Gericht | VG Cottbus 3. Kammer | Entscheidungsdatum | 29.06.2023 | |
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Aktenzeichen | 3 I 2/23 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2023:0629.3I2.23.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 4 WaffG, § 5 WaffG, § 41 WaffG, § 46 Abs 4 WaffG, § 52 Abs 3 WaffG |
Dem Antragsteller wird gestattet, die Wohnung des Antragsgegners in der H..., einschließlich sämtlicher dazugehöriger Nebenräume, wie z. B. Keller- und Speicherräume, und Nebengelasse zum Zwecke der Auffindung und Sicherstellung der Waffenbesitzkarte mit der Nummer 2... sowie der darin und der in den Waffenbesitzkarten mit den Nummern 2... und 2... eingetragenen Waffen sowie Munition sowie sich möglicherweise im Besitz des Antragsgegners befindlicher erlaubnisfreier Waffen und Munition zu durchsuchen.
Die Durchsuchung ist erst zulässig, wenn dem Antragsgegner zuvor der (Widerrufs-)Bescheid des Antragstellers mit dem Geschäftszeichen StB 4... und der vorliegende Beschluss bekanntgegeben und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, die genannten, in seinem Besitz befindlichen Gegenstände freiwillig herauszugeben.
Die Durchsuchungsanordnung ist bis zum 31. Juli 2023 befristet.
Der Antragsteller wird mit der Zustellung dieses Beschlusses im Wege der Amtshilfe beauftragt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 1.250,00 Euro festgesetzt.
Der Antrag des Antragstellers
auf Anordnung der Durchsuchung der Wohnung nebst sämtlicher dazugehöriger Nebenräume (einschließlich Kellerräume, Speicherräume usw.) und Nebengelasse des Antragsgegners zum Zwecke der Sicherstellung der Waffenbesitzkarte mit der Nummer 2... sowie der darin und der in den Waffenbesitzkarten mit den Nummern 2...und 2...eingetragenen Waffen sowie Munition sowie sich möglicherweise im Besitz des Antragsgegners befindlicher erlaubnisfreier Waffen und Munition,
ist zulässig und begründet.
Für den Antrag auf richterliche Durchsuchung ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben, weil die begehrte Durchsuchungsanordnung der Vollstreckung eines öffentlich-rechtlichen Bescheids, nämlich der waffenrechtlichen Sicherstellungsanordnung, dient (§ 40 Abs. 1 VwGO). Über den Antrag hat gem. § 5 Abs. 3 VwGO die erkennende Kammer des Verwaltungsgerichts Cottbus in der Besetzung von drei Berufsrichtern zu entscheiden (Beschluss der Kammer vom 24. März 2020 – 3 L 137/20 – juris, Rn. 6; Bayerischer VGH, Beschluss vom 8. Mai 1984 – 21 C 83 A.3207 – NJW 1984, 2482).
Einer Zustellung des vorliegenden Antrags an den Antragsgegner und seiner Anhörung dazu durch das Verwaltungsgericht vor Erlass der Durchsuchungsanordnung bedarf es hier auch mit Rücksicht auf dessen Grundrecht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG ausnahmsweise nicht, da andernfalls der Zweck der Durchsuchung gefährdet würde (vgl. grundsätzlich zu einem Antrag auf richterliche Durchsuchung nach § 46 Abs. 4 WaffG: Beschluss der Kammer vom 24. März 2020 – VG 3 L 137/20 – juris, Rn. 7, m. w. N.).
Die Voraussetzungen einer Durchsuchungsanordnung nach § 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 WaffG liegen vor. Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde Erlaubnisurkunden sowie die in den Absätzen 2 und 3 bezeichneten Waffen oder Munition in Fällen eines vollziehbaren Verbots nach § 41 Abs. 1 oder 2 WaffG sofort sicherstellen. Zu diesem Zweck sind die Beauftragten der zuständigen Behörden berechtigt, die Wohnung des Betroffenen zu betreten und diese nach Urkunden, Waffen oder Munition zu durchsuchen; Durchsuchungen dürfen nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die zuständige Behörde angeordnet werden; das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) wird insoweit eingeschränkt.
