Gericht | OLG Brandenburg 2. Senat für Bußgeldsachen | Entscheidungsdatum | 13.07.2023 | |
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Aktenzeichen | 2 ORbs 108/23 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:0713.2ORBS108.23.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Cottbus vom 21. Februar 2023 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Cottbus zurückverwiesen.
I.
Das Amtsgericht Cottbus verhängte gegen den Betroffenen durch Urteil vom 21. Februar 2023 wegen vorsätzlicher verbotswidriger Benutzung eines elektronischen Gerätes beim Führen eines Kraftfahrzeugs eine Geldbuße von 120 €. Hiergegen hat der Betroffene durch seinen Verteidiger die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt, den Antrag als unbegründet zu verwerfen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1, § 80 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 OWiG statthaft und entsprechend den §§ 79 Abs. 3, 80 Abs. 3 OWiG, §§ 341, 344, 345 StPO form- und fristgerecht angebracht worden. Er hat auch in der Sache Erfolg.
Der Betroffene hat verfahrensordnungsgemäß (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) die unvertretbare Behandlung von Befangenheitsgesuchen als unzulässig gerügt. Dies führt zu unter dem Gesichtspunkt der Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 80 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 2 OWiG) zur Zulassung der Rechtsbeschwerde, die auch in der Sache Erfolg hat (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 338 Nr. 3 StPO).
1. Der Betroffene hat die erkennende Tatrichtern in der Hauptverhandlung durch seinen Verteidiger wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und diesen Antrag mit näheren Ausführungen zum Verlauf der Hauptverhandlung unter näherer Darlegung im Wesentlichen darauf gestützt, dass die abgelehnte Richterin den Verteidiger in rüdem, unhöflichen Ton mehrfach unterbrochen, die Ausübung des Fragerechtes an einen Zeugen mit der fehlerhaften Behauptung, Fragen wären bereits mehrfach gestellt worden, vereitelt und durch die bei der Verhandlungsführung offen zur Schau gestellte Genervtheit und Ignoranz gegenüber dem Verteidigungsvorbringen den Eindruck erweckt habe, dass sie nicht gewillt sei, die Argumente des Betroffenen gehörig zur Kenntnis zu nehmen, und ein Urteil zu seinen Lasten bereits gefällt habe.
Die abgelehnte Richterin hat das Befangenheitsgesuch als unzulässig zurückgewiesen, weil der Antrag offensichtlich nur zur Verschleppung der Hauptverhandlung gestellt worden sei. Bei den pauschalierten Vorwürfen sei unerwähnt geblieben, dass das Gericht den Verteidiger habe bitten müssen, nicht zu brüllen. Der Verteidiger habe im Übrigen unzulässigerweise auf Wiederholungsfragen bestanden, weil die Zeugenaussage offensichtlich seinen Erwartungen nicht entsprochen habe. Die Verhandlungsleitung indes sei ureigenste Aufgabe des Gerichts. Der Verteidiger habe mehrfach aufgefordert werden müssen, das Gericht nicht zu unterbrechen.
Auch ein erneutes in der Hauptverhandlung gestelltes Ablehnungsgesuch, das darauf gestützt wurde, dass bei der Entscheidung über den Befangenheitsantrag eine Verschleppungsabsicht weder ausgeführt noch begründet worden und ein Motiv hierfür auch nicht ersichtlich sei, hat die abgelehnte Richterin als unzulässig zurückgewiesen, weil die Ablehnung erkennbar nur der weiteren Verzögerung diene, denn bereits „der erste Sachvortrag (…) [sei] so spät gestellt worden, dass das Gericht zum ersten Termin die Zeugen nicht laden konnte und deshalb der Termin ausgesetzt werden musste“.
2. Jedenfalls der Bescheidung des ersten Befangenheitsgesuchs liegt unabhängig von der Unvertretbarkeit der Verwerfung als unzulässig eine Versagung der Gewährung rechtlichen Gehörs zugrunde, weil das Tatgericht sich mit den geltend gemachten Ablehnungsgründen nur unvollständig befasst hat. Ob allein die objektiv willkürliche Verwerfung eines Ablehnungsantrages als unzulässig eine Gehörsverletzung begründet und eine Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtfertigt (vgl. OLG Naumburg, Beschl. v. 6. September 2012 – 2 Ss [Bz] 91/12, zit. nach Juris), kann insoweit dahinstehen. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen eines Betroffenen zur Kenntnis zu nehmen und in seine Überlegungen einzubeziehen (Karlsruher-Kommentar/Senge, OWiG 4. Aufl. § 80 Rdnr. 41). Das ist nicht in hinreichendem Maße geschehen.
3. Die Voraussetzungen für die Behandlung des Ablehnungsantrags als unzulässig gemäß § 26a Abs. 1 StPO, § 71 Abs. 1 OWiG lagen ersichtlich nicht vor.
Dass der Antrag offensichtlich nur zu Verschleppung der Hauptverhandlung gestellt worden sei (§ 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO), wofür im Übrigen auch nichts Durchgreifendes ersichtlich ist, wird im Beschluss über die Verwerfung des ersten Ablehnungsgesuches nicht ausgeführt. Die Entscheidung wird vielmehr damit begründet, dass der Verteidiger unzulässigerweise auf Wiederholungsfragen bestanden habe, die das Gericht im Rahmen der ihm zustehenden Verhandlungsleitung nicht zugelassen habe, weil sich der Zeuge „mitnichten in Widersprüche“ verwickelt habe. Über diesen Sachverhalt und dessen Würdigung im Rahmen des Ablehnungsverfahrens hat nicht der abgelehnte Richter zu befinden. Wenn der Ablehnungsantrag nicht ohne nähere Prüfung und losgelöst von den Umständen des Einzelfalls zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet ist, darf der abgelehnte Richter nicht an einer näheren inhaltlichen Untersuchung der Ablehnungsgründe – auch nicht unter dem Blickwinkel einer offensichtlichen Unbegründetheit (§ 26a Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 StPO) – mitwirken und sich auf diese Weise zum "Richter in eigener Sache" machen (vgl. BVerfG NStZ-RR 2007, 275, 276; BGH NStZ 2015, 175, 176 m.w.N., Senat, Beschl. v. 24. März 2015 – [2 Z] 53 Ss-OWi 19/15 [14/15]). Wie bereits die Beschlussgründe zeigen, erforderte das Ablehnungsvorbringen eine inhaltliche und keine rein formale Prüfung, ob der geschilderte Sachverhalt aus Sicht eines verständigen Betroffenen die Besorgnis der Befangenheit zu begründen vermochte.
Da die abgelehnte Richterin die Entscheidung gleichwohl selbst getroffen und damit eine inhaltliche Bewertung des Ablehnungsgesuchs in dem dafür vorgesehenen Verfahren versagt hat, ist der Anwendungsbereich von § 26a StPO in einer Weise überspannt worden, die mit Blick auf die Anforderungen von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht mehr vertretbar war. Ob das Ablehnungsgesuch ohne Mitwirkung der abgelehnten Richterin gemäß § 27 StPO als unbegründet zu verwerfen gewesen wäre, ist bei dieser Sachlage unerheblich (vgl. BGH aaO.).
Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache im Hinblick auf die Vorbefassung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen (§ 79 Abs. 6 OWiG).