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presserechtlicher Auskunftsanspruch - einstweiliger Rechtsschutz - staatsanwaltschaftliche Vorermittlungen - Beschwerde -Darlegungsanforderungen


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat Entscheidungsdatum 24.07.2023
Aktenzeichen OVG 6 S 26/23 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2023:0724.OVG6S26.23.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 146 Abs 4 S 6 VwGO, § 4 Abs 1 PresseG BE, § 4 Abs 2 Nr 4 PresseG BE, Art 5 Abs 1 S 2 GG

Leitsatz

Zur Auskunftspflicht der Strafverfolgungsbehörden gegenüber der Presse nach dem Landespressegesetz bei Vorermittlungen, die nicht in ein Ermittlungsverfahren gemündet sind.

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 26. Mai 2023 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten der Beschwerde mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Das Verwaltungsgericht hat den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller als Journalisten einer Tageszeitung Auskunft zu folgenden Fragen zu erteilen:

1.) Ist das der Generalstaatsanwaltschaft Berlin vorliegende schriftliche Ergebnis der abgeschlossenen Vorprüfung zum Nichtvorliegen eines Anfangsverdachts gegen G... diesem bekannt gemacht worden?

2.) Welcher Sachverhalt wird in dem unter 1.) bezeichneten Schriftstück erörtert hinsichtlich der Frage, ob an die Darlehensgewährung die Erwartung der Einflussnahme auf künftige und/oder die Honorierung vergangener Dienstausübungen geknüpft gewesen sein könnte?

3.) Welche Gründe werden in dem unter 1.) bezeichneten Schriftstück für das Ergebnis angeführt, dass keine Hinweise dafür vorliegen, dass an die Darlehensgewährung die Erwartung der Einflussnahme auf künftige und/oder die Honorierung vergangener Dienstausübungen geknüpft gewesen wäre?

4.) Welche rechtlichen Ausführungen werden in dem unter 1.) bezeichneten Schriftstück dazu gemacht, unter welchen Bedingungen ein Kredit einen „Vorteil" im Sinne von § 331 des Strafgesetzbuches darstellen kann?

5.) Wann (Datum) ist die Prüfung des Kreditengagements durch den für die G... zuständigen Prüfungsverband der Generalstaatsanwaltschaft Berlin bekannt geworden? Auf welche Weise ist diese Prüfung der Generalstaatsanwaltschaft Berlin bekannt geworden? Um welchen Prüfungsverband handelt es sich?

6.) Seit wann (Datum) hatte die Generalstaatsanwaltschaft Berlin Kenntnis davon, dass eine Prüfung des Kreditengagements durch den für die G... zuständigen Prüfungsverband stattfindet? Wie und durch wen ist dies bei der Generalstaatsanwaltschaft Berlin bekannt geworden?

7.) Hat die Generalstaatsanwaltschaft Berlin oder die Staatsanwaltschaft Berlin G... vor ihrer Auskunft über die Vorprüfung vom 6. Januar 2023 an den Tagesspiegel über die Vorprüfung informiert? Falls ja, wann (Datum)?

8.) Hat die Generalstaatsanwaltschaft Berlin oder die Staatsanwaltschaft Berlin G... nach ihrer Auskunft über die Vorprüfung vom 6. Januar 2023 an den Tagesspiegel über weitere Einzelheiten der Vorprüfung informiert? Falls ja, wann (Datum)?

9.) Hat G... - gegebenenfalls über einen Bevollmächtigten - seit Mitteilung über die Vorprüfung am 6. Januar 2023 Kontakt zur Generalstaatsanwaltschaft Berlin oder Staatsanwaltschaft Berlin aufgenommen? Falls ja, wann erstmals (Datum)?

Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners hat auf der Grundlage des allein maßgeblichen Vorbringens im Beschwerdeverfahren (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) keinen Erfolg.

a) Der Antragsgegner führt aus, eine Auskunftserteilung der Strafverfolgungsbehörden an die Presse sei frühestens ab Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zulässig. Da vorliegend lediglich Vorermittlungen stattgefunden hätten, bei denen geprüft worden sei, ob für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ausreichende Anhaltspunkte vorlägen, sei es den Strafverfolgungsbehörden verwehrt, Auskunft zu erteilen. Zur Begründung dieser Einschätzung führt der Antragsgegner Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Verdachtsberichterstattung der Strafverfolgungsbehörden an. Danach setzten Auskünfte der Strafverfolgungsbehörden in Ermittlungsverfahren einen objektiven Mindestbestand an Beweistatsachen voraus. Eine Auskunft müsse unterbleiben, wenn öffentliche Spekulationen zu erwarten seien, die den Betroffenen in der Abwägung mit dem Berichterstattungsinteresse unverhältnismäßig belasteten.

