Gericht | VG Cottbus 6. Kammer | Entscheidungsdatum | 28.06.2023 | |
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Aktenzeichen | 6 K 1597/20 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2023:0628.6K1597.20.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Kläger wenden sich gegen die Heranziehung zum Kostenersatz durch den Beklagten.
Sie sind Eigentümer des Grundstücks A...
Mit Bescheid vom 2. Oktober 2019, den Klägern am 4. Oktober 2019 zugestellt, erhob der Beklagte gegenüber den Klägern einen Bescheid über einen Kostenersatz für die Herstellung des Schmutzwasser-Grundstücksanschlusses in Höhe von insgesamt 980,51 Euro. Zur Begründung gab er an, dass Rechtsgrundlage die Satzung über den Kostenersatz für Abwassergrundstücksanschlüsse des Wasser- und Abwasserverbandes W...(G...) vom 10. April 2019 sei. Danach hätten die Kläger als Eigentümer im Zeitpunkt der Maßnahme als Kostenersatzpflichtige die Kosten für die Herstellung des Schmutzwasser-Grundstücksanschlusses nach dem Aufwand und den Kosten in der tatsächlich entstandenen Höhe zu erstatten.
Gegen diesen Bescheid legten die Kläger mit Schreiben vom 4. November 2019 Widerspruch ein. Diesen begründeten sie damit, dass die Satzung unwirksam sei. Auch seien die Baukosten nicht korrekt ermittelt worden. Mit Bescheid vom 17. September 2018 habe der Beklagte ebenfalls Kostenersatz für die Erneuerung des Trinkwasserhausanschlusses vom 23. November 2017, die drei Tage nach der Herstellung des hier im Streit befindlichen Anschlusses erfolgte, begehrt. Hierbei sei nur eine Baugrube ausgehoben worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 3. September 2020 wies der Beklagte den eingelegten Widerspruch zurück. Zur Begründung gab er an, dass die Satzung ordnungsgemäß bekannt gemacht worden sei. Die Überprüfung des Bescheides habe ergeben, dass die Höhe des Kostenersatzes zutreffend berechnet worden sei. Der Kostenabrechnung liege das gefertigte Aufmaß sowie die Mengenermittlung der bauausführenden Firma zugrunde. Durch den zuständigen Prüfingenieur sei die Kostenabrechnung geprüft und für sachlich richtig befunden worden. Schließlich sei im Zuge der Bauarbeiten an dem Schmutzwasser-Revisionsschacht festgestellt worden, dass aus dem unmittelbar in der Nähe befindlichen Trinkwasserhausanschluss unkontrolliert Wasser ausgetreten sei. Für dessen Reparatur sei die Vergrößerung der Baugrube notwendig gewesen. Die in dem streitgegenständlichen Bescheid angegebenen Kostenposition seien ausschließlich den dort getätigten Maßnahmen zuzuordnen.
Daraufhin haben die Kläger am 30. September 2020 Klage erhoben.
Sie wiederholen im Wesentlichen ihr Widerspruchsvorbringen und sind ergänzend der Ansicht, dass den Tätigkeiten der bauausführenden Firma ein Zeitvertrag für die Jahre 2015 bis 2016 zu Grunde gelegen habe. Ausweislich des Bescheides zum Kostenersatz für den Trinkwasseranschluss gebe es aber einen neuen Zeitvertrag für das Jahr 2017. Weshalb zwei unterschiedliche Zeitverträge angesetzt worden seien, sei nicht nachvollziehbar.
