Gericht | VG Frankfurt (Oder) 5. Kammer | Entscheidungsdatum | 15.06.2023 | |
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Aktenzeichen | 5 K 861/21 | ECLI | ECLI:DE:VGFRANK:2023:0615.5K861.21.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, der diese selbst trägt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Kläger wendet sich gegen die Akteneinsicht, die dem Beigeladenen gewährt werden soll.
Mit Antrag vom 5. August 2020 begehrte der Beigeladene Akteneinsicht in sämtliche Genehmigungsbescheide, Prüfbescheide zu Anzeigen nach § 15 BImSchG und Überwachungsunterlagen des Beklagten für den Betriebsstandort K..., F... 1 in ….
In dem Antrag erklärte der Beigeladene sich mit der Schwärzung personenbezogener Daten in den amtlichen Informationen einverstanden.
Der Kläger wurde mit Schreiben vom 4. September 2020 zu dem Akteneinsichtsgesuch angehört. Dem Schreiben fügte der Beklagte eine Auflistung der betroffenen Unterlagen bei, die er zur Akteneinsicht freizugeben beabsichtigte, aufgeschlüsselt nach Art der Unterlagen (Genehmigungsbescheid, Prüfbescheid, Protokoll zur Kontrolle), deren wesentlichen Inhalt, Entscheidungsdatum und Seitenanzahl (zwischen 1 und 17 Seiten).
Mit Bescheid vom 20. Oktober 2020 gab der Beklagte dem Antrag statt (Az. L...) und führte zur Begründung aus, dass Unterlagen, die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalten, nicht zur Einsicht freigegeben werden. Es sei festzuhalten, dass weitestgehend Akteneinsicht in die begehrten Unterlagen zu gewähren sei.
Der Kläger legte hiergegen unter dem 17. November 2020 Widerspruch ein. Diesen begründete er damit, dass durch die Akteneinsicht Wettbewerbsnachteile zu befürchten seien. Der gesamte Aktenbestand von etwa 10.000 Seiten enthielte Namen von Kunden und Geschäftspartnern, sowie Angaben zu Entsorgungswegen und –mengen, die Rückschlüsse auf Geschäftsgeheimnisse zuließen. Das betreffe im Einzelnen beispielhaft aufgezählte Unterlagen zu Jahresmeldung und Halbjahresmeldung mit detailliert gelisteten Zulieferern und Abholern (S. 147 ff. Band 2 der Betriebsakte), Entsorgungsnachweise, aus denen sich ablesen ließe, auf welchem Weg die Abfälle entsorgt würden, sodass Dritte diese Entsorgungswege ebenfalls nutzen bzw. durch ihre Mengen „versperren“ könnten (S. 158 ff. Betriebsakte), Ein- und Ausgangslisten der Anlage (S. 584 bis 638 Band 1 Betriebsakte) und Jahresübersichten der BSRA (S. 639 Band 1 Betriebsakte). Der daraus ersichtliche Kundenstamm sei nicht der Öffentlichkeit preiszugeben. Jedenfalls müssten Kundendaten durch Schwärzung anonymisiert werden, teilweise auch die Mengenangaben, da sie Rückschlüsse auf Kundendaten zuließen. Deren (ungeschwärzte) Zugänglichmachung entspräche einer „Quasi-Veröffentlichung“.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2021, laut Empfangsbekenntnis am 22. Juli 2021 zugestellt, wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Unter der Überschrift „Hinweis“ listete er tabellarisch auf, welche Unterlagen von der Einsichtnahme umfasst sein sollen:
- drei Genehmigungsbescheide vom 19. März 1993, 11. September 1996 und 5. April 2000;
- 22 Prüfbescheide der Jahre 1996 bis 2020 zu Anzeigen nach § 15 BImSchG;
- 15 Kontrollpunkte der Behörde, d.h. Unterlagen und Informationen, die im Rahmen der Überwachung angefertigt wurden, teilweise mit der Anmerkung, „Name und Dienstbezeichnung Mitarbeiter geschwärzt“.
Bei dieser Auflistung handele es sich laut Begründung des Widerspruchsbescheids um eine Klarstellung. Eine inhaltliche Änderung des Bescheides vom 20. Oktober 2020 sei damit nicht verbunden.