Die beantragte Durchsuchung dient der Durchführung einer Vollstreckungsmaßnahme, hier der Anwendung des unmittelbaren Zwanges gem. §§ 27 Abs. 2 Nr. 4, 34 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Brandenburg (VwVGBbg) im Falle fehlender Bereitschaft des Antragsgegners zur freiwilligen Herausgabe seiner Waffen (vgl. Beschluss der Kammer, a. a. O., Rn. 9; VG Trier, Beschluss vom 13. März 2012 – 1 N 261/12.TR – juris, Rn. 3).
Der beabsichtigte Bescheid des Antragstellers, mit dem gegenüber dem Antragsgegner neben dem Widerruf der im Tenor benannten Waffenbesitzkarten mangels erforderlicher Zuverlässigkeit gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) WaffG (Ziffer 1) ein sofort vollziehbares (Ziffer 3) Waffenbesitzverbot nach § 41 WaffG ausgesprochen (Ziffer 2) und die sofortige Sicherstellung von erlaubnispflichtigen Schusswaffen nebst Munition und erlaubnisfreien Waffen nebst Munition (Ziffer 4) angeordnet werden soll, wird mit der – im Tenor dieses Beschlusses als Voraussetzung für die Durchsuchungsermächtigung genannten – Bekanntgabe wirksam und vollziehbar (zur Zulässigkeit dieser Konstruktion siehe VG Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 16. Januar 2015 – 6 K 69/15 – juris Rn. 8, m. w. N.). Er ist weder nichtig noch offenkundig rechtswidrig, so dass er nach seiner Bekanntgabe Grundlage der Vollziehung sein kann. Zwar hat das Gericht im Rahmen des § 46 Abs. 4 Satz 2 WaffG in der Regel nicht die Rechtmäßigkeit des zu vollziehenden Verwaltungsaktes zu prüfen, jedoch darf die Vollstreckung eines offenkundig rechtswidrigen Verwaltungsaktes nicht gestattet werden, da sonst der Richtervorbehalt nach Art. 13 GG bzw. § 46 Abs. 4 Satz 2 WaffG eine bloße Formsache wäre, was dem Normzweck nicht gerecht werden würde (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 23. Februar 2000 – 21 C 99.1406 – juris, Rn. 33; Beschluss der Kammer, a. a. O., Rn. 10).
Das hier auf der Grundlage des § 41 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 WaffG beabsichtigte Waffenbesitzverbot ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig. Nach diesen Normen kann die zuständige Behörde jemanden den Besitz von erlaubnispflichtigen (Abs. 2) und erlaubnisfreien (Abs. 1 Nr. 1) Waffen oder Munition untersagen, soweit es zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit oder zur Kontrolle des Umganges mit diesen Gegenständen geboten ist.
Ein Waffenbesitzverbot ist zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit geboten, wenn der Adressat in der Vergangenheit ein Verhalten oder eine seiner Person anhaftende Eigenschaft zutage gelegt hat, welche den auf Tatsachen beruhenden Verdacht begründet, dass durch einen Umgang mit Waffen Gefahren für die öffentliche Sicherheit verursacht werden. Nach § 41 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 WaffG kann jemandem der Besitz nur untersagt werden, wenn durch den fortdauernden Besitz eine nicht hinnehmbare Gefahrensituation entstehen würde. Anknüpfungspunkt beim Verbot zum Besitz erlaubnispflichtiger Waffen nach § 41 Abs. 2 WaffG ist ebenso wie bei demjenigen nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WaffG eine Gefährlichkeit des Waffenbesitzers (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. August 2012 – 6 C 30.11 – juris, Rn. 33; Beschluss der Kammer, a. a. O., Rn. 12).
Die waffenrechtliche Gefährlichkeit des Antragsgegners, aufgrund derer das ausgesprochene Besitzverbot geboten ist, ergibt sich vorliegend daraus, dass dieser die Voraussetzungen für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis gerade mit Blick auf die unten genannten tatbestandlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, weil ihm die waffenrechtliche Zuverlässigkeit (§ 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 WaffG) fehlt (zur Anwendbarkeit der Erteilungsvorschriften für eine waffenrechtliche Erlaubnis im Rahmen eines Waffenbesitzverbotes vgl. BVerwG, a. a. O., Rn. 35; VG München, Beschluss vom 26. April 2023 – M 7 S 23.1898 – juris, Rn 21¸VG Gelsenkirchen, Urteil vom 5. Dezember 2019 – 17 K 532/17 – juris, Rn. 24).
