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Anbieter digitaler medizinischer Anwendungen - strukturierte Behandlungsprogramme bei chronischen Krankheiten - Stellungnahmeberechtigung - maßgeblicher Spitzenverband auf Bundesebene


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 116. Senat Entscheidungsdatum 21.06.2023
Aktenzeichen L 16 KR 341/20 KL ECLI ECLI:DE:LSGBEBB:2023:0621.L16KR341.20KL.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 137f Abs 3 S 2 SGB 5

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 19. Dezember 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2020 und des Plenumsbeschlusses vom 18. Februar 2021 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Kläger eine maßgebliche Spitzenorganisation zur Wahrnehmung der Interessen der Anbieter digitaler medizinischer Anwendungen auf Bundesebene nach § 137f Abs. 8 Satz 2 SGB V ist.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 50.000,- € festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung des Klägers als maßgebliche Spitzenorganisation der Anbieter digitaler medizinischer Anwendungen auf Bundesebene gemäß § 137f Abs. 8 Satz 2 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) durch den beklagten Gemeinsamen Bundesausschuss.

Der satzungsrechtliche Zweck des Klägers, der rund 400 Mitgliedsunternehmen bei 260 ordentlichen Mitgliedern (Stand 21. Juni 2020) hat, ist die Vertretung der Interessen der Arzneimittel- und Medizinprodukteindustrie (§ 2 Abs. 1 der Satzung). Mitglieder des Klägers können auch eingetragene Firmen sein, die solche Produkte herstellen, die digitale Gesundheitsanwendungen sind (§ 4 Abs. 1 Satz 1 der Satzung). Derzeit betreiben bzw vermarkten 20 ordentliche Mitglieder des Klägers digitale medizinische Anwendungen.

Der Beklagte prüft – seit dem Inkrafttreten von § 137f Abs. 8 SGB V am 11. Mai 2019 (eingefügt durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz <TSVG> vom 6. Mai 2019 – BGBl I 646) – bei der Erstfassung einer Richtlinie (RL) zu den Anforderungen nach § 137f Abs. 2 SGB V für strukturierte Behandlungsprogramme bei chronischen Krankheiten iSv § 137f Abs. 1 SGB V (Disease Management Programm <DMP>; eingeführt in der gesetzlichen Krankenversicherung <GKV> zum 1. Januar 2002 durch das Gesetz zur Reform des Risikostrukturausgleiches <RSA> in der GKV vom 10. Dezember 2001 <BGBl I S 3465>; bislang existieren DMP zu folgenden chronischen Erkrankungen: Asthma bronchiale, Brustkrebs, chronische Herzinsuffizienz, chronischer Rückenschmerz, chronisch obstruktive Lungenerkrankung, Depressionen, Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2, koronare Herzkrankheit, Osteoporose, rheumatoide Arthritis) sowie bei jeder regelmäßigen Überprüfung seiner RL nach § 137f Abs. 2 Satz 6 SGB V die Aufnahme geeigneter digitaler medizinischer Anwendungen. Er hat den für die Wahrnehmung der Interessen der Anbieter digitaler medizinischer Anwendungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen einzubeziehen (§ 137f Abs. 8 Satz 2 SGB V). Hierauf gestützt beantragte der Kläger am 23. August 2019 die Anerkennung als stellungnahmeberechtigte Organisation gemäß § 137f Abs. 8 Satz 2 SGB V.

Der Beklagte lehnte diesen Antrag unter Bezugnahme auf § 9 Abs. 2 des 1. Kapitels seiner Verfahrensordnung (VerfO-GBA) ab, weil Hauptzielsetzung des Klägers nicht die Interessenvertretung der Anbieter digitaler medizinischer Anwendungen sei (Bescheid vom 19. Dezember 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2020 und des Plenumsbeschlusses vom 18. Februar 2021). Als stellungnahmeberechtigte Organisationen sind durch den Beklagten anerkannt (vgl Beschlüsse vom 19. Dezember 2019 und 18. Juni 2020): Bverband M eV, Bverband der H eV (jetzt Bverband der H eV), B Bundesverband I, T und neue Medien eV, V Verband der D eV, S D I für O, eV, Bundesinnung der H, Sverband eV.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen des Beklagten und dessen Verpflichtung, festzustellen, dass der Kläger eine für die Wahrnehmung der Interessen der Anbieter digitaler medizinischer Anwendungen auf Bundesebene maßgebliche Spitzenorganisation nach § 137f Abs. 8 Satz 2 SGB V ist und in den Kreis der stellungnahmeberechtigten Organisationen aufgenommen wird. Seine Legitimation folge bereits aus seiner Satzung. Überdies gebiete dies die Einheitlichkeit der Rechtsordnung. Denn der Kläger sei auch bei der Bildung der gemeinsamen Schiedsstelle nach § 134 Abs. 3 Satz 1 SGB V für die Vergütungsbeträge für digitale Gesundheitsanwendungen als maßgebliche Spitzenorganisation beteiligt. Demgemäß sei er auch Vertragspartei der Rahmenvereinbarung (RV) zwischen dem GKV-Spitzenverband und den Verbänden zu den Vergütungsbeträgen nach § 134 Abs. 4 und 5 SGB V in der Festsetzung durch Beschlüsse der Schiedsstelle vom 16. April 2021 und 16. Dezember 2021 und zudem maßgebliche Spitzenorganisation der Leistungserbringer iSv § 303e Abs. 1 Nr. 5 SGB V. Es genüge zur Bejahung der Maßgeblichkeit iSv § 137f Abs. 8 Satz 2 SGB V eine „potentielle“ Betroffenheit vergleichbar den Regelungen in § 130b Abs. 5 SGB V und § 130a Abs. 3a Satz 11 SGB V. Im Übrigen genüge die Entscheidung des Beklagten nicht den Grundsätzen der Pluralität und trage auch nicht der Bedeutung und Dynamik bei digitalen Gesundheitsanwendungen Rechnung. Durch den begrenzten Kreis der derzeit stellungnahmeberechtigten Organisationen entfalle für den Kläger zudem die Berechtigung, digitale Gesundheitsanwendungen bei der Erstellung der richtlinienbezogenen Anforderungen an geeignete digitale medizinische Anwendungen für strukturierte Behandlungsprogrammen bei chronischen Krankheiten nach § 4 Abs. 2 Nr. 5 des 6. Kapitels VerfO-GBA vorzuschlagen. Dies widerspreche dem Prinzip der angemessenen Betroffenenpartizipation. Denn auch die digitalen medizinischen Anwendungen seiner Mitglieder, die alle Indikationsgebiete der existierenden Behandlungsprogramme abdeckten, könnten potentiell in die Richtlinien des Beklagten aufgenommen werden. Der Beklagte habe schließlich seine Auswahlkriterien zu keiner Zeit transparent benannt, was den Verdacht eines willkürlichen Ausschlusses des Klägers nahelege, zumal es für zwei der eingebundenen Verbände gar keine strukturierten Behandlungsprogramme bei chronischen Krankheiten gebe. Im Ergebnis sei die angefochtene Entscheidung formal schon deshalb rechtswidrig, weil nicht das zuständige Plenum, sondern der Unterausschuss über den Widerspruch entscheiden habe.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 19. Dezember 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2020 und des Plenumsbeschlusses vom 18. Februar 2021 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger eine maßgebliche Spitzenorganisation zur Wahrnehmung der Interessen der Anbieter digitaler medizinischer Anwendungen nach § 137f Abs. 8 Satz 2 SGB V ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, die erforderliche Maßgeblichkeit ergebe sich nicht aus der Satzung des Klägers. Es bestehe gerade kein wesentlicher Schwerpunkt in dem Bereich des Angebots digitaler medizinischer Anwendungen. Aufzunehmen seien nur die Organisationen, die hinsichtlich der Interessenvertretung der Anbieter digitaler medizinischer Anwendungen führend seien und deren Interessenvertretung im Vergleich zu anderen Organisationen besonders augenfällig und herausstellungswürdig sei. Eine lediglich potentielle Betroffenheit der vom Kläger vertretenen Hersteller sei nicht ausreichend. Der Begriff der Maßgeblichkeit nach § 134 Abs. 3 Satz 1 SGB V bzw nach § 130b Abs. 5 SGB VI sei vorliegend nicht einschlägig, da dort die Zusammensetzung von Schiedsstellen geregelt werde. Die Normen bezögen sich auf Vergütung von Leistungserbringern, wozu auch die vom Kläger vertretenen Hersteller zählten. Er sei daher insoweit zu beteiligen. Bei § 137f Abs. 8 Satz 2 SGB V handele es sich indes um ein gesetzlich vorgeschriebenes und in der VerfO-GBA im Einzelnen geregeltes Stellungnahmeverfahren. Welche Organisation stellungnahmeberechtigt sei, sei immer normbezogen zu beurteilen. Dem Beklagten stehe insoweit ein Auswahlermessen bzw ein Gestaltungsspielraum zu.

