Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 1 K 380/21


Metadaten

Gericht VG Potsdam 1. Kammer Entscheidungsdatum 12.07.2023
Aktenzeichen 1 K 380/21 ECLI ECLI:DE:VGPOTSD:2023:0712.1K380.21.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist Richter am Landessozialgericht und wendet sich gegen zwei über ihn erstellte dienstliche Beurteilungen, nämlich eine (nachgeholte) Regelbeurteilung aus Februar 2020 (für den Zeitraum 2011 bis 2016) und eine Anlassbeurteilung aus Dezember 2020 (für den Zeitraum 2016 „bis laufend“); er begehrt jeweils die Aufhebung der Beurteilungen, im Fall der Regelbeurteilung hilfsweise die Neuerstellung der dienstlichen Beurteilung.

Der 1968 geborene Kläger trat am 3. Juni 1998 in den Richterdienst des Landes Berlin ein und wurde am 12. Februar 2001 zum Richter am Verwaltungsgericht in einem Dienstverhältnis auf Lebenszeit ernannt. Nach einer Erprobungsabordnung an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg vom 1. Juli 2008 bis zum 31. März 2009 wurde er in der Folge vom 1. Mai 2010 bis zum 31. Januar 2011 an das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg abgeordnet. Nach einer weiteren Tätigkeit beim Verwaltungsgericht Berlin bis zum 31. Oktober 2013 wurde er mit Wirkung zum 1. November 2013 zum Richter am Landessozialgericht in einem Statusamt der Besoldungsgruppe R 2 ernannt. Beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ist er seitdem als Berichterstatter tätig.

Vor den hier im Streit stehenden dienstlichen Beurteilungen wurde der Kläger zuletzt wie folgt dienstlich beurteilt.

Mit „nachgeholter Regelbeurteilung“ der Präsidentin des Verwaltungsgerichts Berlin, vertreten durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts Dr. Peters, vom 9. Januar 2012 wurde der Kläger für den Zeitraum 1. Juli 2005 bis 31. Juli 2011 dienstlich beurteilt. Der Kläger erreichte dabei ein Gesamturteil („Gesamtbeurteilung“) von „übertrifft die Anforderungen erheblich (untere Grenze)“. In drei Beurteilungsmerkmalen erreichte der Kläger den höchsten Ausprägungsgrad „besonders ausgeprägt“ und in sechs Beurteilungsmerkmalen den zweithöchsten Ausprägungsgrad „gut ausgeprägt“. Das Merkmal Führungskompetenz wurde nicht bewertet. Grundlage der Beurteilung waren Beurteilungsgespräche mit der Vorsitzenden des Klägers (Vorsitzende der 14. Kammer), die Erledigungs- und Bestandsstatistik für den Zeitraum vom 1. Februar 2011 bis 31. Juli 2011, im Beurteilungszeitraum erteilte Anlassbeurteilungen des Klägers sowie die Lektüre von Entscheidungsabdrucken.

Eine weitere Regelbeurteilung für den Kläger wurde in der Folge zunächst nicht erstellt.

Auf die Erstellung von Regelbeurteilungen war ungeachtet der entsprechenden Vorgaben der Allgemeinen Verfügung betreffend die Dienstliche Beurteilung der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte vom 20. Juni 2005 (Beurteilungs-AV) – s. dort § 2 Abs. 1 Satz 1 – vor der Erstellung der genannten Anlassbeurteilung von 2012, wie auch generell bei den durch die damalige Präsidentin des Landessozialgerichts, Frau P..., zu erstellenden Anlassbeurteilungen, verzichtet worden. Dies wurde in einem Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 27. November 2013 (OVG 4 S 64.13, juris, und 4 S 65.13) in einem Einzelfall als rechtswidrig angesehen und die dienstliche Beurteilung in jenem Fall aufgehoben.

Zur Vorbereitung der umfassenden Nachholung von Regelbeurteilungen wurde am 26. Mai 2016 im Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg (MdJEV) eine Besprechung – unter Beteiligung des Landes Berlin – durchgeführt. Als Ergebnis dieser Besprechung wurde u. a. die Übereinkunft erzielt, dass eine Nachholung von unterbliebenen Regelbeurteilungen allein insoweit erfolgen sollte, als die jeweils letzte Regelbeurteilung, die vor Vollendung des 50. Lebensjahres des jeweiligen Richters oder der Richterin hätte erfolgen müssen, nachzuholen sei, dass weitere zurückliegende Regelbeurteilungen indes – wegen der großen zeitlichen Distanz und der daraus folgenden mangelnden Zweckmäßigkeit – nicht nachgeholt werden sollten.

Die im August 2017 in ihr Amt gekommene Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg, Frau S..., kündigte dem Kläger unter dem 29. November 2018 an, dass sie beabsichtige, ihm in nächster Zeit eine nachholende Regelbeurteilung zu erteilen. Diese habe einen Zeitraum von fünf Jahren zu umfassen, bezogen als Beginn auf den Tag der Lebenszeiternennung, die hier am 12. Februar 2001 erfolgt sei. Damit sei der Regelbeurteilungszeitraum vom 12. Februar 2011 bis zum 11. Februar 2016 anzusetzen. In der Folge bat die Beklagte unter dem 22. Juli 2019 die Präsidentin des Verwaltungsgerichts Berlin um Zuleitung einer Anlassbeurteilung für den Kläger für den Zeitraum vom 1. August 2011 bis zum 31. Oktober 2013.

Daraufhin wurde der Kläger – „aus Anlass der Versetzung des Klägers zum Landessozialgericht“ – noch für seinen Dienst als Richter am Verwaltungsgericht dienstlich beurteilt mit der (nachgeholten) Anlassbeurteilung der Präsidentin des Verwaltungsgerichts Berlin vom 16. August 2019 für den Beurteilungszeitraum 1. August 2011 bis 31. Oktober 2013. In dieser Beurteilung erreichte der Kläger ein Gesamturteil („Gesamtbeurteilung“) von „übertrifft die Anforderungen erheblich (untere Grenze)“. In drei Beurteilungsmerkmalen erreichte der Kläger den höchsten Ausprägungsgrad „besonders ausgeprägt“ und in sieben Beurteilungsmerkmalen den zweithöchsten Ausprägungsgrad „gut ausgeprägt“. Grundlage der Beurteilung waren Beurteilungsgespräche mit den früheren Kammervorsitzenden des Klägers, die Erledigungs- und Bestandsstatistik, Sitzungsbesuche durch die Präsidentin bzw. ihren Beauftragten sowie die Durchsicht von (nicht näher bezeichneten) Streitakten und die Lektüre von Entscheidungsabdrucken.

Nachdem die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 10. Februar 2020 zunächst den Entwurf einer Regelbeurteilung für den Beurteilungszeitraum vom 12. Februar 2011 bis zum 11. Februar 2016 übersandt und sodann mit diesem die Beurteilung am 20. Februar 2020 erörtert hatte, eröffnete sie dem Kläger die (gegenüber dem Entwurf unveränderte) „nachgeholte Regelbeurteilung“ vom 20. Februar 2020 – ersichtlich – ebenfalls im Erörterungsgespräch vom 20. Februar 2020. Der Kläger gab im Empfangsbekenntnis an, zur Beurteilung nicht schriftlich Stellung zu nehmen.