Die Unzuverlässigkeit des Antragsgegners ergibt sich vorliegend gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) WaffG daraus, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass durch ihn Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwendet werden; er mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren wird.
Für eine solche Annahme sind bloße Vermutungen über eine missbräuchliche Verwendung von Waffen nicht ausreichend; vielmehr müssen die für das Vorliegen einer Besorgnis missbräuchlicher Waffenverwendung sprechenden Tatsachen grundsätzlich erwiesen sein (VG Saarland, Urteil vom 6. Dezember 2021 – 5 O 1557/21 – juris, Rn. 11). Solche Tatsachen sind vorliegend hinreichend dargelegt. Der Antragsgegner ist der sogenannten Reichsbürgerbewegung zuzuordnen.
Wer der Ideologie der Reichsbürgerbewegung folgend die Existenz und Legitimation der Bundesrepublik Deutschland ablehnt und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung generell nicht als für sich verbindlich anerkennt, gibt Anlass zu der Befürchtung, dass er auch die Regelungen des Waffengesetzes nicht strikt befolgen wird. Ausgehend von dem Grundsatz, dass nur derjenige im Besitz von Waffen sein soll, der nach seinem Verhalten das Vertrauen darin verdient, dass er mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen wird (BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2015 – 6 C 1.14 – juris, Rn. 17; Beschluss vom 31. Januar 2008 – 6 B 4.08 – juris, Rn. 5; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. September 2006 – OVG 11 S 64.06 – juris, Rn. 4; Urteil der Kammer vom 20. September 2016 – 3 K 305/16 –), muss einer der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnenden Person anknüpfend an die Tatsache, dass sie die waffenrechtlichen Normen gerade nicht als für sich verbindlich ansieht, die nach § 5 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit abgesprochen werden (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. März 2019 – OVG 11 S 16.19 – juris; Thüringer OVG, Beschluss vom 28. Januar 2021 – 3 EO 316/20 – juris, Rn. 4; Bayerischer VGH, Urteil vom 30. Juli 2020 – 24 BV 18.2500 – juris, Rn. 13, Beschlüsse vom 16. Januar 2019 – 21 C 18.578 – juris, Rn. 14 und vom 9. Februar 2018 – 21 CS 17.1964 – juris, Rn. 15; Sächsisches OVG, Beschluss vom 3. Dezember 2018 – 3 B 379/18 – juris, Rn. 16; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. Juli 2018 – 20 B 1624/17 – juris, Rn. 17 ff.; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 18. Juli 2017 – 11 ME 181/17 – juris, Rn. 12; OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 8. April 2020 – 2 Wx 41/19 – juris, Rn. 15, m. w. N; Beschluss der Kammer vom 9. November 2021 – 3 L 343/21 – juris, Rn. 18; Urteil der Kammer vom 20. September 2016 – VG 3 K 305/16 –, juris, Rn. 17.). Dabei setzt der Mangel der Zuverlässigkeit nicht den Nachweis voraus, dass der Betroffene mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit Waffen und Munition nicht sorgsam umgehen wird, sondern es genügt, dass bei verständiger Würdigung aller Umstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang mit Waffen besteht (OLG Sachsen-Anhalt, a. a. O., Rn. 12 ff.; a. A. wohl VG Potsdam, Beschluss vom 7. Februar 2017, Seite 3 f. des Entscheidungsabdrucks, n. v.; sowie Beschluss vom 8. Februar 2017. Seite 3 f., n. v., welche die Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung wohl allein nicht ausreichen lassen).
Bei den von dem Antragsgegner unter dem 2. März 2022 und unter dem 12. August 2022 verfassten Schreiben an Bedienstete der Polizeiinspektion D... handelt es sich um Dokumente, die der Reichsbürgerszene zuzuordnen sind. Die hierin enthaltenen Erklärungen sind für Reichsbürger typisch. Dies folgt sowohl aus der äußeren Form als auch dem Inhalt der an die Polizeibediensteten gerichteten Schreiben (sog. „Akzeptanz-Schreiben“), welche ein nach außen wahrnehmbares Verhalten darstellen, das den Rückschluss auf eine innere Einstellung als Anhänger des Gedankenguts der „Reichsbürger“ nahelegt.
