Gericht | OLG Brandenburg 2. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 10.07.2023 | |
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Aktenzeichen | 2 U 17/22 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:0710.2U17.22.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam ‒ Einzelrichter ‒ vom 29. April 2022, Az. 4 O 31/21, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 10.000,00 € festgesetzt.
I.
Die Klägerin begehrt Schmerzensgeld für nach ihrer Auffassung rechtswidrige Fixierungen während gerichtlich angeordneter Unterbringungen im Juli und September 2016.
Die im fraglichen Zeitraum unter gerichtlich angeordneter Betreuung stehende Klägerin war aufgrund gerichtlicher Unterbringungsanordnung vom 16. Juli bis zum 8. August 2016 in der psychiatrischen Klinik des …in P… untergebracht. Ausweislich der Eintragungen um 10:44 Uhr und 12:25 Uhr in der ärztlichen Dokumentation vom 28. Juli 2016 wurde die Klägerin an diesem Tag auf ärztliche Anordnung zum Zwecke des Transports auf eine andere Station fixiert und medikamentös beruhigt, nachdem die Klägerin laut wurde und schrie und die Situation weiter eskalierte. Auf der aufnehmenden Station wurde sie unmittelbar nach ihrer Übernahme defixiert. Aufgrund weiterer gerichtlicher Unterbringungsanordnung war die Klägerin ab dem 5. September 2016 in derselben psychiatrischen Klinik untergebracht. Sie wurde am 5. September 2016 um 10:00 Uhr auf ärztliche Anordnung Vier-Punkt-fixiert. Bei den ärztlichen Überprüfungen um 12:00 Uhr und 14:00 Uhr schlief die Klägerin tief, um 15:00 Uhr wurde sie defixiert. Am 8. September 2016 wurde sie von 17:00 Uhr bis 18:30 Uhr erneut Vier-Punkt-fixiert.
Die Betreuung wurde im Juli 2017 aufgehoben; die Klägerin erhielt die von ihrem Betreuer bis dahin geführte Akte.
Die Klägerin hat am 30. Dezember 2020 den Erlass eines Mahnbescheides über 10.000 € wegen „Schadenersatz aus Unfall/Vorfall vom 30.12.20“ beantragt, der am 11. Januar 2021 zugestellt worden ist. Die am 16. März 2021 zugestellte Anspruchsbegründung hebt auf Vorfälle aus den Jahren 2013 und 2014 sowie am 27. Juli 2016 ab. Der Schriftsatz vom 24. August 2021, der erstmals auf die genannten Vorfälle vom 28. Juli und aus dem September 2016 abstellt, ist der Beklagten im Termin vom 25. August 2021 zugegangen.
Das Landgericht hat die Klage durch Versäumnisurteil gegen die Klägerin vom 25. August 2021 abgewiesen und dieses auf ihren Einspruch hin mit der angegriffenen Entscheidung aufrechterhalten. Zur Begründung heißt es in dem Urteil, auf dessen tatsächlichen Feststellungen im Übrigen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird: Der Anspruch sei jedenfalls verjährt, so dass es auf das Vorliegen seiner Voraussetzungen nicht ankomme. Es könne dahinstehen, ob sich die Klägerin das Wissen oder die grob fahrlässige Unkenntnis ihres Betreuers im Jahr 2016 zurechnen lassen müsse. Sie habe jedenfalls im Jahr 2017 Kenntnis vom Inhalt der Betreuungsakte erlangt und im Jahr 2020 keine ausreichende verjährungshemmende Handlung vorgenommen. Der noch in 2020 beantragte Mahnbescheid individualisiere den Anspruch nicht genügend. Die Anspruchsbegründung sei erst nach dem Ablauf der Verjährung eingereicht worden und könne nicht gemäß § 167 ZPO auf den Zeitpunkt des Mahnbescheidantrags zurückbezogen werden. Entsprechend sei die Klageänderung im August 2021 erst nach Verjährungseintritt erfolgt. Dem Beklagten sei es nicht nach Treu und Glauben verwehrt, sich hierauf zu berufen.
Das am 29. April 2022 verkündete Urteil ist der Klägerin am 2. Mai 2022 zugestellt worden, die am 23. Mai 2022 Berufung eingelegt hat. Ihrem Antrag vom 1. Juli 2022 auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 2. August 2022 hat der Vorsitzende entsprochen. Die Begründung ist an diesem Tag eingegangen.
