom 30.06.2017, Nr. ("Nummer02") vom 30.06.2017, Nr. ("Nummer03") vom 13.07.2017, Nr. ("Nummer04") vom 30.08.2017, Nr. ("Nuimmer05") vom 13.09.2017, Nr. ("Nummer06") vom 18.10.2017, Nr. ("Nummer08") vom 14.11.2017, Nr. ("Nuimmer09") vom 06.12.2017, Nr. ("Nummer10") vom 09.01.2018, Nr. ("Nummer11") vom 06.02.2017, Nr. ("Nummer12") vom 02.03.2018 und Nr. ("Nummer13") vom 03.04.2018, ausgehend von deren Zugang spätestens nach vier Werktagen unter Berücksichtigung vom § 187 Abs. 2 BGB nach 30 Tagen und damit jeweils ab dem aus dem Tenor dieses Urteils ersichtlichen Zeitpunkt eingetreten.
III.
1. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 516 Abs. 3, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Änderung der Kostenentscheidung für die erste Instanz beruht darauf, dass der Senat für die erste Instanz einen anderen Streitwert zugrunde legt (zur Abänderung der Streitwertfestsetzung s. u.) und sich deshalb das Unterliegen der Klägerin hinsichtlich des Antrages auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung bis zum 28.02.2026 in stärkerem Maße auf die Kostenverteilung auswirkt.
Bei der Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren wirkt sich aus, dass die Klägerin den vorbezeichneten Feststellungsantrag zunächst auch zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht hatte, die Berufung wegen dieses Antrages jedoch bereits vor der mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat, was im Hinblick auf den Anfall einer entsprechend verringerten Terminsgebühr der Rechtsanwälte bei der Kostenverteilung zu berücksichtigen ist.
2. Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO). Der Senat stellt insbesondere keine von dem Urteil des 10. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 24.02.2022 – Az. 10 O 13/21 - abweichenden Rechtssätze auf.
IV.
1. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird bis zum 21.02.2023 auf bis 850.000 € und ab dem 21.02.2023 auf bis 550.000 € festgesetzt.
Der Streitwert ist gemäß §§ 47, 48 GKG i.V.m. § 3 ZPO für den Zahlungsantrag mit dem Zahlbetrag von 520.370,84 € zu bewerten. Für den mit Schriftsatz vom 21.02.2023 zurückgenommenen Feststellungsantrag ist unter Heranziehung von § 9 ZPO der dreieinhalbfache Jahresbetrag der aus Sicht der Klägerin zu zahlenden monatlichen Vergütung von 9.500 € unter Berücksichtigung eines Abschlages von 20 % wegen des lediglich geltend gemachten Feststellungsinteresses in Ansatz zu bringen.
2. Die in dem angefochtenen Urteil erfolgte Streitwertfestsetzung für die erste Instanz wird gemäß § 63 Abs. 3 Nr. 2 ZPO wird abgeändert und der Streitwert für den ersten Rechtszug auf bis 850.000 € festgesetzt.
Für die Bemessung des Wertes des Feststellungsantrages der Klägerin teilt der Senat zwar – wie sich bereits aus den Ausführungen unter 1. ergibt – in vollem Umfang die Ansätze des Landgerichts, nicht jedoch dessen Auffassung, dass sich die im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens mehrfach erfolgte Erweiterung des Zahlungsantrages dahin auswirkt, dass deren Berücksichtigung bei der Bewertung des Antrages zu 1. den Wert des Feststellungsantrages zu 2. entsprechend reduziert. Auch nach Erweiterung des Zahlungsantrages verfolgte die Klägerin mit dem Feststellungsantrag das Ziel der Feststellung einer Zahlungsverpflichtung der Beklagten weiterhin für einen deutlich über den der Bewertung nach § 9 ZPO zugrunde zulegenden Zeitraum von dreieinhalb Jahren hinaus.