Als Beurteilungsgrundlagen verwies die Beurteilerin in der Regelbeurteilung neben den einzeln aufgeführten (acht) durchgesehenen Verfahrensakten („und weitere im Geschäftsgang gesehene Akten“), dem Beurteilungsbeitrag des Vorsitzenden des 13./27. Senats vom 12. August 2019 („für die Zeit vom 1. Januar 2014 bis zum 11. Februar 2016“) und den Berichterstatterstatistiken für die Zeit vom 1. November 2013 bis zum 31. Januar 2016 auch auf die Regelbeurteilung der Präsidentin des Verwaltungsgerichts Berlin vom 9. Januar 2012 (für die Zeit vom 12. Februar 2011 bis zum 31. Juli 2011) und die Anlassbeurteilung der Präsidentin des Verwaltungsgerichts Berlin vom 16. August 2019 (für die Zeit vom 1. August 2011 bis zum 31. Oktober 2013) sowie auf vielfältige weitere Eindrücke. Der Beurteilungsbeitrag des Senatsvorsitzenden vom 12. August 2019 bezog sich auf eine entsprechende Anfrage für den Zeitraum Januar 2014 bis Februar 2016. Der Beitrag enthält Ausführungen zu allen zehn Beurteilungsmerkmalen. Im Beurteilungsvorgang finden sich Ausdrucke von Berichterstatterstatistiken für den Zeitraum von November 2013 bis Januar 2016.

In der Regelbeurteilung führte die Beurteilerin (vor dem Abschnitt zu den einzelnen Beurteilungsmerkmalen, S. 4) aus, dass für den Zeitraum vom 1. August 2011 bis zum 31. Oktober 2013 die Anlassbeurteilung der Präsidentin des Verwaltungsgerichts Berlin in die Beurteilung einzubeziehen gewesen sei. Auch die vorangegangene Regelbeurteilung der Präsidentin des Verwaltungsgerichts Berlin vom 9. Januar 2012 sei für den Teilzeitraum vom 12. Februar bis zum 31. Juli 2011 einzubeziehen gewesen. Dies entspreche ständiger, mit dem zuständigen Ministerium bzw. der Senatsverwaltung für vergleichbare Fälle abgestimmter Verwaltungspraxis. Es trage dem Umstand eines Wechsels vom System eines einheitlichen Beurteilungsstichtages zu dem in der Sozialgerichtsbarkeit praktizierten, das an jeweils persönlichen Stichtagen ausgerichtet sei, Rechnung.

In der Regelbeurteilung wurde von den zehn Beurteilungsmerkmalen ein Merkmal (Entschlusskraft) als „besonders ausgeprägt“ bewertet. Die übrigen neun Merkmale wurden als „gut ausgeprägt“ bewertet. Damit war ein besonders wichtiges Merkmal (im Sinne der Orientierungshilfe für die Bildung und Begründung der Gesamtnote –zusammenfassende Bewertung des Gesamtergebnisses der Beurteilung – der Obergerichtspräsidenten und Generalstaatsanwälte vom 19. Januar 2017) als „besonders ausgeprägt“ bewertet worden. Die „Gesamtbeurteilung“ lautete auf „übertrifft die Anforderungen erheblich (untere Grenze)“. In der Begründung der Gesamtbeurteilung wurde auf die bezeichnete Orientierungshilfe verwiesen. Mit Blick darauf, dass der Kläger in einem Merkmal, das als besonders gewichtig gelte, den höchsten Ausprägungsgrad erreicht habe, rechtfertige sich gemessen an den Anforderungen des Statusamts nach Besoldungsgruppe R 2 die genannte Gesamtbeurteilung.

Aus Anlass einer Bewerbung des Klägers um das Amt eines Vorsitzenden Richters am Landessozialgericht bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg erstellte die Präsidentin des Landessozialgerichts für den Kläger am 1. Dezember 2020 eine Anlassbeurteilung für den Beurteilungszeitraum „12. Februar 2016 bis laufend“. Dieser ging die Erstellung eines dem Kläger am 20. November 2020 übermittelten Entwurfs voraus. Die Anlassbeurteilung wurde dem Kläger, nachdem dieser auf eine Erörterung verzichtet hatte, am 1. Dezember 2020 zugeleitet, was dieser bestätigte. Der Kläger kündigte formularmäßig eine Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen an.

Hinsichtlich der Beurteilungsgrundlagen verwies die Beurteilerin in der Anlassbeurteilung auf einen Sitzungsbesuch am 10. September 2020, verschiedene aufgelistete Verfahrensakten (14 Aktenzeichen) und weitere im Geschäftsgang gesehene Akten, den Beurteilungsbeitrag des Vorsitzenden des 13./27. Senats vom 31. August 2020, allgemein auf Berichterstatterstatistiken sowie auf vielfältige weitere Eindrücke. Der Beurteilungsbeitrag des Senatsvorsitzenden bezog sich auf den Zeitraum „seit dem 12. Februar 2016“, ersichtlich bis zur Erstellung am 31. August 2020. Der Vorsitzende machte darin Ausführungen zu allen zehn Beurteilungsmerkmalen.

In der Anlassbeurteilung wurden von den zehn Beurteilungsmerkmalen nunmehr insgesamt zwei Merkmale als „besonders“ ausgeprägt bewertet (neben dem bereits in der vorangegangenen Regelbeurteilung so bewerteten „Entschlusskraft“ nunmehr auch noch „Verhandlungskompetenz“). Die übrigen acht Merkmale wurden weiterhin als „gut“ ausgeprägt bewertet. Damit war wiederum ein besonders wichtiges Markmal als „besonders ausgeprägt“ bewertet. Die „Gesamtbeurteilung“ lautete (erneut) auf „übertrifft die Anforderungen erheblich (untere Grenze)“. Nach der vorausschauenden Eignungsbeurteilung für das angestrebte Amt war der Kläger „gut“ geeignet für das Amt eines Vorsitzenden Richters am Landessozialgericht.

Die Stelle, die Gegenstand des Bewerbungsverfahrens im Jahr 2020 war, wurde in der Folge anderweitig besetzt.

Der Kläger erhob gegen die Regelbeurteilung und die Anlassbeurteilung vom 1. Dezember 2020 durch seine Verfahrensbevollmächtigte unter dem 5. Januar 2021 Widerspruch. Zur Begründung wurde u. a. auf die mangelnde Mitwirkung des Richterrats an den Beurteilungen, auf die Einbeziehung des Zeitraumes seiner Tätigkeit im Land Berlin in die Regelbeurteilung, die Überschneidung des Beurteilungszeitraums der Regelbeurteilung mit demjenigen der Regelbeurteilung vom 9. Januar 2012, auf die unzureichende Ermittlung der Beurteilungsgrundlagen für die Regelbeurteilung (keine Grundlagen für November 2013, keine Überhörung durchgeführt), die Verschlechterung des Beurteilungsbeitrages seines Senatsvorsitzenden und der Beurteilung gegenüber der Erprobungsbeurteilung verwiesen.

Die Widersprüche wurden mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 18. Januar 2021 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, dass die Beurteilungskompetenz für den Zeitraum, in dem der Kläger nicht dem Landessozialgericht angehört habe, aus § 5 Abs. 1 Beurteilungs-AV folge, weil er im Zeitpunkt, in dem der Beurteilungszeitraum geendet habe, diesem Gericht angehört habe. Es entspreche der Praxis in Berlin und Brandenburg, überlappende Regelbeurteilungen einzubeziehen. Dies sei wegen der unterschiedlichen Stichtagsregelungen in verschiedenen Gerichtsbarkeiten erforderlich. § 2 Abs. 3 Beurteilungs-AV stehe dem nicht entgegen, auch wenn dort allein die Einbeziehung von Anlassbeurteilungen angesprochen werde. Ausweislich der im Widerspruchsvorgang enthaltenen Postzustellungsurkunde wurde der Widerspruchsbescheid der Bevollmächtigten des Klägers am 4. Februar 2021 zugestellt.