Die Kläger beantragen schriftsätzlich sinngemäß, |
den Bescheid der Beklagten vom 2. Oktober 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2020 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich, |
die Klage abzuweisen. |
Er trägt ergänzend vor, dass sich die in der Abrechnung des Zeitvertragspartners verzeichnete „Zeitvertragsarbeiten 2015-2016 für WAV“ auf den Bauvertragszeitraum beziehe und keine Angaben zum tatsächlichen Bautermin darstelle. Der Vertrag mit dem Zeitvertragspartner sei zu den gleichen Konditionen über die Zeitvertragsarbeiten 2015/2016 durch den 1. Nachtrag bis zum 30. Juni 2017 verlängert worden. Die Auftragserteilung sei am 11. Mai 2017 erfolgt, so dass die durchgeführten Arbeiten noch unter die Konditionen des 1. Nachtrags fielen. Der hiesige Anschluss sei in der Zeit vom 14. Juli 2017 und 31. August 2017 hergestellt worden. Eine Doppelveranlagung von Kostenpositionen sei nicht erfolgt. Aus den Einzelpositionen ergebe sich, dass es sich um unterschiedliche Tätigkeiten im Rahmen der vorzunehmenden Erdarbeiten handele. Auch sei in diesem Zusammenhang auf die unterschiedlichen Leistungszeiträume der Maßnahmen zu verweisen.
Der Einzelrichter konnte anstelle der Kammer entscheiden, weil sie ihm den Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 VwGO zur Entscheidung übertragen hat und im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 101 Abs. 2 VwGO.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids ist rechtswidrig und verletzt die Kläger somit nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Entgegen der Auffassung des Beklagten findet vorliegend die G...2019 keine Anwendung, da sie im maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der Kostenersatzpflicht noch nicht in Kraft getreten war. Die Entstehung des Kostenersatzanspruchs ist in § 10 Abs. 2 Satz 1 KAG zeitpunktbezogen geregelt und stellt auf die endgültige (technische) Herstellung der Anschlussleitung bzw. auf die (technische) Beendigung der jeweiligen Maßnahme ab, so dass in dem Zeitpunkt, in dem das letzte Tatbestandsmerkmal verwirklicht wurde, das Vorhandensein einer gültigen Satzung die unabdingbare Voraussetzung für das Entstehen des Ersatzanspruches und damit der sachlichen Kostenerstattungspflicht ist. Sollte – etwa aufgrund unwirksamen Satzungsrechts – eine Satzung erst nach dem Zeitpunkt der Verwirklichung des letzten Tatbestandsmerkmals erlassen worden sein, so muss sich diese neue und wirksame Satzung jedenfalls Rückwirkung auf den Zeitpunkt beimessen, in dem das letzte gesetzliche Tatbestandsmerkmal verwirklicht worden ist. Notwendig ist dies, weil erst das Vorhandensein einer Satzung den Tatbestand des Ersatzanspruchs normiert, zu dessen Verwirklichung somit eine gültige Satzung im Zeitpunkt der Tatbestandserfüllung vorhanden sein muss (vgl. Kluge in: Becker u.a., KAG Bbg, Komm., § 10 Rn. 53 f. m.w.N.). Die von dem Beklagten für anwendbar erachtete G...2019 trat erst zum 01. Mai 2019 in Kraft. Unabhängig davon, dass zu diesem Zeitpunkt noch nicht über den klägerischen Widerspruch entschieden wurde, war die Anschlussleitung in diesem Zeitpunkt technisch bereits hergestellt, da die Beendigung der Maßnahme nach übereinstimmenden Angaben der Beteiligten jedenfalls im Jahr 2009 erfolgte und der maßgebende Zeitpunkt, nämlich die Beendigung der Maßnahme, damit überschritten ist (vgl. zur Beendigung der Maßnahme noch unten). Insofern kann die G...2019 nach Gesagtem vorliegend keine Anwendung finden. Die Kammer ist auch nicht gehalten, sich ausschließlich an die von dem Beklagten für anwendbar gehaltene Satzung zu halten. Vielmehr ergibt sich die Rechtsgrundlage nicht anhand des Beteiligtenvortrags, sondern anhand des tatsächlich rechtlich zulässigen und vorhandenen Satzungsrechts.
Gegen die den maßgeblichen Zeitpunkt umfassende G...2011 bestehen weder formellrechtliche noch materielle Bedenken. Dies hat die Kammer bereits mit Urteil vom 17. September 2012 (– 6 K 87/10 –, juris) entschieden; hieran wird festgehalten.
