Gericht | OLG Brandenburg 4. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 28.06.2023 | |
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Aktenzeichen | 4 U 88/22 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:0628.4U88.22.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 19.05.2022, Az. 5 O 192/21, wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts Neuruppin sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird bestimmt auf bis zu 45.000 €.
I.
Die Parteien streiten – nach Widerruf durch die Kläger – über den Bestand eines Darlehensvertrages, den die Kläger mit der beklagten Bank im Januar 2011 geschlossen hatten.
Der Darlehensbetrag betrug 44.500 € bei einer Laufzeit von 12 Jahren und 11 Monaten und einer Rückzahlung von monatlich 520 €. Die Verzinsung wurde für die Zeit von neun Jahren und fünf Monaten auf 5,99 %, effektiv 6,16 %, festgelegt. Als Sicherheit diente eine bereits bestellte Grundschuld über 224.000 DM an ihrem Grundstück in („Ort 01“), das mit dem von ihnen bewohnten Einfamilienhaus bebaut war. Das Darlehen diente als sogenanntes „Forward-Darlehen“ der Umschuldung eines anderen Darlehens bei der Beklagten zum 25.06.2014 und wurde entsprechend ausgezahlt.
Die in dem Vertragsdokument enthaltene Widerrufsinformation hat folgenden Wortlaut:
„Widerrufsinformation
Widerrufsrecht
Der Darlehensnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrages, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z.B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat. Der Darlehensnehmer hat alle Pflichtangaben erhalten, wenn sie in der für den Darlehensnehmer bestimmten Ausfertigung seines Antrags oder in der für den Darlehensnehmer bestimmten Ausfertigung der Vertragsurkunde oder in einer für den Darlehensnehmer bestimmten Abschrift seines Antrags oder der Vertragsurkunde enthalten sind und dem Darlehensnehmer eine solche Unterlage zur Verfügung gestellt worden ist. Über in den Vertragstext nicht aufgenommene Pflichtangaben kann der Darlehensnehmer nachträglich in Textform informiert werden; die Widerrufsfrist beträgt dann einen Monat. Der Darlehensnehmer ist mit den nachgeholten Pflichtangaben nochmals auf den Beginn der Widerrufsfrist hinzuweisen. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an
(„Bank 01“)
Postkorb KEBA
Telefax [...]
E-Mail [...]
(„Adresse von Bank 01“)
Widerrufsfolgen
Der Darlehensnehmer hat innerhalb von 30 Tagen das Darlehen, soweit es bereits ausbezahlt wurde, zurückzuzahlen und für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des Darlehens den vereinbarten Sollzins zu entrichten. Die Frist beginnt mit der Absendung der Widerrufserklärung.
Für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung ist bei vollständiger Inanspruchnahme des Darlehens für das Unterkonto Nr. 93 pro Tag ein Zinsbetrag in Höhe von 7,40 Euro zu zahlen. Dieser Betrag verringert sich entsprechend, wenn das Darlehen nur teilweise in Anspruch genommen wurde.
Wenn der Darlehensnehmer nachweist, dass der Wert seiner Gebrauchsvorteile niedriger war als der Vertragszins, muss er nur den niedrigeren Betrag zahlen. Dies kann z.B. in Betracht kommen, wenn der marktübliche Zins geringer war als der Vertragszins.“
Mit Schreiben vom 03.05.2021 widerriefen die Kläger ihre auf den Abschluss des Vertrages gerichteten Willenserklärungen; hilfsweise erklärten sie die Kündigung des Darlehensvertrages. Ihre Klage ist auf die (negative) Feststellung gerichtet, aus dem Vertrag keine Zinszahlungen und Tilgungsleistungen zu schulden.
