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Entscheidung 9 UF 101/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 14.07.2023
Aktenzeichen 9 UF 101/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:0714.9UF101.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

I. Auf die Beschwerde der (weiteren) Beteiligten zu 1. vom 08.07.2022 wird der Beschluss des Amtsgerichts Eberswalde vom 16.06.2022 (Az. 3 F 104/21) zu Ziffer 3. des Tenors unter Beibehaltung der übrigen Regelungen der angefochtenen Entscheidung teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

3.

Zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (Versicherungsnummer (X)) wird im Wege der internen Teilung zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 10,4798 Entgeltpunkten (Ost) auf deren Versicherungskonto bei der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg (Versicherungsnummer (Z)), bezogen auf den 30.04.2021, übertragen.

Zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (Versicherungsnummer (X)) wird im Wege der internen Teilung zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 1,3111 Entgeltpunkten (Ost) für langjährige Versicherung auf deren Versicherungskonto bei der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg (Versicherungsnummer (Z)), bezogen auf den 30.04.2021, übertragen.

...

II. Es bleibt bei der Kostenentscheidung erster Instanz. Gerichtskosten für die Beschwerde fallen nicht an, eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 1.320 €

IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss die am 11.05.1990 geschlossene Ehe der Beteiligten auf den am 04.05.2021 zugestellten Scheidungsantrag hin geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt.

Hierbei hat das Amtsgericht - u. a. - die von den geschiedenen Ehegatten bei der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Anrechte im Wege interner Teilung zum Ausgleich gebracht. Die weitere Beteiligte zu 1) hat in ihrer Auskunft vom 04.04.2022 neben dem Ehezeitanteil des Antragstellers in der allgemeinen Rentenversicherung von 0,0202 Entgeltpunkten und einem vorgeschlagenen Ausgleichswert von 0,0101 Entgeltpunkten einen Ehezeitanteil in der allgemeinen Rentenversicherung (Ost) von 20,9359 Entgeltpunkten (Ost) mitgeteilt und insoweit einen Ausgleichswert von 10,4680 Entgeltpunkte (Ost) vorgeschlagen. Daneben besteht nach dieser Auskunft ein ehezeitlicher Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung in Höhe von 2,6221 Entgeltpunkten (Ost), von denen nach Vorschlag 1,3111 Entgeltpunkte (Ost) zum Ausgleich gebracht werden sollen.

In der angefochtenen Entscheidung hat das Amtsgericht die letztgenannten beiden Anrechte addiert und – rechnerisch zutreffend – einen Ehezeitanteil von insgesamt 23,558 Entgeltpunkten (Ost) dem vorgenommenen Ausgleich von 11,7790 Entgeltpunkten (Ost) zugrunde gelegt.

Gegen diese ihr am 04.07.2022 zugestellte Entscheidung hat die weitere Beteiligte zu 1) mit einem am 12.07.2022 bei dem Amtsgericht eingegangen Schreiben Beschwerde mit der Begründung eingelegt, eine Addition der erworbenen Entgeltpunkte (Ost) mit den Entgeltpunkten (Ost) für langjährige Versicherung habe aufgrund der Besonderheit der Entgeltpunkteart für langjährige Versicherung nicht erfolgen dürfen.

Der Senat hat nach Anhörung der Beteiligten und Einholung einer neuen Auskunft der (weiteren) Beteiligten zu 1. gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG ohne mündliche Verhandlung entschieden. Die beteiligten Ehegatten sind dem Beschwerdevorbringen nicht entgegengetreten.

II.

Die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1) ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und form- und fristgerecht gemäß §§ 63 Abs. 1, 64 Abs. 1, 65 Abs. 1, 228 FamFG eingelegt und begründet worden, mithin zulässig.

Es liegt eine im Versorgungsausgleich wirksame Teilanfechtung bezüglich des Versorgungsanrechts des Antragstellers bei der weiteren Beteiligten zu 1) vor (vgl. Senatsbeschluss vom 05.05.2020 - 9 UF 31/20 - zitiert nach juris). Die übrigen Anrechte der geschiedenen Eheleute sind durch die Beschwerde nicht betroffen.

In der Sache hat das Rechtsmittel auch Erfolg.

Der Ausgleich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Anrechte der Antragsgegnerin auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist abweichend von der insoweit angefochtenen Entscheidung zu regeln. Das Amtsgericht hat unzutreffend allgemeine Entgeltpunkte (Ost) sowie solche Entgeltpunkte (Ost), die auf der sogenannten Grundrente beruhen, addiert und insoweit einen einheitlichen Ausgleichswert gebildet.

1.

Nach der im Beschwerdeverfahren eingeholten Auskunft der (weiteren) Beteiligten zu 1. vom 16.05.2023 – der keiner der Beteiligten entgegengetreten und die im Übrigen auch nicht zu beanstanden ist - hat der Antragsteller in der gesetzlichen Ehezeit des § 3 Abs. 1 VersAusglG (01.05.1990 bis 30.04.2021) in der allgemeinen Rentenversicherung sowohl Entgeltpunkte (Ost) als auch einen Zuschlag an Entgeltpunkten (Ost) für langjährig Versicherte erworben. Die vorgeschlagenen Ausgleichswerte betragen insoweit an Entgeltpunkte (Ost) 10,4798 (mitgeteilter korrespondierender Kapitalwert: 76.679,45 €) und für den Zuschlag für langjährige Versicherte an Entgeltpunkten (Ost) 1,3111 (mitgeteilter korrespondierender Kapitalwert: 9.593,16 €).

