Gericht | OLG Brandenburg 2. Strafsenat | Entscheidungsdatum | 06.07.2023 | |
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Aktenzeichen | 2 Ws 76/23 (S) | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:0706.2WS76.23.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Frankfurt (Oder) vom 6. Februar 2023 wird mit der Maßgabe verworfen, dass die in dem angefochtenen Beschluss zu Ziffern 4. a) und b) sowie 5. der Beschlussformel angeordneten Weisungen bzw. Vorgaben entfallen.
Der Betroffene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
I.
Mit Beschluss vom 6. Februar 2023 hat das Landgericht Frankfurt (Oder) die mit seinem Beschluss vom 15. September 2017 angeordnete Führungsaufsicht unbefristet verlängert. Zudem hat es den Betroffenen der Führungsaufsichtsstelle und der Bewährungshilfe unterstellt. Für die Dauer der Führungsaufsichtszeit hat das Landgericht dem Betroffenen unter Ziffer 4. und 5. der Beschlussformel folgende Weisungen erteilt:
„4. Der Betroffene wird für die Dauer der Führungsaufsichtszeit ferner angewiesen,
a)
seinen Wohnsitz („Straße 01“) , („Ort 01“) nicht ohne vorherige Abstimmung mit dem Bewährungshelfer und der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) aufzugeben oder zu wechseln,
b)
einen Wechsel einer noch einzurichtenden tagesstrukturierenden Maßnahme oder Tätigkeit nur mit Zustimmung des Bewährungshelfers vorzunehmen,
c)
keine alkoholischen Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen und sich mindestens einmal pro Quartal unangekündigten Alkohol- und Suchtmittelkontrollen in der Forensischen Ambulanz des („Klinik 01“) in („Ort 02“) zu unterziehen, die auch mit einem körperlichen Eingriff verbunden sein können,
d)
mindestens einmal im Monat den persönlichen Kontakt zu der Forensischen Ambulanz des („Klinik 01“) nach deren terminlichen Vorgaben zu halten.
e)
Fortführung der medikamentösen Behandlung (aktuell Amisulprid 400 mg morgens und 200 mg abends) nach Indikationsstellung durch die regelmäßige, mindestens quartalsweise fachärztlich-psychiatrische Behandlung durch („Name 02“), („Straße 02“), („Ort 01“), und mindestens halbjährliche Kontrolle des Medikamentenspiegels mittels Blutentnahme im nüchternen Zustand,
5. Dem Betroffenen wird aufgegeben, in Zusammenarbeit mit seinem Bewährungshelfer eine geeignete Tagesstruktur zu erarbeiten. Eine zusätzliche Weisung zur Aufrechterhaltung einer bestimmten Tagesstruktur ist vorgesehen und bleibt ausdrücklich vorbehalten.“
Schließlich hat das Landgericht dem Betroffenen noch folgenden Hinweis erteilt:
„Die Kammer weist bereits an dieser Stelle darauf hin, dass sich der Betroffene nach § 145a StGB strafbar machen kann, wenn er während der Führungsaufsicht gegen eine oder mehrere Weisungen der in § 68b Abs. 1 StGB bezeichneten Art verstößt und dadurch den Zweck der Maßregel gefährdet.“
Das dieser Entscheidung vorangegangene Verfahren hat die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg in ihrer Stellungnahme vom 24. Mai 2023 wie folgt zutreffend zusammengefasst:
„1.
Mit Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 11.04.2011 (BI. 12 d. BwH) ist die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden. Von dem Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung, am 26.11.2009 unter Alkoholeinfluss einen Bekannten mit einer Federdruckpistole ins Gesicht geschossen und dadurch erheblich verletzt zu haben, wurde er freigesprochen, weil seine Steuerungsfähigkeit aufgrund seiner paranoiden Schizophrenie zur Tatzeit aufgehoben war. Der Beschwerdeführer war damals bereits seit mehreren Jahren erkrankt und litt unter Wahnphänomenen und Halluzinationen, die mit Verfolgungsideen einhergingen und ihn auch zu der verfahrensgegenständlichen Tat motiviert hatten.
Der Beschwerdeführer hatte sich in dieser Sache zunächst seit dem 20.09.2010 in Untersuchungshaft befunden und war ab dem 16.02.2011 in der Klinik des Maßregelvollzugs einstweilig untergebracht. Mit Rechtskraft des Urteils am 19.04.2011 wurde die Unterbringung vollstreckt.