Die Tatbestandsvoraussetzungen für den Kostenersatz sind sodann erfüllt. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 KAG können die Gemeinden und Gemeindeverbände (durch Satzung) bestimmen, dass ihnen der Aufwand für die Herstellung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung sowie die Kosten für die Unterhaltung eines Haus- oder Grundstücksanschlusses an Versorgungsleitungen und Abwasserbeseitigungsanlagen ersetzt werden. Der Aufwand und die Kosten können, wie ausgeführt, in der tatsächlich geleisteten Höhe ermittelt werden (Abs. 1 Satz 2). Zum Kreis der Ersatzpflichtigen zählen die Grundstückseigentümer als Gegenleistung dafür, dass ihnen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Anlage wirtschaftliche Vorteile geboten werden (§ 10 Abs. 1 Satz 4 i. V. m. § 8 Abs. 2 Satz 2 KAG). Der Ersatzanspruch entsteht mit der endgültigen Herstellung der Anschlussleitung, im Übrigen mit der Beendigung der Maßnahme (§ 10 Abs. 2 KAG).
Dem entsprechend regelt § 1 Abs.1 G...2011, dass dem beklagten Zweckverband die Kosten für die Herstellung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung sowie die Kosten für die Unterhaltung des Grundstücksanschlusses für die Entsorgung von Schmutzwasser oder Niederschlagswasser (Abwasser) zu ersetzen sind. Kostenersatzpflichtig ist gemäß § 3 Abs. 1 der Satzung, wer im Zeitpunkt des Entstehens der Kostenersatzpflicht Eigentümer des Grundstücks ist. Die Kostenersatzpflicht entsteht nach § 4 Abs. 1 der Satzung mit der endgültigen Herstellung des Grundstückanschlusses, im Übrigen mit Beendigung der Maßnahme. Gemäß § 1 Abs. 2 der Satzung besteht der Hausanschluss zwischen dem Abzweig am Kanal bis zur Grundstücksgrenze einschließlich des mit dieser Anschlussleitung verbundenen Revisionsschachtes. Kann der Revisionsschacht wegen der besonderen Umstände des Einzelfalles nicht unter dem öffentlichen Straßenraum vor dem Grundstück hergestellt werden, ist Bestandteil des Grundstücksanschlusses auch die von der Grundstücksgrenze bis zum Revisionsschacht führende Anschlussleitung für Abwasser.
Die durchgeführte Maßnahme stellt sich nach übereinstimmendem Beteiligtenvortrag als Herstellungsmaßnahme dar und ist insoweit vom Kostenersatz im Sinne der Satzung umfasst.
Als zusätzliches, ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal setzt die Geltendmachung eines Erstattungsanspruches ergänzend voraus, dass die Maßnahme im "Sonderinteresse" des Erstattungspflichtigen lag, was nur bei einer konkreten, aktuellen Nützlichkeit der Maßnahme für das Grundstück des Kostenpflichtigen der Fall ist. Denn die Vorschrift des § 10 KAG regelt einen besonderen öffentlich-rechtlichen Aufwendungsersatzanspruch zum Ausgleich von Aufwendungen und Kosten für eine vorangegangene spezielle Leistung des Einrichtungsträgers, die gerade dem Pflichtigen zugutekommt (vgl. Kluge in Becker u.a., Kommunalabgabenrecht, § 10 Rn. 83 ff., Rn. 91 ff. m.w.N.; VG Potsdam, Urt. vom 17.10.2012, a.a.O., Rn. 30 ff.). Ein Sonderinteresse und damit ein Kostenerstattungsanspruch des Einrichtungsträgers entfiele nur, wenn feststünde, dass er für die Ursache der Maßnahme selbst verantwortlich ist. Bleibt die Verantwortlichkeit des Einrichtungsträgers unerweislich, trägt der Grundstückseigentümer hierfür die materielle Beweislast (vgl. OVG Berlin- Brandenburg, Beschl. vom 30.4.2015 – 9 M 20.14 -, juris, Rn. 6; VG Potsdam, Urt. vom 17.10.2012 – 8 K 1055/10 –, juris, Rn. 31; Urt. vom 13.11.2015 – 8 K 2294/12 -, juris, Rn. 22; zur dortigen Rechtlage OVG Nordrhein- Westfalen, Urt. vom 21.2.1996 – 22 A 3216/92 –, juris zur Beseitigung der Undichtigkeit einer Leitung, die durch die Verwendung einer ungeeigneten Mörtelmasse entstanden war; Hessischer VGH, Urt. vom 16.1.1985 – 5 UE 401/84 –; Urt. vom 17.7.1997 – 5 UE 3780/96 –, NVwZ-RR 1999 S. 69; Beschl. vom 12.10.2020 – 5 A 3073/19 -, juris, Rn. 17 ff; VG Wiesbaden, Urt. vom 30.5. 2012 – 1 K 614/11 –, juris, Rn. 19). Anhand des Beteiligtenvortrags lag die durchgeführte Herstellung des Schmutzwassergrundstücksanschlusses im Sonderinteresse der Kläger, da die Herstellung des Anschlusses eine für das Grundstück konkrete und aktuelle Nützlichkeit darstellt, weil sie somit in der Lage sind ihr Schmutzwasser der zentralen Schmutzwasserbeseitigunsanlage des beklagten Verbandes zuzuführen.