Die Klägerin ist der Auffassung, Verjährung sei nicht eingetreten. Sie leide seit 1995 an einer erst im Jahr 2004 diagnostizierten komplexen posttraumatischen Belastungsstörung. Sie sei durchgehend in psychotherapeutischer bzw. psychiatrischer Behandlung, seit 2006 auch regelmäßig stationär. Die Erkrankung gehe mit schweren Wahrnehmungsstörungen einher, die es ihr unmöglich gemacht hätten, die einzelnen bei ihr durchgeführten Fixierungen zeitlich einzuordnen und anzugeben. Ihre schwere psychische Erkrankung habe noch 2016 psychogene Amnesien mit sich gebracht, das heißt Verdrängungen unangenehmer Erinnerungen bei abnormen Erlebnisreaktionen. Diese Störung halte bis heute an. Sie habe sich daher im Mai 2017 nicht an den konkreten Behandlungsverlauf im Juli und September 2016 erinnern können. Das sei ihr erstmals – dunkel und bruchstückhaft – im September 2019 möglich gewesen.
Die gerichtlichen Beschlüsse zur Unterbringung seien ihr stets nur durch Verlesen bekannt gegeben worden und schriftlich nur ihrem Betreuer und dem Verfahrenspfleger zugestellt worden. Fixierungen hätten sich erst aus der Patientenakte ergeben, die sie im Oktober 2019 angefordert aber erst im Februar 2020 erhalten habe. Erst hieraus sei zudem deutlich geworden, dass die Fixierungen nicht richterlich genehmigt worden seien und die Ärzte schuldhaft gehandelt hätten. Diese Informationen seien aber zur Erhebung einer Klage erforderlich gewesen. Ihrem Betreuer seien die Fixierungen nicht bekannt gewesen. Im Übrigen überspanne das Landgericht die Anforderungen an die Individualisierung der Angaben zum Anspruch im Mahnbescheid.
Die Klägerin beantragt:
Unter Abänderung des am 29. April 2022 verkündeten Urteils des Landgerichts Potsdam zu Az. 4 O 31/21 wird das Versäumnisurteil vom 25. April 2021 aufgehoben und der Beklagte verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch 10.000 € nicht unterschreiten sollte.
Der Beklagte beantragt
die Zurückweisung der Berufung.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil. Die zunächst behaupteten Fixierungen hätten, wie bereits erstinstanzlich vorgetragen, nicht stattgefunden. Für die maßgebliche Frage der Verjährung sei entscheidend allein die Kenntnis der Klägerin von den anspruchsbegründenden Umständen, wozu weder die Rechtswidrigkeit noch das Verschulden des Schädigers gehörten. Diese Kenntnis habe sie spätestens im Jahr 2017 erlangt. Denn mit der Einsicht in die Betreuungsakte habe sie den schadensstiftenden Hergang jedenfalls in seinen Grundzügen erfahren, was genüge. Die Klägerin habe die vermeintlichen Fixierungen im Jahr 2016 selbst erfahren. Es möge sein, dass sie die einzelnen Vorgänge aufgrund ihrer psychischen Verfasstheit nicht mehr im Einzelnen zeitlich einordnen habe können. Eine Amnesie habe bei ihr aber nicht vorgelegen. Sie trage selbst vor, dass sie im Oktober 2019 angegeben habe, in den zurückliegenden Jahren mehrfach fixiert worden zu sein. Der für sie bestellte Betreuer hätte Klage erheben können. Im Jahr 2017 habe sie zudem Einsicht in die Betreuungsakte genommen und so Kenntnis davon erlangt, dass es keine richterliche Genehmigung der zeitlich genau bestimmten Fixierungen gegeben habe. In jedem Fall wäre ihr grob fahrlässige Unkenntnis vorzuwerfen, nachdem sie noch in 2017 schon die Befürchtung hatte, während der Unterbringungen fixiert worden zu sein. Das Wissen ihres Betreuers sei ihr zuzurechnen. Der Mahnbescheid habe die Verjährung schon wegen der ungenügenden Angaben zur Individualisierung nicht gehemmt. Im Übrigen seien die erfolgten Fixierungen rechtmäßig gewesen.
II.
1.
