Gericht | VG Frankfurt (Oder) 3. Kammer | Entscheidungsdatum | 22.06.2023 | |
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Aktenzeichen | 3 L 385/22 | ECLI | ECLI:DE:VGFRANK:2023:0622.3L385.22.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 25 Abs 5 S 1 AufenthG, § 27 Abs 1 AufenthG, § 28 Abs 1 S 1 Nr 1 AufenthG, § 32 Abs 4 S 1 AufenthG, § 5 Abs 2 S 2 AufenthG, § 50 Abs 1 AufenthG, § 58 Abs 2 S 1 Nr 2 AufenthG, § 60a Abs 2 S 1 AufenthG, § 81 Abs 3 AufenthG, § 81 Abs 4 AufenthG, § 39 S 1 Nr 3 AufenthV, § 17 Abs 1 BMG, § 27 Abs 2 BMG, Art 19 Abs 4 GG, Art 6 GG, § 80 Abs 5 S 1 VwGO, § 123 Abs 1 S 2 VwGO, § 80 Abs 2 S 2 VwGO, § 1 Abs 1 VwVG BB, § 16 VwVG BB |
1. Es wird festgestellt, dass der Widerspruch vom 9. Dezember 2022 gegen die Abschiebungsandrohung in Nr. 5 des Bescheides vom 23. November 2022 aufschiebende Wirkung hat. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.
A. Der sinngemäß gestellte Antrag der Antragsteller,
1. die aufschiebende Wirkung des Widerspruches vom 9. Dezember 2022 gegen die Ablehnung der beantragten Aufenthaltserlaubnisse in Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 des Bescheides vom 23. November 2022 anzuordnen,
2. festzustellen, dass der Widerspruch vom 9. Dezember 2022 gegen die Abschiebungsandrohung in Nr. 5 des Bescheides vom 23. November 2022 aufschiebende Wirkung hat und
3. hilfsweise, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihre Abschiebung vorläufig auszusetzen,
hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Unter Heranziehung der §§ 86 Abs. 3, 88 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) war der gestellte Antrag der Antragsteller bei verständiger Würdigung ihres Begehrens sachdienlich wie dargestellt auszulegen. Den Antragstellern geht es letztlich darum, ihre Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ohne drohende Abschiebung in die Republik Moldau vom Bundesgebiet aus weiter zu verfolgen. Anknüpfungspunkt ist dabei abweichend vom Wortlaut ihrer Antragsschrift nicht die zugleich erhobene Klage (Az.: VG 3 K 1027/22), die sie sinngemäß wohl mit Ausnahme des geltend gemachten Anspruchs auf Aussetzung der Abschiebung zurückgenommen haben, sondern ihr nachträglich erhobener Widerspruch vom 9. Dezember 2022.
I. Der Antrag zu 1., die aufschiebende Wirkung des Widerspruches vom 9. Dezember 2022 gegen die Ablehnung der beantragten Aufenthaltserlaubnisse in Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 des Bescheides vom 23. November 2022 anzuordnen, hat keinen Erfolg, da er mangels Statthaftigkeit unzulässig ist.
Während eines die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis betreffenden, anhängigen Verwaltungs- und auch Gerichtsverfahrens ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zur vorläufigen Sicherung eines Aufenthaltsrechts nur statthaft, wenn der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Entstehen einer Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 oder Abs. 4 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) geführt hat und diese durch Bescheidung des Antrags wieder erloschen ist. Hier ist im Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu entscheiden, ob die durch die Ablehnung des Antrags genommene Rechtsposition wieder eingeräumt werden soll (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 7. Oktober 2022 – 11 S 2848/21 –, juris, Rn. 22 m.w.N.).