Der Verwaltungsvorgang des Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger ist eine maßgebliche Spitzenorganisation zur Wahrnehmung der Interessen der Anbieter digitaler medizinischer Anwendungen nach § 137f Abs. 8 Satz 2 SGB V.

Für die Klage ist das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg erstinstanzlich nach § 29 Abs. 4 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zuständig, denn der Kläger wendet sich gegen eine Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses in Zusammenhang mit einer nach § 137f Abs. 8 Satz 2 SGB V zu treffenden Regelung.

Die Streitsache betrifft eine Angelegenheit des Krankenversicherungsrechts iSd §§ 10 Abs. 1 Satz 1, 31 Abs. 21 Satz 1 SGG („Angelegenheiten der Sozialversicherung“), nicht des Vertragsarztrechts. Betroffen ist der Gemeinsame Bundesausschuss „als Institution“ im Sinne von Abschnitt B II 2 b [9] des „Zusammenfassenden Standpunktes des 1., 3. und 6 Senats des Bundessozialgerichts zu § 10 Abs. 2 SGG“ (vgl SGb 08/2012, 495), die bestimmte Stellungnahmerechte in Zusammenhang mit ihrer Richtliniengebung zu beachten hat. Es besteht kein Bezug zu einem Entscheidungsbereich, der „allein dem Vertragsarztrecht zuzuordnen ist“. Streitgegenständlich ist die Frage, ob der Kläger zum Kreis der nach § 137f Abs. 8 Satz 2 SGB V stellungnahmeberechtigten Spitzenorganisationen gehört. Zwar bezieht sich das Stellungnahmerecht in der Sache auch auf eine Entscheidung über Richtlinien nach § 137f Abs. 2 SGB V zu den Anforderungen an die Ausgestaltung von strukturierten Behandlungsprogrammen bei chronischen Krankheiten. Da diese Programme sektorenübergreifend (vgl § 137f Abs. 1 Satz 2 Nr 4 und Abs. 7 SGB V) wirken und auch die Behandlung im Krankenhaus betreffen, sind damit insgesamt Belange betroffen, die nicht ausschließlich die vertragsärztliche Versorgung betreffen (vgl auch die Zuordnung der Richtlinien zu diesen Programmen zum Krankenversicherungsrecht in Abschnitt II 1 b [2] Zusammenfassender Standpunkt; vgl zum Ganzen auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Mai 2023 – L 28 KR 368/20 KL – juris – Rn 46,47).

Die Klage ist, wie zuletzt beantragt, als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage statthaft. Über die begehrte Feststellung war gerichtlich abschließend und ohne Verpflichtung des Beklagten zu entscheiden. Der Anfechtungsklage bedarf es deshalb, weil die Entscheidung des Beklagten Verwaltungsaktcharakter hat. Der Beklagte traf als Behörde (§ 1 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X)insoweit eine Einzelfallregelung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen (vgl § 31 Satz 1 SGB X). Mit der vom Kläger begehrten Feststellung, er gehöre zu den maßgeblichen Spitzenorganisationen iSv § 137f Abs. 8 Satz 2 SGB V, hat der Beklagte die verfahrensrechtliche Vorfrage, ob dieser als Stellungnahmeberechtigter bei der Prüfung der Einbeziehung digitaler Gesundheitsanwendungen in Richtlinien zu strukturierten Behandlungsprogrammen bei chronischen Krankheiten zu beteiligen ist, (ablehnend) entschieden. Seine Kompetenz, hierüber durch feststellenden Verwaltungsakt verbindlich und rechtsmittelfähig zu entscheiden, folgt auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung aus § 137f Abs. 8 SGB V. Denn der Beklagte ist danach befugt und verpflichtet, bei der Erstfassung bzw Prüfung einer Richtlinie zu den Anforderungen nach § 137f Abs. 2 SGB V die Aufnahme geeigneter digitaler Anwendungen zu prüfen. Konkludent folgt daraus auch seine Befugnis, über die Eigenschaft einer maßgeblichen Spitzenorganisation durch Verwaltungsakt zu entscheiden (vgl zur konkludenten Regelungsbefugnis einer Schiedsstelle nach § 130b Abs. 9 Satz 5 SGB V im Hinblick auf die Eigenschaft eines Verbandes als „maßgebliche Spitzenorganisation“ iSv § 130b Abs. 5 Satz 1 SGB V: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. Mai 2018 – L 9 KR 303/15 KL – juris – Rn 57 und nachfolgend Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 8. August 2019 – B 3 KR 16/18 R = SozR 4-2500 § 130b Nr 4 – Rn 29, 30 mwN).