Eine verbreitet angewandte Strategie der Reichsbürger ist die „Vielschreiberei“. Dabei werden ausufernde Schreiben an Behörden verfasst, die nur schwer nachvollziehbare Argumente und Behauptungen sowie abwegige Rechtsauffassungen beinhalten (vgl. Verfassungsschutzbericht 2022 des Bundes, S. 107). Zudem werden oft Eigenbezeichnungen gewählt, die eine vom Staat unabhängige Persönlichkeit bezeichnen sollen, wie z. B. „Lebendes Wesen“ oder „aus dem Hause von...“ (vgl. Verfassungsschutzbericht des Landes Brandenburg 2021, S. 154; Sächsisches Ministerium für Inneres und Sport, „Reichsbürger“, „Reichsregierungen“ und „Selbstverwalter“, 3. Auflage 2021, S. 25).
Dergleichen Merkmale weisen die Schreiben des Antragsgegners auf, indem er Fantasie-Aktenzeichen („Frieden-18-745“ und „Frieden-Liebe“) verwendete und sich selbst als „Mensch mit Natürlicher Person entspr. § 1 des staatlichen BGB, Stand 1896“ und die Namenswiedergabe als „h... aus dem Hause l...“ bezeichnete. Dabei ist auch die Kleinschreibung des eigenen Vor- und Nachnamens reichsbürgertypisch (vgl. Namenskonventionen bei Reichsbürgern, abrufbar unter: https://www.psiram.com/de/index.php/Namenskon_von_Reichsbürgern).
Inhaltlich hat der Antragsgegner mit in den Schreiben verwendeten Formulierungen deutlich gemacht, dass er die Verbindlichkeit staatlichen Handelns nicht anerkennt und die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland in Zweifel zieht. Dabei ist es für Reichsbürger charakteristisch, staatliche Organe und Stellen zu diskreditieren und als nur angebliche Rechtsträger zu bezeichnen (vgl. Sächsisches Ministerium für Inneres und Sport, a. a. O., S. 26). Der Antragsgegner erkennt das im öffentlichen Recht geltende Prinzip der Über- und Unterordnung nicht an, spricht der öffentlichen Verwaltung vielmehr ihre Autorität oder Existenz ab. Die Schreiben weisen typische Reichsbürgerrhetorik auf. Bereits die Überschrift „Akzeptanzschreiben“ suggeriert die für Reichsbürger typische Annahme, dass Forderungen des Staates nur ein „Angebot“ darstellen würden, welches der Antragsgegner akzeptieren könne. Zudem stellt er die Annahme des „Angebot“ unter Voraussetzungen. Dabei äußert er erkennbar, sich von der demokratischen Grundordnung zu distanzieren. Er lehne eine „öffentlich-rechtliche Vertragsbasis“ zwischen ihm und Behörden ab, soweit die jeweilige Bedienstete der Polizeibehörde nicht seinen Forderungen nachkomme. Unabhängig davon und selbstständig tragend stellt der Antragsgegner mit den vom ihm aufgestellten Forderungen die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung in Frage sowie auch die Polizeibehörde als öffentlich-rechtliche Institution. Denn er forderte den Nachweis einer „amtlichen Legitimation“, in welcher „in notariell beglaubigter Form“ die „Rechte zur Vornahme hoheitlicher Handlungen“ hervorgehen. Zudem verlangte er „eine notarielle Beglaubigung der Gründungsurkunde des Staates“ und „des Bundeslandes sowie des Regierungspräsidiums“. Die Polizeibehörde wird als „Firma“ bezeichnet. Zudem habe er den in Ausübung ihrer staatlichen Befugnisse handelnden Bediensteten Konsequenzen in Form einer Haftung über 700.000,00 € und den Eintrag in ein internationales Schuldnerverzeichnis angedroht für den Fall, dass seine Forderungen nicht erfüllt werden.
Daraus, dass der Antragsgegner sein Schreiben vom 2. März 2022 mit fast vollständig gleichem Inhalt unter dem 12. August 2022 erneut an die Polizeibehörde übersandte – dieses Mal an eine andere Bedienstete –, folgt auch die Ernsthaftigkeit seiner Äußerungen und eine verfestigte Haltung. Denn zwischen beiden Schreiben liegt nicht nur ein zeitlicher Abstand von mehr als fünf Monaten. In der Zwischenzeit ist der Antragsgegner vom Staatsschutz-Dezernat der Polizeidirektion Süd unter dem 19. Juli 2022 schriftlich wegen seines Schreiben vom 2. März 2022 und des Straftatvorwurfs der versuchten Nötigung angehört worden. Das zweite Akzeptanzschreiben vom 12. August 2022 adressierte der Antragsgegner an die Person, welche das Anhörungsschreiben verfasste.