Der Kläger hat am 17. Februar 2021 Klage erhoben.

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger zunächst u. a. ausgeführt, dass es für die Erstellung der beiden Beurteilungen an einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage gefehlt habe. Er verweist insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Gesetzesvorbehalt (Beschluss vom 21. Dezember 2020 - 2 B 63.20 -, juris). Weiter hat er die Auffassung vertreten, dass eine übergangsweise weitere Anwendung der Beurteilungs-AV aus Rechtsgründen nicht in Betracht kommen. An dieser Auffassung hat er allerdings mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2021 ausdrücklich nicht mehr weiter festgehalten.

Weiter mangele es an einer Beteiligung des örtlichen Richterrates des Landessozialgerichts bei der Erstellung der Beurteilungen; diese sei nach § 41 Satz 1 des Brandenburgischen Richtergesetzes (BbgRiG) erforderlich.

Weiter sei der für die Regelbeurteilung zugrunde gelegte Beurteilungszeitraum rechtswidrig gewählt. Eine dienstherrenübergreifende Beurteilung sei dem Dienstrecht fremd. Die Beklagte könne ihn deshalb nicht für Zeiträume vor November 2013 beurteilen. Auch der Wechsel des Statusamts verbiete einen über diesen Zeitpunkt zurückgreifende dienstliche Beurteilung durch die Beklagte. Die Rechtswidrigkeit folge schließlich aus der teilweisen Überschneidung mit dem Zeitraum der Regelbeurteilung vom 9. Januar 2012.

Die Regelbeurteilung sei auch formell rechtswidrig, da sie ohne ausreichende Erkenntnisgrundlagen erstellt worden sei. Beurteilungsbeiträge fehlten vorliegend für den Zeitraum vor November 2013. Sie könnten auch nicht durch die Anlassbeurteilung der Präsidentin des Verwaltungsgerichts Berlin für diesen Zeitraum ersetzt werden. Da diese von einer anderen Beurteilerin erstellt worden sei, komme dies der Aneignung eines fremden Werturteils gleich, ohne dessen Basis zu kennen. Für das Beurteilungsmerkmal Verhandlungskompetenz habe keine hinreichende Erkenntnisgrundlage bestanden, da eine Überhörung durch die Beklagte oder eine von ihr beauftragte Person nicht erfolgt sei. Er habe im Beurteilungszeitraum eine mündliche Verhandlung des 13. Senates geleitet, in der andere Senatsmitglieder ausgeschlossen gewesen seien. Die weiteren Richter der Sitzgruppe hätten um einen Beurteilungsbeitrag ersucht werden können. Auch in seiner Erprobungsbeurteilung und in der hier ebenso streitigen Anlassbeurteilung sei das Merkmal besser bewertet worden.

Vielfältige andere Eindrücke habe die Beklagte allein außerhalb des Beurteilungszeitraums von ihm gewinnen können.

Die Schlechterbewertung gegenüber seiner Erprobungsbeurteilung sei unplausibel. Der schlechter ausgefallene Beurteilungsbeitrag seines Vorsitzenden (gegenüber dem Beitrag während seiner Erprobungszeit) hätte Anlass zu einem kritischen Hinterfragen und zur Einholung eines weiteren Beurteilungsbeitrages des weiteren der Senatsgruppe angehörenden Richters geboten. Erklärbar sei der anders ausfallende Beitrag mit der nunmehrigen Position des Vorsitzenden als Präsidialrichter. Dort sei er nun in die „Gerichtsraison“ eingebunden zur Realisierung gewünschter Bewerbungserfolge. Es würden zunächst die zu befördernden Bewerber „ausgeguckt“ und anschließend die Beurteilungen passend hierzu erstellt. Damit folge die Gerichtsleitung einer Empfehlung des Vorsitzenden des Dienstrechtssenats beim Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg in einer Fortbildungsveranstaltung.

Die Regelbeurteilung lasse weiter nicht erkennen, wie weit der Statusamtswechsel zum 1. November 2013 berücksichtigt worden sei.

Was die Anlassbeurteilung angehe, so erweise sich diese insbesondere im Zusammenhang mit der Anlassbeurteilung als rechtswidrig. Dies gelte für die Wahl des Beurteilungszeitraums. Auch wegen des Entwicklungsgebots der Anlass- aus der Regelbeurteilung folge aus der Rechtswidrigkeit der Regelbeurteilung die Rechtswidrigkeit der Anlassbeurteilung.

Die Anfechtungs- und Aufhebungsklage sei zulässig. Die Beklagte werde ihm auch ohne ausdrückliche entsprechende Verurteilung eine neue Beurteilung erstellen müssen. Im Übrigen werde ein neuer Zeitraum zu berücksichtigen sein. Hinsichtlich der Anlassbeurteilung sei der Anlass, seine Bewerbung, mittlerweile vergangen bzw. erledigt. Einer Neuerstellung bedürfe es aus seiner Sicht nicht.

Seine Auffassung zu den mangelnden Erkenntnisgrundlagen der Regelbeurteilung stütze sich auch auf das Kammerurteil vom 7. April 2022 (VG 1 K 1139/19). Dies betreffe insbesondere das Erfordernis, sich für Zeiträume, in denen die Beurteilerin keine eigenen Erkenntnisse über den zu Beurteilenden hat, sich die Kenntnis der notwendigen Tatsachen zu verschaffen. Auch die Verwertung der Regelbeurteilung vom 9. Januar 2012 sei danach problematisch, weil diese Beurteilung weitgehend Zeiträume umfasst habe, die nicht im hier maßgeblichen Beurteilungszeitraum lägen (dort: 1. Juli 2005 bis 31. Juli 2011).

Der Kläger beantragt,

den Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2021 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihre Regelbeurteilung über den Kläger vom 20. Februar 2020 und ihre Anlassbeurteilung über den Kläger vom 1. Dezember 2020 aufzuheben,

hilfsweise unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2021 die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung ihrer Regelbeurteilung vom 20. Februar 2020 über den Kläger eine neue Regelbeurteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts für einen 5-Jahres-Zeitraum, beginnend am 1. November 2013, hilfsweise am 1. August 2011 zu erstellen,

 sowie

die Zuziehung der Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

und führt zur Begründung aus, dass die Klage hinsichtlich beider Beurteilungen bereits unzulässig sei. Es stehe dem Kläger kein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite, soweit er allein die Aufhebung der Beurteilungen begehre. Er müsse vielmehr jeweils auch die Neuerstellung anstreben. Die vom Kläger gerügte Synchronisierung der Beurteilungen sei nicht erfolgt, dieses Vorbringen sei zurückzuweisen. Da die Regelbeurteilung rechtmäßig sei, ergäben sich auch für die Anlassbeurteilung keine rechtlichen Fehler, etwa hinsichtlich des Zeitraums. Die Klage sei auch unbegründet. Es werde weitgehend auf den Widerspruchsbescheid verwiesen. Die Heranziehung weiterer Beurteilungsgrundlagen für den Zeitraum vor November 2013 über die Anlassbeurteilung der Präsidentin des Verwaltungsgerichts Berlin hinaus sei nicht erforderlich. Eigene Ermittlungen seien insoweit nicht anzustellen gewesen.

Der Kläger hat unter dem 19. Februar 2023 Verzögerungsrüge erhoben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs (ein Hefter) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage bleibt insgesamt ohne Erfolg.

I) Was die Zulässigkeit der gestellten Klageanträge angeht, so ist zunächst zugrunde zu legen, dass der gestellte Hilfsantrag sich bei sachgerechter Auslegung allein auf den im Hauptantrag gestellten Aufhebungsantrag hinsichtlich der Regelbeurteilung bezieht; soweit dieser nicht durchdringt, soll insoweit der Hilfsantrag gelten.