Grundrentenentgeltpunkte bzw. Grundrentenentgeltpunkte/Ost werden wie auch sonstige Entgeltpunkte oder Entgeltpunkte/Ost intern geteilt (§ 10 Abs. 1 VersAusglG). Mit anderen Entgeltpunkten bzw. Entgeltpunkten/Ost sind sie insbesondere nicht gleichartig, § 120f Abs. 2 Nr. 3 SGB VI. Für sie findet deshalb ein gesonderter, im Tenor auszuweisender Teilungsvorgang statt (allg. Ansicht: OLG Braunschweig FamRB 2022, 256 m. zust. Anm. Siede; Adamus/ Götsche, FuR 2022, 602 m. w. N.), wie auch der Senat entschieden hat (vgl. Beschluss v. 28.07.2022 – 9 UF 79/22). Daher sind zugunsten der Antragsgegnerin im Wege interner Teilung (§ 10 Abs. 1 VersAusglG) an Entgeltpunkten/Ost der allgemeinen Rentenversicherung 10,4798 zu übertragen. Daneben sind zugunsten der Antragsgegnerin im Wege der internen Teilung (§ 10 Abs. 1 VersAusglG) an Entgeltpunkten/ Ost für langjährige Versicherung 1,3111 zu übertragen.

2.

Die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1, Abs. 3 sowie des § 18 Abs. 2, Abs. 3 VersAusglG in Verbindung mit § 18 Abs. 1 SGB IV liegen nicht vor, da die für das Jahr 2021 geltende Geringfügigkeitsgrenze von 3.948 € (Fischer, Tabellen zum Familienrecht, 44. Auflage 2023, S. 45) jeweils überschritten ist.

Dabei richtet sich die Beurteilung dieser Frage hinsichtlich des Zuschlages an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach § 18 Abs. 2 VersAusglG, da die Antragsgegnerin während der Ehezeit kein gleichartiges Anrecht, nämlich keine Entgeltpunkte aus einem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung, erworben hat. Die von der Antragsgegnerin im Übrigen erworbenen Entgeltpunkte sind nicht von gleicher Art wie der von dem Antragsteller erworbene Zuschlag an Entgeltpunkten (vgl. § 120 f Abs. 2 Nr. 3 SGB VI), so dass in Bezug auf solche eine Differenzbetrachtung nach § 18 Abs. 1 VersAusglG nicht in Betracht kommt. Maßgebliche Bezugsgröße im Sinne von § 5 Abs. 1 VersAusglG sind hier Entgeltpunkte aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung, so dass insoweit der Kapitalwert heranzuziehen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 01.03.2023, XII ZB 360/22, Rn. 26).

3.

Der Ausgleich des Zuschlags an Entgeltpunkte für langjährige Versicherung ist – ungeachtet der Frage nach der Ausgleichsreife dieses Anrechts gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG - bereits bei der Scheidung durchzuführen.

Die sog. Grundrente ist als Zuschlag an Entgeltpunkten konzipiert, wobei der aus dem Zuschlag resultierende Zahlbetrag einer besonderen Einkommensanrechnung unterliegt. Nach § 97a Abs. 1 SGB VI wird auf den Rentenanteil aus dem Zuschlag an Grundrentenentgeltpunkten das Einkommen des Berechtigten (und seines Ehegatten) nach besonderen Einkommensanrechnungsregeln (§ 97a Abs. 4 SGB VI) angerechnet. Die Grundrente wird also nicht stets ausgezahlt, sondern nur, soweit angesichts der anzurechnenden Einkünfte ein Grundrentenbedarf besteht. Übersteigt das anrechenbare Einkommen monatlich das 36,56fache des aktuellen Rentenwerts, werden 60 % angerechnet (§ 97a Abs. 4 S. 2 SGB VI). Anrechenbares Einkommen, das monatlich das 46,78fache des aktuellen Rentenwerts übersteigt, wird in voller Höhe (also zu 100 %) angerechnet (§ 97a Abs. 4 S. 3 SGB VI). Aus Vereinfachungsgründen wird dabei allein an den aktuellen Rentenwert angeknüpft, nicht auch an den aktuellen Rentenwert/Ost (vgl. Kirsch in: LPK-SGBVI § 97a Rn. 18).

Ob die danach vorgesehene Einkommensanrechnung zu einer Unwirtschaftlichkeit des Ausgleichs führt, ergibt sich jedoch erst im laufenden Leistungsbezug. Zudem unterliegt das im Leistungsbezug gemäß § 97 a Abs. 2 Nr. 1 SGB VI anzurechnende Einkommen angesichts der berücksichtigungsfähigen Berechnungspositionen, insbesondere der einkommensmindernden Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und individuellen Freibeträge, jährlichen Änderungen. Eine allein auf der Basis zu erwartender Versorgungsbezüge erfolgte Berechnung, bietet daher keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Ermittlung eines im Leistungsbezug anzurechnenden Einkommens und damit für die Annahme, der Ausgleich werde sich dauerhaft nicht zugunsten der ausgleichsberechtigten Person auswirken (vgl. BGH, Beschluss vom 01.03.2023, XII ZB 360/22, Rn. 21 ff. m. w. N.).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81 Abs. 1, 150 FamFG.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus §§ 40 Abs. 1, 50 Abs. 1 Satz 1 FamGKG (= 1.500 € + 700 € = 2.200 € x 3 = 6.600 € x 10 % x 2 Anrechte).

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) liegen nicht vor.

Die schriftliche Entscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG. Von einer erneuten Durchführung der Anhörung sind neue Erkenntnisse voraussichtlich nicht zu erwarten.