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Entscheidung 2 U 37/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 2. Zivilsenat Entscheidungsdatum 13.07.2023
Aktenzeichen 2 U 37/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:0713.2U37.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin vom 17. August 2022, Aktenzeichen 2 O 418/21, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das landgerichtliche Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 868.758 € festgesetzt.

Gründe

Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

1.

Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis im Beschluss des Senats vom 16. Mai 2023 ebenso Bezug genommen wie hinsichtlich des Sachverhalts und der Anträge im Berufungsrechtszug. An seiner Einschätzung hält der Senat auch nach der Gegenerklärung der Klägerin vom 3. Juli 2023 fest.

a)

Der Beklagte hat schadensursächlich keine zugunsten der Zedentin bestehende Amtspflicht verletzt.

aa)

Eine mögliche Verzögerung bei der Bescheidung des Bauantrages der Zedentin war jedenfalls nicht ursächlich für den geltend gemachten Schaden.

Die Klägerin weist allerdings der Sache nach zutreffend darauf hin, dass es nicht primär an ihr ist, zu den letztlich verwaltungsinternen Vorgängen während der Prüfung des Bauantrages vorzutragen. Zwar hat der Verletzte im Rahmen des Haftungstatbestandes des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB zu beweisen, dass eine schuldhafte Amtspflichtverletzung vorliegt. Das beinhaltet Vortrag zur Amtspflicht und ihrer Verletzung. Allerdings können dem Anspruchsteller Erleichterungen in Form der sekundären Darlegungslast zugute kommen (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2016 – III ZR 387/14 –, BGHZ 213, 200 = NJW 2017, 1322, Rdnr. 14; BVerfG, Beschluss vom 22. August 2013 – 1 BvR 1067/12 –, NJW 2013, 3630, Rdnr. 38 ff; Staudinger/Wöstmann (2020), BGB § 839 Rdnr. 399). Diese betreffen insbesondere interne Abläufe und die Einzelheiten eventueller Organisationsmängel (BVerfG, Beschluss vom 22. August 2013 – 1 BvR 1067/12 –, NJW 2013, 3630, Rdnr. 40; BGH, Urteil vom 20. Oktober 2016 – III ZR 278/15, BGHZ 212, 303 = NJW 2017, 397, Rdnr. 43). In Rede stehen hier die Aufforderung(en) der Baugenehmigungsbehörde des Beklagten an die Denkmalschutzbehörde zur Stellungnahme nach § 63 Abs. 3 BbgBauO a. F., § 20 Abs. 1 BbgDSchG, und die jeweilige Antwort.

Darauf aber kommt es nicht entscheidend an. Die eventuell vorwerfbare Verzögerung im Bauantragsverfahren war jedenfalls nicht sicher schadenskausal. Denn auch bei einer rechtzeitigen Bescheidung mit dem Inhalt des Bescheides vom 14. April 2016 hätte sich die Zedentin gegen die ihr damit auferlegten Nebenbestimmungen gewandt und damit die Bestandskraft der Baugenehmigung hinausgeschoben. Die Nebenbestimmungen sind aber rechtlich nicht zu beanstanden bzw. haben ihrerseits nicht sicher den nun geltend gemachten Schaden verursacht.

bb)

Schadenskausal können dabei nur solche Nebenbestimmungen sein, die nicht mehr vom pflichtgemäßen Ermessen des Beklagten umfasst waren. Denn der – notwendige – Ursachenzusammenhang zwischen der behaupteten Amtspflichtverletzung, bei welcher das Ermessen rechtsfehlerhaft nicht richtig oder gar nicht ausgeübt wurde, und dem eingetretenen Schaden kann nur dann bejaht werden, wenn sicher feststeht, dass das Ermessen zugunsten des Klägers ausgeübt worden wäre; kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch bei fehlerfreier Ermessenausübung die gleiche Entscheidung getroffen worden wäre, entfällt ein Schadensersatzanspruch. Dabei kommt es auf die Verwaltungsübung an, also darauf, wie die Behörde unter Berücksichtigung der zu beachtenden Ermessensschranken entschieden hätte, nicht wie sie hätte entscheiden müssen (BGH, Urteil vom 7. Februar 1985 – III ZR 212/83 –, NVwZ 1985, 682 = VersR 1985, 588, Rdnr. 24; OLG München, Beschluss vom 18. Juli 2011 – 1 W 904/11 –, Rn. 7; BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 – 8 C 14/12 –, BVerwGE 146, 303 = NVwZ 2013, 1481, Rdnr. 52; Wingler in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Auflage mit Stand 4. Juli 2023, § 839 BGB Rdnr. 100).