Nachdem die medikamentöse Behandlung des Beschwerdeführers erfolgreich schien, die krankheitsbedingten Symptome überwiegend abgeklungen waren, er von Alkohol und Cannabis abstinent geblieben war und sowohl in ein Wohnprojekt beurlaubt worden war als auch eine Tätigkeit in einer Werkstatt möglich schien, beschloss die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) am 15.09.2017, die Unterbringung zur Bewährung auszusetzen (BI. 1 d. BwH). Damit trat Führungsaufsicht ein, deren Dauer fünf Jahre betrug. Dem Beschwerdeführer wurden ein Bewährungshelfer bestellt und er wurde entsprechend der Anregung der ihn bis dahin behandelnden Ärzte angewiesen, seinen Wohnsitz in der betreuten Wohneinrichtung zu behalten, die avisierte Tätigkeit in der Werkstatt aufzunehmen, jeden Wechsel von Wohnung oder Arbeitsstelle mitzuteilen, keinen Alkohol oder andere berauschende Mittel zu konsumieren und seine Abstinenz durch entsprechende Kontrollen nachzuweisen, monatlichen Kontakt zur Forensischen Ambulanz des („Klinik 01“) zu halten, die fachärztlich-psychiatrische Behandlung fortzusetzen und die ihm verordneten Medikamente einzunehmen und die Einnahme kontrollieren zu lassen.
Der Beschluss ist seit dem 28.09.2017 rechtskräftig. Die Entlassung des Beschwerdeführers aus dem Maßregelvollzug erfolgte am selben Tag (BI. 74 d. BwH).
Der von der Strafvollstreckungskammer seinerzeit beauftragte externe Sachverständige („Name 03“) hatte in seinem Gutachten vom 11.01.2017 (BI. 30 d. BwH) ausgeführt, die bei dem Beschwerdeführer diagnostizierte paranoide Schizophrenie sei infolge der medikamentösen Behandlung - wenn auch unvollständig - remittiert. Problematisch erscheine die dissoziale Verhaltensbereitschaft des Beschwerdeführers, der in der Vergangenheit bereits mehrere Jahre obdachlos gewesen war, viel Alkohol getrunken hatte und bereits mehrfach straffällig geworden war (BI. 48R d. BwH). Er habe noch keine wirkliche Krankheitseinsicht erlangt, zum Teil auch eigenmächtig die Medikamente reduziert und es bliebe abzuwarten, ob der Beschwerdeführer in der Zukunft die für seine Stabilität notwendigen strukturierenden und kontrollierenden Bedingungen aus eigener Motivation akzeptieren werde (BI. 58 d. BwH).
Tatsächlich tendierte der Beschwerdeführer nach seiner Entlassung zu größerer Selbständigkeit. So wünschte er im Sommer 2018, in eine eigene Wohnung zu wechseln, was ihm zunächst durch Beschluss des Vorsitzenden der Strafvollstreckungskammer am 10.10.2018 unter Änderung der entsprechenden Weisung mit der Bedingung ambulanter Betreuung gestattet wurde (BI. 106 d. BwH) und am 13.08.2019 durch die Kammer beschlossen wurde (BI. 129 d. BwH). Im Februar 2019 bezog der Beschwerdeführer seine Wohnung (BI. 109 d. BwH). Bereits im Dezember 2018 war es zu einem Rückfall mit Alkohol gekommen (BI. 109 d. BwH). Als die auf zwei Jahre beschränkte ambulante Betreuung im August 2021 ausgelaufen war, lehnte der Beschwerdeführer eine Verlängerung ab (BI. 149 d. BwH). Jedenfalls seit Anfang des Jahres 2022 konsumierte er wiederholt und schließlich regelmäßig Alkohol (BI. 141 R, 150 d. BwH), seine Arbeitsstelle wurde im Mai 2022 gekündigt (BI. 150 d. BwH) und den Kontakt zur Forensischen Ambulanz hielt er nur noch unregelmäßig (BI. 152 d. BwH), zuletzt erschient er am 27.06.2022 bei der behandelnden Ärztin (S. 27 SH Gutachten).
2.
Im Hinblick auf das bevorstehende Ende der Führungsaufsicht zum 27.09.2022 beantragte die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) unter dem 30.08.2022, die Führungsaufsicht unbefristet zu verlängern (Bd. II BI. 552 d. VH).