Zwar können gegen behördliche Verfahrenshandlungen - auch wenn sie als Verwaltungsakt ergehen - Rechtsbehelfe grundsätzlich nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden (§ 56a Satz 1 SGG). Dies gilt indes nicht, wenn die Verfahrenshandlung gegen einen Nichtbeteiligten ergeht (§ 56a Satz 2 Alt 2 SGG). Zudem ist die Entscheidung des Beklagten über die Verfahrensbeteiligten hier schon deshalb selbstständig anfechtbar, weil es sich um eine selbstständige Zwischenentscheidung handelt. Denn der Beklagte ist – wie dargelegt – befugt, formell selbständig vorab über das streitige präjudizielle Rechtsverhältnis zu befinden, um das Verfahren nach § 137f Abs. 8 Satz 1 SGB V in der vom Gesetz vorgesehenen Weise zu ermöglichen (vgl zu § 130b Abs. 9 Satz 5 SGB V BSG aaO; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Mai 2023 aaO Rn 52).

Die mit der Anfechtungsklage kombinierte Feststellungsklage ist nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässig, weil der Kläger die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt und ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Die begehrte Feststellung, dass er eine für die Wahrnehmung der Interessen der Anbieter digitaler Gesundheitsanwendungen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation auf Bundesebene iSv § 137f Abs. 8 Satz 2 SGB V ist, bezieht sich auf das Bestehen öffentlich-rechtlicher Rechtsverhältnisse, nämlich die Eigenschaft, Stellungnahmeberechtigter bei der Aufnahme geeigneter digitaler medizinischer Anwendungen in den Anforderungen zu Richtlinien nach § 137f Abs. 2 SGB V zu sein und zudem auf das Rechtsverhältnis, Beteiligter am formalisierten Stellungnahmeverfahren des Beklagten zu sein. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung des Beklagten nach § 137f Abs. 8 Satz 1 SGB V „einzubeziehen“ (vgl § 137f Abs. 8 Satz 2 Halbs 2 SGB V). Dem dient das in der VerfO-GBA verbindlich vorgeschriebene Verfahren (vgl dort § 10 Abs. 3 des 1. Kapitels). Jedem, der gesetzlich berechtigt ist, zu einem Beschluss des Beklagten Stellung zu nehmen, und eine schriftliche Stellungnahme abgegeben hat, ist in der Regel auch Gelegenheit zu einer mündlichen Stellungnahme zu geben (§ 12 Abs. 1 des 1. Kapitels VerfO-GBA).

Die begehrte Feststellung hat das Gericht selbst zu treffen, ohne dass vorrangig eine Verpflichtungsklage auf (Neu-)Bescheidung gegen den Beklagten zu erheben gewesen wäre (aA offenbar LSG Berlin-Brandenburg aaO Rn 53). Hierfür wäre Voraussetzung, dass dem Beklagten ein eigener Gestaltungs- bzw Beurteilungsspielraum hinsichtlich der „Maßgeblichkeit“ der in Rede stehenden Spitzenverbände nach § 137f Abs. 8 Satz 2 SGB V zukommt, was indes nicht der Fall ist. Der unbestimmte Rechtsbegriff der „maßgeblichen“ Spitzenverbände íSv § 137f Abs. 8 Satz 2 SGB V ist vielmehr gerichtlich voll überprüfbar. Soweit dem Beklagten als Normgeber ein Gestaltungsspielraum zukommt (zB bei einem Nutzenbewertungsbeschluss nach § 35a SGB V), darf die sozialgerichtliche Kontrolle zwar ihre eigenen Wertungen nicht an die Stelle der des Beklagten setzen. Vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Prüfung darauf, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen (stRspr des BSG; vgl zB BSG, Urteil vom 6. März 2012 – B 1 KR 24/10 R = SozR 4-2500 § 34 Nr 9 – Rn 25 mwN). Indes lässt sich ein derartiger Gestaltungsspielraum bzw gar ein Auswahlermessen des Beklagten der Vorschrift des § 137f Abs. 8 Satz 2 SGB V, anders als bei der Prüfung der Aufnahme geeigneter digitaler medizinischer Anwendungen in die von ihm zu erstellenden Richtlinien gemäß § 137f Abs. 8 Satz 1 SGB V, nicht entnehmen.

Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig ergangen. Dass etwaige Mängel eines durchgeführten Vorverfahrens allein die Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit des Widerspruchsbescheides und seine mögliche (isolierte) Aufhebung betreffen, die der Kläger ausdrücklich nicht begehrt, und es daher vorliegend einer entsprechenden Prüfung nicht bedarf (so wohl LSG Berlin-Brandenburg aaO Rn 54), trifft dabei nicht zu. Denn Gegenstand des Verfahrens ist der Ausgangsbescheid „in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat“ (§ 95 SGG). Zwar hat zunächst der insoweit unzuständige Unterausschuss über den Widerspruch des Klägers abschließend entschieden (vgl zur grundsätzlichen Zuständigkeit des Beschlussgremiums nach § 91 Abs. 2 SGB V <Plenum> § 4 Abs. 1 des 1. Kapitels VerfO-GBA, wobei in bestimmten Bereichen auch originäre abschließende Entscheidungen durch den Unterausschuss getroffen werden können, vgl zB § 4 Abs. 2 Satz 3 des 1. Kapitels VerfO-GBA ). Das zuständige Plenum, mithin der zur hier Mitwirkung berufene Ausschuss, hat indes die ihm obliegende Entscheidung über den Widerspruch mit Beschluss vom 18. Februar 2021 selbständig und eigenverantwortlich nachgeholt; damit wurde der Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2020 ersetzt und der Verfahrensfehler nach § 41 Abs. 1 Nr. 4 iVm § 40 Abs. 3 Nr. 3 SGB X geheilt. § 41 Abs. 1 Nr. 4 SGB X greift auch dann, wenn – wie hier bei der Widerspruchsentscheidung des Unterausschusses des Beklagten – ein Beschluss ergangen, aber aus formellen Gründen – zB falsche Besetzung, Beschlussunfähigkeit – nicht wirksam zustande gekommen ist (vgl BSG, Urteil vom 6. Mai 2009 – B 6 KA 7/08 R = SozR 4-1300 § 63 Nr 9 – Rn 31).