Dies ist hier nicht der Fall. Den Anträgen der Antragsteller vom 11. Oktober 2021 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 AufenthG und gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 AufenthG beziehungsweise hilfsweise gemäß § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kam keine Fiktionswirkung zu. Insbesondere galt der Aufenthalt der Antragsteller bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde nicht deshalb gemäß § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG als erlaubt, weil sie sich zum Zeitpunkt der Antragstellung rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen. Denn auch wenn die zuletzt am 17. Juli 2021 erfolgte Einreise der Antragsteller in den Schengen-Raum gemäß Art. 4 Abs. 1 Verordnung (EU) 2018/1806 visumfrei zulässig gewesen sein könnte, war ihr Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland nicht rechtmäßig im Sinne von § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Der Aufenthalt einer nach Art. 4 Abs. 1 Verordnung (EU) 2018/1806 von der Visumspflicht befreiten ausländischen Person auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, die bereits bei der Einreise einen Daueraufenthalt anstrebt, ist mangels Einreise mit dem für diesen Aufenthaltszweck erforderlichen Visum nicht rechtmäßig. Nur wenn die ausländische Person subjektiv die zeitliche Grenze von 90 Tagen nicht überschreiten will, dann sich aber ein Sinneswandel während des Aufenthalts ergibt und nunmehr ein Daueraufenthalt angestrebt wird, führt ein entsprechender Antrag zur Fiktionswirkung des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 20. September 2018 – 11 S 1973/18 –, juris, Rn. 14). So liegt der Fall hier jedoch nicht. Vieles spricht vorliegend dafür, dass die Antragsteller bereits bei ihrer gemeinsamen Einreise am 17. Juli 2021 beabsichtigten, in der Bundesrepublik Deutschland einen längerfristigen Aufenthalt anzustreben. Dafür spricht insbesondere, dass die Antragstellerin zu 1. ausweislich des eingereichten, undatierten Wohnungsmietvertrags einen unbefristeten Mietvertrag über eine 45 qm große Wohnung am , mit Mietbeginn zum 20. Juli 2021 abschloss, die Antragsteller sich ausweislich zweier Meldebestätigungen unmittelbar im Anschluss gemäß § 17 Abs. 1 Bundesmeldegesetz (BMG) anmeldeten, obwohl dies für einen Kurzaufenthalt nach § 27 Abs. 2 BMG nicht erforderlich gewesen wäre, der Antragsteller zu 2. ausweislich eines eingereichten Zeugnisses erfolgreich das am 9. August 2021 beginnende Schuljahr 2021/2022 beendete und die Eheschließung zwischen der Antragstellerin zu 1. und ihrem damaligen Verlobten und jetzigen Ehemann ausweislich eines eingereichten Trauscheins bereits am 13. August 2021 in dem Königreich Dänemark erfolgte. Unerheblich in diesem Zusammenhang ist der Umstand, dass der Antragsgegner den Antragstellern zwischenzeitlich Fiktionsbescheinigungen ausstellte, da den Bescheinigungen lediglich deklaratorische Bedeutung zukommt und sie nicht vermögen, einen Rechtsstatus konstitutiv zu begründen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2010 – 1 B 17/09 –, juris, Rn. 7).
II. Der Antrag zu 2., die aufschiebende Wirkung des Widerspruches vom 9. Dezember 2022 gegen die Abschiebungsandrohung in Nr. 5 des Bescheides vom 23. November 2022 festzustellen, ist zulässig und begründet.
1. Der Antrag zu 2. ist zulässig, insbesondere ist er statthaft.
Der Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO analog ist statthaft, wenn zwischen den Beteiligten eines Verwaltungsrechtsverhältnisses Streit darüber besteht, ob ein Rechtsbehelf gegen einen Verwaltungsakt kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO) aufschiebende Wirkung hat. Eine gegebenenfalls erfolgende Feststellung soll einer faktischen Vollziehung, also der unter Missachtung der aufschiebenden Wirkung erfolgenden beziehungsweise drohenden behördlichen Vollziehung eines Verwaltungsakts entgegenwirken (vgl. VGH München, Beschluss vom 18. November 2019 – 4 CS 19.1839 –, juris, Rn. 4).