Die Klage ist – so verstanden – hinsichtlich der für die Anlassbeurteilung allein begehrten Aufhebung des Widerspruchsbescheides wie der Beurteilung selbst zulässig, hinsichtlich der im Hauptantrag hinsichtlich der Regelbeurteilung allein begehrten Aufhebung indes unzulässig. Der Kläger ist mit Blick auf die Statthaftigkeit seines Antrages gehalten, sein Begehr insoweit auf eine Neuerstellung der Regelbeurteilung zu richten. Vor diesem Hintergrund ist der hinsichtlich der Regelbeurteilung gestellte Hilfsantrag zulässig.

Die isolierte Anfechtungsklage gegen die Regelbeurteilung ist nicht statthaft. Über den Kläger wäre nach einer Aufhebung der angegriffenen Regelbeurteilung eine neue, rechtmäßige Regelbeurteilung durch die Beklagte zu erstellen. Dies entspricht auch seinem – objektivierten – möglichst effektiven Rechtsschutzbegehren. Der Kläger hat nach – unterstellter – Aufhebung der erteilten Regelbeurteilung einen Rechtsanspruch auf die Neuerstellung. Deshalb ist er gehalten, seinen Klageantrag auf die Neuerstellung zu erstrecken. Dem steht nicht der Vortrag entgegen, dass seiner Auffassung nach der Beurteilungszeitraum rechtswidrig sei und im Anschluss an eine Aufhebung erst von der Beklagten neu festzulegen sei. Dies kann er durch eine insoweit angepasste Formulierung – etwa wie er sie im Hilfsantrag gewählt hat – berücksichtigen.

Frühere dienstliche Beurteilungen bleiben für künftige Verwendungs- und Auswahlentscheidungen von Belang. Für Auswahlentscheidungen sind zwar in erster Linie aktuelle Beurteilungen maßgebend, die den gegenwärtigen Leistungsstand wiedergeben. Ältere dienstliche Beurteilungen können aber daneben als zusätzliche Erkenntnismittel berücksichtigt werden. Sie stellen keine Hilfskriterien für eine zu treffende Auswahlentscheidung dar. Es handelt sich vielmehr um Erkenntnisse, die über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des Beurteilten Aufschluss geben und die deswegen gegenüber Hilfskriterien vorrangig heranzuziehen sind. Zwar verhalten sie sich nicht zu dessen nunmehr erreichtem Leistungsstand in seinem derzeitigen Amt. Gleichwohl können sie vor allem bei einem Vergleich von Bewerbern bedeutsame Rückschlüsse und Prognosen über die künftige Bewährung in einem Amt mit einem höheren Endgrundgehalt ermöglichen. Das kommt namentlich dann in Betracht, wenn frühere Beurteilungen positive oder negative Aussagen über Charaktereigenschaften, Kenntnisse, Fähigkeiten, Verwendungen und Leistungen sowie deren voraussichtliche weitere Entwicklung enthalten. Derartige Äußerungen, insbesondere bei einer Gesamtwürdigung der vorhandenen dienstlichen Beurteilungen erkennbare positive oder negative Entwicklungstendenzen, können vor allem bei gleichwertigen aktuellen Beurteilungen von Bewerbern den Ausschlag geben. Ihre zusätzliche Berücksichtigung bei der Auswahl ist deswegen mit Blick auf Art. 33 Abs. 2 GG geboten, wenn eine Stichentscheidung unter zwei oder mehr aktuell im Wesentlichen gleich beurteilten Bewerbern zu treffen ist,

vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2002 - 2 C 31.01 -, juris Rn. 15.

Ein Anspruch auf erneute Erstellung einer dienstlichen Regelbeurteilung besteht deshalb auch dann, wenn der Beamte erneut beurteilt und (oder) befördert worden ist,

vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2002 - 2 C 31.01 -, juris Rn. 14; Urteil vom 2. März 2017 - 2 C 21/16 -, juris Rn. 13.

Was die angegriffene Anlassbeurteilung angeht, so bestehen nach der Rechtsprechung der Kammer,

Urteil vom 7. April 2022 - VG 1 K 1139/19 -, n. v., EA S. 20 ff.),

nach welcher dem Beurteilten kein Anspruch auf Neuerstellung einer Anlassbeurteilung zusteht, wenn sich der Anlass durch Zeitablauf erledigt hat, gegen eine isolierte Anfechtungsklage gegen die Beurteilung keine durchgreifenden Zulässigkeitsbedenken.

II) Die – im dargelegten Umfang – zulässige Klage ist unbegründet.

Der Widerspruchsbescheid der Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Januar 2021 ist sowohl insoweit, als er sich auf die Regelbeurteilung vom 20. Februar 2020 bezieht, als auch bezüglich der Anlassbeurteilung vom 1. Dezember 2020 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf Neuerstellung der Regelbeurteilung für den Zeitraum vom 12. Februar 2011 bis zum 11. Februar 2016 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (für die im Klageantrag genannten 5-Jahres-Zeiträume) noch auf (isolierte) Aufhebung der Anlassbeurteilung für den Zeitraum 12. Februar 2016 bis zum 1. Dezember 2020 zu.

1) Die dienstliche Beurteilung dient der Verwirklichung des mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsatzes, Richter nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung einzustellen und zu befördern, Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG). Ihr Ziel ist es, die den Umständen nach optimale Verwendung des Richters zu gewährleisten und so die im öffentlichen Interesse liegende Erfüllung der Aufgabe der Rechtsprechung durch unabhängige Richter (Art. 92 GG) bestmöglich zu sichern. Zugleich dient die dienstliche Beurteilung dem berechtigten Anliegen des Richters, entsprechend seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung voranzukommen. Die dienstliche Beurteilung soll den Vergleich mehrerer Richter miteinander ermöglichen. Die Eignung von dienstlichen Beurteilungen als Vergleichsgrundlage setzt voraus, dass sie inhaltlich aussagekräftig sind. Sie müssen eine tragfähige Grundlage für die Auswahlentscheidung vermitteln. Hierfür ist erforderlich, dass sie die dienstliche Tätigkeit im maßgebenden Beurteilungszeitraum vollständig erfassen, auf zuverlässige Erkenntnisquellen gestützt sind, die Leistungen hinreichend differenziert darstellen sowie auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhen,

vgl. BVerwG, Urteil vom 1. März 2018 - 2 A 10.17 -, juris Rn. 29 f.

Gleiche Bewertungsmaßstäbe müssen den dienstlichen Beurteilungen insbesondere auch hinsichtlich der für die Gesamturteilsbildung vorzunehmenden Gewichtung der Einzelmerkmale zugrunde gelegt werden. Wie die einzelnen Beurteilungskriterien zu gewichten sind, gibt Art. 33 Abs. 2 GG dabei nicht unmittelbar vor. Es ist vielmehr Sache des Dienstherrn festzulegen, welches Gewicht er den einzelnen Merkmalen für die Bildung des Gesamturteils beimessen will,

vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2016 - 2 VR 1.16 -, juris Rn. 16; Urteil vom 17. September 2015, a. a. O., Rn. 32.