Dem Antrag stünden keine Ablehnungsgründe nach §§ 8, 9 UIG entgegen, weder der Schutz personenbezogener Daten noch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Die in den betroffenen Unterlagen enthaltenen Angaben seien keine zu schützenden Daten. Mitarbeiterdaten könnten geschwärzt werden. Die Prüfung der zur Akteneinsicht vorgesehen Unterlagen habe ergeben, dass darin in Bezug auf die Kunden keine zu schützenden personenbezogenen Daten enthalten seien. Soweit darin überhaupt Kundendaten stünden, handele es sich ausschließlich um Firmen und somit juristische Personen. Für eine Verletzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen fehle es schon mangels substantiierter Darlegung an konkret tragfähigen Anhaltspunkten. Die beispielhaft bezeichneten Unterlagen seien nicht Gegenstand des Bescheides vom 20. Oktober 2020, wie sich aus der tabellarischen Auflistung im Widerspruchsbescheid ergebe. Die Prüfbescheide zu Anzeigen nach § 15 BImSchG seien Gegenstand der Akteneinsicht, nicht hingegen die Anzeigen selbst. Angaben zu Kunden und Entsorgungswegen könnten allenfalls aus den Prüfbescheiden vom 14. April 2020, Protokollen zu den Kontrollen vom 4. Juli 2019 und 28. Januar 2020 hervorgehen. Falls Dritte dieselben Entsorgungswege nutzten und versperren, sei nicht erkennbar, weshalb dies kausal für eine nachteilige Beeinflussung der Wettbewerbsposition sei. Es erfolge lediglich die Bekanntgabe, dass zwischen den Unternehmen eine Verbindung bestehe. Die konkrete Vertragsausgestaltung, in Bezug auf Mengen und Preise, sei nicht erkennbar. Ohnehin stehe es jedem Konkurrenten grundsätzlich frei, sich an die einzelnen Entsorger zu wenden und diese Entsorgungswege zu nutzen. Darüber hinaus sei weder dargelegt, inwieweit es sich bei diesen Angaben um exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen handele, noch wie bei einer Zugänglichmachung die Wettbewerbsposition nachteilig beeinflusst würde.
Der Kläger hat am 20. August 2021 Klage bei dem Verwaltungsgericht erhoben.
Der Kläger meint, der Bescheid sei ermessensfehlerhaft und verkenne seine schutzwürdigen Interessen. Bei den Kundendaten handele es sich um personenbezogene Daten, insbesondere bei Einzelunternehmen, deren geschäftliche mit den privaten Adressen gleichlautend seien. Soweit der Beklagte erkenne, dass personenbezogene Mitarbeiterdaten in den Akten vorhanden und diese zu schwärzen seien, dieses sich jedoch nicht im Tenor der Entscheidung wiederfinde, liege ein Ermessensverstoß vor. Die Behörde habe ihre eigenen Überlegungen zu einer ermessensgerechten Entscheidung nicht durchentschieden. Es erschließe sich nicht, wie die „Hinweise“ ab Seite 2 des Widerspruchsbescheids – hinsichtlich der Schwärzungen von Mitarbeiterdaten – zu deuten seien. Sollte es sich um eine Teilabänderung und somit ein Teilobsiegen des Klägers handeln, wäre die Kostenentscheidung ebenfalls abzuändern. Hinsichtlich der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse beruft sich der Kläger auf seine Widerspruchsbegründung: Er befürchtet, der gesamte Kundenstamm werde öffentlich und die genutzten Entsorgungswege seien leicht ableitbar. Für diese Umstände spielten kaufmännische Erwägungen eine Rolle, nämlich bei welchen Anlagen welche Entsorgungen durchgeführt würden, welche Mengen zu welchen Preisen dort abgegeben werden können. Aus den Dokumenten der Akte ergebe sich, an welchen Stellen der Kläger mit welchen Kunden Geschäfte dergestalt mache, dass er dort Abfälle einsammle und weiterverbringe.