Zwar ist die Entscheidung über die denkmalrechtliche Genehmigungsfähigkeit eines Bauvorhabens ein gebundener Verwaltungsakt. Nach § 9 Abs. 2 BbgDSchG ist die Genehmigung zu erteilen, wenn die beantragte Maßnahme nach denkmalpflegerischen Grundsätzen durchgeführt werden soll, oder wenn nach der gebotenen Abwägung aller privater und öffentlicher Interessen die Belange des Denkmalschutzes zurücktreten müssen. Bei dieser Beurteilung steht der Genehmigungsbehörde weder ein Beurteilungs- noch ein Ermessensspielraum zu (Sautter, in: Martin/Mieth/Graf/Sautter, Brandenburgisches Denkmalschutzgesetz, 2. Auflage 2007, § 9 BbgDSchG, S. 143). Anders ist dies hinsichtlich der ihr durch § 9 Abs. 3 Satz 1 BbgDSchG eingeräumten Möglichkeit, in Nebenbestimmungen Festlegungen zum Wie der beantragten Maßnahme zu treffen und so ihre Genehmigungsfähigkeit her- bzw. sicherzustellen, § 1 VwVfGBbg, § 36 Abs. 1 VwVfG. Diese Entscheidung steht in ihrem pflichtgemäßen Ermessen (vgl. OVG Magdeburg, Urteil vom 26. Juli 2012 – 2 L 154/10 –, NVwZ-RR 2013, 217, Rdnr. 61 bei juris; Sautter ebd. S. 156).

Der Beklagte handelte nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil er sich bei der – so die Klägerin – „Erteilung maximal denkbarer Auflagen“ von dem Willen hätte lenken lassen, „die Umsetzung des Mietvertrages unmöglich zu machen“, „als ginge es darum, die Errichtung des Flüchtlingsheimes abzuwehren“. Zwar hätte der Beklagte in diesem Fall von dem ihm eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht und damit klar ermessensfehlerhaft gehandelt. Dass dem so war, ist aber nur eine nicht näher belegte Vermutung der Klägerin. Ihr ist einzuräumen, dass der Beklagte die von ihr angeführten tatsächlichen Umstände der Anmietung weiterer Flüchtlingsunterkünfte im Landkreis nicht substantiiert in Abrede gestellt hat. Die zunächst ergriffenen Bemühungen um eine rasche Erhöhung der entsprechenden Kapazität sind allerdings mit Blick auf die anfänglich bestehende Unsicherheit über die heute allgemeinkundige weitere Entwicklung der Flüchtlingszahlen ab 2015 nicht ganz unverständlich. Erst ab März 2016 wurden europäisch koordinierte Maßnahmen zur so genannten „Flüchtlingskrise“ ergriffen, die die Zahl an in Deutschland Schutzsuchenden langsam absinken ließen. Sie ging nicht vor dem Jahr 2017 auf das niedrigere Niveau von 2014 zurück.

Der Beklagte handelte andererseits nicht deswegen von vornherein ermessensfehlerhaft, weil er die baurechtliche Privilegierung von Flüchtlingsunterkünften nicht auch in die öffentlichen Belange einstellte, die bei der Abwägung nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 BbgDSchG zu berücksichtigen sind. Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass weder der Ausgangs- noch der Widerspruchsbescheid diesen Aspekt in der Begründung der denkmalrechtlichen Nebenbestimmungen erwähnte. Er wurde allerdings auch von der Zedentin im Verwaltungsverfahren nicht thematisiert. Ihr Widerspruch konzentriert sich vielmehr auf die mit den Auflagen verbundenen finanziellen Belastungen und zeitlichen Verzögerungen, das heißt ihre privaten Belange. Hierzu nimmt der Beklagte im Widerspruchsbescheid Stellung. Im Übrigen erscheint der Vortrag der Klägerin hier widersprüchlich: Wenn der Landkreis schon Ende 2015 / Anfang 2016 ein Überangebot an geeigneten Flüchtlingsunterkünften festgestellt hätte, wie von ihr einerseits geltend gemacht, kann andererseits kein besonderes öffentliches Interesse an der Schaffung weiterer Baulichkeiten dieser Art bestanden haben, das die Belange des Denkmalschutzes hätte überwiegen müssen.

Die einzelnen Nebenbestimmungen halten sich im Übrigen je für sich und in ihrer Summe innerhalb des dem Beklagten durch § 9 Abs. 4 Satz 1 BbgDSchG eröffneten Ermessensspielraums. Selbst wo dies nicht der Fall sein sollte, fehlte es jedenfalls am notwendigen Ursachenzusammenhang zwischen dem Ermessensfehler und dem eingetretenen Schaden. Bei keiner der durch die Zedentin mit dem Widerspruch angegriffenen Nebenbestimmungen hätte der Beklagte zwingend eine andere Entscheidung gerade im Sinne der Zedentin treffen müssen:

‒ Die Auflage 2.1.2 zur Dokumentation der Bodenfunde ist nicht ermessensfehlerhaft. Die Behauptung der Klägerin, eine (weitere) Teilzerstörung des Bodendenkmals sei „nahezu ausgeschlossen“ und es habe nur ein „minimales Restrisiko“ bestanden, ist weiterhin nicht näher – etwa mit Plänen zu den damaligen und den von der Zedentin beabsichtigten Arbeiten, auch nach Tiefe und Ausmaß – belegt. Noch weniger ist dargetan, dass dies dem Beklagten bereits im Verwaltungsverfahren derart offenbar war bzw. sein musste, dass nur der Verzicht auf eine Dokumentation etwaiger Funde in Betracht gekommen wäre.