Die Kläger haben die Ansicht vertreten, die Widerrufsfrist habe wegen der in mehrfacher Hinsicht fehlerhaften Widerrufsinformation und wegen fehlender bzw. fehlerhafter Pflichtangaben nicht zu laufen begonnen. Die Verweisung auf die Pflichtangaben des § 492 Abs. 2 BGB (sog. „Kaskadenverweis“) in der Widerrufsinformation sei nicht europarechtskonform. Überdies seien der effektive Jahreszins und die Ratenhöhe zu niedrig angegeben. Hilfsweise machen die Kläger geltend, gemäß § 494 Abs. 6 S. 1 BGB zur Kündigung des Darlehens berechtigt gewesen zu sein, da Angaben zur Laufzeit und zum Kündigungsrecht fehlen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass ihre Widerrufsinformation den gesetzlichen Anforderungen entspreche. Die Verbraucherkreditrichtlinie finde gemäß Art. 2 Abs. 2 lit. A) derselben auf grundpfandrechtlich gesicherte Kredite schon keine Anwendung, so dass die Rechtsprechung des EuGH zum Kaskadenverweis nicht anwendbar sei. Im Übrigen greife auch die Gesetzlichkeitsfiktion. Dem Vertrag ließen sich die Angaben zur Vertragslaufzeit entnehmen. Das Kündigungsrecht greife im Übrigen nicht, da bei Immobiliardarlehen die von den Klägern genannten Pflichtangaben (Angaben zum Kündigungsrecht) nicht erforderlich seien. Nachdem die Kläger das Darlehen nicht wieder zurückgeführt hätten, gelte die Kündigung wegen § 489 Abs. 3 BGB als nicht erfolgt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und dazu ausgeführt, dass die Widerrufsfrist bereits abgelaufen sei. Die Widerrufsinformation entspreche den gesetzlichen Anforderungen. Die Rechtsprechung des EuGH zum Kaskadenverweis sei nicht anwendbar; im Übrigen könne sich die Beklagte auch auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB berufen. Auch die hilfsweise erklärte Kündigung greife nicht; Angaben zur Vertragslaufzeit ließen sich dem Vertrag entnehmen; Angaben zum Kündigungsrecht seien bei einem Immobiliardarlehensvertrag im Sinne des § 503 BGB nicht erforderlich.
Mit der Berufung verfolgen die Kläger ihre erstinstanzlichen Feststellungsanträge weiter. Bei dem streitgegenständlichen Vertrag handele es sich nicht um einen Immobiliardarlehensvertrag im Sinne des § 503 BGB, weil der vereinbarte Zinssatz (5,99 %) deutlich über dem Zinssatz von 3,78 % für besicherte Immobiliendarlehen mit anfänglicher Zinsbindung von 5-10 Jahren liege und deshalb nicht mehr üblich im Sinne der Norm sei. Daher müsse der Vertrag Angaben zum Verzugszinssatz, der Art und Weise seiner Anpassung sowie zu ggf. anfallenden Verzugskosten enthalten, die hier - ebenso wie Angaben zur Unbefristetheit des Vertrages sowie zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren - fehlten. Die Angaben zur Art des Vertrages und zu Betrag, Zahl und Fälligkeit der Teilleistungen seien unzureichend. Das Landgericht habe zudem das Bestreiten der Richtigkeit des effektiven Jahreszinses unzutreffend als unsubstantiiert übergangen; jedenfalls hätte das angebotene Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen. Hilfsweise stehe den Klägern ein Kündigungsrecht nach § 494 Abs. 6 BGB zu. Es fehle die nach Art. 247 § 8 EGBGB erforderliche Angabe der Sicherungsabrede, die die Beklagte bei Abschluss des Darlehensvertrages verlangt habe. Die Widerrufsinformation lasse unberücksichtigt, dass das Fehlen einiger Pflichtangaben zu einer Vertragsänderung führe und die Nachholung gemäß § 494 Abs. 7 S. 2 BGB nur durch Übergabe der Abschrift einer (den geänderten Bedingungen angepassten) Vertragsurkunde erfolgen könne. Die Regelung zur Gesetzlichkeitsfiktion nach Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB sei europarechtswidrig, weil das Bestehen eines Widerrufsrechts in klarer und prägnanter Form feststellbar sein müsse und ein durchschnittlicher Verbraucher dies gerade nicht selbst erkennen könne. Die Rechtsprechung des EuGH zum Kaskadenverweis müsse auch auf Immobiliardarlehensverträge angewendet werden.