Der Kläger beantragt wörtlich,
den Bescheid des Beklagten vom 20. Oktober 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2021 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Der Beigeladene habe einen Anspruch auf Akteneinsicht nach dem UIG in dem tenorierten Umfang. Zum Umfang der Akteneinsicht führt der Beklagte aus, dass der Beigeladene keine Offenbarung personenbezogener Daten begehre, da er sich in seinem Akteneinsichtsantrag mit der Schwärzung einverstanden erklärt habe. Die detaillierte Auflistung im Widerspruchsbescheid der von der begehrten Akteneinsicht betroffenen Unterlagen führe die Schwärzungen der Vollständigkeit halber mit auf. Soweit in den von der Akteneinsicht betroffenen Unterlagen vereinzelt Kundendaten enthalten seien, greife weder der Ablehnungsgrund Schutz personenbezogener Daten noch der Ablehnungsgrund Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ein. Die Daten juristischer Personen seien schon keine „personenbezogenen“ Daten. Es sei bereits zweifelhaft, ob durch die in den Unterlagen enthaltenen Angaben Rückschlüsse auf eine bestimmbare natürliche Person möglich seien. Selbst wenn ein Bezug zu der dahinterstehenden natürlichen Person bestünde, sei weitere Voraussetzung, dass durch die Bekanntgabe die Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt würden. Von einer Kundgabe der Firmenbezeichnung gingen keine nachteiligen Auswirkungen für die Kunden aus. Dass Firmenadressen gleichlautend mit den Privatadressen seien, führe zu keinem anderen Ergebnis, da die Geschäftsadressen durch den jeweiligen Internetauftritt der betroffenen Kunden allgemein zugänglich seien.
Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse würden nicht zugänglich gemacht, da solche sich weder aus den Umständen ergäben noch dargelegt seien. Um seiner Darlegungslast zu genügen, müsse der Kläger nachvollziehbar und plausibel darlegen, dass die Zugänglichmachung geeignet sei, die Geheimnisse zu offenbaren. Soweit sich in den von der Akteneinsicht betroffenen Unterlagen auch Angaben zu den Kundendaten und einzelnen Einsammelstellen der Abfälle fänden, seien dies nur einzelne Angaben, die nicht den gesamten Kundenstamm beträfen. Angaben zu den konkreten vertraglichen Beziehungen seien nicht enthalten, insbesondere keine Abfallmengen oder vereinbarte Preise. Dass in einer konkreten Anlage, die der Kläger nutze, bestimmte Entsorgungen durchgeführt werden können, stelle eine offenkundige Information dar, die jedermann über das jeweilige Unternehmen herausfinden könne. Die Bezeichnung einzelner Firmen und einzelner Angaben zur Herkunft von Abfällen stelle kein exklusives Wissen dar. Die Wettbewerbsposition des Klägers werde nicht konkret nachteilig beeinflusst.
Per Beschluss vom 7. Oktober 2021 ist der Beigeladene in dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren beigeladen worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
A. Die Klage ist unbegründet. Dabei kann offenbleiben, ob der Kläger im Wege der Drittanfechtungsklage überhaupt wegen der möglichen Verletzung personenbezogener Daten seiner Kunden klagebefugt gemäß § 42 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – ist. Denn der Bescheid vom 20. Oktober 2020 und der Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2021 verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
I. Rechtsgrundlage der dem Beigeladenen bewilligten Akteneinsicht ist § 3 Abs. 1 S. 1 Umweltinformationsgesetz – UIG – in Verbindung mit § 1 des Umweltinformationsgesetzes des Landes Brandenburg. Demnach hat jede Person einen Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle im Sinne des § 2 Abs. 1 UIG verfügt. Der Beklagte ist die zuständige informationspflichtige Stelle im Sinne des § 2 Abs. 1 UIG. Als Behörde, die Aufgaben des Umweltschutzes wahrnimmt, ist das Landesamt für Umwelt mit dem Vollzug des UIG betraut und verfügt als einheitliche Stelle über die begehrten Informationen, vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 der Verordnung zur Regelung der Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Immissionsschutzes (Immissionsschutzzuständigkeitsverordnung).
II. Die Informationen, die der Beklagte dem Beigeladenen zugänglich machen will, sind als Umweltinformationen zu qualifizieren, § 2 Abs. 3 UIG. Der Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen setzt grundsätzlich kein besonderes rechtliches Interesse voraus. Hinsichtlich der zur Einsicht vorgesehenen Unterlagen ist der angefochtene Bescheid dabei auch hinreichend bestimmt im Sinne des § 37 Verwaltungsverfahrensgesetz Bund – VwVfG – in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes Brandenburg.