‒ Die Nebenbestimmung 3.1.3 zur Fertigstellungsanzeige ist nicht zu beanstanden. Auf den Hinweisbeschluss vom 16. Mai 2023 wird verwiesen.

‒ Ebenso wenig ist die Auflage 3.1.6 zur Prüfung der „Rauch- und Wärmeabzugsanlage“ ermessensfehlerhaft. Eine maschinelle Rauchabzugsanlage wird an keiner anderen Stelle der Bauvorlagen thematisiert und ist auch nicht Gegenstand des durch die Zedentin vorgelegten Brandschutzgutachtens. Dass der Beklagte stets nur von einer „natürlichen Rauchabzugsanlage“ in Form eines vom Erdgeschoss aus zu öffnenden Dachfensters ausging, wird im Übrigen nicht zuletzt aus der Begründung des Widerspruchsbescheides deutlich.

‒ Die in der Auflage 4.1.1 geforderte Dokumentation des Baudenkmals oblag der Zedentin nach der Brandenburgischen Bauvorlagenverordnung schon bei Antragstellung. Ihre Vorlage erst vor Baubeginn zu fordern, war nicht ermessensfehlerhaft. Entsprechendes gilt für die Forderung einer denkmalrechtlichen Sondierung in 4.1.2 und 4.1.3 und die nach Einreichung von Plansätzen in 4.1.8.

‒ Hinsichtlich der Auflagen 4.2.1 und 4.4.1 wird auf den Hinweisbeschluss vom 16. Mai 2023 verwiesen. Die Gegenerklärung wiederholt hier nur das Vorbringen aus der Berufungsbegründung. Das gibt dem Senat keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung.

b)

Ein Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss besteht ebenso wenig.

Der Beklagte war nicht aus Treu und Glauben verpflichtet, über die mögliche Dauer eines Baugenehmigungsverfahrens für das denkmalgeschützte Haus nebst Grundstück aufzuklären. Die Zedentin ging zwar bei Vertragsschluss offenbar tatsächlich von einer unproblematisch zu erlangenden Baugenehmigung für das vergleichsweise komplexe Bauvorhaben aus. Die Klägerin hat hierzu schon erstinstanzlich unwidersprochen vorgetragen, noch am 19. Juni 2015 habe der Beklagte der Zedentin gegenüber erklärt, dass die Baugenehmigung binnen ein bis zwei Monaten erteilt werden könne. Dem entspricht, dass der im Anschluss an diese Besprechung am 23. Juni 2015 übersandte Vertrag in § 3 Abs. 2 noch von der Möglichkeit spricht, dass die Baugenehmigung bis Ende Juli 2015 erteilt wird. Allerdings hatte der fiskalisch handelnde Beklagte ‒ der Zedentin erkennbar ‒ kein überlegenes Fachwissen und keinen besonderen Zugang zu speziellen Informationsquellen. Die für die Anmietung von Räumlichkeiten zuständigen Bediensteten waren personell und institutionell von der Baugenehmigungsbehörde getrennt und hatten keinen Einfluss auf deren Entscheidungen. Das haben diese so auch mehrfach der Zedentin mitgeteilt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Hinweisbeschluss des Senats verwiesen. Schon daraus musste der Zedentin deutlich werden, dass die Aussage zur möglichen Genehmigungsdauer nicht auf besonderem Fachwissen des Beklagten als Baubehörde beruhte. Hinzu kommt, dass dem Beklagten der Inhalt des Bauantrags und die diesem zugrunde gelegten Antragsunterlagen im Moment der Besprechung noch nicht bekannt waren. Auch dies steht einem belastbaren Vertrauen der Zedentin in die Verlässlichkeit der Aussage zur möglichen Dauer des Genehmigungsverfahrens entgegen.

2.

Auch die übrigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO sind gegeben. Die vom Streitfall aufgeworfenen Rechtsfragen sind in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung geklärt, sodass die vorliegende Sache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und eine Entscheidung des Senats weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Maßgebend sind die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch aus sonstigen Gründen nicht geboten. Für die angeregte Zulassung der Revision ist daher kein Raum (vgl. nur Heßler, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Auflage 2022, § 522 ZPO Rdnr. 39).

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit erfolgt gemäß § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.