Die Rhetorik der Schreiben sowie deren Inhalte untersetzen den Reichsbürgerbezug deutlich. Es wird mit den Schreiben letztlich der Eindruck erweckt, der Verfasser fühle sich an die geltenden Gesetze und Legitimationen des Staates nicht gebunden. Durch die Rücksendung der polizeibehördlichen Schreiben an den Antragsteller bringt der Antragsgegner zudem zum Ausdruck, dass er den im Rahmen der bundesdeutschen Gesetzgebung tätig werdenden Behörden und Amtsträgern ihre hoheitlichen Befugnisse zur Durchsetzung der Rechtsordnung abspricht.
Die dadurch begründeten Zweifel an seiner waffenrechtlichen Zuverlässigkeit hat der Antragsgegner nicht entkräftet oder sich davon glaubhaft distanziert. Auf das Anhörungsschreiben vom 11. Oktober 2022, mit welchem ihm der Widerruf wegen des „Akzeptanzschreibens“ vom 2. März 2022 in Aussicht gestellt wurde, zeigte er sich uneinsichtig. Er sehe in seinem Verhalten keinen Rechtsbruch, da er eine nicht verbotene, aber eventuell nicht gewünschte Alternative gewählt habe. Er widerspreche Diskriminierung, Kriminalisierung und Vorverurteilung. Gegen ihn sei ungerechterweise vorgegangen worden.
Mit der Negierung der auf dem Grundgesetz fußenden Rechtsordnung durch den Antragsgegner bestehen danach gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass er als Waffenbesitzer auch die Vorschriften des Waffenrechts ignorieren und infolgedessen Waffen nicht ordnungsgemäß oder gar missbräuchlich verwenden könnte. Dabei ist in Anbetracht der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, bei der vom Antragsteller anzustellenden Gefahrenprognose keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit gefordert, es genügt – im Hinblick auf den zu befürchtenden Schaden – eine hinreichende auf Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang mit Waffen und Munition, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. Bayerischer VGH , Beschluss vom 2. Oktober 2013 – 21 CS 13.1564 – juris, Rn. 10, m. w. N.).
Für das Waffenbesitzverbot hat der Antragsteller gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet, so dass es nach Bekanntgabe sofort vollziehbar sein wird.
Nach § 46 Abs. 4 Satz 1 WaffG können die in Abs. 2 und 3 bezeichneten Waffen oder Munition sofort sichergestellt werden, auf die sich das Verbot erstreckt, hier auf erlaubnisfreie und erlaubnispflichtige Waffen. § 46 Abs. 4 Satz 2 WaffG eröffnet die Möglichkeit, für die sofortige Sicherstellung von Waffen oder Munition eine Wohnungsdurchsuchung anzuordnen, um ein Unterlaufen der Besitzuntersagung zu vermeiden (VG Potsdam, Beschluss vom 7. Februar 2017, Seite 6 f. des Entscheidungsabdrucks, n. v.). Ein solches Vorgehen ist hier nicht schon allein wegen des dargestellten Gefahrpotentials geboten, sondern auch, weil mit Bekanntgabe des mit der Anordnung des Sofortvollzugs versehenen Waffenbesitzverbots, das weitere Ausüben der tatsächlichen Gewalt über Waffen und Munition durch den Antragsgegner den Straftatbestand des § 52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG verwirklichen würde. Die sofortige Sicherstellung ist aber auch erforderlich, da aufgrund des oben benannten Verhaltens des Antragsgegners, das auf dessen Hang zur Missachtung der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland schließen lässt, zu befürchten ist, dass er die Waffen und Munition „beiseite schaffen“ würde, wenn ihm eine Frist zur Herausgabe der Waffen gesetzt wird. Ein Vorgehen nach § 46 Abs. 3 WaffG, für das aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine Fristsetzung für die Beendigung des Waffenbesitzes erforderlich ist, ist deshalb hier zur Durchsetzung des Waffenbesitzverbots nicht geeignet, so dass sich der Antragsteller für ein Vorgehen nach § 46 Abs. 4 WaffG entscheiden durfte.
Wegen der Gefahr des Beiseiteschaffens muss die Sicherstellung als Zwangsmittel, hier der unmittelbare Zwang nach § 34 VwVGBbg, nicht gemäß § 28 VwVGBbg angedroht werden, da ansonsten der Erfolg der Maßnahme gefährdet wäre. Andere Zwangsmittel als der unmittelbare Zwang kommen nicht in Betracht. Eine Ersatzvornahme scheidet mangels vertretbarer Handlung aus, ein Zwangsgeld ist untunlich, da es keinen rechtzeitigen und zweckentsprechenden Erfolg verspricht. Überdies sieht § 46 Abs. 4 WaffG ausdrücklich eine Durchsuchung zum Zwecke der sofortigen Sicherstellung vor (vgl. Beschluss der Kammer vom 24. März 2020 – VG 3 L 137/20 – juris, Rn. 19). Allerdings ist dem Antragsgegner nach Bekanntgabe des beabsichtigten Bescheids die Möglichkeit einzuräumen, die Waffen und Munition freiwillig herauszugeben. Bei einer freiwilligen Herausgabe ist eine zwangsweise Durchsetzung weder erforderlich noch möglich (vgl. VG Ansbach, Beschluss vom 10. August 2005 – AN 15 X 05.02416 – juris).
Unerheblich ist, dass im Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses lediglich ein dem Antragsgegner unbekannter Entwurf des Waffenbesitzverbots und der Sicherstellungsanordnung vorliegt, welchen der Antragsteller bereits als Abschrift an die Polizeiinspektion D...übersandte. Zwar müssen grundsätzlich im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die geplante Wohnungsdurchsuchung zum Zwecke der Vollstreckung der Sicherstellungsanordnung vorliegen, insbesondere muss in der Regel ein wirksamer Verwaltungsakt vorliegen. In Ausnahmefällen genügt jedoch, dass die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen spätestens zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des behördlichen Bescheids und des die Wohnungsdurchsuchung gestattenden Beschlusses gegeben sind (vgl. VG Ansbach, a. a. O., Rn. 8, m. w. N.). Ein solcher Ausnahmefall ist hier gegeben, weil – wie bereits ausgeführt –, mit der Verwirklichung einer drohenden Gefahr, nämlich dem Beiseiteschaffen von Waffen und Munition zu rechnen ist. Von einer Anhörung des Antragsgegners vor Erlass des gerichtlichen Beschlusses durfte abgesehen werden, um den Vollstreckungserfolg nicht zu gefährden (vgl. VG Ansbach, a. a. O., Rn. 9, m. w. N).
Die Durchsuchung der Wohn- und Nebenräume sowie der Nebengelasse des Antragsgegners ist auch verhältnismäßig, denn die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Schusswaffen durch eine Person, die aufgrund von tatsächlichen Umständen missbräuchlich mit Waffen und Munition umgehen könnte, stellt eine Gefahr für die hohen Rechtsgüter Leben und Gesundheit dar, die das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 GG zurücktreten lässt.
Nach der Vorschrift des § 10 Abs. 2 VwVGBbg, die hier mangels sonstiger Spezialregelungen anzuwenden ist, ist die Vollstreckungsdienstkraft im Rahmen der Durchsuchung befugt, verschlossene Türen und Behältnisse zu öffnen. Das Einwirken auf Personen und Sachen im Rahmen der Durchsuchung ist von § 34 Abs. 1 VwVGBbg gedeckt.
Die Anordnung war zur Einhaltung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zu befristen, denn die richterliche Prüfung einer Wohnungsdurchsuchung kann die Einhaltung der rechtlichen Grundlagen nicht für unbestimmte Zeit gewährleisten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Mai 1997 – 2 BvR 1992/92 – juris)
Um den Erfolg der Durchsuchung nicht zu gefährden, wird der Antragsteller im Wege der Amtshilfe beauftragt, den Beschluss gemäß § 14 VwGO dem Antragsgegner unmittelbar vor Beginn der Durchsuchung durch Übergabe zuzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Die Kammer geht von dem Regelstreitwert (5.000,00 €) aus, der in Anwendung von Ziffer 1.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 zu vierteln war.