Das setzt voraus, dass der Inhalt der von der Behörde getroffenen Regelung für die Beteiligten vollständig, klar und eindeutig erkennbar ist, sodass sie ihr Verhalten danach richten können und der Bescheid darüber hinaus geeignet ist, Grundlage für Maßnahmen einer zwangsweisen Durchsetzung zu sein (Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 23. Auflage, § 37 Rn. 5). Aus Sicht der Beteiligten genügt es, wenn sich die Regelung aus dem gesamten Inhalt des Bescheids, insbesondere seiner Begründung, sowie den weiteren, den Beteiligten bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Umständen unzweifelhaft erkennen lässt. Wenn Rechtspositionen Dritter betroffen sind, muss der Inhalt auch für den Drittbetroffenen hinreichende Bestimmtheit aufweisen (Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 23. Auflage, § 37 Rn. 5).
1. Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welchem Umfang die bei dem Beklagten geführten Unterlagen dem Beigeladenen offengelegt werden sollen. Der Kläger äußerte schriftsätzlich die Auffassung, es würden sämtliche beim Beklagten geführte Betriebsakten mit etwa 10.000 Seiten zugänglich gemacht. Demgegenüber hat der Beklagte bereits im Anhörungsschreiben vom 4. September 2020 und im Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2021 dargestellt, welche einzelnen Unterlagen für eine Akteneinsicht angedacht sind und diese mit Datum und wesentlichem Inhalt ausreichend konkret benannt.
Da der streitgegenständliche Umweltinformationsanspruch einen Drittbezug aufweist, ist bei der Ermittlung des Inhalts der Regelung auf den objektiven Erklärungswert und -inhalt des mitgeteilten Inhalts abzustellen, so wie er sich sämtlichen tatsächlich oder potentiell Betroffenen bei verständiger Würdigung darstellt. Das soll nicht nur dem begünstigten Adressaten den Genehmigungsumfang mitteilen, sondern auch dem Dritten ermöglichen, seine individuelle Betroffenheit einzuschätzen und effektiven Rechtsschutz zu ersuchen. Das ist hier der Fall. Bereits im Anhörungsbogen vom 4. September 2020 und darauffolgend im Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2021 listete der Beklagte jeweils diejenigen Genehmigungsbescheide, Prüfbescheide und Kontrollprotokolle auf, die zur Einsichtnahme durch den Beigeladenen bestimmt sind. Damit war für den Kläger voraussehbar und unzweideutig klargestellt, in welchem Umfang seine Interessen möglicherweise betroffen sein könnten.
2. Hinsichtlich personenbezogener Daten lässt der Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids ebenfalls ausreichend deutlich erkennen, dass Daten der Mitarbeiter beim Beklagten vor der Akteneinsichtsgewährung zu schwärzen sind. Der Beklagte ist dazu der zutreffenden Auffassung, dass es einer ausdrücklichen Klarstellung im Bescheid-Tenor nicht bedürfe, da der Antrag ohnehin mit dem Einverständnis gestellt worden sei, dass personenbezogene Daten geschwärzt würden und der Antrag in den Tenor „Ihrem Antrag auf Akteneinsicht ... wird stattgegeben“ einbezogen sei. Das ist mit dem Sinn und Zweck des § 37 VwVfG vereinbar. Die vorzunehmende Schwärzung von Namen und Dienstbezeichnung der Mitarbeiter ist nicht zwingend zu tenorieren, solange der Bescheid mitsamt seiner Begründung die individuelle Betroffenheit erkennen lässt. Die Schwärzung der Mitarbeiterdaten wird in dem Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2021 (Seite 3f.) klarstellend aufgeführt.
III. Gründe, den Antrag zum Schutz von personenbezogenen Daten oder von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen abzulehnen, sind nicht gegeben, § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Nr. 3 UIG. Nach diesen Vorschriften ist der Antrag abzulehnen, soweit durch das Bekanntgeben der Informationen personenbezogene Daten offenbart und dadurch Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt würden (§ 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UIG) oder soweit durch das Bekanntgeben Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zugänglich gemacht würden (§ 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UIG), es sei denn, die Betroffenen haben zugestimmt oder das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt.
Die Beteiligten streiten über die Fragen, ob sogenannte „Kundendaten“ als personenbezogene Daten von der Einsichtnahme ausgeschlossen sind (dazu 1.) und ob Kundendaten, Mengenangaben und/oder Entsorgungswege als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu schützen sind (dazu 2.).