Daraufhin fand am 29.09.2022 ein Anhörungstermin vor der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) statt (BI. 17 4 d. BwH), nach welchem die Kammer mit Beschluss vom 30.09.2022 einen Gutachtenauftrag zur Gefährlichkeitsprognose an den Sachverständigen („Name 04“) erteilte (BI. 171 d. BwH). Das schriftliche Gutachten vom 13.12.2022 (SH Gutachten) ging am 15.12.2022 bei Gericht ein.
Der Sachverständige bestätigte die fortbestehende Diagnose einer paranoiden Schizophrenie (ICD-10 F20.0) und eines schädlichen Gebrauchs von Alkohol (ICD-10 F10.2) (S. 31 SH Gutachten) sowie die bereits zuvor festgestellte ausgeprägte dissoziale Verhaltensbereitschaft bei einer nur vordergründigen Krankheitseinsicht (S. 32 SH Gutachten) und regelmäßigem Alkoholkonsum (S. 33 SH Gutachten). Die Verstöße gegen die Bewährungsauflagen und das zunehmende Sichentziehen aus den Unterstützungsmaßnahmen seien als ein frühes Zeichen einer beginnenden psychotischen Dekompensation einzuordnen. Aus gutachterlicher Sicht sei mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass der Beschwerdeführer nach Auslaufen der Bewährungs- und Führungsaufsichtszeit zunehmend Alkohol konsumieren und die Medikamente ganz absetzen und keine unterstützenden Angebote mehr wahrnehmen werde (S. 35 SH Gutachten). Angesichts der psychotischen Grunderkrankung sei jedoch eine Behandlung und Betreuung des Beschwerdeführers unabdingbar, da anderenfalls die Gefahr einer Exacerbation der Schizophrenie und damit neuer Taten im Bereich der Körperverletzungsdelikte zu befürchten seien (S. 36-37 SH Gutachten).
Die Staatsanwaltschaft hielt danach eine Entfristung der Führungsaufsicht für vertretbar (BI. 209 d. BwH).
Daraufhin beschloss die Strafvollstreckungskammer nach dem Anhörungstermin vom 01.02.2023 (BI. 224b d. BwH) am 06.02.2023 die unbefristete Verlängerung der Führungsaufsicht (BI. 225 d. BwH).
An einer Entscheidung trotz Endes der Führungsaufsicht am 27.09.2022 sah sie sich nicht gehindert, da das Verfahren bereits zuvor eingeleitet und sodann ohne wesentliche Verzögerungen betrieben worden sei.
...
Weil der Beschwerdeführer wieder Alkohol konsumiere und seine neuroleptische Medikation nicht mehr einnehmen wolle, bestehe ohne die Fortführung der Maßnahmen der Führungsaufsicht innerhalb weniger Monate die hohe Gefahr der Exacerbation der paranoiden Schizophrenie und dadurch motivierter Körperverletzungsdelikte nach §§ 223, 224, 226, 227 StGB. Die Entfristung sei auch verhältnismäßig, da mit milderen Mitteln der Zweck nicht erreicht werden könne. Dass der Beschwerdeführer nach der schon länger zurückliegenden Anlasstat nicht erneut durch Körperverletzungsdelikte aufgefallen sei, sei nur der erfolgreichen Behandlung und Betreuung zu verdanken.“
Gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 6. Februar 2023 richtet sich die Beschwerde des Verurteilten. Er rügt, der beauftragte Sachverständige sei im Anhörungstermin vor der Strafvollstreckungskammer nicht mündlich gehört worden. Die Entfristung sei nicht verhältnismäßig. Es fehle an konkreten Tatsachen zur Begründung der Gefahr neuer Straftaten mit einer Gefährdung der Allgemeinheit. Zudem sei die Weisung zur Alkoholabstinenz unverhältnismäßig.
Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 22. März 2023 nicht abgeholfen.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, hilfsweise die Beschwerde des Betroffenen mit der Maßgabe als unbegründet zu verwerfen, dass die Weisungen zu Ziffer 4. a) und b) entfallen.
Das Rechtsmittel bleibt im Wesentlichen ohne Erfolg.
II.
Die Beschwerde des Betroffenen ist zulässig, aber im Wesentlichen unbegründet.
1.