Die Kläger beantragen (sinngemäß),
das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 19.05.2022, Az. 5 O 192/21, abzuändern und
1. festzustellen, dass die Kläger seit dem Widerruf [hilfsweise: seit der Kündigung nach § 494 Abs. 6 S. 1 BGB] vom 03.05.2021 nicht mehr aus dem Darlehensvertrag vom 24.01.2011 über 44.500 € (Kontonummer: ...) verpflichtet sind, Zinszahlungen und Tilgungsleistungen zu erbringen;
2. hilfsweise hinsichtlich des Antrages zu 1. festzustellen, dass den Klägern hinsichtlich des Darlehensvertrages vom 24.01.2011 über 44.500 € (Kontonummer: ...) ein Kündigungsrecht gemäß § 494 Abs. 6 BGB zusteht, für das die Regelung des § 489 Abs. 3 BGB eingreift/zu beachten ist;
3. hilf-hilfsweise hinsichtlich der Anträge zu 1. und zu 2. festzustellen, dass die Kläger den Darlehensvertrag vom 24.01.2011 über 44.500 € (Kontonummer ...) durch ihr Schreiben vom 03.05.2021 wirksam gemäß § 494 Abs. 6 BGB gekündigt haben und diese Kündigung nur deshalb als nicht erfolgt gilt, weil sie den geschuldeten Betrag nicht binnen zwei Wochen nach Wirksamwerden der Kündigung zurückgezahlt haben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und ist der Ansicht, dass es sich bei dem Vertrag um einen solchen im Sinne des § 503 BGB handele. Dies sei erstinstanzlich unstreitig gewesen; die Kläger könnten mit ihrer neuen Behauptung in der Berufungsinstanz nicht mehr gehört werden. Die Kläger trügen die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen der Voraussetzungen des § 503 BGB. Bei dem streitgegenständlichen Darlehen sei das Risiko der Beklagten (und damit auch der übliche Zinssatz) deshalb erhöht, weil es sich um ein Forward-Darlehen mit 3,5-jähriger Vorlaufzeit handele. Ein Zinsaufschlag von zwei Prozentpunkten – gegenüber dem durchschnittlichen Effektivzinssatz für besicherte Immobilienkredite – sei, was unstreitig blieb, marktüblich gewesen. Vorsorglich biete sie Sachverständigengutachten zum Beweis der Behauptung an, dass das Darlehen als Forward-Darlehen zu marktüblichen Konditionen vergeben worden sei.
II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Feststellungsantrag zu 1. ist unbegründet; der Darlehensvertrag wurde weder wirksam widerrufen noch wirksam gekündigt. Die hilfsweise gestellten Feststellungsanträge zu 2. und 3. sind bereits unzulässig.
1.
Es gelten die Bestimmungen des BGB und des EGBGB in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Januar 2011 geltenden (alten) Fassung, Art. 229 §§ 32, 38 EGBGB.
2.
Der Vertrag wurde nicht wirksam widerrufen. Der von den Klägern erstmals mit Schreiben vom 03.05.2021 erklärte Widerruf ist nicht innerhalb der gesetzlichen Frist erfolgt.
Den Klägern stand gemäß §§ 355, 495 Abs. 1 BGB a.F. ein Widerrufsrecht zu. Es greifen die Vorschriften der §§ 491 ff. BGB a.F. über Verbraucherdarlehensverträge. Die Kläger sind Verbraucher und die Beklagte ist Unternehmerin, § 491 Abs. 1 BGB a.F.; die Ausnahmen des § 491 Abs. 2, 3 BGB a.F. sind nicht einschlägig.