1. Die nach dem unwidersprochenen Vortrag des Beklagten lediglich „vereinzelt“ vorhandenen personenbezogenen Daten führen nicht zur Ablehnung des Akteneinsichtsgesuchs gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UIG. Es ist schon zweifelhaft, ob es sich bei einer Firmenbezeichnung mit Adresse überhaupt um personenbezogene Daten handelt (dazu a.). Eine erhebliche Beeinträchtigung der Interessen der Betroffenen ist jedenfalls nicht erkennbar (dazu b.).
a. Personenbezogene Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Urteil vom 3. September 2009 – 12 A 131/07 –, Rn. 26, juris). Gemäß Art. 4 Datenschutzgrundverordnung sind „personenbezogene Daten“ alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann. Der Ausnahmetatbestand soll den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung als Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG wahren (BT-Drs. 15/3406, S. 20). Auch juristischen Personen ist dieser Schutz nicht von vornherein zu versagen, wenn bei Angaben über Gesellschaften eindeutig festzustellen ist, welche natürliche Person dahintersteht, d.h. wenn die Angaben über die Personengemeinschaft auch auf deren Mitglieder „durchschlagen“ (BGH, Urteil vom 17. Dezember 1985 – VI ZR 244/84 –, Rn. 12, juris; VG Braunschweig, Urteil vom 14. Januar 2009 – 2 A 121/08 –, Rn. 19, juris, m.w.N.). In diesem Fall kann der Schutzbereich des § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UIG dem Grunde nach betroffen sein. Gleiches kann gelten, wenn im Zusammenhang mit den betreffenden Daten keine bestimmte natürliche Person genannt wird, diese aber aufgrund der bekannt gegebenen Daten ohne größeren Aufwand bestimmbar ist, sie also direkt oder indirekt identifiziert werden kann, zum Beispiel durch konkrete Grundstücksangaben oder die Angabe einer bestimmten Adresse (offen gelassen Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Februar 2015 – OVG 12 B 13.12 –, Rn. 30; Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer Umweltrecht, Stand: Januar 2023, UIG § 9 Rn. 8f.).
Dabei liegt es in der Natur des hiesigen Verfahrens, dass die Kammer in Abwesenheit der betreffenden Unterlagen entscheidet, da es anderenfalls dem Beigeladenen Akteneinsicht gemäß § 100 VwGO in jene Unterlagen zu gewähren hätte, über deren Zugänglichmachung erst noch zu befinden ist. Insoweit sind die Darlegungs- und Mitwirkungsobliegenheiten der Beteiligten, denen die Akteninhalte bekannt sind, gesteigert. Der Kläger hat auf die gerichtliche Anordnung, hierzu ergänzend vorzutragen, keine näheren Angaben gemacht. Selbst wenn aber die Firmenbezeichnung als personenbezogenes Datum zu qualifizieren wäre, so fehlt es jedenfalls an einer weiteren Voraussetzung des Ausschlussgrundes (dazu b.).
b. Der Ausnahmetatbestand gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UIG setzt neben der Offenbarung geschützter personenbezogener Daten voraus, dass durch die Bekanntgabe die Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt würden. Der Ausnahmetatbestand bezweckt einen Schutz des Einzelnen nicht schlichtweg vor jeder Offenbarung persönlicher Lebenssachverhalte. Maßgeblich sind immer auch der konkrete Grad der Schutzwürdigkeit sowie die Erheblichkeit der Beeinträchtigung. Eine derartige Beeinträchtigung bedeutet die in Frage stehende Zugänglichmachung der Kundendaten für den Kläger nicht.
Erforderlich ist eine einzelfallbezogene, hinreichend substantiierte und konkrete Darlegung, dass dem Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen ein erhebliches Gewicht zukommt. Dabei sind sowohl Art und Umfang der Informationspreisgabe als auch die Wahrscheinlichkeit und der Grad nachteiliger Auswirkungen auf die Interessen des Betroffenen in die gebotene prognostische Bewertung einzustellen (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Februar 2015 – OVG 12 B 13.12 –, Rn. 29, juris; OVG Münster, Urteil vom 1. März 2011 - 8 A 2861/07 - juris Rn. 110; Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer Umweltrecht, Stand: Januar 2023, § 9 UIG Rn. 14).