Die Berufung ist unbegründet.
a)
Es kann im Ergebnis dahinstehen, ob die Klägerin tatsächlich ab Juli 2017 die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB für den Beginn des Verjährungslaufs erforderliche Kenntnis von den ihren behaupteten Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners hatte.
Hierfür kommt es auf den Wissensstand der Klägerin als Gläubigerin an (vgl. BGH, Urteil vom 26. Mai 2020 – VI ZR 186/17 –, NJW 2020, 2534, Rdnr. 15). Der Wissensstand ihres Betreuers ist maßgeblich nur, wenn neben der Betreuung zugleich nach § 1903 BGB ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet ist, und auch dann nur, soweit dieser im Aufgabenkreis des Betreuers liegt (Peters/Jacoby in Staudinger (2019) § 199 BGB Rdnr. 57). Gleiches gilt, wenn die besonderen Voraussetzungen der „Wissensvertretung“ in der Person des Betreuers vorliegen (BGH, Urteil vom 15. Oktober 1992 – IX ZR 43/92, NJW 1993, 648; Piekenbrock, in: BeckOnline-Großkommentar mit Stand 1. August 2022, § 199 Rdnr. 125). An beidem fehlt es hier.
Entscheidend ist damit, ob die Klägerin selbst im Jahr 2017 die erforderliche Kenntnis hatte oder sie grob fahrlässig nicht hatte. Das ist angesichts der von der Klägerin behaupteten erheblichen krankheitsbedingten kognitiven und psychischen Einschränkungen fraglich. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann es an der für den Beginn der Verjährung erforderlichen Kenntnis des Geschädigten vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen fehlen, wenn der Geschädigte infolge einer durch die Verletzung erlittenen retrograden Amnesie keine Erinnerung mehr an das Geschehen hat (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2012 – VI ZR 217/11 –, NJW 2013, 93). Die Ursache der Amnesie dürfte dabei, anders als ihre Folge für den Erkenntnisstand der Gläubigerin, nicht entscheidend sein. Vorliegend erscheint es nicht fernliegend, dass der Klägerin die Einzelheiten der Fixierung wie überhaupt der Behandlung nicht bekannt waren, die ausweislich der von ihr vorgelegten Krankenunterlagen jeweils während eines akuten Schubs ihrer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis erfolgten. Solche Schübe sind häufig mit einer deutlich verminderten Gedächtnisleistung verbunden.
Die Einzelheiten der Fixierungen ergaben sich erst aus den Krankenunterlagen, die der Klägerin im Februar 2020 übermittelt wurden. Die ihr im Jahr 2017 vom Betreuer übergebenen Aktenordner enthalten im wesentlichen Finanzunterlagen, aber keine Hinweise auf Fixierungen.
b)
Darauf kommt es aber letztlich nicht entscheidend an. Der Klägerin steht der geltend gemachte Amtshaftungsanspruch schon dem Grunde nach nicht zu.
Rechtsgrundlage des Amtshaftungsanspruchs ist § 839 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG. Voraussetzung der auf die Körperschaft übergeleiteten Haftung ist, dass ein Beamter im haftungsrechtlichen Sinne in Ausübung eines ihm von der Beklagten anvertrauten Amtes schuldhaft eine der Klägerin gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt und so der Klägerin einen Schaden verursacht hat, für den – bei nur fahrlässigem Handeln des Beamten – die Klägerin nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
aa)
Die behandelnden Ärzte handelten als Beamte im haftungsrechtlichen Sinne.
Nach Art. 34 Satz 1 GG haftet anstelle eines Bediensteten, soweit dieser in Ausübung des ihm anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt hat, der Staat oder die Körperschaft, in dessen Dienst er steht. Ob sich das Handeln einer Person als Ausübung eines öffentlichen Amtes darstellt, bestimmt sich danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn der Betreffende tätig wurde, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls als noch dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muss. Dabei ist nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion, das heißt auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit dient, abzustellen (vgl. nur Reinert, in: Beck’scher Online-Kommentar zum BGB, 66. Edition mit Stand 1. Mai 2023, § 839 BGB Rdnr. 17 m. u. N.). Hierzu gehört die Behandlung eines Patienten in einer geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Landeskrankenhauses (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 2008 – III ZR 186/06 –, NJW 2008, 1444/1445; Reinert ebd. Rdnr. 45) ebenso wie die öffentlich-rechtliche Unterbringung nach dem Brandenburgischen Psychisch-Kranken-Gesetz. Die entsprechenden Krankenhäuser sind hierfür nach der auf § 10 BbgPsychKG gestützten Unterbringungskrankenhausverordnung zudem beliehen.
bb)
Die behandelnden Ärzte haben keine zu Gunsten der Klägerin bestehende Amtspflicht verletzt. Sie haben insbesondere nicht rechtswidrig gehandelt (zur grundlegenden Amtspflicht des Beamten zu rechtmäßigem Verhalten siehe nur Reinert ebd. Rdnr. 53).