Dabei haben die Gerichte die Grenzen ihrer Prüfungskompetenz zu beachten. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle der Beurteilung ist auf die Überprüfung beschränkt, ob der Dienstherr gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, die anzuwendenden Begriffe oder den gesetzlichen Rahmen verkannt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat. Hingegen darf das Gericht nicht die fachliche und persönliche Beurteilung des Richters durch seinen Dienstvorgesetzten in vollem Umfang nachvollziehen oder diese durch eine eigene Beurteilung ersetzen. Denn nur der für den Dienstherrn handelnde Vorgesetzte soll ein Werturteil darüber abgeben, ob und inwieweit der Richter den – ebenfalls vom Dienstherrn zu bestimmenden – fachlichen und persönlichen Anforderungen des Amtes unter Wahrung der Grundsätze der richterlichen Unabhängigkeit entspricht. Bei einem derartigen dem Dienstherrn vorbehaltenen Akt wertender Erkenntnis steht diesem eine der gesetzlichen Regelung immanente Beurteilungsermächtigung zu,

vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Juli 2021 - 2 C 2.21 -, juris Rn. 10.

2) Gemessen hieran bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken gegen die Regelbeurteilung vom 20. Februar 2020.

a) Zunächst bestehen gegen die Erstellung der Beurteilung auf der Grundlage der nach § 9 Abs. 3 BbgRiG erlassenen Beurteilungsrichtlinien, nämlich der Gemeinsamen Allgemeinen Verfügung der Ministerin der Justiz und der Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie „Dienstliche Beurteilung der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte“ (Beurteilungs-AV) vom 20. Juni 2005, zuletzt geändert durch Allgemeine Verfügung des Ministers der Justiz vom 29. August 2011, keine rechtlichen Bedenken.

Soweit der Kläger zunächst die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Gesetzesvorbehalt bei der dienstlichen Beurteilung von Richtern (wie auch Beamten) in Bezug genommen hat, vermag dies seine Klage nicht zu stützen. Wie der Kläger selbst im weiteren klagebegründenden Vorbringen der Sache nach zugestanden hat, sind seine Darlegungen insoweit durch die jüngere Rechtsprechung zur weiteren vorübergehenden Anwendung der Beurteilungs-AV überholt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Juli 2021 - 2 C 2.21 -, juris Rn. 40;

b) Soweit der Kläger die mangelnde Beteiligung des Richterrats bei der Erstellung der Beurteilungen rügt, vermag sein Vorbringen nicht zu überzeugen. Ein Mitbestimmungsrecht des örtlichen Richterrats hinsichtlich der Erstellung von individuellen dienstlichen Beurteilungen besteht nicht, insbesondere nicht nach § 41 Satz 1 BbgRiG. Die Kammer verweist insoweit auf ihre zu dieser Frage ergangenen Entscheidungen und hält die darin zur Begründung ihrer Auffassung dargelegte Begründung – auch mit Blick auf das Vorbringen des Klägers im vorliegenden Verfahren – weiter aufrecht und folgt dieser auch im vorliegenden Verfahren.

Vgl. Urteil vom 23. Februar 2023 - VG 1 K 2988/20 -, juris Rn. 56 ff.; Beschluss vom 6. September 2021 - VG 1 L 339/21 -, juris Rn. 56 ff.

c) Die Rechtmäßigkeitsbedenken des Klägers gegen die Regelbeurteilung, die er daraus ableitet, dass die Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg als Beurteilerin einen fehlerhaften Beurteilungszeitraum gewählt habe, greifen nicht durch.

Die Beurteilerin hat den Beurteilungszeitraum hier an der Vorschrift des § 2 Abs. 2 Beurteilungs-AV orientiert, nach dem die Obergerichtspräsidenten jeweils für ihren Geschäftsbereich bestimmen, ob sich der Beurteilungsrhythmus an der Anstellung des Richters oder an einheitlichen Beurteilungsstichtagen ausrichtet; im Geschäftsbereich der Beklagten ist insoweit bestimmt, dass sich der Rhythmus an dem Datum der Lebenszeitverplanung ausrichtet. Da der Kläger am 12. Februar 2001 im Dienstverhältnis auf Lebenszeit ernannt wurde, ergibt sich bei Zugrundelegung des fünfjährigen Regelbeurteilungszeitraums (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 Beurteilungs-AV) der in der angefochtenen Regelbeurteilung zugrunde gelegte Zeitraum von Februar 2011 bis Februar 2016.

Eine davon abweichende Bestimmung des Beurteilungszeitraums folgt nicht aus übergeordneten rechtlichen Gesichtspunkten. Die Beförderung eines Richters innerhalb des vom Dienstherrn festgesetzten Beurteilungszeitraums führt nicht dazu, dass dieser entsprechend zu verkürzen wäre, sondern hat lediglich zur Folge, dass im Rahmen der Regelbeurteilung sämtliche von dem Beamten während dieses Zeitraums erbrachten Leistungen am Maßstab der Anforderungen des am Beurteilungsstichtag innegehabten Amtes zu würdigen sind, wenn die einschlägigen Beurteilungsrichtlinien und die (rechtmäßige) Beurteilungspraxis keine abweichende Regelung vorgegeben. Ein sog. Beurteilungssplitting ist in diesen Fällen nicht geboten.

Vgl. (für den Fall eines Beamten) Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26. August 1993 - 2 C 37/91 -, juris Rn. 13; ebenso Nds. OVG, Urteil vom 6. September 2019 - 5 ME 137/19 -, juris Rn. 24 f.; SOVG, Beschluss vom 24. September 2014 - 1 A 227/14 -, juris Rn. 20; VGH BW, Urteil vom 15. Juni 1993 - 4 S 1665/91 -, juris Rn. 40; VG Düsseldorf, Urteil vom 26. März 2010 - 13 K 1490/09 -, juris Rn. 33; a. A. Bodanowitz in: Schnellenbach/Bodanowitz, Die dienstliche Beurteilung der Beamten und der Richter, Stand 05/2023, Rn. 352 (bei Fn. 15).

Der Umstand, dass der Kläger im Beurteilungszeitraum einen Wechsel im Statusamt vollzogen hat, kommt jedenfalls in der Regelbeurteilung hinreichend deutlich zum Ausdruck (vgl. etwa die Darstellung der Dienstlaufbahn, S. 1 der Regelbeurteilung; weiter die Ausführungen zur Erläuterung der Beurteilungsgrundlagen, S. 4; s. auch die Begründung des Gesamturteils, wo es a. E. heißt, die Leistungen würden an den Anforderungen des „zuletzt“ innegehabten Statusamts gemessen). Vor diesem Hintergrund ist auch davon auszugehen, dass die Beurteilerin dies bei ihrer Beurteilung – mit Blick auf die unterschiedlichen Maßstäbe – berücksichtigt hat.

Auch der Umstand, dass der Kläger mit der Beförderung einen Dienstherrenwechsel vom Land Berlin zu der gemeinsamen Zuständigkeit der Länder Berlin und Brandenburg für das gemeinsame Fachobergericht des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vollzog,

vgl. zur Dienstherrensituation der planmäßigen Richter der gemeinsamen Fachobergerichte Art. 2 Abs. 1 Satz 1 des Staatsvertrages über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg vom 26. April 2004 (StaatsV) („stehen im Dienste beider Länder“),

steht – mit Blick auf den nach Art. 9 Abs. 2 StaatsV abgesicherten einheitlichen Beurteilungsmaßstab, insbesondere auf die aufeinander abgestimmt gewesenen, weitgehend identischen Beurteilungs-AV und auch die ansonsten angepassten richterrechtlichen Regelungen – einer Einbeziehung des vor der Beförderung liegenden Beurteilungszeitraums nicht entgegen.