Die Widerrufsfrist beträgt gemäß § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. 14 Tage; sie beginnt gemäß §§ 355 Abs. 3 S. 1, 495 Abs. 2 Nr. 2 b) BGB a.F. wenn dem Verbraucher (u.a.) die Pflichtangaben gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB a.F. in Textform mitgeteilt worden sind. Die den Klägern mit Vertragsschluss erteilte Widerrufsinformation und die im Vertrag enthaltenen weiteren Pflichtangaben entsprechen den gesetzlichen Voraussetzungen, so dass die Widerrufsfrist mit Vertragsschluss im Januar 2011 begann. Der erst im Jahr 2021 erklärte Widerruf war daher verfristet.
a)
Die Beklagte hat mit der Widerrufsinformation die gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB a.F. erforderlichen Angaben und Hinweise erteilt. Für die Widerrufsinformation greift zudem die Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB a.F.
Entgegen der Ansicht der Kläger muss die Widerrufsinformation den Anforderungen der Verbraucherkreditrichtlinie - mangels Anwendbarkeit derselben - nicht entsprechen. Der Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG (Verbraucherkreditrichtlinie) ist nicht eröffnet, weil die Richtlinie gemäß Art. 1 Abs. 2 a) und c) nicht für grundpfandrechtlich besicherte Kredite anwendbar ist (vgl. Senat, Urteil vom 12.01.2022, 4 U 30/21; BGH, Beschluss vom 31.03.2020 – XI ZR 581/18). Die anzuwendenden nationalen Vorschriften können daher schon nicht richtlinienkonform ausgelegt werden. Dabei unterscheidet die Richtlinie – anders als das deutsche Recht in § 503 BGB a.F. – im Übrigen auch nicht zwischen der Kreditvergabe zu „üblichen“ und „unüblichen“ Bedingungen, so dass es für die Anwendbarkeit der Verbraucherkreditrichtlinie nicht darauf ankommt, ob das streitgegenständliche Darlehen als Immobiliardarlehensvertrag im Sinne des § 503 BGB a.F. anzusehen ist. Auch die Rechtsprechung zum Widerruf wegen eines (europarechtlich unzulänglichen) „Kaskadenverweises“ ist demnach nicht anwendbar. Für den Geltungsbereich des nationalen Rechts ist ein solcher „Kaskadenverweis“ in Kombination mit beispielhafter Aufzählung von Pflichtangaben ausreichend, insbesondere klar und verständlich (vgl. Senat, Urteil vom 12.01.2022, 4 U 30/21; BGH, Urteil vom 30.03.2021, XI ZR 193/20, Rn. 12, juris). Das unterschiedliche Verständnis der maßgeblichen Rechtsbegriffe im nationalen Recht einerseits und in dem durch europäische Vorschriften überlagerten Verbraucherkreditrecht andererseits ist den jeweils unterschiedlichen Prüfungsmaßstäben geschuldet und nicht als Verstoß gegen Denkgesetze anzusehen.
Die Widerrufsinformation ist auch nicht deshalb fehlerhaft, weil etwa im Falle einer unrichtigen Angabe des Effektivzinses (Pflichtangabe gemäß Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB a.F.) die Nachholung nur in der Weise erfolgen könne, dass der Darlehensnehmer die nach § 494 Abs. 7 BGB erforderliche Abschrift des Vertrages erhält (§ 492 Abs. 6 Satz 2 BGB a.F.). Die Formulierung in der Widerrufsinformation (“Über in den Vertragstext nicht aufgenommene Pflichtangaben kann der Darlehensnehmer nachträglich auf einem dauerhaften Datenträger informiert werden; die Widerrufsfrist beträgt dann einen Monat“) umfasst auch die in Form einer dem Darlehensnehmer zur Verfügung gestellten Abschrift des Vertrages erfolgende Nachholung von fehlenden Pflichtangaben (vgl. Senat, Urteil vom 21.04. 2021 - 4 U 154/20 - Rn 65, juris).