Sie mussten keine gerichtliche Entscheidung vor den einzelnen Fixierungen einholen.
Nach dem Wortlaut des § 1906 Abs. 4 BGB in der hier maßgeblichen Fassung vor der Änderung durch das Gesetz vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2426) bedurfte es einer gerichtlichen Genehmigung nur dann, wenn dem Betreuten, der sich in einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung aufhält, ohne untergebracht zu sein, durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll. In verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift bestand jedoch bereits vor der Gesetzesänderung Einvernehmen darüber, dass die so genannten unterbringungsähnlichen Maßnahmen auch im Rahmen einer genehmigten Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB einer gesonderten betreuungsgerichtlichen Genehmigung nach Absatz 4 bedürfen. Denn eine freiheitsentziehende Maßnahme nach Absatz 4 stellt für den Betroffenen gegenüber der freiheitsentziehenden Unterbringung nach Absatz 1 einen eigenständigen und nicht weniger gewichtigen Eingriff in seine körperliche Fortbewegungsfreiheit dar (so die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/11240 S, 18 f, unter Verweis auf BGH, Beschluss vom 28. Juli 2015 – XII ZB 44/15 –, NJW-RR 2015, 1347 = FamRZ 2015, 1707; siehe etwa auch Müller, in: Beck’scher Online-Kommentar, 40. Edition mit Stand 1. Februar 2016, § 1906 BGB Rdnr. 21; Schwab, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 1906 BGB Rdnr. 86).
Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juli 2018 (2 BvR 309/15, BVerfGE 149, 293 = NJW 2018, 2619) war jedoch nicht eindeutig, was als ein „längerer Zeitraum“ im Sinne des Gesetzes verstanden werden musste. Nach der Literatur ließ sich das nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls bestimmen, das heißt nach der Art der Maßnahme und der konkreten Belastung für den Betroffenen usw. (vgl. Müller ebd. Rdnr. 32). Teils wurde an § 128 StPO bzw. an Art. 104 Abs. 2 S. 3 GG angeknüpft und die Maßnahme dann als genehmigungspflichtig erachtet, wenn sie nicht spätestens am nächsten Tage nach Beginn wieder beendet wird. Einige Literaturmeinungen dagegen waren großzügiger und sahen Maßnahmen von bis zu drei Tagen Dauer als noch nicht gesondert genehmigungspflichtig an (vgl. Schwab ebd. Rdnr. 81 sowie Schneider, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 1906 BGB Rdnr. 56; dies., FamRZ 2019, 89/90 f). Vor diesem Hintergrund ließ sich das Abstellen des Bundesverfassungsgerichts in der genannten Entscheidung auf etwa eine halbe Stunde (BVerfG, Urteil vom 24. Juli 2018 – 2 BvR 309/15 –, BVerfGE 149, 293 = NJW 2018, 2619, Rdnr. 68) nicht sicher aus der bis dahin ergangenen Judikatur absehen, auch wenn ein entsprechender Zeitraum bereits Anfang 2015 in einer Entscheidung des BGH erwähnt wurde (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2015 – XII ZB 395/14 –, NJW 2015, 865 = FamRZ 2015, 567, Rdnr. 22 bei juris). Die vom BVerfG gezogene zeitliche Grenze wurde insofern als nicht vorhersehbar bezeichnet (Gietl, Anmerkung zum Urteil des BVerfG, NZFam 2018, 724/738).