Der Kläger trägt insoweit vor, dass die Firmenanschrift teilweise auch die Privatadresse der betroffenen Kunden darstelle. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass wer als Unternehmer oder Firmeninhaber im Geschäftsverkehr auftritt und dabei seine private Adresse für geschäftliche Zwecke verwendet, sich nicht uneingeschränkt auf den Schutz der Privatsphäre berufen kann. In dem Maße, in dem der gewöhnliche Geschäftsverkehr die Adresse erfährt, hat sich der Unternehmer des Schutzes begeben und es fehlt – mangels anderweitiger Anhaltspunkte – in dieser konkreten Konstellation an einer erheblichen Beeinträchtigung. Das gilt umso mehr, wenn die Daten ohnehin in einer öffentlich zugänglichen Quelle, wie etwa dem Handelsregister für eingetragene Kaufleute oder Unternehmergesellschaften, oder einem Internetauftritt abrufbar oder veröffentlicht sind. Darüber hinaus dürften Personen, die sich der Dienste des Klägers für Abfallrecycling bedienen, regelmäßig über den Privatgebrauch hinausreichende Abfallmengen abzugeben haben und sich damit in einem Bereich der Sozial- und Öffentlichkeitssphäre bewegen, der keine erheblichen Beeinträchtigungen erwarten lässt.
2. Weder etwaig erkennbare Geschäftsbeziehungen noch Mengenangaben und Entsorgungswege sind hier geheimhaltungsbedürftige Betriebs- oder Geschäftsinformationen, deren Zugänglichmachung gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UIG zu versagen ist.
a. Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden in ständiger Rechtsprechung alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat (BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 – 1 BvR 2087/03 –, BVerfGE 115, 205-259, Rn. 87, m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2017 – 7 C 31/15 –, Rn. 64, juris; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Januar 2018 – OVG 12 B 14.16 –, Rn. 26, juris). Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen im weitesten Sinne; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen (BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 – 1 BvR 2087/03 –, BVerfGE 115, 205-259, Rn. 87; BVerwG, Urteil vom 24. September 2009 – 7 C 2/09 –, BVerwGE 135, 34-48, Rn. 50). Zu derartigen Geheimnissen werden etwa Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Marktstrategien, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen, Patentanmeldungen und sonstige Entwicklungs- und Forschungsprojekte gezählt, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betriebs maßgeblich bestimmt werden können (Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer Umweltrecht, Stand: Januar 2023, UIG § 9 Rn. 21). Die offengelegte Information muss nicht schon für sich genommen ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis darstellen; vielmehr genügt es, wenn sie Rückschlüsse darauf zulässt.
Ein Geschäftsgeheimnis setzt dabei neben dem Mangel an Offenkundigkeit der zugrundeliegenden Informationen ein berechtigtes Interesse des Unternehmens an deren Nichtverbreitung voraus (BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2009 – 7 C 18/08 –, Rn. 13, juris). Entscheidend ist, ob ein verständiger Unternehmer Informationen dieser Art geheim halten würde, weil die Offenlegung geeignet wäre, exklusives kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des betroffenen Unternehmens nachteilig zu beeinflussen (BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2017 – 7 C 31/15 –, Rn. 64, juris; BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2009 – 7 C 18/08 –, Rn. 13, juris; BVerwG, Beschluss vom 19. Januar 2009 – 20 F 23/07 –, Rn. 11, juris).
Der Kläger trägt vor, es sei zu befürchten, dass sein gesamter Kundenstamm öffentlich werde und die Entsorgungswege ebenfalls ableitbar wären. Aus den Dokumenten der Akte ergebe sich, an welchen Stellen der Kläger mit welchen Kunden Geschäfte dergestalt mache, dass er dort Abfälle einsammle und weiterverbringe.
Zwar ist grundsätzlich denkbar, dass bestehende Geschäftsbeziehungen zu anderen Unternehmen, Einzelkaufleuten oder sonstigen am Wirtschaftszweig beteiligten Personen schützenswerte Geheimnisse darstellen, die vor einer Akteneinsichtsgewährung unkenntlich zu machen sind.
Allerdings hat der Beklagte bisher unwidersprochen ausgeführt, dass andere Unternehmen in den offenzulegenden Unterlagen nur vereinzelt genannt werden; und zwar in dem Prüfbescheid vom 14. April 2020 sowie den Kontrollprotokollen vom 4. Juli 2019 und 28. Januar 2020. Auch auf ausdrücklichen Hinweis des Gerichts vom 11. Mai 2023 hat der Kläger nicht konkretisiert, in welchem Umfang die Unterlagen derartige Kundendaten erkennen lassen. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass eine „Kundenliste“ für das betreffende Unternehmen einen wichtigen Bestandteil seines immateriellen Vermögenswertes („good will“) darstellt, auf dessen Geheimhaltung von Seiten des Betriebsinhabers meist großer Wert gelegt wird (BGH, Urteil vom 26. Februar 2009 – I ZR 28/06 –, Rn. 15, juris; BGH, Urteil vom 27. April 2006 – I ZR 126/03 –, Rn. 19, juris). Eine einzelne Geschäftsbeziehung dürfte jedoch nur schutzwürdig sein, wenn sie einen für das betroffene Unternehmen vitalen „Hauptkunden“ betrifft. Mangels entsprechendem Vortrag des Klägers ist bisher anzunehmen, dass zu veröffentlichende Akten keine Kundenlisten oder Hauptkunden nennen.