Die Widerrufsinformation muss schließlich auch keine Angaben zu dem sich aus § 494 Abs. 6 S. 1 BGB a.F. ergebenden Kündigungsrecht enthalten. Die zitierte Norm bezieht sich - sofern sie beim Fehlen von Angaben zum Kündigungsrecht ein gesondertes Kündigungsrecht begründet - nicht zirkulär auf sich selbst, sondern setzt ein an anderer Stelle normiertes Kündigungsrecht voraus.
Im Übrigen greift die Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB a.F, da die hier in Rede stehende Widerrufsinformation dem Muster in Anlage 6 zu Art. 247 EGBGB a.F. entspricht und daher den Anforderungen des Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 1 und 2 genügt.
b)
Für den notwendigen Inhalt weiterer Pflichtangaben gelten die für Immobilardarlehensverträge im Sinne des § 503 BGB a.F. anwendbaren Regelungen. Die Gewährung des Darlehens war von der Bestellung einer Grundschuld abhängig und insbesondere die vereinbarten Soll- bzw. Effektivzinsen entsprechen solchen Bedingungen, die für grundpfandrechtlich abgesicherte Verträge üblich sind im Sinne des § 503 BGB a.F.
Für die Üblichkeit im Sinne des § 503 BGB a.F. kommt es entscheidend auf die Zinshöhe und die sonstigen Kreditkonditionen an, wobei die in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank ausgewiesenen (durchschnittlichen) Zinssätze einen Anhaltspunkt für die Marktüblichkeit darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 18.03.2003, XI ZR 422/01, Rn. 18, juris). Zwar begründet nicht schon jede Abweichung von den durchschnittlichen Zinssätzen eine Unüblichkeit, jedoch sind dann Zweifel angebracht, wenn der vereinbarte Effektivzinssatz mehr als einen Prozentpunkt von der oberen Streubreite abweicht (vgl. BGH a.a.O. Rn. 23). Da in die Monatsberichte nur bestimmte (typisierte) Darlehensverträge einfließen, kann sich aufgrund der Umstände des Einzelfalls (z.B. Beleihungsgrad, Tilgungsanteil) aber auch ein erhöhtes Risiko des Kreditgebers ergeben, das sich in einem höheren Sollzinssatz niederschlägt (vgl. BGH a.a.O. Rn. 18). Die Darlegungs- und Beweislast für die Einordnung als Immobiliardarlehensvertrag trägt nach den allgemeinen Regeln die Partei, die aus seinem Vorliegen Vorteile ziehen möchte, hier also die Beklagte (vgl. Staudinger/Kessal-Wolf (2012), § 503 Rn. 14).
Dieser Darlegungslast ist die Beklagte nachgekommen, indem sie vorgetragen hat, dass sie - ausgehend vom üblichen Marktzins für gesicherte Immobiliarkredite - auf diesen einen marktüblichen Aufschlag von zwei Prozentpunkten für die Gewährung eines Forward-Darlehens mit einer Vorlaufzeit von dreieinhalb Jahren vorgenommen habe. Der Marktüblichkeit des Aufschlages für das Forward-Darlehen sind die Kläger nicht entgegen getreten, so dass die entsprechende Behauptung der Beklagten gemäß § 138 Abs. 1 BGB als unstreitig zu behandeln ist. Ein Aufschlag ist bei einem Forward-Darlehen - mit dem sich der Darlehensnehmer günstige Zinssätze für eine spätere Auszahlung sichern möchte - grundsätzlich üblich, da der Darlehensgeber dafür keine Bereitstellungszinsen, sondern stattdessen eine Forward-Prämie oder - wie hier - einen (höheren) Forward-Zinssatz verlangt (vgl. Staudinger/Kessal-Wulf (2012) BGB § 491, Rn. 49).
Ausgehend von dem durchschnittlichen Marktzins für Bestandskredite mit einer Laufzeit von mehr als fünf Jahren (Zeitreihe BBK01.SUD008 des Deutschen Bundesbank) von 4,61 %, ergibt sich mit einem (unstreitigen) Zuschlag von zwei Prozentpunkten ein durchschnittlicher Marktzins für den hier zu betrachtenden Forward-Kredit von 6,61 %. Dieser Wert liegt über dem vereinbarten Sollzins von 5,99 % bzw. dem Effektivzins von 6,16 %. Selbst unter Heranziehung der von den Klägern favorisierten Zeitreihe (BBK01.SUD160) errechnet sich für das Forward-Darlehen ein marktüblicher durchschnittlicher Zinssatz 3,78 % + 2 % = 5,78 %, so dass der vereinbarte Soll- bzw. Effektivzins nicht mehr als einen Prozentpunkt über der oberen Streubreite liegen kann. Umstände, die demgegenüber eine Verringerung des Beleihungsrisikos für die Beklagte begründen könnten, sind nicht ersichtlich, so dass die Bedingungen des streitgegenständlichen Vertrags als üblich im Sinne des § 503 BGB a.F. anzusehen sind.
c)
Die weiteren gesetzlichen Pflichtangaben für den Immobiliardarlehensvertrag nach Art. 247 § 9 EGBGB a.F. sind - anders als von den Klägern moniert - tatsächlich im Vertrag enthalten.
Die Art des Darlehens wird mit den Begriffen „Baufinanzierung“, „Darlehensvertrag“, „Annuitäten Forward Darlehen“ im Vertrag hinreichend und klar beschrieben und dort unter Ziffer VIII 9.1 nochmals näher erläutert.
Der Vertrag enthält hinreichende Angaben zu Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilzahlungen. In Ziffer II. des Vertrages ist die monatliche Rate mit 520 € angegeben, die Anzahl der Raten mit 113 und die Fälligkeit mit „monatlich am 15.“ benannt, was den gesetzlichen Vorgaben entspricht (vgl. Grüneberg/Weidenkaff, EGBGB 247 §§ 3, 4 Rn. 2). Die Laufzeit des Vertrages ist mit 12 Jahren und 11 Monaten zutreffend angegeben; die Bezeichnung als „unbefristet“ wäre nicht richtig gewesen.
Eine Aufschlüsselung der angegebenen Zinssätze im Hinblick darauf, in welcher Höhe ein Zuschlag auf den Marktzins für das Forward-Darlehen vorgenommen wurde, bedurfte es nicht. Kosten, Aufschläge oder Provisionen, die unter Umständen in die Kalkulation des Sollzinssatzes eingeflossenen sein könnten, müssen nicht angegeben werden. Denn die Pflichtangaben sollen den Darlehensnehmer nur über die Höhe der vom ihm insgesamt zu tragenden Kosten informieren und nicht über die Kostenstruktur, so dass sich die nötigen Informationen bereits aus der Angabe des Sollzinssatzes selbst ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 09.07.2019 - XI ZR 53/18 - Rn. 7, juris).
Die Kosten für die verpflichtende Feuerversicherung sind schon deshalb nicht als sonstige Kosten im Sinne des Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB im Vertrag aufzuführen, weil die Beklagte ihre Höhe nicht kennt und damit auch nicht angeben könnte. Es handelt sich im Übrigen auch nicht um Kosten des Darlehensvertrages.
Die Behauptung der Kläger, die Berechnung des effektiven Jahreszinses sei falsch angegeben, entbehrt einer nachvollziehbaren Anknüpfungsgrundlage. Eine eigene Darstellung der Berechnung des effektiven Jahreszinses liegt nicht vor. Die Behauptung der Kläger, der effektive Jahreszins sei - weil ebenso wie der Tageszins in der Widerrufsinformation nach der 30/360-Tage-Methode berechnet - zu niedrig angegeben, bleibt daher eine bloß pauschale - und damit nicht zu berücksichtigende - Behauptung "ins Blaue hinein" (vgl. Senat, Urteil vom 12.01.2022 – 4 U 30/21 –, Rn. 42, juris).
Ein Verstoß gegen Art. 247 § 8 EGBGB ist entgegen der Ansicht der Kläger nicht darin zu sehen, dass die Sicherungszweckabrede im Darlehensvertrag nicht erwähnt wird. Bei der Sicherungszweckabrede handelt es sich nicht um einen Vertrag im Sinne des Art. 247 § 8 Abs. 1 EGBGB a.F. Denn darunter fallen nur solche Zusatzleistungen oder Verträge, die Voraussetzung dafür sind, dass das Darlehen überhaupt oder mit bestimmten Konditionen gewährt wird (vgl. Grüneberg/Weidenkaff EGBGB 247 § 8 Rn. 2). Die Sicherungszweckabrede ist indes nicht Voraussetzung für die Darlehensgewährung, sondern verpflichtet vielmehr die Kredit gewährende Bank als Sicherungsnehmer, bei der Ausübung der Rechte aus der Grundschuld die Interessen des Sicherungsgebers - der im Übrigen mit dem Darlehensnehmer nicht identisch sein muss - zu wahren. Die Pflicht aus der Sicherungszweckabrede, das Haus gegen Feuer zu versichern, ist dem Darlehensvertrag in Ziffer VI. zu entnehmen. Zudem ist der Abschluss der Versicherung keine Bedingung für die Kreditgewährung, sondern während der Vertragslaufzeit bestehende Nebenpflicht.
Die in Art. 247 § 3 Nr. 8, 9, 11 und 12 EGBGB a.F. aufgeführten Angaben sind gemäß Art. 247 § 9 Abs. 1 EGBGB nicht Bestandteil des Katalogs der Pflichtangaben für einen Immobilardarlehensvertrag im Sinne des § 503 BGB a.F. Ihr Fehlen hat daher keinen Einfluss auf den Beginn der Widerrufsfrist. Entsprechendes gilt für Angaben über den Zugang des Darlehensnehmers zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren im Sinne des Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB.
3.
Die Kläger haben den Vertrag auch nicht wirksam gekündigt.
Das Kündigungsrecht nach § 500 Abs. 1 BGB a.F. besteht bei einem Immobiliarkredit im Sinne des § 503 BGB a.F. schon nicht. Ein Kündigungsrecht nach § 494 Abs. 6 S. 1 BGB besteht nicht, weil die Angaben im Vertrag zu Laufzeit und Kündigungsrecht - wie ausgeführt - nicht fehlen.
Eine Kündigung nach § 489 Abs. 1 Nr. 1 BGB a.F. (im Übrigen auch eine solche nach § 500 Abs. 1 BGB a.F. oder nach § 494 Abs. 6 S. 1 BGB a.F.) scheitert daran, dass die Kläger den geschuldeten Betrag nicht binnen zwei Wochen nach Wirksamwerden der Kündigung zurückgezahlt haben. Unter diesen Umständen verliert eine Kündigung gemäß § 489 Abs. 3 BGB a.F. ihre Wirksamkeit.
4.
Der hilfsweise gestellte Antrag zu 2. sowie der „hilfs-hilfsweise“ gestellte Antrag zu 3. sind unzulässig. Denn einzelne Elemente eines Rechtsverhältnisses können gemäß § 256 ZPO nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl., § 256 Rn. 3 m.w.N.). Im Übrigen fehlt es auch am Feststellungsinteresse für die Anträge, zumal die mit den Anträgen aufgeworfenen Rechtsfragen bereits beantwortet wurden (s.o.). Die Hilfsanträge sind daher auch unbegründet.
5.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Der Streitwert ergibt sich aus der Summe der bis zur Widerrufserklärung geleisteten Ratenzahlungen. Denn der Wert von positiven wie negativen Feststellungsanträgen in Widerrufsfällen richtet sich nach den Zins- und Tilgungsleistungen, die der widerrufende Darlehensnehmer auf den in Streit stehenden Vertrag bis zum Widerruf erbracht hat (vgl. BGH, Beschluss vom 16.07.2019 – XI ZR 538/18 –, Rn. 5, juris). Bis zum Mai 2021 hatten die Kläger bereits 82 Raten zu 520 € gezahlt, d.h. insgesamt 42.640 €.