Hier war jeweils nicht absehbar, dass eine Fixierung von mehreren Stunden oder gar mehr als einem Tag erforderlich sein würde. Tatsächlich wurde die Klägerin am 28. Juli 2016 für den nicht näher klaren Zeitraum des Transports von einer Station zur anderen fixiert. Am 5. September 2016 wurde sie von 10:00 Uhr bis 15:00 Uhr fixiert, wobei sie allerdings spätestens ab 12:00 Uhr tief schlief. Am 8. September 2016 schließlich wurde sie von 17:00 Uhr bis 18:30 Uhr fixiert, und damit für anderthalb Stunden. Das waren jeweils Zeiträume, die nach der damaligen Rechtsauffassung nicht als „länger“ verstanden werden mussten, weswegen die behandelnden Ärzte nicht von der Notwendigkeit einer gerichtlichen Entscheidung ausgehen mussten.
Allerdings unterlag die Fixierung den Begrenzungen des § 21 Abs. 1 BbgPsychKG in der Fassung vom 5. Mai 2009 (GVBl. I 6/2009 S.134). Danach sind besondere Sicherungsmaßnahmen im Sinne des Absatzes 2 dieser Vorschrift und damit insbesondere Fixierungen nach Nr. 4, nur zulässig, wenn die gegenwärtige und erhebliche Gefahr besteht, dass die untergebrachte Person sich selbst oder andere tötet oder ernsthaft verletzt oder das Krankenhaus ohne Erlaubnis verlässt, und dieser Gefahr nicht mit anderen Mitteln begegnet werden kann. Sie dürfen nur ärztlich angeordnet werden. Besondere Sicherungsmaßnahmen sind vorher anzudrohen und zu begründen. Auf die ärztliche Androhung und Anordnung darf nur bei Gefahr im Verzug verzichtet werden. Die ärztliche Entscheidung ist dann unverzüglich nachzuholen. Nach Absatz 3 der Vorschrift ist jede besondere Sicherungsmaßnahme befristet anzuordnen und ärztlich zu überwachen. Die ständige Anwesenheit von therapeutischem Fachpersonal während der Sicherungsmaßnahme ist zu gewährleisten. Eine Sicherungsmaßnahme ist unverzüglich aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für ihre Anordnung weggefallen sind.
Die tatsächlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift lagen jeweils vor. Das ist nach der durch die Klägerin vorgelegten Dokumentation auch bei der Fixierung vom 28. Juli 2016 der Fall. Danach „wurde die Klägerin laut und schrie und eskalierte die Situation weiter“. Hieraus allein ergibt sich zwar die Gefahr einer ernsthaften Eigen- oder Fremdverletzung noch nicht. Der aus der von der Klägerin vorgelegten Dokumentation ersichtliche Kontext und der hieraus mögliche Blick auf ihre Krankengeschichte lässt allerdings ersehen, dass die Klägerin nach allem augenscheinlich stark agitierte und für eine ärztliche Ansprache nicht zu erreichen war. Jede Behandlung ihres akuten Schubes war unmöglich, sie verweigerte sich krankheitsbedingt schon ihrer Verlegung auf die zuständige Station. Die aus der Dokumentation ersichtlichen Gesamtumstände lassen auf eine durch die – vom zeitlichen Ausmaß unbekannte – Fixierung abgewendete Gefahr einer Selbstverletzung schließen. Schließlich wurde die Klägerin defixiert, sobald sie auf der aufnehmenden Station ankam. Im Folgenden beruhigte sie sich auch wieder.
Vor den Fixierungen im September 2016 wurde sie hingegen als „schwerst agitiert, nicht steuerungsfähig, dadurch fremd- und eigengefährdend, hat versucht zu beißen und Notarzt und Polizei zu schlagen“ beschrieben, bzw. als „bedrohlich, nicht absprachefähig, nicht steuerungsfähig; trat zu nah an [Pflegepersonal], verletzte [Pflegepersonal], psychomot[orisch] unruhig“. Das begründete die gegenwärtige und erhebliche Gefahr für eine ernsthafte Selbstverletzung oder das Verlassen des Krankenhauses ohne Erlaubnis. Die Fixierungen wurden jeweils ärztlich angeordnet und pflegerisch überwacht und so bald wie möglich beendet. Das entsprach den Vorgaben des § 21 Abs. 1 BbgPsychKG. Eine Rechtsverletzung ist folglich für keinen der angegebenen Tage ersichtlich.
2.
Die Kostenentscheidung folgt § 97 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit § 708 Nr. 10, §§ 711, 713, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung zum Streitwert beruht auf §§ 43, 47 und 48 GKG. Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, § 543 Abs. 2 ZPO.