Auch ist die Kostenhöhe nicht zu beanstanden. Gemäß § 2 Abs. 1 G...wird der Kostenersatz für Maßnahmen nach § 1 nach dem Aufwand und den Kosten in der tatsächlich entstandenen Höhe erhoben. Soweit die Kläger vortragen, es handele sich um eine doppelte Heranziehung einzelner Kostenpositionen, so kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden. Wenn man sich die einzelnen Rechnungspositionen der jeweiligen Abrechnungen ansieht, so fällt auf, dass zum einen unterschiedliche Arbeiten abgerechnet wurden, zum anderen hierbei auch andere Werte und Kosten angefallen sind. Es handelt sich vorliegend um verschiedene Positionen. Wie sich aus den einzelnen Kostenpositionen des streitgegenständlichen Bescheides und des Kostenersatzbescheides über die Reparatur des Trinkwasserhausanschlusses (im Parallelverfahren 6 K 140/19) ergibt, handelt es sich um unterschiedliche Kostenpositionen. Dies deckt sich mit dem Beklagtenvortrag, dass sich die Arbeiten des Schmutzwasser-Grundstücksanschlusses auf dem Grünstreifen befunden hätten, die Kosten des Trinkwasseranschlusses indes für Arbeiten über asphaltierter Straße entstanden seien. Dies ergibt sich auch aus den jeweiligen Rechnungspositionen. Soweit die Kläger meinen, es handele sich lediglich um eine Baugrube, so ist dieser Gedanke nachvollziehbar, aber falsch. Auch wenn es als korrekt unterstellt werden kann, dass es sich bei beiden Baugruben optisch um Eine gehandelt haben mag, so handelt es sich in den jeweiligen Kostenersatzbescheiden dennoch um zwei voneinander getrennte Baumaßnahmen, da der eine Teil – aus der jeweiligen Rechnung ersichtlich – die Kosten für den Schmutzwasser-Grundstücksanschluss abdecken bzw. den Kostenersatz für die Maßnahme am Trinkwasseranschluss betrifft. Es sind insoweit lediglich die Baumaßnahmen, die dem jeweiligen Anschluss zurechenbar sind, in dem jeweiligen Kostenersatzbescheid in Ansatz gebracht worden. Soweit weitere Kostenpositionen pauschal bestritten werden, so handelt es sich hierbei um unsubstantiiertes Bestreiten, das nicht geeignet ist, die Richtigkeit der dargelegten Kostenpositionen zu erschüttern.
Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist ferner, dass in der Rechnung der E... Zeitvertragsarbeiten 2015-2016 in Ansatz gebracht wurden, obwohl die Maßnahme erst im Jahr 2017 erfolgte. Wie der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 26. Mai 2023 dargelegt hat, wurde der Zeitvertrag mit denselben Bedingungen bis zum 30. Juni 2017 verlängert. Bestellt worden sei die E...für die Arbeiten mit dem Auftrag 1... vom 11. Mai 2017, so dass trotz der erfolgten Herstellung des Anschlusses laut Kostenersatzbescheid am 20. November 2017, die Abrechnungsgrundlage für die Arbeiten der geltende Bauvertrag über Zeitvertragsarbeiten 2015/2016 in der Gestalt des 1. Nachtrags vom 3. November 2016 war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.