Aus der von dem Antragsgegner skizzierten Rechtsprechung zur Verdachtsberichterstattung bei staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren lässt sich der Schluss, eine Auskunftserteilung an Pressevertreter bei staatsanwaltschaftlichen Vorermittlungen sei per se ausgeschlossen, nicht herleiten. Dass bei Durchführung eines Ermittlungsverfahrens Auskünfte an die Presse nur nach einer zugunsten der Berichterstattung ausgehenden Interessenabwägung erfolgen dürfen, zwingt nicht zu dem Schluss, bei reinen Vorermittlungen dürften Auskünfte per se nicht erteilt werden. Vielmehr ist auch in solchen Fällen vor dem Hintergrund der Bedeutung der von Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Pressefreiheit grundsätzlich eine umfassende Abwägung mit den entgegenstehenden privaten Interessen vorzunehmen. Diese Abwägung mag bei bloßen Vorermittlungen schon mangels eines Mindestbestandes an Belegtatsachen regelmäßig zugunsten des Betroffenen ausgehen. Zu berücksichtigen ist in solchen Fällen allerdings auch, wenn der Umstand, dass Vorermittlungen der Strafverfolgungsbehörden stattfinden, ohnehin öffentlich bekannt ist. So ist es hier. Die den Beigeladenen betreffenden Vorermittlungen haben die Strafverfolgungsbehörden des Antragsgegners gegenüber der Presse auf ein entsprechendes Auskunftsersuchen selbst bekannt gemacht. Diesen Aspekt lässt die Beschwerdebegründung unberücksichtigt. Sie führt zur gebotenen Interessenabwägung nicht aus.

b) Auch der weitere Vortrag des Antragsgegners verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Er macht geltend, eine Auskunftspflicht nach § 4 Abs. 1 Berliner Pressegesetz - BlnPrG - bestehe nur, soweit die Auskunft der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Presse diene. Öffentliche Aufgabe im Sinne der Vorschrift sei ausschließlich die rechtmäßige Berichterstattung. An einer solchen fehle es vorliegend, weil die begehrten Auskünfte einen nach einer Vorprüfung abgeschlossenen Sachverhalt beträfen, der nicht Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens geworden sei.

Dass eine Berichterstattung aufgrund der hier begehrten Auskünfte rechtswidrig wäre, zeigt der Antragsgegner nicht auf. Zwar trifft es zu, dass die Ermöglichung oder Unterstützung einer voraussichtlich rechtswidrigen Berichterstattung kein legitimes Ziel staatlichen Handelns sein kann. Dass die einer Auskunftserteilung entgegenstehende hohe Wahrscheinlichkeit einer Persönlichkeitsrechte verletzenden Berichterstattung vorliegend besteht (vgl. hierzu VGH Kassel, Urteil vom 23. Februar 2012 - 8 A 1303/11 -, juris Rn. 47), legt der Antragsgegner allerdings nicht dar. Auch insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Umstand staatsanwaltschaftlicher Vorermittlungen bezogen auf den Beigeladenen der Öffentlichkeit bereits bekannt ist.

c) Auch der Vortrag des Antragsgegners, eine Abwägung nach § 4 Abs. 2 Nr. 4 BlnPrG zwischen dem pressespezifischen Informationsinteresse des Antragstellers einerseits und dem von dem Antragsgegner zu wahrenden allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Beigeladenen andererseits müsse zugunsten des Letzteren ausfallen, rechtfertigt die Änderung des angefochtenen Beschlusses nicht. Der Antragsgegner meint, die Persönlichkeitsentfaltung des Beigeladenen werde durch die begehrten Auskünfte erheblich beeinträchtigt. Er werde durch deren Nutzung weiterhin einer Berichterstattung zu der ihn betreffenden, abschließenden Vorprüfung ausgesetzt, die geeignet sein könne, sich abträglich auf das Ansehen seiner Person, insbesondere sein Bild in der Öffentlichkeit, auszuwirken. Es bestehe die Gefahr einer fortgesetzten Stigmatisierung.