So liegt der Fall hier. Es ist davon auszugehen, dass der Antragsgegner dem Widerspruch vom 9. Dezember 2022 die aufschiebende Wirkung, auch soweit er sich gegen die Abschiebungsandrohung in Nr. 5 des Bescheides vom 23. November 2022 richtet, aberkennt. So führte der Antragsgegner in seinem Schriftsatz vom 19. Dezember 2022 aus, dass unter anderem auch gegen die Abschiebungsandrohung in Nr. 5 des Bescheides vom 23. November 2022 Widerspruch erhoben worden sei, ein Antrag nach § 80 Abs. 4 VwGO nicht gestellt worden sei, der Antrag aber auch in der Sache keinen Erfolg hätte, weil die Entscheidung rechtmäßig ergangen sei und die Antragsteller nicht in ihren Rechten verletze.
2. Der Antrag zu 2. ist auch begründet.
Der Widerspruch vom 9. Dezember 2022 gegen die Abschiebungsandrohung in Nr. 5 des Bescheides vom 23. November 2022 hat gemäß der Grundregel des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung. Insbesondere ist die aufschiebende Wirkung nicht gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO in Verbindung mit § 16 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Brandenburg (VwVGBbg) entfallen. Bei der Abschiebungsandrohung handelt es sich um eine Maßnahme im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen wird (vgl. Schoch, in: Schneider/Schoch, 43. EL August 2022, VwGO, § 80, Rn. 195 m.w.N.). Die aufschiebende Wirkung ist allerdings nicht nach § 16 VwVGBbg entfallen. Zwar haben gemäß § 16 VwVGBbg Rechtsbehelfe, die sich gegen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörden richten, keine aufschiebende Wirkung, jedoch ist vorliegend der Geltungsbereich des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes nicht eröffnet. Es liegt kein Fall des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwVGBbg vor, weil das vorliegende Verfahren nicht die Vollstreckung eines Verwaltungsakts einer der dort genannten Behörden, sondern die Vollstreckung der gemäß §§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG bestehenden gesetzlichen, vollziehbaren Ausreisepflicht betrifft. Diese besteht, da die Antragsteller den erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzen und ihr Aufenthalt nach den oben gemachten Ausführungen auch nicht nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG als erlaubt gilt. Auch liegt kein Fall des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwVGBbg vor, weil die Ausländerbehörde nicht um Vollstreckungshilfe ersucht worden ist, sondern aufgrund ihrer originären, gesetzlich durch § 71 Abs. 1 AufenthG begründeten Zuständigkeit tätig wurde (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Dezember 2020 – OVG 2 S 47/20 –, juris, Rn. 4 ff., Schoch, in: Schneider/Schoch, 43. EL August 2022, VwGO, § 80, Rn. 186,195 f., a.A. zum weitgehend gleichlautenden § 12 Satz 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für Baden-Württemberg: VGH Mannheim, Beschlüsse vom 15. April 1991 – 1 S 931/91 –, juris, Rn. 6 ff. und vom 8. Juni 2022 – 12 S 3027/21 –, juris, Rn. 19 ff.). Darüber hinaus hat der Antragsgegner den Entfall der aufschiebenden Wirkung bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch nicht besonders gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet.
III. Der hilfsweise gestellte, zulässige Antrag, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Abschiebung der Antragsteller vorläufig auszusetzen, ist nicht gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO begründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung glaubhaft zu machen.
Läuft die begehrte Anordnung praktisch auf die Vorwegnahme der Hauptsache hinaus, so kann sie nur ausnahmsweise ergehen, wenn das Abwarten der Hauptsachenentscheidung schlechthin unzumutbar ist. Das setzt unter dem Gesichtspunkt der erforderlichen Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruches voraus, dass das Rechtsschutzbegehren in der Hauptsache schon auf der Grundlage der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren lediglich summarischen Prüfung bei Anlegung eines strengen Maßstabes an die Erfolgsaussichten erkennbar Erfolg haben wird. Außerdem muss im Rahmen des Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht werden, dass ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. September 2017 – 1 WDS-VR 4/17 –, juris, Rn. 15 m.w.N.).
Demnach ist vorliegend ein Anordnungsanspruch bereits nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
1. Die Antragsteller haben keinen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung aus rechtlichen Gründen gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 6 Grundgesetz (GG).
Eine Abschiebung ist aus rechtlichen Gründen unmöglich, wenn Art. 6 GG der Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen entgegensteht. Art. 6 GG verpflichtet als wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, das heißt entsprechend dem Gewicht der Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Dezember 2021 – 2 BvR 1333/21 –, juris, Rn. 45 m.w.N.). Die Pflicht, Ehe und Familie zu schützen, drängt aufenthaltsrechtliche Belange aber nicht grundsätzlich zurück. Eine zeitweise Trennung von der Familie und somit auch die Durchführung eines ordnungsgemäßen Visumverfahrens ist grundsätzlich zumutbar. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn ein deutsches oder aufenthaltsberechtigtes Familienmitglied auf wesentliche Lebenshilfe angewiesen ist, ein anderes Familienmitglied diese Hilfe tatsächlich regelmäßig erbringt und sich diese Hilfe nur im Bundesgebiet erbringen lässt (vgl. OVG Bautzen, Beschluss vom 16. März 2021 – 3 B 93/21 –, juris, Rn. 22, OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. April 2023 – OVG 2 S 6/23 –, EA, Seite 3 f.).
Eine familiäre Bindung in diesem Sinne haben die Antragsteller zur Überzeugung des Gerichts nicht glaubhaft gemacht. Die Antragsteller haben zwar eingehend zur Hilfebedürftigkeit des Ehemannes der Antragstellerin zu 1. vorgetragen, es fehlt aber an einem substantiierten Vortrag, welche wesentliche Lebenshilfe, die sich nur im Bundesgebiet erbringen lässt, die Antragstellerin zu 1. für ihren Ehemann tatsächlich und regelmäßig erbringt.
Im Rahmen des verwaltungsrechtlichen Verfahren trugen die Antragsteller mit Schreiben vom 11. Oktober 2021, mit dem sie die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen beziehungsweise die Aussetzung ihrer Abschiebung beantragten, lediglich vor, dass der Ehemann der Antragstellerin zu 1. an mehreren Erkrankungen leide, sich nach der Heirat mutmaßlich wegen der bevorstehenden Trennung sein psychischer und physischer Zustand krisenhaft verschlechtert habe, er in seiner jetzigen Verfassung mehr denn je auf die durchgehende Unterstützung seiner Familie, sowohl bei der Verrichtung der Dinge des alltäglichen Lebens als auch bei der mentalen Unterstützung angewiesen sei und eine auch nur vorübergehende Trennung zu irreversiblen Folgen führen könne. Auch aus den Ausführungen in dem Schreiben vom 28. Oktober 2021 folgt nichts anderes. Dort heißt es lediglich, dass aus dem eingereichten fachärztlichen Attest vom 8. September 2021 hervorgehe, dass der Ehemann der Antragstellerin zu 1. aufgrund seiner aktuellen gesundheitlichen Verfassung akut auf permanente Unterstützung der Antragstellerin zu 1. in allen Lebenslagen und somit auf deren Präsenz angewiesen sei, Stresssituationen wie die Trennungsangst und Zukunftssorgen seinen körperlichen Zustand nachhaltig beeinflussen und ihn unfähig machen würden, selbst alltägliche Dinge selbständig bewältigen zu können, eine Trennung bei ihm zu nachhaltigen, irreversiblen Gesundheitsfolgen führen könne und dessen derzeitiges Wohl von der Möglichkeit der Nähe zu den Antragstellern bestimmt werde.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag in dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren. So führten die Antragsteller in ihrer Antragsschrift vom 5. Dezember 2022 allein aus, dass der Ehemann der Antragstellerin zu 1. schwer krank sei, kurz vor dem Suizid stehe und es ihm aufgrund seiner schweren zahlreichen Erkrankungen und der daraus resultierenden enormen psychischen Labilität nicht zuzumuten sei, die Antragsteller nach eineinhalb Jahren des Zusammenlebens abgeschoben zu erleben. Diese Ausführungen wiederholten die Antragsteller zur Begründung des nachträglich erhobenen Widerspruches vom 9. Dezember 2022.
Auch die Ausführungen in den Gutachten der Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin und Psychotherapie E. G. vom 8. September 2021 und vom 6. Dezember 2022, auf die die Antragsteller verweisen, führen zu keinem anderen Ergebnis. Auch aus ihnen geht nicht hervor, welche wesentliche Lebenshilfe, die sich nur im Bundesgebiet erbringen lässt, die Antragstellerin zu 1. für ihren Ehemann tatsächlich und regelmäßig erbringt.
In dem Gutachten vom 8. September 2021 heißt es insoweit nur, dass der Ehemann der Antragstellerin zu 1. nicht unabhängig und selbstständig sein Leben führen könne, er Schwierigkeiten habe sich selbst zu versorgen und zu pflegen, die Umsetzung der Pflege durch eine vertraute Person enorm wichtig sei und eine Pflege durch eine fremde Person zu Komplikationen führen könne, er auf die Hilfe der Antragstellerin zu 1. als einziger Bezugsperson angewiesen sei, er im Alltag aufgrund seiner Erkrankungen unmotiviert sei, sich selbst zu versorgen, er permanente Hilfe und Unterstützung im Alltag benötige, er immer eine Person, die ihm behilflich sein könne, brauche, er in jeder Lebensverrichtung angeleitet und geführt werden müsse, er nicht in der Lage sei, seine Wohnung alleine zu verlassen, er sich bei Lebensentscheidungen passiv auf die Antragstellerin zu 1. Verlasse. Ohne jede nähere Substantiierung heißt es weiter, dass die Antragstellerin zu 1. sich Tag und Nacht um ihn kümmere, die Bindung zur Antragstellerin zu 1. ihm Schutz und Geborgenheit bringe, er auf ihre Nähe angewiesen und nicht in der Lage sei, ohne eine 24h-Betreuung zu existieren.
Aus dem Gutachten vom 6. Dezember 2022 geht zwar hervor, dass die Antragstellerin zu 1. ihrem Ehemann tatsächlich und regelmäßig Lebenshilfe, die sich nur im Bundesgebiet erbringen lässt, erbringt, indem sie ihn zu wöchentlichen psychotherapeutischen Gesprächen begleitet. Dies stellt sich jedoch nach Ansicht der Kammer nicht als wesentliche Lebenshilfe dar. Weiter verhält sich das Gutachten vom 6. Dezember 2022 zu einer von der Antragstellerin zu 1. für ihren Ehemann tatsächlich und regelmäßig erbrachten, wesentlichen Lebenshilfe, die sich nur im Bundesgebiet erbringen lässt, nicht, sondern es heißt lediglich, dass der Ehemann als einzige Bezugsperson die Antragstellerin zu 1. habe, die Bindung zur Antragstellerin zu 1. ihm Schutz und Geborgenheit bringe, er auf das Gehaltenwerden durch ihre Nähe angewiesen sei, er Fürsorge und Schutz vertrauter Personen brauche, um zu überleben, ihm keine unabhängige selbständige Lebensführung möglich sei, er aufgrund seiner Erkrankungen nicht in der Lage sei, alleine ohne Betreuung zu existieren, er permanente Hilfe und Unterstützung brauche, um seinen Alltag zu bewältigen, er pflegebedürftig sei und auf die Hilfe und Unterstützung der Antragstellerin zu 1. angewiesen sei.
Darüber hinaus deutet auch der zwischen der erstmaligen Einreise am 4. Oktober 2019 und der erneuten Einreise am 17. Juli 2021 erfolgte Aufenthalt der Antragsteller außerhalb des Schengen-Raums – insbesondere bei Wahrung der für den visumfreien Aufenthalt in Art. 4 Abs. 1 Verordnung (EU) 2018/1806 vorgesehenen Fristen – und – mangels anderweitiger Anhaltspunkte – der Umstand, dass die Antragstellerin zu 1. nach Wiedereinreise am 17. Juli 2021 nicht wie zuvor in die Wohnung ihres damaligen Verlobten und jetzigen Ehemanns zog, sondern eine eigene Wohnung anmietete, darauf hin, dass eine familiäre Bindung im oben genannten Sinne nicht besteht.
2. Auch haben die Antragsteller keinen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung aus rechtlichen Gründen gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG.
Eine lediglich ausnahmsweise mögliche Verfahrensduldung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG setzt voraus, dass die Aussetzung der Abschiebung geboten ist, weil zweifelsfrei ein (Rechts-)Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis besteht beziehungsweise – wenn der Ausländerbehörde in Bezug auf die Erteilung Ermessen eröffnet ist – keine tragfähigen Ermessensgesichtspunkte ersichtlich sind, die eine Ablehnung rechtfertigen könnten (vgl. VGH München, Beschluss vom 14. Februar 2023 – 10 CE 22.2164 –, juris, Rn. 15 m.w.N.).
Dies ist hier nicht der Fall. Entsprechende Ansprüche können die Antragsteller nicht geltend machen.
a. Die Antragstellerin zu 1. hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 AufenthG.
Dem Anspruch steht insbesondere entgegen, dass die Antragstellerin zu 1. nicht gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG mit dem erforderlichen Visum in die Bundesrepublik Deutschland einreiste. Von diesem Erfordernis kann auch weder gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG noch gemäß § 39 Satz 1 Nr. 3 Aufenthaltsverordnung (AufenthV) abgesehen werden. Der Antragstellerin zu 1. ist es gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG mit Blick auf die Ausführungen oben nicht unzumutbar, das Visumverfahren nachzuholen. Auch besteht kein strikter Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG beziehungsweise im Sinne von § 39 Satz 1 Nr. 3 AufenthV (vgl. dazu: BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2014 – 1 C 15/14 –, juris, Rn. 15, 19), da die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis wegen der fehlenden Sicherung des Lebensunterhaltes gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 AufenthG nur im Ermessenswege erfolgen kann. Darüber hinaus ist § 39 Satz 1 Nr. 3 AufenthV nicht einschlägig, weil die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruches auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wegen der im Königreich Dänemark geschlossenen Ehe nicht nach ihrer letzten Einreise in das Bundesgebiet entstanden sind (vgl. dazu: BVerwG, Urteil vom 11. Januar 2011 – 1 C 23/09 –, juris, Rn. 25 ff.).
b. Die Antragsteller haben ferner keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG, da ihre Ausreise weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist. Die Ausreise der Antragstellerin zu 1. ist hinblickend auf Art. 6 GG ausweislich der Ausführungen oben nicht aus rechtlichen Gründen unmöglich. Auch die Ausreise des Antragstellers zu 2. ist nicht aus rechtlichen Gründen unmöglich. Insbesondere genügt für die Annahme nicht die nicht weiter substantiiert vorgetragene Beziehung des Antragstellers zu 2. zu dem Ehemann der Antragstellerin zu 1. und sein bisheriger Schulbesuch im Bundesgebiet.
c. Auch hat der Antragsteller zu 2. keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, weil hinblickend auf § 27 Abs. 1 AufenthG die Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nur zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet erteilt wird, die familiäre Lebensgemeinschaft des Antragstellers zu 2. zu der allein personensorgeberechtigten Antragstellerin zu 1. im Bundesgebiet aber nicht aufrecht erhalten werden kann. Die Antragstellerin zu 1. besitzt ausweislich der Ausführungen oben kein Bleiberecht und ist von Gesetzes wegen zur Ausreise verpflichtet.
B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Kammer misst dem teilweisen Obsiegen der Antragsteller nur geringe Bedeutung zu, weil die Abschiebungsandrohung auch streitwertmäßig nicht zu berücksichtigen ist.
C. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 2, 52 Abs. 1, 2 Gerichtskostengesetz. Unter Berücksichtigung von Nr. 1.5, Nr. 8.1 und Nr. 8.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai/1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen war dem Antrag zu 1. ein Streitwert von 5.000,00 EUR ((5.000,00 EUR + 5.000,00 EUR) : 2) und dem Antrag zu 3. wegen der Vorwegnahme der Hauptsache ein Streitwert von 5.000,00 EUR (2 x 2.500,00 EUR) zugrunde zu legen. Der Antrag zu 2. wirkt sich nicht streitwerterhöhend aus (vgl. Nr. 8.1 des Streitwertkatalogs).