Das Landgericht war nicht gehindert, die Dauer der Führungsaufsicht gemäß § 68c Abs. 3 Nr. 1 StGB unbefristet zu verlängern. Dies ist nach ganz herrschender Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur grundsätzlich auch nach Ablauf der gesetzlichen Dauer der Führungsaufsicht möglich (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17. März 2009, Az.: 2 Ws 20/09; KG, Beschluss vom 24. November 2020, Az.: 5 Ws 209/20, beide zitiert nach juris; OLG Rostock, BeckRS 2013, 8346; OLG Frankfurt BeckRS 2014, 117712; v. Hentschel-Heinegg, BeckOK StGB, § 68c Rn. 23; vgl. Fischer, StGB, 70. Aufl., § 68 d Rn. 6).
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat dazu in seinem Beschluss vom 17. März 2009 (a.a.O.) ausgeführt, der Sinn und Zweck des § 68c Abs. 3 Nr. 1 StGB spreche eindeutig für diese Auffassung. Nach den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 16/1993, S. 21) habe die neue Regelung einem Bedürfnis der Praxis Rechnung tragen und dazu dienen sollen, durch die Verlängerung der Führungsaufsicht eine dauerhafte Überwachung und Betreuung insbesondere in Fällen sicherzustellen, in denen eine Verlängerung nach § 68c Abs. 2 StGB wegen des noch weisungskonformen Verhaltens des Verurteilten während der Dauer der Führungsaufsicht nicht in Frage komme, aber aufgrund des gegen Ende der Führungsaufsicht schon angekündigten Absetzens der stabilisierenden Medikamente der Rückfall in einen krankhaften und damit gefährdenden psychischen Zustand bereits abzusehen sei. Dieses Ziel sei in vielen Fällen nicht erreichbar, ließe man eine Verlängerung nur vor dem Ende der Führungsaufsicht zu. Denn das Verlängerungsverfahren nehme in der Regel so viel Zeit in Anspruch, dass eine gerichtliche Entscheidung nicht vor Ablauf der Höchstfrist getroffen werden könne. Um beurteilen zu können, ob ohne die mit der Verlängerung der Führungsaufsicht erteilten Weisungen die verurteilte Person alsbald in einen Zustand nach § 20 oder § 21 StGB geraten werde, müsse sich das zuständige Gericht eine ausreichende Tatsachengrundlage verschaffen. Dies sei meist auch nur mit der Unterstützung eines entsprechenden Sachverständigen möglich. Bis zur Fertigstellung eines solchen Gutachtens würden regelmäßig mehrere Monate vergehen. Hinzu kämen die erforderlichen Anhörungen des Verurteilten und der Staatsanwaltschaft. In dem bei der Einführung der Neuregelung hauptsächlich in den Blick genommenen Fall der erst gegen Ende der Führungsaufsicht angekündigten Verhaltensänderung würde die Vorschrift weitgehend leerlaufen, wenn gefordert würde, dass eine Entscheidung noch vor dem Ende der Führungsaufsicht getroffen werden müsse.
Dem tritt der Senat bei. Scheinbar abweichende Entscheidungen betreffen den hier nicht vorliegenden Fall der nachträglichen Verlängerung einer von Anfang an abgekürzten Höchstfrist (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 23. Februar 2011, Az.: 1 Ws 38/11, zitiert nach juris).
Voraussetzung für die nachträgliche Verlängerung ist allerdings, dass die verurteilte Person vor Ablauf der befristeten Führungsaufsicht von der Verlängerungsmöglichkeit informiert und das Verlängerungsverfahren nachfolgend ohne wesentliche Verzögerungen betrieben worden ist (vgl. OLG Rostock, BeckRS 2013, 8346; Fischer a.a.O). Das ist hier der Fall.
2.
In der Sache führt die Beschwerde lediglich dazu, dass die in dem angefochtenen Beschluss zu Ziffer 4. a) und b) angeordneten Weisungen entfallen.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat dazu in ihrer Stellungnahme vom 24. Mai 2023 das Folgende ausgeführt:
„2.
...