Dem gewählten Ausgangspunkt des Beurteilungszeitraums steht auch nicht entgegen, dass die Regelbeurteilung durch ihn nicht an die letzte vorliegende Regelbeurteilung (vom 9. Januar 2012, Zeitraum vom 1. Juli 2005 bis 31. Juli 2011) anschließt, sondern sich eine Überschneidung von rund fünfeinhalb Monaten ergibt. Wie die Beklagte zu Recht hervorgehoben hat, erscheint es ausnahmsweise rechtlich unbedenklich, dass als Beurteilungsgrundlage für einen solchen Zeitabschnitt, der im Verhältnis zum Gesamtbeurteilungszeitraum vom fünf Jahren weniger als ein Zehntel ausmacht, durch eine Einhaltung des in der Sozialgerichtsbarkeit praktizierten Systems (Abstellen auf Lebenszeitverplanung) sich eine Überschneidung von fünfeinhalb Monaten mit einer früher für den Kläger erstellten Regelbeurteilung ergibt. Dies kann hier aufgrund der Sondersituation des Dienstherrenwechsels und des damit einhergehenden Systemwechsels des Regelbeurteilungszeitpunkts – jedenfalls für einen wie dargelegt kürzeren Abschnitt – hingenommen werden.

d) Durchgreifende Bedenken bestehen – anders als der Kläger meint – auch nicht gegen die herangezogenen Grundlagen der Regelbeurteilung.

aa) Die Beurteilerin, die erst im August 2017 in ihr Amt gekommene Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg, Frau S..., hatte keine umfänglich hinreichenden eigenen Erkenntnisse über Leistung, Eignung und Befähigung des Klägers im Beurteilungszeitraum Februar 2011 bis Februar 2016, um allein auf dieser Grundlage die Beurteilung sachgerecht erstellen zu können.

In einem solchen Fall muss der Beurteiler sich die Informationen verschaffen, die es ihm ermöglichen, diejenigen in der Beurteilung zu bewertenden Elemente der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zutreffend zu erfassen, über die er keine aus eigener Anschauung gewonnene Erkenntnis besitzt. Hierfür kommen vorrangig, aber nicht ausschließlich, schriftliche oder mündliche Beurteilungsbeiträge der früher für die Beurteilung Zuständigen sowie von Personen in Betracht, die die Dienstausübung des Bewerbers aus unmittelbarer eigener Anschauung kennen. In diesen Fällen müssen die Beurteilungsbeiträge der sachkundigen Personen bei der Ausübung des Beurteilungsspielraumes berücksichtigt werden. Die Beurteilungsbeiträge müssen in Umfang und Tiefe so beschaffen sein, dass sie die Erstellung der dienstlichen Beurteilung in der erforderlichen Differenzierung ermöglichen. Auch Beurteilungsbeiträge von inzwischen in den Ruhestand getretenen früheren Vorgesetzten sind, soweit nötig und möglich, einzuholen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. März 2018 - 2 A 10.17 -, juris Rn. 22; Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 -, juris Rn. 47.

bb) Vor diesem Hintergrund hat sich die Beurteilerin in zulässiger Weise auf die Durchsicht von Verfahrensakten, auf Berichterstatterstatistiken für den Zeitraum ab November 2013, insbesondere für die Zeit ab 1. Januar 2014 auf den schriftlichen Beurteilungsbeitrag des Senatsvorsitzenden des Klägers vom 12. August 2019 sowie schließlich auf die von der Präsidentin des Verwaltungsgerichts Berlin am 9. Januar 2012 bzw. am 16. August 2019 erstellten Regel- bzw. Anlassbeurteilungen gestützt. Damit war es hinreichend möglich, die in der Beurteilung zu bewertenden Elemente der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung des Klägers zu erfassen.

Rechtlich unbedenklich erscheint es, dass die älteste als Beurteilungsgrundlage herangezogene Beurteilung, die nachgeholte Regelbeurteilung vom 9. Januar 2012, die den Beurteilungszeitraum vom 1. Juli 2005 bis 31. Juli 2011 umfasst, zeitlich rückwärtig über den in der Regelbeurteilung vom 20. Februar 2020 erfassten Beurteilungszeitraum (12. Februar 2011 bis 11. Februar 2016) hinausreicht. Die Beurteilung umfasst damit jedenfalls auch den Bereich der zeitlichen Überschneidung beider Beurteilungen (12. Februar bis 31. Juli 2011, rund fünfeinhalb Monate) und enthält keine Hinweise darauf, dass der durch die Beurteilerin vom Kläger gewonnene Eindruck in unterschiedlichen Abschnitten des Beurteilungszeitraums erheblich schwankend gewesen sein könnte. Im Übrigen betrifft der Abschnitt weniger als ein Zehntel des gesamten Beurteilungszeitraums der Regelbeurteilung vom 20. Februar 2020 und innerhalb des gesamten Beurteilungszeitraums wiederum nur den zeitlich am weitesten zurückliegenden Bereich, der am wenigsten aussagekräftig für die Beurteilung vom 20. Februar 2020 war. Dass eine Einbeziehung von früheren dienstlichen Beurteilungen, die rückwärtig über den jetzt erheblichen Zeitraum hinausreichen, stets unzulässig wäre, ergibt sich auch nicht etwa – wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung nahegelegt hat – aus dem Kammerurteil vom 7. April 2022 (VG 1 K 1139/19), wo zu dieser Frage keine gerichtliche Auffassung ausgeführt wurde (vgl. ebd. EA S. 15). Der Zeitraum der Überschneidung betrifft übrigens auch nicht – wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausführte – den Zeitraum seiner Abordnung an das Landessozialgerichtlich Berlin-Brandenburg, da diese Abordnung zu Erprobungszwecken (ausweislich der Darstellung der Dienstlaufbahn in der Regelbeurteilung vom 9. Januar 2012) bereits am 31. Januar 2011 endete.

Der weitere, an die Regelbeurteilung vom 9. Januar 2012 anschließende Zeitraum der hier streitgegenständlichen Regelbeurteilung, also die Zeit vom 1. August 2011 bis zum 11. Februar 2016, werden jedenfalls durch die 2019 erstellte und in der Regelbeurteilung in Bezug genommene Anlassbeurteilung der Präsidentin des Verwaltungsgerichts Berlin sowie – bis auf die Monate November und Dezember 2013 – durch den Beurteilungsbeitrag des Senatsvorsitzenden von 2019 abgedeckt. Dass insoweit hinsichtlich eines Zeitraumes von zwei Monaten (unmittelbar nach der Verplanung des Klägers als Richter am Landessozialgericht) kein Beurteilungsbeitrag vorliegt, ist aufgrund der im Verhältnis zum Gesamtbeurteilungszeitraum anzunehmenden Geringfügigkeit – anders als der Kläger meint – unschädlich und auch nachvollziehbar, das in dieser Zeit von zwei Monaten der Kläger in einer anderen Senatsgruppe tätig war. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass jedenfalls die herangezogenen Verfahrensakten und das erhobene statistische Material den gesamten Beurteilungszeitraum abdeckt. Dies genügt insgesamt für die Erstellung der Beurteilung in der erforderlichen Differenzierung.

