Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 1. Senat | Entscheidungsdatum | 13.07.2023 | |
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Aktenzeichen | OVG 1 S 65/23 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2023:0713.OVG1S65.23.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 67 Abs 4 S 4 VwGO, § 2 Abs 2 FraktG BB, § 18 Abs 2 StrG BB, § 18 Abs 3 StrG BB |
Fraktionen des Brandenburger Landtags können sich als "juristische Personen des Parlamentsrechts mit originärem Rechtscharakter" (§ 2 Abs. 2 Satz 1 FraktG Bbg) nicht auf das Behördenprivileg des § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO berufen.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 3. Juli 2023 wird verworfen.
Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Die Beschwerde, mit der die Antragstellerin weiter eine vorläufige Sondernutzung für Plakatwerbung und die Aufstellung sog. Großaufsteller im öffentlichen Straßenraum vom 3. bis 19. Juli 2023 zum Zwecke einer politischen Kampagne („DDR-Garagen in Potsdam“) begehrt, hat keinen Erfolg. Sie ist bereits unzulässig, denn die Antragstellerin ist nicht ordnungsgemäß vertreten.
Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch einen Rechtsanwalt oder sonst zugelassenen Bevollmächtigten im Sinne des § 67 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 bzw. Satz 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vertreten lassen. Eingelegt wurde die Beschwerde vom Vorsitzenden der antragstellenden Landtagsfraktion, U ..., in dieser Funktion und nicht in seiner Funktion als Rechtsanwalt. Daran ändert nichts, dass der als Justiziar der Antragstellerin beschäftigte und ebenfalls die Befähigung zum Richteramt besitzende Herr W ... sich die Beschwerde des Fraktionsvorsitzenden innerhalb der Frist des § 147 Abs. 1 VwGO mit Schriftsatz vom 12. Juli 2023 zu eigen gemacht hat. Auch er ist ausdrücklich nicht in seiner Funktion als Rechtsanwalt aufgetreten. Ein Mandatsverhältnis mit ihm ist nach seinen eigenen Angaben explizit „nicht gewollt“. Andernfalls hätte er sich, was er einräumt, des Kommunikationsweges nach § 55d VwGO bedienen müssen, was nicht geschehen ist und schon wegen „der Erhöhung des Haftungsrisikos für die anwaltliche Tätigkeit“ auch nicht beabsichtigt war.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin liegt kein Fall des § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO vor. Danach können sich – unter anderem und soweit hier von Relevanz – Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen. Die Antragstellerin ist als Landtagsfraktion weder Behörde noch eine juristische Person im Sinne dieser Regelung. Nichts anderes folgt aus § 2 Abs. 2 Satz 1 FraktG Bbg. Danach sind Fraktionen, soweit sie am allgemeinen Rechtsverkehr teilnehmen, juristische Personen des Parlamentsrechts mit originärem Rechtscharakter und können unter ihrem Namen klagen oder verklagt werden. Dies ändert jedoch nichts daran, dass sie – wie § 2 Abs. 2 Satz 2 FraktG Bbg unmissverständlich klarstellt – nicht Teil der öffentlichen Verwaltung sind und keine öffentliche Gewalt ausüben. Sie unterliegen – anders als juristische Personen des öffentlichen Rechts im Sinne des § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO (etwa Körperschaften, Anstalten und Stiftungen) – nicht der staatlichen Aufsicht. Vielmehr sind Fraktionen anerkannte Teile des Verfassungsorgans Landtag (zum entsprechenden Rechtsstatus auf Bundesebene vgl. BVerfG, Urt. v. 3. Mai 2016 – 2 BvE 4/14 – juris Rn. 58) und damit der Legislative, nicht der Exekutive. Auch wenn das Parlamentsrecht dem öffentlichen Recht und nicht dem Bürgerlichen Recht zuzuordnen ist, zielt die Behördenprivilegierung in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht auf eine Begünstigung „juristischer Personen des Parlamentsrecht mit originärem Rechtscharakter“, sondern auf eine Kostenersparnis für Behörden und für jeweils im Einzelfall durch Gesetz konstituierte und staatlicher Kontrolle unterliegende juristische Personen des öffentlichen Rechts bzw. ihrer Zusammenschlüsse. Dieser Adressatenkreis zeichnet sich dadurch aus, dass er in der weit überwiegenden Zahl der Fälle beklagte Partei einer fachgerichtlichen öffentlich-rechtlichen Streitigkeit ist, und das Behördenprivileg daher in einer Vielzahl von Verfahren dazu führt, das Kostenrisiko nicht nur für die öffentliche Hand deutlich zu reduzieren, sondern auch für die um Rechtsschutz nachsuchenden Bürger, die ansonsten im Fall des Unterliegens jeweils mit den gegnerischen Kosten der Rechtsverteidigung durch prozessbevollmächtigte Rechtsanwälte konfrontiert wären. In einer hiermit auch nur annähernd vergleichbaren Situation befinden sich die Fraktionen eines Landtages oder des Deutschen Bundestages nicht.
Ist damit die Beschwerde bereits unzulässig, weist der Senat nur vorsorglich darauf hin, dass die Annahme des Verwaltungsgerichts, es fehle jedenfalls an einer vollständigen Reduzierung des Ermessens des Antragsgegners aus § 18 Abs. 2 Satz 1 BbgStrG zugunsten der Antragstellerin, zutreffen dürfte. Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass über die Ausnahmeregelungen in § 18 Abs. 3 BbgStrG hinaus ein gebundener Anspruch von Parteien – nichts anderes gilt für Fraktionen – bestünde, nach freiem Belieben öffentlichen Straßenraum für die für erforderlich gehaltene Kommunikation mittels Plakatwerbung oder mittels Aufstelltafeln zu nutzen. Dies würde zu einer erheblichen Ausweitung der Inanspruchnahme öffentlichen Raums durch politische Plakatwerbung außerhalb des in § 18 Abs. 3 BbgStrG geregelten Zeitraums führen, für die das Gesetz keinen Anhaltspunkt bietet. Jedenfalls hebt sich der Anlass, den die Antragstellerin für die beabsichtigte politische Kampagne anführt, nicht derart deutlich und singulär von anderen im Landtag verhandelten Gegenständen ab, dass bei der hier nur gebotenen summarischen Prüfung von einer offensichtlichen Ermessensreduktion auf Null ausgegangen werden kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).