Die angefochtene Entscheidung unterliegt der unbeschränkten Nachprüfung durch den Senat als Beschwerdegericht. Eine Beschränkung auf die Gesetzmäßigkeitsprüfung nach § 463 Abs. 2, § 453 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. StPO gilt nach § 453 Abs. 2 Satz 2 2. Alt. StPO ausdrücklich nicht für die Verlängerung einer Bewährungszeit und damit durch den Verweis über § 463 Abs. 2 StPO auch nicht für die nachträgliche unbefristete Verlängerung der Führungsaufsicht (KG, Beschluss vom 24.11.2020 - 5 Ws 209/20 - m. w. N., bei juris).
a)
Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer leidet nicht an einem Verfahrensfehler. Entgegen der Auffassung der Verteidigung bleibt es folgenlos, dass die Kammer den von ihr beauftragten Sachverständigen nicht mündlich gehört hat. Dies ist nur erforderlich, wenn die Begutachtung von Gesetzes wegen vorgeschrieben ist, was hier nicht der Fall ist.
b)
Die Voraussetzungen für eine Entfristung der Führungsaufsicht liegen hier vor. Nach § 68c Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StGB kann das Gericht die Führungsaufsicht in Fällen der Aussetzung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus über die Höchstdauer hinaus unbefristet verlängern, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen Gründe für die Annahme bestehen, dass die verurteilte Person andernfalls alsbald in einen Zustand nach § 20 oder § 21 geraten werde, infolge dessen eine Gefährdung der Allgemeinheit durch die Begehung weiterer erheblicher rechtswidriger Taten zu befürchten ist.
Derartige Tatsachen sind in dem angefochtenen Beschluss, insbesondere unter Bezugnahme auf die Einschätzung des Sachverständigen dargelegt, so dass darauf Bezug genommen werden kann. Der Beschwerdeführer leidet nach wie vor unter der chronifizierten paranoiden Schizophrenie, die mit Wahnerleben und Verfolgungsideen einhergeht. Ohne die neuroleptische Medikation und die Einbindung in ein Behandlungssetting sowie eine gesicherte Abstinenz droht nach medizinischer Einschätzung eine Exacerbation der Krankheitssymptome, was insbesondere angesichts des zunehmenden Alkoholkonsums des Beschwerdeführers die naheliegende Gefahr von impulshaften aggressiven Akten gegen andere Menschen birgt, die von dem Beschwerdeführer krankheitsbedingt als Bedrohung empfunden werden, somit insbesondere die Gefahr von nicht unerheblichen Körperverletzungshandlungen.
Vor dem Hintergrund der Anlasstat ist die Entfristung auch verhältnismäßig, da sich der krankheits- und behandlungsuneinsichtige Beschwerdeführer derzeit zu keiner Mitwirkung bereitfindet, womit mildere Maßnahmen ausscheiden.
Dass er in der Vergangenheit keine weiteren Aggressionstaten begangen hat, steht dem nicht entgegen, da die langjährige durchgehende Behandlung die Krankheit bislang weitgehend zu remittieren vermochte.
c)
Die verhängten Weisungen hat die Strafvollstreckungskammer in dem angefochtenen Beschluss nicht im Einzelnen begründet. Die Notwendigkeit der Weisungen zu Ziffer 4 c) d) und e) ergibt sich jedoch aus den vorherigen Ausführungen der Kammer zur erforderlichen Abstinenz und Behandlung des Beschwerdeführers. Das Erfordernis der Weisung zu Ziffer 4 a) erschließt sich hingegen nicht, zumal auch die Führungsaufsichtsstelle eine derartige Weisung nicht für erforderlich gehalten hat (vgl. BI. 210 d. BwH) und kein Zusammenhang mit der von dem Beschwerdeführer ausgehenden möglichen Gefahr zu sehen ist.
Der Weisung zu b) fehlt es an Bestimmtheit, da eine konkrete tagesstrukturierende Maßnahme oder Tätigkeit erst noch gefunden werden muss. Falls es sich bei der „Aufgabe" zu Ziffer 5) ebenfalls um eine Weisung handeln sollte, wäre diese ebenfalls zu unbestimmt, und daher dürfte sie wohl eher als eine inhaltliche Vorgabe für die Zusammenarbeit mit dem Bewährungshelfer anzusehen sein.
Die Belehrung nach § 145a StGB ist auf konkrete Weisungen zu beziehen. Allein der Hinweis auf den Gesetzestext reicht nicht aus (BGH, Beschluss vom 16.06.2021 - 3 StR 50/21 - bei juris).“
Diesen zutreffenden Erwägungen tritt der Senat bei und merkt hinsichtlich Ziffer 5) ergänzend an, dass es sich insoweit um eine Weisung bzw. Anweisung an den Bewährungshelfer handelt, die in sachlichem Zusammenhang mit Ziffer 4 b) steht, aber ebenfalls nicht hinreichend bestimmt ist.
Die Weisung, keine alkoholischen Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen und sich vierteljährlich einer Alkoholmittelkontrolle zu unterziehen (§ 68 b Abs. 1 Nr. 10 StGB) ist nicht unverhältnismäßig.
Sie setzt voraus, dass bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Rauschmittelkonsum zur Gefahr weiterer Straftaten beitragen könnte (vgl. Fischer, StGB, 70. Aufl., § 68 b Rdnr. 14). Das ist hier der Fall.
Die Weisung kann bei anerkannt suchtabhängigen Personen, die nicht oder nicht erfolgreich behandelt werden konnten, im Hinblick auf die Unzumutbarkeit des verlangten Verhaltens in der Regel unverhältnismäßig sein (vgl. Senat, Beschluss vom 16. Juni 2011, Az.: 2 Ws 78/11, m.w.N.). Dafür gibt es hier aber keine Anhaltspunkte. Der Sachverständige („Name 04“) kommt in seinem Gutachten vom 13. Dezember 2022 zu dem Ergebnis, dass bei dem Betroffenen ein schädlicher Gebrauch von Alkohol und Cannabinoiden vorliegt, mithin keine Suchmittelabhängigkeit.
Einer Zurückverweisung an die Strafvollstreckungskammer bedarf es vorliegend nicht.
Zwar ist dem Senat eine eigene Sachentscheidung gemäß § 309 Abs. 2 StPO an sich nicht verwehrt. Das Beschwerdegericht kann die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer in den Fällen des § 463 Abs. 2 StPO i.V.m. § 453 Abs. 2 Satz 2 StPO aber nur eingeschränkt überprüfen, nämlich nur daraufhin, ob die Entscheidung gesetzwidrig ist. Daraus folgt, dass es sein eigenes Ermessen nicht an die Stelle der Strafvollstreckungskammer setzen kann (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Januar 2011 m.w.N.). Gleichwohl hat der Senat vorliegend von einer Zurückverweisung abgesehen, weil die Ausgestaltung der Führungsaufsicht gemäß § 68 d StGB jederzeit angepasst werden kann (vgl. Senatsbeschlüsse vom 15. April 2010, Az.: 2 Ws 50/10 sowie vom 28. Oktober 2010, Az.: 2 Ws 186/10; OLG Dresden, Beschluss vom 27. Oktober 2009, Az.: 2 Ws 509/09, zitiert nach juris). Insoweit sollte von der Strafvollstreckungskammer die von der Klinik für Forensische Psychiatrie des („Klinik 01“) in („Ort 02“) angeregte Organisation „nachhaltiger und sinnstiftender“ Tagesstruktur nochmals durch konkrete und hinreichend bestimmte Weisungen in den Blick genommen werden.
III.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO entsprechender Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.
Zwar hat das Rechtsmittel des Betroffenen einen geringen Erfolg. Dies rechtfertigt aber vorliegend nicht die Anwendung des § 473 Abs. 4 StPO.
Im Falle des Teilerfolges eines unbeschränkten Rechtsmittels des Rechtsmittelführers bestimmt § 473 Abs. 4 StPO im Grundsatz, dass die gerichtliche Gebühr für das Rechtsmittelverfahren zu ermäßigen ist und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Betroffenen zum Teil der Staatskasse auferlegt werden, wenn es unbillig wäre, den Betroffenen damit zu belasten. Das setzt voraus, dass nach den Umständen anzunehmen ist, dass der Betroffenen sein Rechtsmittel nicht eingelegt hätte, wenn bereits die erstinstanzliche Entscheidung in der Sache so gelautet hätte wie diejenige des Rechtsmittelgerichts (st. Rspr. des Senats, vgl. Senatsbeschluss vom 28. April 2009, Az. 2 Ws (Reha) 21/08; Meyer-Goßner-Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 473, Rn. 26).
Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Ermäßigung der Gerichtsgebühr und die Überbürdung der notwendigen Auslagen des Antragstellers für das Beschwerdeverfahren nur in Betracht kommen kann, wenn anzunehmen wäre, er hätte kein Rechtsmittel eingelegt, wenn das Landgericht die betreffenden Weisungen von vornherein nicht erteilt hätte.
Die Beschwerdeschrift des Betroffenen weist aus, dass dies hier nicht der Fall gewesen wäre.