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Entscheidung 2 K 40/20


Metadaten

Gericht VG Frankfurt (Oder) 2. Kammer Entscheidungsdatum 21.06.2023
Aktenzeichen 2 K 40/20 ECLI ECLI:DE:VGFRANK:2023:0621.2K40.20.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Polizeipräsidiums des Landes Brandenburg, Behördenstab, Stabsbereich 3, vom 6. Mai 2019, Gesch-Z.: S..., und des Widerspruchsbescheides des Polizeipräsidiums des Landes Brandenburg, Behördenstab, Stabsbereich 3, vom 3. Dezember 2019, Gesch-Z.: S..., verpflichtet festzustellen, dass der Kläger mit Ablauf des 30. Juni 2032 in den Ruhestand eintritt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten für den Kläger nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er als Polizeibeamter mit Ablauf des 30. Juni 2032 in den Ruhestand eintritt, da er vom 1. September 1996 bis 31. Oktober 2001 in dem beim Landeskriminalamt angebundenen Bereich Zielfahndung/Observation tätig war.

Der am ... April 1969 geborene Kläger ist Polizeibeamter im gehobenen Dienst des Landes Brandenburg, und zwar zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Amt eines Kriminalhauptkommissars, Besoldungsgruppe A 11, Stufe 11 Besoldungsgesetz für das Land Brandenburg (BbgBesG). Er ist i... am Standort E... tätig.

Er wurde mit Verfügung des Direktors des Landeskriminalamts vom 4. September 1996 mit Wirkung zum 1. September 1996 zum Sachgebiet Observation im Bereich/ Dezernat 55 (Zielfahndung/Observation) des LKA umgesetzt. Der Hauptsitz des LKA wechselte im Rahmen der Strukturreform der Polizei des Landes Brandenburg mit Wirkung zum 1. Juli 2001 vom Standort B... nach E.... Der Kläger wurde mit Verfügung des Landeskriminalamts vom 21. Juni 2001 ab dem 1. Juli 2001 weiter als Sachbearbeiter im Sachgebiet 55.1 (Observation) am Standort B... verwendet.

Bei der Strukturreform der Polizei 2001 wurde aus drei Mobilen Einsatzgruppen (MEGs), wie die Mobilen Einsatzkommandos (MEKs) zum damaligen Zeitpunkt hießen und die bei der damaligen Landeseinsatzzentrale der Polizei des Landes Brandenburg (LESE) angegliedert waren, und aus den zwei Gruppen „Zielfahndung“ und „Observation“ im Bereich 55 (Zielfahndung/Observation) beim LKA vier MEKs gebildet. Die Beamten des Bereichs Zielfahndung/Observation beim LKA konnten sich dabei entscheiden, ob sie bei einem MEK eingegliedert werden oder zukünftig eine andere Tätigkeit ausüben wollten. Der Kläger war daraufhin ab dem 1. November 2001 auf eigenen Wunsch b... am Dienstort ... als Sachbearbeiter im Bereich O... tätig

Seinen Dienst im Bereich Zielfahndung/Observation des LKA versah der Kläger in der Zeit vom 1. September 1996 bis 31. Oktober 2001. Laut seinen Beurteilungen vom 5. Juli 1999 und 16. August 2001 nahm er in den Zeiträumen von August 1996 bis 5. Juli 1999 und vom 1. August 1999 bis 31. Juli 2001 die Aufgaben „Teilnahme an operativen Einsätzen in den Bereichen Voraufklärung, Observation, Fahndung und Festnahme“ wahr. Dies entsprach der Aufgabenbeschreibung des „Sachbearbeiters Observation“, dessen wesentliche Tätigkeit die Teilnahme an operativen Einsätzen in den Bereichen Voraufklärung, Observation, Fahndung und Festnahme ist. Bei der Voraufklärung handelte es sich um die Planung des konkreten Observations-, Fahndungs- und/oder Festnahmeeinsatzes. Es handelte sich nicht um kriminalistische Ermittlungstätigkeit. Diese wurde von anderen Bereichen des LKA geleistet.

In der Beurteilung des Klägers vom 5. Juli 1999 wurden die Aufgaben des Klägers im Einzelnen wie folgt beschrieben: Der Beamte ist stellvertretener Gruppenführer einer Observationsgruppe und führt diese bei Abwesenheit des Gruppenführers. Er arbeitet selbständig als Einsatzleiter. Als qualifizierter Anwender polizeilicher Eingriffsmaßnahmen trägt er die volle persönliche Verantwortung für die Rechtmäßigkeit differenzierter Maßnahmen, bis hin zum Abhören des nicht öffentlich gesprochenen Wortes. Der Beamte wird überwiegend verdeckt tätig und arbeitet anderen Dienststellen der Polizei zu. Haupteinsatzfeld ist die Teilnahme an operativen Einsätzen in den Bereichen Voraufklärung, Observation, Fahndung und Festnahme. Der Beamte muss sich ständig neu qualifizieren und trainieren, um die Einsatztaktiken und -techniken auch unter Belastung noch sicher anwenden zu können. Die rechtlichen Voraussetzungen für die stärksten Eingriffsmaßnahmen muss er sich fortlaufend aktuell erschließen. Hohe psychische und physische Belastbarkeit sowie Teamfähigkeit einerseits und Eigeninitiative andererseits sind Voraussetzungen für die Tätigkeit in einer Observationsgruppe. Die qualifizierte Zuarbeit für andere Polizeidienststellen setzt fundierte kriminalistische Kenntnisse und das Beherrschen der Vorgangsbearbeitung voraus. Nicht zuletzt wird von dem Beamten erwartet, dass er ein hohes Risiko für sein eigenes Leben und seine Gesundheit trägt, um die Rechtsordnung zu verteidigen.

Der Kläger nahm ausweislich der Beurteilung vom 5. Juli 1999 unter anderem an einem MEK-Grundlehrgang, einer Nichtschieß-/Schießausbildung, einem Fahr- und Sicherheitstraining und einer Peilausbildung beim BKA teil. Laut Beurteilung vom 16. August 2001 absolvierte der Kläger unter anderem eine weitere Nichtschieß-/ Schießausbildung, zwei Fahr- und Sicherheitstrainings, eine Ausbildung Peiltechnik Stufe II, eine Verbandsausbildung, d.h. eine Ausbildung in der Zusammenarbeit mit anderen Einheiten, eine Zweikampfausbildung und eine Mehrzweckeinsatzstockausbildung (Ausbildung in der Handhabung des Tonfa).

Der Kläger hatte Einsätze mit MEKs aus anderen Bundesländern, bei denen man sich hinsichtlich der Observation abgewechselte. Die Beamten des Bereichs Zielfahndung/Observation beim LKA wurden entweder beim MEK in Berlin ausgebildet, s..., oder bei der MEG (MEK) in Potsdam, die bei der LESE angegliedert war. Die Peilausbildungen, die der Kläger absolvierte, wurden vom Bundeskriminalamt (BKA) für MEKs angeboten.

Der damalige Bereich 55 mit den Sachgebieten Zielfahndung (55.2) und Observation (55.1) des LKA war sowohl auf der Ebene der Zuständigkeit des LKA als auch mit Zustimmung des LKA auf Anforderung als Serviceeinrichtung für alle Polizeidienststellen und im Auftrag für die Staatsanwaltschaften des Landes Brandenburg für die Durchführung von Zielfahndungen, Observationen und verdeckten Schutzmaßnahmen bei polizeilichen Sonderlagen im Bereich der Schwerstkriminalität zuständig. Die Aufgabenwahrnehmung erfolgte entsprechend den Festlegungen der polizeilichen Aufgaben von Spezialeinheiten durch die Innenministerkonferenz (IMK) vom 15. Februar 1974 gleich denen eines Mobilen Einsatzkommandos (MEK). Dies ergibt sich aus Schreiben des Landeskriminalamts vom 9. September 1997, vom 3. November 1997 und vom 21. Dezember 1997. Aus diesen Schreiben geht hervor, dass der Bereich 55 (Zielfahndung/Observation) beim LKA in MEK-LKA umbenannt werden sollte und dass die Anforderung der in Potsdam ansässigen MEG mit zu viel bürokratischem Vorlauf und Zeitverzug sowie zeitlich begrenzten Einsatzmöglichkeiten verbunden war, so dass das Bedürfnis nach einem direkt beim LKA angesiedelten MEK, dem Bereich 55 (Zielfahndung/Observation), bestand, um die Aufgaben des LKA effektiv erfüllen zu können. Die Einsätze des Bereichs Zielfahndung/Observation des LKA waren zudem auf die Festnahme der observierten Personen ausgerichtet. Mit der Festnahme schlossen die Einsätze bis auf die wenigen Fälle ab, bei denen sich der Verdacht oder die Identität der Person nicht erhärtete. Die Arbeit des Bereichs Zielfahndung/Observation des LKA begann regelmäßig mit der Zielfahndung. Zielfahndung ist die planmäßige, aktive Suche der Strafverfolgungsbehörden nach ausgewählten Straftätern, die als besonders gefährlich eingeschätzt werden oder wegen besonders schwerer Gewalt- oder Wirtschaftsdelikte (§§ 98a, 100a und 110a Strafprozessordnung - StPO) zur Fahndung ausgeschrieben sind. Kriminalbeamte stellen zu diesem Zweck intensive Nachforschungen an und reisen gegebenenfalls in andere Länder, um die dortigen Behörden zu unterstützen, sollte es konkrete Hinweise auf den Aufenthaltsort der Zielperson geben (Quelle: Internet-Enzyklopädie www.wikipedia.de, Stichwort: Fahndung; Zielfahndung). Der Zielfahndung folgte die Observation der verdächtigen Person, die in der Regel mit ihrer verdeckten Festnahme abschloss. An der Observation beteiligten sich wiederum wegen Personalmangels Beamte der Zielfahndung. Die Ausrüstung des Bereichs Zielfahndung/Observation des LKA entsprach den Anforderungen des Beschlusses der IMK vom 15. Februar 1974 über ein „Konzept für die Aufstellung und den Einsatz von Spezialeinheiten der Länder und des Bundes für die Bekämpfung des Terrorismus“ und der Ausrüstung der MEKs des Landes Nordrhein-Westfalen. Im Übrigen wird auf den Inhalt der genannten Schreiben, Blatt 46 bis 50 Rs. der Gerichtsakte, verwiesen.

Das Landeskriminalamt des Landes Brandenburg, bei dem der Bereich 55 (Zielfandung/Observation) eingerichtet war, hat und hatte unabhängig von der konkreten Einbindung in die Organisationsstruktur der Polizei die alleinige Zuständigkeit bei allen Ermittlungen wegen des Verdachts der Organisierten Kriminalität und der Wirtschaftskriminalität, des Landesverrats, des Friedensverrats und des Hochverrats sowie der Bildung einer terroristischen Vereinigung. Es hat Ermittlungskompetenzen zur landesweiten Kriminalitätsbekämpfung in Deliktsbereichen, deren Bearbeitung überregionale und internationale Bezüge und/oder Spezialwissen erfordert. Es nimmt zudem umfangreiche Servicefunktionen für die Polizei des gesamten Landes wahr.

Die Hauptaufgaben eines Mobilen Einsatzkommandos (MEK) sind nach der Definition eines Mobilen Einsatzkommandos die Observation und der Zugriff in besonderen polizeilichen Lagen. Die vorrangige Aufgabe eines MEK liegt in der verdeckten Observation von Verdächtigen in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Dabei wird ein MEK nur bei schwerwiegenden Straftaten, insbesondere im Bereich der Organisierten Kriminalität und der Terrorismusbekämpfung, angefordert. MEKs führen darüber hinaus Festnahmen von Personen durch. Der geplante Zugriff durch ein MEK erfolgt für den Festzunehmenden typischerweise überraschend aus seiner Bewegung, also meist aus einer mobilen Lage (fahrender/laufender Täter), heraus, im Gegensatz zu den Zugriffen eines sogenannten Spezialkommandos (SEK), die in der Regel vor allem aus der statischen Lage (z. B. aus einer Bank bei Geisellagen) heraus erfolgen (Quelle: Internet-Enzyklopädie www.wikipedia.de; Stichwort: Mobiles Einsatzkommando). Auch die Peilung und Ortung von Personen, Fahrzeugen und Mobiltelefonen ist Aufgabe der MEKs (siehe Internet-Enzyklopädie www.wikipedia.de, Stichwort: Spezialeinheit, Andere Einsatzkommandos). In der Peiltechnik wurde der Kläger vom BKA in Lehrgängen für MEKs ausgebildet.

Das Ministerium des Innern des Landes Brandenburg verfügte mit Erlass vom 4. Februar 1998, Az: IV/1-5305, dass die Zulage für Polizeivollzugsbedienstete gemäß § 23 a Erschwerniszulagenverordnung (EZulV) dann gewährt werden könne, wenn im Rahmen der Unterstützung der Fahndungs- und Ermittlungsarbeit die folgenden Aufgaben wahrgenommen werden:

- Vorfeldbeobachtung/Voraufklärung
- Observation/Fahndung für strafprozessuale Maßnahmen mit hohem Gefährdungsgrad
- verdeckter Zugriff in besonderen Fällen.

Der Kläger hatte bereits zuvor unter dem 27. Februar 1997 die Zahlung einer Erschwerniszulage gemäß § 23 a „Besoldungsverordnung“ rückwirkend zum 1. September 1996 beantragt. Mit Bescheid vom 18. Februar 1998 gewährte das LKA dem Kläger die Zahlung der Erschwerniszulage gemäß § 23 a EZulV rückwirkend zum 1. September 1996, da er die erforderlichen Voraussetzungen für die Zulagenbewilligung seit dem 1. September 1996 fortlaufend erfülle, nämlich die Aufgaben Vorfeldbeobachtung und Voraufklärung, Observation und Fahndung für strafprozessuale Maßnahmen mit hohem Gefährdungsgrad sowie verdeckter Zugriff in besonderen Fällen umfassend wahrnehme. Der Kläger erhielt die Erschwerniszulage gemäß § 23 a EZulV rückwirkend vom 1. September 1996 bis zum 31. Oktober 2001, bis er mit Wirkung vom 1. November 2001 als Sachbearbeiter i... umgesetzt wurde.

Mit Bescheid des Polizeipräsidiums des Landes Brandenburg, Behördenstab, Stabsbereich 3, vom 6. Mai 2019, Gesch-Z.: S..., stellte der Beklagte fest, dass der Kläger mit Ablauf des 30. April 2033 in den Ruhestand eintrete. Für den Geburtsjahrgang 1969 verringere sich die gesetzlich bestimmte besondere Altersgrenze von 64 Jahren und 0 Monaten um maximal 24 Monate, wenn der Beamte während der gesamten beruflichen Entwicklung insgesamt zehn oder mehr Jahr im Wechselschichtdienst (mit „großer Wechselschichtzulage“) oder im Schichtdienst (mit „kleiner Wechselschichtzulage“), im Spezialeinsatzkommando, im Mobilen Einsatzkommando, im Personenschutz oder in den Observationstrupps des Verfassungsschutzes tätig gewesen sei. Entsprechende Zeiten im mittleren Dienst und erziehungsberechtigte Zeiträume würden gemäß § 110 Abs. 5 Beamtengesetz für das Land Brandenburg - Landesbeamtengesetz (LBG) ebenfalls berücksichtigt. Für den Kläger lägen bislang keine anrechenbaren Tätigkeiten gemäß § 110 Abs. 5 LBG für die Verringerung der besonderen Altersgrenze vor.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 13. Juni 2019 am 18. Juni 2019 Widerspruch mit der Begründung, dass er vom 1. September 1996 bis 31. Oktober 2001 im Bereich Zielfahndung/Observation beim LKA Brandenburg tägig gewesen sei. Für diese Zeit sei ihm gemäß Erlass des Ministeriums des Innern vom 4. Februar 1990, Az.: IV/1-5305, eine Erschwerniszulage gemäß § 23 a EZulV gewährt worden, da die Voraussetzungen dafür erfüllt gewesen seien. Die Aufgaben seien den Aufgaben des MEK Brandenburg gleichgesetzt gewesen. Dementsprechend seien bei ihm über 5 Jahre als anrechenbare Tätigkeiten vorhanden, die die Altersgrenze verringern könnten. Dies sei bei der Berechnung des Eintritts des Ruhestands zu berücksichtigen.

Mit Widerspruchsbescheid des Polizeipräsidiums des Landes Brandenburg, Behördenstab, Stabsbereich 3, vom 3. Dezember 2019, Gesch-Z.: S..., zugestellt am 11. Dezember 2019, wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger keine Zulagen für Wechselschichtdienst (§ 20 Abs. 1 EZulV) oder Schichtdienst (§ 20 Abs. 2 Buchstabe a EZulV) erhalten habe. Die Zahlung anderer Zulagen habe keinen Einfluss auf die Voraussetzungen des § 110 Abs. 5 LBG. Der Kläger sei nicht Mitglied des SEK (Sondereinsatzkommando), im MEK (Mobilen Einsatzkommando), im PS (Personenschutz) oder in den Observationstrupps des Verfassungsschutzes gewesen.

Der Kläger hat am Montag, den 13. Januar 2020 Klage erhoben.

Er trägt vor, dass seine Aufgaben denen des Mobilen Einsatzkommandos entsprochen hätten. Deshalb sei ihm auch die entsprechende Erschwerniszulage gewährt worden. Seine Aufgaben seien sogar über die Aufgaben der Observationstrupps des Verfassungsschutzes hinausgegangen. § 110 Abs. 5 LBG müsse analog angewandt werden. Der Gesetzgeber habe die Einheit des Klägers übersehen. Es liege eine planwidrige Regelungslücke vor.

Der Kläger beantragt,

den Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Polizeipräsidiums des Landes Brandenburg, Behördenstab, Stabsbereich 3, vom 6. Mai 2019, Gesch-Z.: S..., und des Widerspruchsbescheides des Polizeipräsidiums des Landes Brandenburg, Behördenstab, Stabsbereich 3, vom 3. Dezember 2019, Gesch-Z.: S..., zu verpflichten festzustellen, dass der Kläger mit Ablauf des 30. Juni 2032 in den Ruhestand eintritt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

und trägt vor, dass beim Kläger die Voraussetzungen für die Verringerung der gesetzlich bestimmten Altersgrenze nach § 110 Abs. 5 LBG nicht vorlägen, da er nicht beim Mobilen Einsatzkommando (MEK) verwendet worden sei. Auch würden die Aufgaben Zielfahndung/Observation nicht von § 110 Abs. 5 LBG erfasst. Die Zulagengewährung führe nicht dazu, dass die Voraussetzungen des § 110 Abs. 5 LBG erfüllt seien. Schon die Unterteilung in unterschiedliche Dezernate und Sachgebiete lasse erkennen, dass die Tätigkeiten nicht mit denen im MEK gleichzusetzen seien. Der Gesetzgeber habe den Aufgabenbereich des Klägers nicht übersehen. Er habe auch nicht die Beamten übersehen, denen die Zulage nach § 23 a EZulV gewährt worden sei, obwohl sie nicht im MEK verwendet worden seien.

Das MEK, das MEG (Mobile Einsatzgruppe) geheißen habe, sei im verfahrensgegenständlichen Zeitraum bei der damaligen Landeseinsatzzentrale der Polizei des Landes Brandenburg (LESE) in Potsdam angegliedert gewesen. Beim LKA in B... sei eine MEG beziehungsweise ein MEK nicht eingerichtet gewesen. Im Rahmen der Polizeistrukturreform 2001 seien die Spezialeinheiten von der LESE in das LKA übergegangen. Seit der Polizeistrukturreform seien das LKA und die Direktion Besondere Dienste (ehemalige LESE) Dienststellen des Polizeipräsidiums. Das heutige MEK sei in der Abteilung Spezialeinheiten/Spezialkräfte der Direktion Besondere Dienste eingegliedert. Das ehemalige Sachgebiet Observation existiere im LKA strukturell nicht mehr.

Der Kläger habe zudem auch Sachbearbeitertätigkeit zu erfüllen gehabt, da er fundierte Kenntnisse in der kriminalpolizeilichen Sachbearbeitung gehabt und die Vorgangsbearbeitung beherrscht habe, während die Beamten des MEG nur operativ in der Mobilen Einsatzgruppe eingesetzt worden seien und keine Sachbearbeiter gewesen seien. Dies ergebe sich aus der Aufgabenbeschreibung des MEG, Bl. 68 der Gerichtsakte.

Das Ministerium des Innern habe dem Vorschlag des LKA, den Bereich Zielfahndung/Observation in MEK-LKA umzubenennen, nicht zugestimmt. Auch die Beamten des Sachgebiets Operative Fahndung unterfielen nicht dem Anwendungsbereich des § 110 Abs. 5 LBG.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Bescheid des Polizeipräsidiums des Landes Brandenburg vom 6. Mai 2019 und der Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 2019 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, denn der Kläger hat Anspruch auf die Anerkennung seiner Tätigkeit im Bereich Zielfahndung/Observation beim LKA vom 1. September 1996 bis 31. Oktober 2001 im Rahmen des § 110 Abs. 5 Satz 1 LBG als Tätigkeit im Mobilen Einsatzkommando und somit gemäß § 110 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 LBG einen Anspruch um Verringerung seines Eintritts in den Ruhestand mit Vollendung des 64. Lebensjahres (§ 110 Abs. 1 Nr. 2 LBG), d.h. den 30. April 2033, um 10 Monate auf den 30. Juni 2032, § 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Altersgrenze ist § 110 LBG. Für den Kläger als Polizeivollzugsbeamten des gehobenen Dienstes, der nach 1968 geboren wurde, ist das vollendete 64. Lebensjahr die besondere Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand, § 110 Abs. 1, Abs. 3 LBG, d.h. der Kläger würde ohne Anrechnungszeiten nach § 110 Abs. 5 LBG mit Ablauf des 30. April 2033 in den Ruhestand treten. Gemäß § 110 Abs. 5 Satz 1 LBG verringert sich für Polizeivollzugsbeamte auf Lebenszeit des gehobenen Dienstes die besondere Altersgrenze bei einer Tätigkeit im Wechselschichtdienst oder im Schichtdienst, im Spezialeinsatzkommando, im Mobilen Einsatzkommando, im Personenschutz oder in den Observationstrupps des Verfassungsschutzes

1. um zwei Monate nach insgesamt einem Jahr,
2. um vier Monate nach insgesamt zwei Jahren,
3. um sechs Monate nach insgesamt drei Jahren,
4. um acht Monate nach insgesamt vier Jahren,
5. um zehn Monate nach insgesamt fünf Jahren,
6. um zwölf Monate nach insgesamt sechs Jahren,
7. um 15 Monate nach insgesamt sieben Jahren,
8. um 18 Monate nach insgesamt acht Jahren,
9. um 21 Monate nach insgesamt neun Jahren und
10. um 24 Monate nach insgesamt zehn oder mehr Jahren

einer solchen Tätigkeit; entsprechende Zeiten im mittleren Dienst werden dabei ebenfalls berücksichtigt.

Der Kläger versah vom 1. September 1996 bis 31. Oktober 2001 und damit über fünf Jahre Dienst in einem Mobilen Einsatzkommando im Sinne des § 110 Abs. 5 Satz 1 LBG, abgekürzt MEK. Somit verringert sich seine besondere Altersgrenze gemäß § 110 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 LBG um zehn Monate auf den 30. Juni 2032.

Zwar war der damalige Bereich 55 (Zielfahndung/Observation) des LKA nicht als Mobiles Einsatzkommando benannt. Es kommt jedoch nicht auf die formale Benennung der Einheit oder deren konkrete Einbindung in die Organisationsstruktur der Polizei an, sondern auf deren inhaltliche Aufgaben. Der Beklagte hatte auch das damalige Mobile Einsatzkommando nicht „Mobiles Einsatzkommando“ (MEK) genannt, sondern „Mobile Einsatzgruppe“ (MEG), obwohl Einigkeit darüber bestand und besteht, dass es sich bei der Mobilen Einsatzgruppe um ein Mobiles Einsatzkommando gehandelt hat. Inhaltlich erfüllte das damalige Dezernat 55 (Zielfahndung/Observation) die Aufgaben eines Mobilen Einsatzkommandos. Das LKA in B..., damals selbständige Landesoberbehörde, hatte insoweit eine Doppelstruktur zu den drei MEGs (MEKs) bei der LESE beziehungsweise ein unter seiner direkten Kommandogewalt stehendes MEK mit dem Namen Bereich 55 (Zielfahndung/Observation) geschaffen.

Der Bereich 55 (Zielfahndung/Observation) beim LKA sollte hinsichtlich seiner Aufgabenzuschreibung durch das LKA, der Ausbildung und des fortlaufenden Trainings der Einsatztaktiken und Zugriffstechniken der zugewiesenen Beamten sowie der Ausrüstung der Einheit alle Kriterien eines MEK entsprechend den Anforderungen des Beschlusses der IMK vom 15. Februar 1974 über ein „Konzept für die Aufstellung und den Einsatz von Spezialeinheiten der Länder und des Bundes für die Bekämpfung des Terrorismus“ erfüllen. Der Bereich 55 (Zielfahndung/Observation) beim LKA entsprach damit der allgemeinen Definition eines Mobilen Einsatzkommandos (MEK). Der Bereich 55 (Zielfahndung/Observation) beim LKA war zuständig für Voraufklärung, Fahndung, Observation und Festnahme im Bereich der schweren und der Zuständigkeitsebene des LKA zugewiesenen Kriminalität (Organisierte Kriminalität, Wirtschaftskriminalität, Landesverrat, Friedensverrat, Hochverrat, Terrorismus; Delikte mit landesweiten, überregionalen oder internationalen Bezüge; Delikte, deren Verfolgung Spezialwissen erfordert). Die vom LKA zu bearbeitende Kriminalität zeichnet sich typischerweise durch gefährliche, gewaltbereite und bewaffnete Täterkreise und eine hohe Gefährdung von Leib und Leben der eingesetzten Beamten aus, die eine hohe Risikobereitschaft dieser Beamten erfordert. Die MEKs werden und der Bereich 55 (Zielfahndung/Observation) beim LKA wurde typischerweise und regelmäßig bei besonderen polizeilichen Lagen und Maßnahmen mit hohem Gefährdungsgrad und regelmäßig mit dem Ziel des verdeckten Zugriffs eingesetzt. Die Beamten des Bereich 55 (Zielfahndung/Observation) beim LKA wurden beim MEK Berlin oder beim MEG in Potsdam ausgebildet. Sie absolvierten einen MEK-Grundlehrgang und die vom BKA für MEKs angebotenen Ausbildungen im Bereich der Peiltechnik. Kriterium eines Mobilen Einsatzkommandos ist die Zuständigkeit und Einsetzbarkeit im gesamten Bundesland, in dem es aufgestellt ist (vgl. VG Berlin, Urteil vom 16. Januar 2004 - 5 A 214.99 -, juris, Rn. 23). Der Bereich 55 (Zielfahndung/Observation) beim LKA wurde im gesamten Bundesland Brandenburg - und auch darüber hinaus - an Stelle des MEG herangezogen oder verstärkte das MEG beziehungsweise arbeitete mit diesem zusammen. Der Bereich 55 (Zielfahndung/Observation) beim LKA arbeitete auch mit den MEKs anderer Bundesländer zusammen. Der Bereich 55 (Zielfahndung/Observation) beim LKA und die MEKs anderer Bundesländer lösten sich gegenseitig bei der Observation ab. Die Beamten des Bereich 55 (Zielfahndung/Observation) des LKA wurden schließlich bei der Strukturreform der Polizei 2001 in die neu gegründeten MEKs eingegliedert, sofern sie keine Umsetzung wünschten.

Da der Kläger die Aufgaben in einem MEK erfüllte beziehungsweise einem MEK zugewiesen war, erhielt er auch die Erschwerniszulage gemäß § 23 a EZulV i. d. F. vom 28. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3358) für die Tätigkeit in einem Mobilen Einsatzkommando eines Landes für besondere polizeiliche Einsätze. Entgegen der Annahme des Beklagten erfüllte der Kläger auch keine kriminalistische Ermittlungstätigkeit als Sachbearbeiter im LKA.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i. V. m. § 709 Satz 1 und 2 Zivilprozessordnung (ZPO).

Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 25.998,96 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 4 Gerichtskostengesetz (GKG) auf der Grundlage der Besoldung im Jahr der Klageerhebung (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. Februar 2021 - OVG 4 N 34/20 -; Ziffer 10.2 Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Kopp/Schenke, VwGO, Anhang zu § 164).