Zudem kann die Schutzwürdigkeit des Geheimhaltungsinteresses abnehmen, wenn seit der Informationsentstehung ein längerer Zeitraum verstrichen ist. Das Geheimhaltungsinteresse bei abgeschlossenen Vorgängen ohne Bezug zum laufenden Geschäftsbetrieb verringert sich mit zunehmendem Zeitablauf, sodass ursprünglich als Geheimnisse eingestufte Geschäftsgeheimnisse nicht mehr wettbewerbsrelevant und damit schutzwürdig sind (Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer Umweltrecht, Stand: Januar 203, UIG § 9 Rn. 22 m.w.N.). An die Darlegungslast einer dennoch anzunehmenden Schutzwürdigkeit bestehen dann gesteigerte Anforderungen.
Dieser Darlegungslast hat der Kläger nicht Genüge getan. Es ist weder erkennbar, in welchem Umfang derartig geheim zu haltende Informationen vorhanden sind, noch ob sich diese möglicherweise durch Zeitablauf erledigt haben. Die einzusehenden Unterlagen beginnen bereits mit Datum vom 19. März 1993 (Genehmigungsbescheid G-10/93) und dürften durch den nachfolgenden Bescheid jeweils überholt sein. Auch Prüfbescheide wurden seit dem 13. November 1996 fortlaufend mindestens bis zum 10. Juni 2020 erlassen. Nach alledem ist nicht ausgeschlossen, dass das Geheimhaltungsinteresse überholt ist oder sich zumindest reduziert hat.
Schließlich ist nicht vorgetragen oder anderweitig erkennbar, dass die vom Kläger an die Behörde übermittelten Informationen, soweit sie überhaupt von der Akteneinsicht betroffen sein sollten, vollständig oder teilweise als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gekennzeichnet sind (vgl. § 9 Abs. 1 S. 4 UIG).
b. Der Kläger trägt weiterhin vor, dass Mengenangaben sowie Entsorgungswege erkennbar seien und zumindest Rückschlüsse auf betriebliche und geschäftliche Geheimnisse zuließen. Das verhilft der Klage nicht zum Erfolg, zum einen da die Kapazität einer nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftigen Anlage in der Regel kein Geschäfts- und Betriebsgeheimnis darstellt (BVerwG, Urteil vom 24. September 2009 – 7 C 2/09 –, BVerwGE 135, 34-48, Rn. 52), zum anderen weil es in tatsächlicher Hinsicht insoweit an substantiiertem Vorbringen fehlt (s. zuvor).
IV. Da der Behörde ein Ermessen weder hinsichtlich der Akteneinsichtsgewährung gemäß § 3 UIG („hat Anspruch“) noch in Bezug auf die Ablehnungsgründe gemäß §§ 8, 9 UIG („ist abzulehnen“) eingeräumt wird, kann ein Ermessensverstoß nicht darin liegen, dass die Schwärzung personenbezogener Daten nicht tenoriert ist. Dass der streitgegenständliche Verwaltungsakt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstieße, ist angesichts des Zwecks des Gesetzes, den rechtlichen Rahmen für den freien Zugang zu Umweltinformationen bei informationspflichtigen Stellen sowie für die Verbreitung dieser Umweltinformationen zu schaffen (§ 1 Abs. 1 UIG) und dabei die Gründe für die Verweigerung der Bekanntgabe eng auszulegen (Erwägungsgrund Nr. 16, EU- Richtlinie 2003/4/EG vom 28. Januar 2003), im hier zu entscheidenden Fall nicht anzunehmen.
B. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 ff. VwGO, demnach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, da dieser keinen Antrag gestellt hat, §§ 154 Abs. 3 Hs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit mit Abwendungsbefugnis folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.