Soweit der Kläger schließlich kritisiert, die als Beurteilungsgrundlage am Ende des entsprechenden Abschnitts (S. 3) angeführten „vielfältigen weiteren Eindrücke“ seien nicht nachvollziehbar, da die erst 2017 an das Landessozialgericht gekommene Beurteilerin selber keine persönlichen „weiteren Eindrücke“ von ihm im Beurteilungszeitraum habe gewinnen können, führt dies nicht weiter. Es erscheint gerade nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Beurteilerin, etwa über die beiläufige Einsicht in weitere Verfahrensakten aus dem Beurteilungszeitraum oder durch die Lektüre von Entscheidungsabdrücken aus diesem Zeitraum, sich weitere Eindrücke von der Eignung und den Leistungen des Klägers verschafft hat. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, würde die Aufnahme der etwas formelhaften Formulierung in die Beurteilung in einem Fall wie hier, wo wie dargelegt ausreichende Beurteilungsgrundlagen herangezogen wurden, nicht ohne Weiteres zu einer Rechtswidrigkeit der Regelbeurteilung führen können.

c) Die mit der Klagebegründung erhobenen Einwände gegen die konkrete Bewertung der Beurteilerin in dem Merkmal Nr. 3 („Verhandlungskompetenz“) greifen nicht durch. Die Beurteilerin war nicht gezwungen, an der einzigen von dem Kläger selbst im Beurteilungszeitraum geleiteten Senatssitzung teilzunehmen oder hierzu eine beauftragte Person zu entsenden, um für eine Beurteilung des Merkmals eine ausreichende Grundlage zu haben. Der Kläger hat (als Berichterstatter) grundsätzlich keine mündlichen Verhandlungen des Senats selbst geleitet. Die Beurteilerin hat sich gerade auch die Akte zu dem vom Kläger angeführten Verfahren als eine der durchzusehenden Akten vorlegen lassen und sich so einen Eindruck vom Schwierigkeitsgrad der Sache und vom Verlauf der Verhandlung verschafft. Damit hat sie das ihr zustehende Ermessen, in welcher Weise sie sich die tatsächlichen Grundlagen für die Beurteilung verschafft, in nicht zu beanstandender Weise genutzt. Sie war nicht gezwungen, darüber hinaus – wie der Kläger meint – Beurteilungsbeiträge der beisitzenden Richter einzuholen. Dies auch schon deshalb, weil die Beurteilung des Merkmals nicht ausschließlich von den nicht aus dem Sitzungsprotokoll ablesbaren Details dieser (einen) Sitzung abhängen wird, so dass selbst bei einer besonders guten Durchführung es nicht zwingend erscheint, dass das Beurteilungsmerkmal insgesamt in der höchsten Ausprägungsstufe bewertet werden müsste. Die Beurteilerin hat sich eine Grundlage für ihre Beurteilung des Merkmals auch durch den Beurteilungsbeitrag des Vorsitzenden der Senatsgruppe verschafft. Im Übrigen hat der Kläger bei dem Merkmal eine „gute“ und damit die zweitbeste Bewertung erreicht.

d) Soweit der Kläger das schlechtere Ausfallen des Beurteilungsbeitrages seines Senatsvorsitzenden gegenüber dem Beurteilungsbeitrag, der vom selben Vorsitzenden für seine Erprobungsbeurteilung erstellt worden sei, rügt, führt das nicht weiter. Wie die Beklagte zu Recht herausgestellt hat, führt der Kläger selbst in diesem Zusammenhang keine Unrichtigkeiten an. Auch Vorbringen zu konkreten Bewertungen, die der Kläger als unsubstantiiert als unplausibel bewerten würde, liegt nicht vor. Letztlich rügt er allein allgemein die inhaltlichen Ausführungen des Vorsitzenden und verbindet das weniger vorteilhafte Ausfallen rein spekulativ mit der Position des Vorsitzenden als Präsidialrichter.

e) Wenn der Kläger ein Abfallen seiner Beurteilung gegenüber der Erprobungsbeurteilung für 2010/11 rügt, bleibt auch dies letztlich substanzlos. Ein Automatismus, nach dem die späteren Leistungen eines Richters stets genauso gut oder besser zu bewerten sein müssten als die früheren, existiert nicht.

f) Das Vorbringen des Klägers zu einer Synchronisierung der Beurteilungen mit anstehenden Beförderungsverfahren bleibt unsubstantiiert. Soweit der Antragsteller insoweit der Sache nach rügt, die Vergabe von Bestnoten würde durch die Beklagte willkürlich erfolgen und deren Vergabe mit der Anzahl der in anstehenden Besetzungsverfahren zu vergebenden Stellen synchronisiert, überzeugt dies nicht. Durchgreifende Anhaltspunkte für eine gezielte (manipulative) „Synchronisierung“ von Beurteilungsergebnissen und insbesondere auch der vorliegend im Streit stehenden Beurteilungen mit den anstehenden Beförderungsmöglichkeiten,

vgl. zur Rechtswidrigkeit einer solchen Synchronisierung – mit Rechtsprechungsnachweisen – Schnellenbach/Bodanowitz, a. a. O., Rn. 179a (Fn. 119), 215 (Fn. 143) und 473b (Fn. 162c und 162d).

bestehen nicht.

Auch wenn es für den Kläger den Anschein haben mag, so ist doch seine Behauptung, sein Beurteilungsverfahren sei willkürlich dahingehend zielorientiert gesteuert worden, dass er, der er nicht für eine Stellenbesetzung „ausgeguckt“ sei, keine für eine Auswahl hinreichende Beurteilung erhalten habe, letztlich in tatsächlicher Hinsicht nicht hinreichend fundiert und daher für die Entscheidung nicht als zutreffend zugrunde zu legen ist. Der Kläger verweist im Kern auf in der Vergangenheit stattgefundene Auswahlverfahren, in denen die Zahl der besonders gut beurteilten Bewerber mit denen der ausgeschriebenen Stellen identisch gewesen sei. Es widerspreche den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit und Logik, wenn in Stellenbesetzungsverfahren entsprechend der Anzahl der zu vergebenden Stellen eine „rasante Entwicklung“ der ausgewählten Bewerber hin zur Bestnote festzustellen sei.

Die Beklagte hat der behaupteten Synchronisation widersprochen. Konkrete Hinweise auf eine derartige Synchronisation lassen sich weder dem Antragsvorbringen noch aus den Akten entnehmen. Allein der Umstand, dass in der Vergangenheit ggf. mitunter die Anzahl der mit dem Gesamturteil „herausragend“ (und der vorausschauenden Eignungsbewertung „hervorragend geeignet“) beurteilten Richterinnen und Richter mit der Anzahl der Beförderungsmöglichkeiten, in den Auswahlverfahren übereingestimmt haben, bietet für sich genommen keinen hinreichenden Anhaltspunkt für die Annahme eines willkürlichen und manipulativen Vorgehens der Antragsgegner. Die Annahme, diese Beurteilungslage hätte sich nicht allein aufgrund einer an gleichen Maßstäben erfolgten Beurteilung der Leistung und Befähigung der jeweils konkurrierenden Richterinnen und Richter ergeben, könnte letztlich nur durch eine entsprechende Unterstellung gestützt werden, für die kein tragfähiger Anlass erkennbar ist. Eine entsprechende gerichtliche Ermittlung von Amts wegen würde „ins Blaue hinein“ erfolgen. Die Ausführungen des Antragstellers zu diesbezüglichen Wahrscheinlichkeiten sind unergiebig.

e) Das am Ende in der Regelbeurteilung enthaltene Gesamturteil bedarf nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in der Regel einer gesonderten Begründung, um erkennbar zu machen, wie es aus den Einzelbegründungen hergeleitet wird.

Grundlegend Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 27.14 -, juris Rn. 30 ff.; ebenso Urteil vom 28. Januar 2016 - 2 A 1.14 -, juris Rn. 38 ff.

Das Begründungserfordernis für das Gesamturteil bezieht sich nicht nur auf das Ankreuzverfahren. Die aufgestellten Anforderungen beanspruchen nach ihrer rechtlichen Ableitung aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG), dem Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) sowie aus der Funktion der dienstlichen Beurteilung, eine tragfähige Grundlage für eine an den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG orientierte Auswahlentscheidung zu vermitteln, vielmehr Geltung für alle Beurteilungen unabhängig von der Fassung der Einzelbewertungen. Sind – wie vorliegend – für die Einzelbewertungen einerseits und für das Gesamturteil andererseits unterschiedliche Bewertungsskalen vorgesehen, bedarf es daher einer – ggf. kurzen – Begründung des Gesamturteils.