Diese Argumentation überzeugt nicht. Sie stellt keinen Bezug der begehrten Auskünfte zu der befürchteten Stigmatisierung des Beigeladenen her, sondern richtet sich gegen die Berichterstattung zu den Vorermittlungen der Strafverfolgungsbehörden als solche. Dass eine derartige Berichterstattung für sich genommen unzulässig wäre, ist schon deshalb nicht anzunehmen, weil öffentlich bekannt ist, dass Vorermittlungen stattgefunden haben.

Inwiefern sich aus den zu erteilenden Auskünften eine (weitere) Stigmatisierung des Beigeladenen ergebe, legt der Antragsgegner nicht dar. Daran ändert auch der Vortrag nichts, der Antragsteller habe noch jüngst in der Tageszeitung, für die er arbeite, mit der Überschrift „Q...-Grußwort für die G...: Kein Korruptionsverdacht - Aber warum nicht?“ eine Formulierung verwendet, die durch die Kombination des Namens des Beigeladenen mit dem Wort „Korruptionsverdacht“ sowie des Fragezeichens geeignet sei, den Eindruck zu erwecken, als läge doch ein Anfangsverdacht für ein strafbares Verhalten vor.

Darüber hinaus versäumt es die Beschwerdebegründung, sich mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts hierzu auseinanderzusetzen. Das Verwaltungsgericht hat unter Berufung auf einschlägige höchstrichterliche und obergerichtliche Rechtsprechung ausgeführt, die Verpflichtung des Antragsgegners zur Auskunftserteilung gegenüber dem Antragsteller präjudiziere nicht, dass dieser die Information uneingeschränkt veröffentlichen dürfe. Als Presseangehöriger unterliege er bei seiner Berichterstattung zivilrechtlichen Bindungen zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eines Betroffenen. Die Verwertung der erbetenen Auskünfte falle allein in die redaktionelle Verantwortung des jeweiligen Presseorgans, wobei grundsätzlich darauf zu vertrauen sei, dass die Presse sich ihrer Verantwortung bewusst sei und insbesondere das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen, die Grundsätze des Pressekodex und die dazu ergangenen Richtlinien beachte. Allein die Möglichkeit einer Persönlichkeitsrechte verletzenden Berichterstattung reiche nicht aus, um den presserechtlichen Auskunftsanspruch zu verneinen.

d) Ohne Erfolg wendet sich der Antragsgegner gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Antragsteller habe das Vorliegen eines Anordnungsgrundes mit der erforderlichen, besonders hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht.

Sein Einwand, das Berichtsinteresse sei nicht hinreichend aktuell, weil ihm in letzter Zeit keine Presseberichte zum Thema bekannt geworden seien, stellt die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, das Thema sei von hoher Aktualität, es betreffe Vorgänge aus Januar 2023 und mit hoher Wahrscheinlichkeit verlören die begehrten Auskünfte ihren Nachrichtenwert, wenn zunächst der Abschluss eines Hauptsacheverfahrens abzuwarten wäre, nicht durchgreifend in Frage.

Soweit er einwendet, das Verwaltungsgericht sei Ausführungen zum Nachrichtenwert der begehrten Auskünfte schuldig geblieben, legt er nicht dar, aus welchem Grund hierzu Ausführungen erforderlich gewesen sein sollen. Die Presse beurteilt den Nachrichtenwert eigenständig. Im Übrigen berücksichtigt er nicht, dass es grundsätzlich nicht Aufgabe der Gerichte ist zu entscheiden, ob ein bestimmtes Thema berichtenswert ist oder nicht (BVerfG, Beschluss vom 9. März 2010 - 1 BvR 1891/05 -, NJW-RR 2010, 1195 ff., juris Rn. 29). Sein Argument, Ermittlungsergebnisse mit Nachrichtenwert könne es in einem Vorermittlungsverfahren, das nicht in ein Ermittlungsverfahren münde, nicht geben, rechtfertigt keine andere Einschätzung, zumal er auch insoweit außer Acht lässt, dass die Strafverfolgungsbehörden die Vorermittlungen selbst öffentlich bekannt gemacht haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).