Die Klage ist auch begründet. Der Kläger ist eine maßgebliche Spitzenorganisation iSv § 137f Abs. 8 Satz 2 SGB V.

Der Begriff der auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisation bezieht sich nach Wortlaut, Systematik und der Genese des Beteiligungsrechts in § 137f Abs. 8 Satz 2 SGB V sowie seinem Sinn und Zweck auf Verbände, deren satzungsrechtliche Zwecksetzung und reales Betätigungsfeld die Vertretung von Unternehmen ist, die als Anbieter digitaler medizinischer Anwendungen gelten. Der Verband muss tatsächlich eine hinreichend relevante Anzahl solcher Anbieter vertreten, um ein maßgeblicher Spitzenverband (auf Bundesebene) zu sein. Dies folgt zum Einen zweifelsfrei aus seinem Satzungszweck. Der Kläger ist eine ua für die Wahrnehmung der Interessen der Anbieter digitaler medizinischer Anwendungen auf Bundesebene gebildete Spitzenorganisation, wie sich aus § 4 Abs. 1 Satz 1 seiner Satzung und daraus ergibt, dass seine Mitglieder im ganzen Bundesgebiet ansässig sind. Bei der Vertretung der Interessen muss es sich nicht zwingend um den einzigen satzungsrechtlichen Hauptzweck der Organisation handeln, hinter dem alle anderen satzungsrechtlichen (Neben-)Zwecke zurücktreten. Es reicht vielmehr, wenn es sich dabei um eine von mehreren (gleichberechtigten) Zwecksetzungen des Verbandes handelt. Handelt es sich aber nur um einen völlig untergeordneten und eher beiläufigen Nebenzweck eines anderen verfolgten (Haupt-)Interesses des Verbandes, liegt keine Spitzenorganisation von Anbietern digitaler medizinischer Anwendungen vor.

Der Kläger hat aufgezeigt, dass eine gewichtige Zahl seiner ordentlichen Mitgliedsfirmen (260), nämlich derzeit 20, digitale Gesundheitsanwendungen herstellt bzw vertreibt. Soweit die Satzung des Klägers für den hier in Rede stehenden Anwendungsbereich von § 137f Abs. 8 SGB V (nur) auf Firmen abstellt, die Medizinprodukte herstellen, die digitale Gesundheitsanwendungen sind, rekurriert sie damit zwar auf den in § 33a Abs. 1 Satz 1 SGB V geregelten Begriff. Dieser ist indes mit dem Begriff der digitalen medizinischen Anwendungen in § 137f Abs. 8 Satz 2 Halbs 1 SGB V nicht deckungsgleich. Nach der Legaldefinition in § 33a Abs. 1 Satz 1 SGB V sind digitale Gesundheitsanwendungen Medizinprodukte niedriger Risikoklasse (vgl dazu § 33a Abs. 2 SGB V: Klasse I oder IIa), deren Hauptfunktion wesentlich auf digitalen Technologien beruht und die dazu bestimmt sind, bei den Versicherten oder in der Versorgung durch Leistungserbringer die Erkennung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten oder die Erkennung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen zu unterstützen. Digitale medizinische Anwendungen können darüber hinausgehend auch Medizinprodukte höherer Risikoklasse oder digitale Anwendungen sein, die gar kein Medizinprodukt sind (zB Online-Schulungsseminar). Jedenfalls besteht hinsichtlich der vom Kläger vertretenen Mitglieder, die Medizinprodukte herstellen, die digitale Gesundheitsanwendungen sind, eine Teilschnittmenge mit den digitalen medizinischen Anwendungen iSv § 137f Abs. 8 SGB V (vgl Baierl in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl § 137f SGB V Rn 204.4). Hierauf beruht auch die von den unparteiischen Mitgliedern des Beklagten im Verbändeanhörungsverfahren zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege (Pflegeunterstützungs- und –entlastungsgesetz <PUEG>) in seiner Stellungnahme vom 6. März 2023 zu § 137f Abs. 8 Sätze 1 und 2 SGB V befürwortete harmonisierende Änderung zu § 137f SGB V dahingehend, dass statt der Aufnahme „digitaler medizinischer Anwendungen“ künftig die Aufnahme „digitaler Gesundheitsanwendungen gemäß §§ 33a, 139e Abs. 2 SGB V“ geprüft werden soll und im Rahmen dessen den für die Wahrnehmung der Interessen der Anbieter „digitaler Gesundheitsanwendungen gemäß §§ 33a, 139 Abs. 2 SGB V“ auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist.

Der Kläger ist auch „maßgeblich“ iSv § 137f Abs. 8 Satz 2 Halbs 1 SGB V. Nach dieser Vorschrift ist den für die Wahrnehmung der Interessen der Anbieter digitaler medizinischer Anwendungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Begriff der Maßgeblichkeit iS dieser Vorschrift bezieht sich auf Verbände, deren satzungsrechtliche Zwecksetzung (auch) die nicht völlig untergeordnete Vertretung von Unternehmen ist, die als Anbieter von digitalen medizinischen Anwendungen iSv § 137f Abs. 8 Satz 2 SGB V auftreten, worunter, wie dargelegt, auch die digitalen Gesundheitsanwendungen iSv § 33a SGB V fallen. Dass, wie der Beklagte demgegenüber im Verhandlungstermin ausgeführt hat, hierunter nur Organisationen fallen könnten, die in einem erheblichen Umfang (genannt wurden 20 vH der Marktteilnehmer bzw Mitgliedsunternehmen) Unternehmen vertreten, die digitale Anwendungen anbieten bzw herstellen, und seinerseits auch Gegenstand dieser einzelnen Mitgliedsunternehmen jeweils überwiegend digitale medizinische Anwendungen sein müssen, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen und widerspricht auch einer systematischen Auslegung.

Der Wortlaut des § 137f Abs. 8 Satz 2 Halbs 1 SGB V begrenzt die Stellungnahmeberechtigung zwar – wie auch andere Vorschriften im SGB V, die auf die Beteiligung maßgeblicher Spitzenverbände abheben (zB § 130b Abs. 5 Satz 1 SGB V, § 132e Abs. 1a Satz 1 SGB V, § 132g Abs. 3 Satz 2 SGB V, § 132l Abs. 4 Satz 1 SGB V, § 134 Abs. 3 Satz 1 SGB V, § 134a Abs. 1 Satz 1 SGB V) – auf die "maßgeblichen" Spitzenorganisationen. Es müssen danach nicht "sämtliche" nach eigenem Verständnis die Eigenschaft einer maßgeblichen Spitzenorganisation aufweisenden Vereinigungen auf Bundesebene am Stellungnahmeverfahren beteiligt werden. Der Gesetzesbegründung zu § 137f Abs. 8 SGB V lässt sich zum Begriff der Maßgeblichkeit insoweit nichts entnehmen. Die Regelung zum Stellungnahmerecht in Satz 2 der Vorschrift wurde auf Veranlassung der Beschlussempfehlung des Bundestagsausschusses für Gesundheit vom 13. März 2019 (BT-Drucks 19/8351) in die endgültige Gesetzesfassung aufgenommen. In der Begründung findet sich ohne weitere Präzisierung lediglich der Hinweis, dass die maßgeblichen Spitzenorganisationen ein Stellungnahmerecht bei den Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Ausgestaltung der RL nach § 137f Abs. 2 SGB V erhalten (anders etwa die Gesetzesbegründung zu § 130b Abs. 5 Satz 1 SGB V, wonach "maßgeblich" iSv § 130b Abs. 5 Satz 1 SGB V Verbände sind, deren satzungsrechtliche Zwecksetzung die Vertretung von Unternehmen ist, die potentielle Vertragspartner nach § 130b Abs. 1 SGB V sind <so Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zum Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung - Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz - AMNOG, BT-Drucks 17/2413, S 32, zu den Abs. 5 und 6>).

Zunächst folgen aus einem nicht gegebenen Stellungnahmerecht des Klägers nach § 137f Abs. 2 Satz 5 SGB V, in der ein Beteiligungsrecht für andere maßgebliche Spitzenorganisationen beim Erlass von DMP-RL geregelt ist, keine tragfähigen Rückschlüsse auf die Auslegung des Maßgeblichkeitsbegriffs in § 137f Abs. 8 Satz 2 SGB V (so aber LSG Berlin-Brandenburg aaO Rn 61, wonach das Beteiligungsrecht nach § 137f Abs. 8 Satz 2 SGB V „quasi der kleine Bruder oder Verwandte“ des Beteiligungsrechts nach § 137f Abs. 2 Satz 5 SGB V sei). Wie der Beklagte im Verhandlungstermin eingeräumt hat, enthält § 137f Abs. 8 Satz 2 SGB II vielmehr eine gegenüber § 137f Abs. 2 Satz 5 SGB V weitergehende Regelung, was sich bereits aus dem erstmals in das SGB V aufgenommenen Begriff der digitalen medizinischen Anwendungen ergibt, der – wie dargelegt – mit den digitalen Gesundheitsanwendungen iSv § 33a SGB V nicht deckungsgleich ist. Auch der Kreis der Stellungnahmeberechtigten ist vom Gesetzgeber in § 137f Abs. 8 Satz 2 SGB V gegenüber § 137f Abs. 2 Satz 5 SGB V selbständig geregelt worden und nicht davon abhängig, ob die betreffende Spitzenorganisation bzw deren Mitglieder an den DMP „praktisch“ iS des § 137f Abs. 2 SGB V beteiligt ist.

Nach § 137f Abs. 2 Satz 5 SGB V ist vor dem Erlass von DMP-Richtlinien den für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen und der Selbsthilfe sowie den für die sonstigen Leistungserbringer auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen, soweit ihre Belange berührt sind, sowie dem Bundesamt für Soziale Sicherung und den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen mit einzubeziehen. Zwar begründet § 137f Abs. 2 Satz 5 SGB V damit bereits seit Einführung der DMP-Regelung in das SGB V zum 1. Januar 2002 ein Beteiligungsrecht für andere maßgebliche Spitzenorganisationen, nämlich ua solche, die entweder Leistungsträger für die in strukturierten Behandlungsprogrammen erbrachten Gesundheitsleistungen für Versicherte sind (GKV-Spitzenverband für die gesetzlichen Krankenkassen) oder mit der Leistungserbringung selbst befasst sind und damit Vertragspartner der Krankenkassen. Dazu gehören die in § 137f Abs. 2 Satz 5 SGB V genannten ambulanten und stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen. Zu den bis zur Änderung durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG) vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2983) bis zum 1. Januar 2012 im Gesetz noch explizit genannten weiteren Leistungserbringern rechnete der Gesetzgeber die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung. Diese gehen seit der gesetzlichen Änderung (Januar 2012) im Begriff der „sonstigen Leistungserbringer“ auf. Deren Aufnahme und die Streichung der zuvor nur gesondert genannten Spitzenorganisationen erfolgte, um alle am DMP vertraglich und praktisch Beteiligten aufzunehmen. Dies geschah vor dem Hintergrund der Änderung der Rechtsqualität der RL des Beklagten zum 1. Januar 2012. Seither haben die Beschlüsse des Beklagten ua zur Ausgestaltung der DMP nicht mehr nur Empfehlungscharakter für die bis dahin maßgebliche Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministeriums, sondern sind unmittelbar auch für die Leistungsträger und Leistungserbringer sowie die Versicherten bindendes untergesetzliches Recht (vgl allgemein § 91 Abs. 6 SGB V, zur Erweiterung des Kreises der Stellungnahmeberechtigten vgl die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 17/8005, S 121 – zu Nummer 57 b cc). Im Übrigen erfolgte die Einräumung einer Stellungnahmeberechtigung nach § 137f Abs. 2 SGB V ursprünglich, um bei den Vorgaben an die Ausgestaltung der DMP die Sachkenntnis der Leistungserbringer zu berücksichtigen (so zu § 137f Abs. 2 SGB V in der Fassung zum 1. Januar 2002 BT-Drucks. 14/7123, S 14 – zu § 137f Abs. 2). Derzeit (Stand 10. Mai 2023) sind insoweit vom Beklagten fünf Spitzenorganisationen für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen auf Bundesebene, 15 Spitzenorganisationen für die Wahrnehmung der Interessen der Selbsthilfe auf Bundesebene, 12 Spitzenorganisationen für die Wahrnehmung der Interessen der sonstigen Leistungserbringer auf Bundesebene, die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) und sieben wissenschaftliche Fachgesellschaften, die nicht in der AWMF vertreten sind, als Stellungnahmeberechtigte anerkannt (vgl RL des Beklagten zu DMP gemäß § 137f Abs. 2 SGB V – Stellungnahmeberechtigte Organisationen).

Beim zwingenden Beteiligungsrecht nach § 137f Abs. 8 Satz 2 SGB V handelt es sich demgegenüber gerade nicht um einen letztlich inhaltsgleichen Annex zu § 137f Abs. 2 Satz 5 SGB V (dahingehend wohl LSG Berlin-Brandenburg aaO Rn 64: „Für das Beteiligungsrecht des § 137f Abs. 8 Satz 2 SGB V gilt im Prinzip nichts anderes“), sondern um eine Regelung, die im Rahmen der Erstfassung oder Überarbeitung/Fortschreibung der DMP-RL nach § 137f Abs. 2 SGB V zur Klärung beitragen soll, ob der Einsatz von digitalen Anwendungen im Rahmen der DMP geeignet ist und, wenn ja, unter welchen Voraussetzungen. Abhängig davon hat der Beklagte zu entscheiden, ob und welche Anforderungen an die Ausgestaltung der DMP in die RL aufgenommen werden. Der Gesetzgeber benennt dazu beispielhaft die Inhalte von Patientenschulungen, die solche (digitale) Anwendungen zum Gegenstand machen könnten, die das Selbstmanagement chronischer kranker Versicherter verbessern (BT-Drucks 19/8351, S. 208 – Zu Nummer 78a). Der Beklagte ist beauftragt, digitale medizinische Anwendungen auf die Eignung für DMP zu prüfen. Die DMP-spezifische Prüfung durch den Beklagten bezieht sich auf die medizinisch-inhaltliche Prüfung. Diese medizinisch-inhaltliche Prüfung der Eigenschaften digitaler medizinischer Anwendungen auf Eignung zur Aufnahme in das jeweilige DMP erfolgt durch den Beklagten gemäß dem Kapitel 6 VerfO-GBA, die, da und soweit sie auf der Basis eines systematisch ermittelten Kenntnisstandes durchgeführt wird, auch für die Prüfung nach § 137g SGB V verbindlich ist (vgl § 1a Abs. 3 RL des Beklagten zur Zusammenführung der Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme nach § 137f Abs. 2 SGB V <DMP-Anforderungen-RL>, zuletzt geändert am 18. August 2022). Das Beteiligungsrecht nach § 137f Abs. 8 Satz 2 SGB V reduziert sich danach nicht allein auf technische Fragen, sondern bezieht sich im Wesentlichen auf inhaltlich-medizinische Gesichtspunkte bei der Prüfung digitaler medizinischer Anwendungen.

Dürfte danach die Sachkenntnis der Anbieter digitaler medizinischer Anwendungen naturgemäß ein Grund für ihre Beteiligung sein, ist kein durchgreifender Grund dafür ersichtlich, die Maßgeblichkeit iSv § 137f Abs. 8 Satz 2 SGB V nicht von einer potentiellen Betroffenheit der genannten Anbieter abhängig zu machen. Denn auch ihre Belange sind iS einer potentiellen mittelbaren Betroffenheit berührt. Es trifft zwar zu, dass die Belange der in § 137f Abs. 2 Satz 5 SGB V genannten Leistungserbringer durch die DMP-Richtlinien deshalb unmittelbar betroffen sind, weil sie in DMP die Gesundheitsleistung organisieren und tatsächlich den Versicherten gegenüber erbringen. Sie werden durch die DMP-RL unmittelbar gebunden; das gilt auch hinsichtlich der Einbindung digitaler medizinischer Anwendungen. Dies schließt es aber nicht aus, Spitzenorganisationen von Anbietern digitaler medizinischer Anwendungen, soweit diese mittelbar betroffene Leistungserbringer digitaler medizinischer Anwendungen im Bereich der DMP sind, in das Stellungnahmerecht nach § 137f Abs. 8 Satz 2 SGB V einzubeziehen, zumal sich deren Sachkunde nicht nur auf technische Fragen bezieht, sondern auch auf deren potentielle Betroffenheit als Leistungserbringer und damit die inhaltlich-medizinische Ausgestaltung einer digitalen medizinischen Anwendung im Rahmen von DMP. Die Anbieter digitaler medizinischer Anwendungen sind damit zwar nicht unmittelbar in die DMP integriert, sie produzieren und stellen vielmehr technische Mittel zur Verfügung, die im Rahmen der Richtlinien nach § 137f Abs. 2 iVm Abs. 8 SGB V auf ihre Geeignetheit zur Aufnahme und praktische Verwendung in die DMP zu prüfen sind. Damit erfolgt die Einbindung der Anbieter solcher Anwendungen aber letztlich auch im Interesse der Interessenspluralität unter dem Aspekt einer Betroffenenpartizipation von Normunterworfenen, nicht nur aufgrund ihrer (technischen) Sachkunde. Dies folgt bereits daraus, dass Stellungnahmerechte in den Beratungsprozessen des Beklagten durchgängig eine Betroffenheit voraussetzen.

Vorliegend ist dabei zu beachten, dass der Kläger auch Partei der Rahmenvereinbarung nach § 134 Abs. 4 und 5 SGB V über die Maßstäbe für die Vereinbarungen der Vergütungsbeträge für digitale Gesundheitsanwendungen ist (vgl Beschlüsse der Schiedsstelle nach § 134 Abs. 3 Satz 1 SGB V vom 16. April 2021 und 16. Dezember 2021). Damit steht zugleich fest und wird vorausgesetzt, dass er eine für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen der Hersteller von digitalen Gesundheitsanwendungen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation auf Bundesebene iSv § 134 Abs. 3 Satz 1 SGB V und damit sowohl Mitglied der Schiedsstelle ist (wie im Übrigen fünf weitere vom Beklagten als stellungnahmeberechtigt iSv § 137f Abs. 8 Satz 2 SGB V anerkannte Organisationen) als auch Berechtigter nach § 303e Abs. 1 Nr. 5 SGB V. Auch wenn vorliegend keine Vergütungsregelung – und damit keine unmittelbare „wirtschaftliche“ (vgl insoweit § 134 Abs. 3 Satz 1 SGB V) Betroffenheit – und auch nicht die Zusammensetzung der Schiedsstelle gemäß § 134 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Streit steht, ist auch im Hinblick auf eine normbezogene Auslegung kein durchgreifender Grund ersichtlich, weshalb auf den Begriff der Maßgeblichkeit in Bezug auf die Spitzenorganisationen der Hersteller von digitalen Gesundheitsanwendungen, soweit diese auch digitale medizinische Anwendungen iSv § 137f Abs. 8 Satz 2 SGB V darstellen, nicht der Rechtsgedanke der potentiellen Betroffenheit normbezogen zu übertragen wäre. Denn auch diejenigen Unternehmen, die vom Kläger vertreten werden und digitale medizinische Anwendungen iSv § 137f Abs. 8 SGB V anbieten, sind von den Richtlinien zu den Anforderungen nach § 137f Abs. 2 SGB V bei DMP-Programmen und der insoweit vom Beklagten zu prüfenden Aufnahme geeigneter digitaler Anwendungen in diese Richtlinien potentiell – und auch wirtschaftlich mittelbar – betroffen.

Bei den RL nach § 137f SGB V handelt es sich um untergesetzliche Rechtsnormen. Sie regeln im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung den Umfang und die Modalitäten der Krankenbehandlung mit bindender Wirkung sowohl für die Leistungserbringer als auch für die Versicherten (vgl zB BSG, Urteil vom 19. März 2002 – B 1 KR 36/00 R – juris). Schon dies gebietet eine angemessene Betroffenenpartizipation im Stellungnahmeverfahren des § 137f Abs. 8 Satz 2 SGB V, die eine hinreichende Repräsentation der Interessen der betroffenen Anbieter digitaler medizinischer und damit die gebotene Pluralität sichert, ohne dass allein auf eine bestimmte Marktmächtigkeit abzustellen wäre (vgl hierzu bei der Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V: BSG, Urteil vom 8. August 2019 – B 3 KR 16/18 R – Rn 48 ff). Dass dies mit den bislang vom Beklagten als stellungnahmeberechtigt angesehenen sieben Organisationen bereits der Fall wäre, hat der Beklagte weder plausibel dargetan noch ist dies im Übrigen ersichtlich. Letzteres gilt dies auch, soweit der Beklagte geltend macht und im Verhandlungstermin auch ausführlich dargelegt hat, effektive Entscheidungsstrukturen geböten seine Auswahlkriterien. Nach welchen Kriterien der Beklagte im Übrigen seine Auswahl vornimmt, bleibt unklar, zumal zwei Organisationen (Bundesverband der Hörgeräte-Industrie eV <jetzt Bundesverband der Hörsysteme-Industrie eV> und Bundesinnung der Hörgeräteakustiker) als stellungnahmeberechtigt anerkannt sind, für deren Bereich gar keine DMP nach § 137f SGB V existieren und für die ein konkreter Bezug gerade zu DMP nicht ersichtlich ist. Allein die Tatsache, dass zB digitale Hörsysteme naturgemäß unter den Begriff der digitalen medizinischen Anwendungen fallen, lässt (noch) keinen Bezug zu DMP erkennen. Derzeit gibt es DMP für folgende Erkrankungen: Asthma, chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Brustkrebs, Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2, koronare Herzkrankheit (KHK), mit einem Modul „Chronische Herzinsuffizienz“, Depression und chronischer Rückenschmerz (2019), Osteoporose (2020), rheumatoide Arthritis (2021).

Aus dem Bereich der Pharmaindustrie ist indes keine Organisation unter den vom Beklagten als stellungnahmeberechtigt iSv § 137f Abs. 8 Satz 2 SGB V angesehenen Organisationen vertreten, ohne dass hierfür plausible Gründe ersichtlich wären, jedenfalls dann, wenn – wie hier – die Mitgliedsunternehmen des Klägers ersichtlich nicht nur mit dem Bereich der Arzneimittelversorgung befasst sind, sondern der Kläger auch in nicht völlig untergeordneter Weise die Anbieter digitaler medizinischer Anwendungen vertritt. Unter dem Gesichtspunkt der gebotenen Pluralität liegt es daher gerade nahe, auch Verbände der pharmazeutischen Industrie nicht grundsätzlich vom Beteiligungsrecht nach § 137f Abs. 8 Satz 2 SGB V auszuschließen, wie es der Beklagte derzeit praktiziert.

Auch wenn der Beklagte an der Entscheidung über die Maßgeblichkeit der Organisationen iSd § 134 Abs. 3 Satz 1 SGB V nicht beteiligt ist, ist damit kein durchgreifender Rechtsgrund ersichtlich, weshalb dieser unbestimmte Rechtsbegriff im Rahmen des § 137f Abs. 8 SGB V auch bei einer normbezogenen Auslegung anders und (nur) in dem vom Beklagten aufgeführten Sinn, der letztlich (nur) auf eine (Markt-)Führerschaft bzw eine insoweit definierte besonders augenfällige bzw herausstellungswürdige Interessenvertretung der Anbieter digitaler medizinischer Anwendungen abstellt, auszulegen wäre, zumal der Beklagte nach eigenen Angaben bereits jetzt digitale Anwendungen von Mitgliedsunternehmen des Klägers (zB A GmbH, B AG, HAG) „regelmäßig“ auf Empfehlung der derzeit stellungnahmeberechtigten Organisationen in seine Prüfungen mit einbezieht und insoweit ebenfalls inzident voraussetzt, dass der Kläger in nicht unerheblichem Umfang Anbieter der einschlägigen Anwendungen vertritt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die stellungnahmeberechtigten Organisationen iSd § 137f Abs. 8 Satz 2 SGB V nach der VerfO-GBA (vgl dort § 4 Abs. 2 Nr 5 Satz 3 des 6. Kapitels) nach Aufforderung des Beklagten berechtigt sind, digitale medizinische Anwendungen für das jeweilige strukturierte Behandlungsprogramm vorzuschlagen. Ihnen kommt damit ungeachtet dessen, dass das Stellungnahmerecht keine Voraussetzung dafür ist, dass Hersteller in die entsprechenden RL aufgenommen werden, ein Verfahrens- und „Wettbewerbs“-Vorsprung zu, der auch unter diesem Gesichtspunkt bei Berücksichtigung des Grundsatzes der Gleichbehandlung (vgl Art 3 Grundgesetz), der den Beklagten bei seinem Handeln bindet, die Einbeziehung des Klägers gebietet, der nach seinen eigenen durchweg glaubhaften Angaben (vgl Schriftsätze vom 26. März 2021 unter Nr 1 und vom 19. Juni 2023) eine große, teils namentlich genannte Anzahl von Anbietern bzw potentiellen Anbietern im E-Health-Bereich vertritt. Da derzeit 20 seiner ordentlichen 260 Mitglieder digitale medizinische Anwendungen betreiben bzw vermarkten (zB die im Verzeichnis nach § 139e SGB V gelistete App „Selfapys Online-Kurs bei chronischen Schmerzen“, entwickelt von Pfizer in Kooperation mit Selfapy; AsthmaApp von GlaxoSmithKline; Inhalations-App Kata, vermarktet von Boehringer Ingelheim; ProHerz App von Sanofi-Aventis in Kooperation mit ProCarement, im Verzeichnis nach § 139e SGB V gelistet), ist - auch bezogen auf seine Mitgliederzahl - von einer maßgeblichen Spitzenorganisation auszugehen (vgl LSG Berlin-Brandenburg aaO Rn 73-75: wenigstens 5 vom Hundert <vH> der Anbieter digitaler medizinischer Anwendungen unter Verweis auf die Gesetzesbegründung zu § 132a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SGB V zu den maßgebenden Spitzenorganisationen für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten im Bereich der häuslichen Krankenpflege <BT-Drucks 18/10510 S 132 – Zu Buchst c>). Hierbei ist auch zu beachten, dass derzeit (nur) 47 Anwendungen im Verzeichnis der digitalen Gesundheitsanwendungen nach § 139e SGB V gelistet sind, davon 18 dauerhaft und 29 zur Erprobung, wobei bislang (Stand 22. Mai 2023) 171 Anträge gestellt wurden (vgl GKV-Spitzenverband Fokus: Digitale Gesundheitsanwendungen). Auch vor dem Hintergrund dieser noch geringen Zahlen ist von einer Maßgeblichkeit des Klägers auszugehen.

Schließlich ist auch darauf zu verweisen, dass die unparteiiischen Mitglieder des Beklagten im laufenden Gesetzgebungsverfahren zum PUEG-Referentenentwurf in ihrer Stellungnahme vom 6. März 2023 im Rahmen der Verbändeanhörung zu § 137f Abs. 8 Sätze 1 und 2 SGB V eine Änderung zu § 137f SGB V dahingehend gefordert haben, dass zur Harmonisierung des Leistungsbereichs und der Vermeidung einer „grenzenlosen Öffnung für alle weiteren digitalen Produkte“ statt der Aufnahme „digitaler medizinische Anwendungen“ künftig die Aufnahme „digitaler Gesundheitsanwendungen gemäß §§ 33a, 139e Abs. 2 SGB V“ geprüft werden soll und im Rahmen dessen den für die Wahrnehmung der Interessen der Anbieter „digitaler Gesundheitsanwendungen gemäß §§ 33a, 139e Abs. 2 SGB V“ auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist. Das zeigt, dass der Beklagte insoweit auf die digitalen Gesundheitsanwendungen iSv § 33a SGB V abhebt und über diese Vorschrift letztlich ebenfalls anstrebt, den Maßgeblichkeitsbegriff des § 134 Abs. 3 Satz 1 SGB V anzulegen. Denn der Anspruch auf Versorgung mit digitalen Gesundheitsanwendungen umfasst nach § 33a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V grundsätzlich nur solche Anwendungen, die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in das Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen nach § 139e SGB V aufgenommen wurden. Wählen Versicherte dabei Gesundheitsanwendungen, deren Kosten über die Vergütungsbeträge nach § 134 SGB V hinausgehen, haben sie die Mehrkosten selbst zu tragen. Damit werden die Vergütungsregelungen und die entsprechende Regelung zur Schiedsstelle in § 134 Abs. 3 SGB V unmittelbar in Bezug genommen, deren Mitglied der Kläger ist. Auch aus diesen plausiblen Erwägungen des Beklagten erhellt, dass der Kläger damit auch in der hier zugrunde zu legenden Fassung von § 137f Abs. 8 Satz 2 SGB V als maßgebliche Spitzenorganisation anzusehen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz festzusetzende Streitwert des Klageverfahrens beläuft sich auf 50.000,- €. Der Kläger begehrt als Vertreter seiner Mitglieder einen zulassungsähnlichen Akt, der sich auf seine Befugnis auswirkt, an der Aufnahme geeigneter digitaler medizinischer Anwendungen in Richtlinien des Beklagten zu strukturierten Behandlungsprogrammen bei chronischen Krankheiten als Stellungnahmeberechtigter mitzuwirken. Diesem Begehren ist eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung beizumessen, die indes nicht mit der Befugnis gleichzusetzen ist, an der Normsetzung selbst zB als Mitglied einer Schiedsstelle mitzuwirken (für diesen Fall vgl BSG, Beschluss vom 16. Juni 2020 – B 3 KR 16/18 R – juris), so dass kein dreifacher Jahresbetrag in Ansatz zu bringen ist. Nach billigem Ermessen ist daher ein Betrag – wie vorläufig festgesetzt – von 50.000,- € anzusetzen. Die Entscheidung über den Streitwert ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache hat der Senat die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr 1 SGG).