Welches Gewicht den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG im konkreten Einzelfall zukommt, ist dieser Bestimmung nicht zu entnehmen. Im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens ist es daher Sache des Dienstherrn festzulegen, welches Gewicht er den einzelnen Merkmalen zumessen will. Das abschließende Gesamturteil darf sich nicht auf die Bildung des arithmetischen Mittels aus den einzelnen Leistungsmerkmalen beschränken. Vielmehr kommt im Gesamturteil die unterschiedliche Bedeutung der Einzelbewertungen durch ihre entsprechende Gewichtung zum Ausdruck. Es ist dementsprechend durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen Gesichtspunkte zu bilden. Diese Gewichtung bedarf schon deshalb einer Begründung, weil nur so die Einhaltung gleicher Maßstäbe gewährleistet und das Gesamturteil nachvollzogen und einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden kann.

Der Umstand, dass die Beurteilungen im Geschäftsbereich der Präsidentin des Landessozialgerichts auf einem – von § 4 Beurteilungs-AV ausdrücklich geforderten – einheitlichen Beurteilungsmaßstab beruhen, macht eine einzelfallbezogene Begründung nicht entbehrlich. Die Praxis, die Gesamtnote nach der Anzahl der zu den Beurteilungsmerkmalen vergebenen Ausprägungsgrade zu bestimmen, erfordert im Einzelfall eine wertende Betrachtung, wenn eine unzulässige Arithmetisierung ausgeschlossen werden soll. Die damit erklärtermaßen vorgenommene Abwägung bedarf einer Begründung, da die Bildung des Gesamturteils und die Einhaltung des Beurteilungsmaßstabs nur auf einer solchen Grundlage nachvollzogen werden kann. Der Beurteiler ist jedoch nicht gehindert, im Rahmen eines einheitlichen Beurteilungsmaßstabs auf die Anzahl der unterschiedlichen Ausprägungsgrade abzustellen und auch Leistungsunterschieden innerhalb der einzelnen Ausprägungsgrade Rechnung zu tragen. Nach den vom Bundesverwaltungsgericht aufgezeigten, verfassungsrechtlich fundierten Anforderungen muss er aber den im Einzelfall erfolgten Abwägungsprozess in einer – ggf. kurzen – Begründung offenlegen,

vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Oktober 2016 - OVG 4 S 21.16 -, juris Rn. 4 ff.

Das Gesamturteil muss alle vom Dienstherrn bewertete Einzelmerkmale der drei Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG umfassen. Dabei muss gewährleistet sein, dass alle Einzelmerkmale, die der Normgeber als für Art. 33 Abs. 2 GG relevant ansieht, in das abschließende Gesamturteil einfließen.

Die Art und Weise, wie das zusammenfassende Gesamturteil als Ergebnis der Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen Merkmale zu bilden ist, ist von Art. 33 Abs. 2 GG nicht konkret vorgegeben und unterliegt deshalb der Gestaltung durch den Normgeber, solange dieser nicht Einzelmerkmale der drei Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG völlig unberücksichtigt lässt. Die Eignung i. S. v. Art. 33 Abs. 2 GG umfasst insbesondere Persönlichkeit und charakterliche Eigenschaften, die für ein bestimmtes Amt von Bedeutung sind. Den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG ist bereits dann genüge getan, wenn das Merkmal der Eignung seinem materiellen Gehalt nach in die dienstliche Beurteilung einfließt und bei der Bildung des Gesamturteils berücksichtigt wird. Dieses materielle Verständnis reicht aus, um bei Auswahlentscheidungen auf der Grundlage der dienstlichen Beurteilung allen in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Kriterien gerecht zu werden.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 09. September 2021 - 2 A 3.20 - juris Rn. 46-49.

An diesem Maßstab orientiert erweist sich die Begründung des Gesamturteils als rechtmäßig.

Nach der Begründung des Gesamturteils der Regelbeurteilung vom 20. Februar 2020 orientiert sich die Bildung der Gesamtnote an den gerichtsintern bekanntgegebenen Maßstäben, auf die sich die Obergerichtspräsidenten und Generalstaatsanwälte in Berlin und Brandenburg am 19. Januar 2017 in Umsetzung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen zur Vereinheitlichung der Beurteilungspraxis einschließlich einer Orientierungshilfe und Gewichtung verständigt haben, und dem Beschluss der Präsidentin des Landessozialgerichts und der Präsidentin des Sozialgerichts Berlin in einer Beurteilungskonferenz am 28. Februar 2017, diese Vereinheitlichung für alle noch zu eröffnenden Beurteilungen anzuwenden. Ausgehend hiervon komme es auf die Anzahl der Ausprägungsgrade und die Gewichtung der einzelnen Leistungs- und Befähigungsmerkmale an. Im Anschluss hieran werden zutreffend die erreichten Ausprägungsgrade zusammengefasst und dargestellt, inwieweit in einem Fall eine „besondere“ Ausprägung und im Übrigen „gute“ Ausprägungen vom Kläger in besonders wichtigen Merkmalen erreicht worden sind. Schließlich erfolgt die Zusammenfassung in der Gesamtbewertung unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Anforderungen im innegehabten Statusamt der Besoldungsgruppe R 2.

Leistung und Befähigung werden ausdrücklich angesprochen („Leistungs- und Befähigungsmerkmale“). Materiell wird auch die Eignung des Klägers in einem ausreichenden Umfang beurteilt. Denn insbesondere mit den Merkmalen „Entschlusskraft“, „Leistungsfähigkeit“ und „Verantwortungsbewusstsein“ sind Gesichtspunkte bewertet und in die Begründung des Gesamturteils eingeflossen, die zumindest auch eine Aussage über die Eignung des Klägers beinhalten. Auch wird nicht schematisch auf die Orientierungshilfe der Oberpräsidenten und der Generalstaatsanwälte vom 21. März 2017 abgestellt, sondern noch erkennbar eine eigene Beurteilung vorgenommen.

3) Auch hinsichtlich der Anlassbeurteilung vom 1. Dezember 2020 bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen deren Rechtmäßigkeit. Ein Anspruch auf Aufhebung der Beurteilung steht dem Kläger deswegen nicht zu.

Der Kläger selbst hat sich insoweit im Wesentlichen darauf bezogen, dass aus der Rechtswidrigkeit der Regelbeurteilung auch jene der Anlassbeurteilung folge, insbesondere hinsichtlich des Beurteilungszeitraums und des rechtlichen Gebots, die Anlassbeurteilung aus der Regelbeurteilung zu entwickeln. Da die Regelbeurteilung indes, wie dargestellt, rechtmäßig ist, geben diese beiden vom Kläger genannten Gesichtspunkte auch keinen Anlass, an der Rechtmäßigkeit der Anlassbeurteilung zu zweifeln.

Sonstige Gründe, die für eine Rechtswidrigkeit der Anlassbeurteilung vom 1. Dezember 2020 streiten würden, sind für das Gericht nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen. Dies betrifft sowohl die Erkenntnisgrundlagen für die Beurteilung, als auch den Beurteilungszeitraum, als auch die Ausführungen zu den einzelnen Beurteilungsmerkmalen (von denen nunmehr ein zweites, nämlich die Verhandlungskompetenz, als „besonders“ ausgeprägt bewertet wurde).

III) Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung i. V. m. § 167 VwGO. Gründe, gemäß §§ 124 Abs. 2, 124a Abs. 1 VwGO die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor.

B e s c h l u s s:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt (doppelter Auffangstreitwert), § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes.