Gericht | OLG Brandenburg 1. Strafsenat | Entscheidungsdatum | 12.07.2023 | |
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Aktenzeichen | 1 ORs 12/23 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:0712.1ORS12.23.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 4. kleinen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin vom 01. März 2023 aufgehoben.
Der Angeklagte wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Landeskasse zur Last.
I.
Mit Strafbefehl vom 13. Mai 2022 hat das Amtsgericht Oranienburg gegen den Angeklagten wegen Beleidigung und Bedrohung eine Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen zu je 15,00 € verhängt. Auf seinen hiergegen gerichteten Einspruch hat das Amtsgericht das Verfahren mit Urteil vom 19. Juli 2022 wegen des Verfahrenshindernisses gemäß § 260 Abs. 3 StPO eingestellt.
Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft hat die 4. kleine Strafkammer des Landgerichts Neuruppin am 01. März 2023 das angefochtene Urteil aufgehoben und den Angeklagten wegen Bedrohung zu einer Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen zu je 30,00 € verurteilt.
In den Urteilsfeststellungen führt das Berufungsgericht aus:
„Zu dem vom Angeklagten in der H…allee … in H…N… bewohnten Haus gehört ein Grundstück, das direkt an das von den Zeugen I... und L… N... bewohnten Hausgrundstück in der H…allee … in H…N… grenzt. Die Zeugen erwarben ihr Grundstück im August 2018 und haben ihren Lebensmittelpunkt dort etwa seit 2019. Das Verhältnis zu dem Angeklagten und Nachbarn gestaltete sich von Beginn an als schwierig. Es kam zu verschiedenen, verbalen Auseinandersetzungen zwischen den Nachbarn, wobei im Wesentlichen die ebenfalls aus B… stammende Zeugin N... Ziel der verbalen Anfeindungen des Angeklagten war. Aus diesem Grund ließen die Zeugen N... im Juni 2021 einen Zaun an der Grundstücksgrenze zum Angeklagten errichten.
Am Nachmittag des 29.06.2021 gegen 15.30 Uhr waren die Zeugen I... und L… N... in ihrem Garten, um sich den Fortschritt an den Bauarbeiten des Zauns anzusehen, als auch der Angeklagte sich auf dem von ihm bewohnten Grundstück an die Grenze begab und die entlang der Grundstücksgrenze auf ihrem Grundstück laufenden Zeugen auf seinem Grundstück begleitete. Dabei bezeichnete der Angeklagte die Zeugin N... als „gieriger Arsch“, „fette Kuh“, „Prostituierte“, „dreckige Hure“ und „alte Schlampe“ und behauptete, dass sie abgetrieben habe, um sie in ihrer Ehre zu verletzen. Ferner rief er der Zeugin N... zu, dass sie „Blut scheißen“ werde, er sie ins Gefängnis stecken und sie ertränken werde, wobei er mit Gesten seinen Worten Nachdruck verlieh. Die Zeugin N... nahm die Worte aufgrund der seit Jahren bestehenden nachbarschaftlichen Differenzen ernst und zog sich mit ihrem Ehemann ohne Widerworte zurück.“
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen und formellen Rechts rügt.
II.
Die nach § 333 StPO statthafte und nach §§ 341, 344, 345 StPO form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision hat auf die Sachrüge hin Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zum Freispruch des Angeklagten.
Die Verurteilung des Angeklagten wegen der ihm vorgeworfenen Bedrohung hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.
Die vom Landgericht Neuruppin getroffenen Feststellungen tragen die Annahme der Verwirklichung des Tatbestands der Bedrohung gemäß § 241 Abs. 1 StGB in der bis zum 30. Juni 2021 geltenden Fassung nicht.
Der vorliegend in Betracht kommende § 241 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter die von seinem Willen abhängige Begehung eines Verbrechens in Aussicht stellt, wobei das ausdrücklich erklärte oder konkludent zum Ausdruck gebrachte Inaussichtstellen der Begehung eines Verbrechens gegen den Drohungsadressaten seinem Erklärungsgehalt nach objektiv geeignet erscheint, den Eindruck der Ernstlichkeit zu erwecken. Aus dem Tatbestand werden indes diejenigen Ankündigungen ausgeklammert, die nicht als objektiv ernst zu nehmende Bedrohungen mit einem Verbrechen angesehen werden können, selbst wenn der Bedrohte sich von der Ankündigung hat beeindrucken lassen (vgl. Gropp/Sinn in Münchener Kommentar, StGB, § 241 Rn. 4 m. w. N.; Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 241 Rn. 3a).
Vorliegend fehlen im Urteil hinreichende objektive Anknüpfungstatsachen, welche die Annahme rechtfertigten, der Angeklagte habe ernstlich mit der Begehung eines Verbrechens zum Nachteil der Zeugin N... gedroht. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich entnehmen, dass die Situation an der Grundstücksgrenze eskalierte und der Angeklagte die Zeugin mit einer Beleidigungsflut überzog, in welcher auch die Worte fielen, er werde sie ins Gefängnis stecken und sie ertränken. Ein solcher Lebenssachverhalt vermittelt einem objektiven Betrachter oder einem objektiven Durchschnittsmenschen aber nicht den Eindruck der Ernstlichkeit der Äußerung, er werde die Zeugin durch Ertränken töten, insbesondere auch nicht im Zusammenhang mit der zuvor getätigten Äußerung, er werde sie ins Gefängnis stecken. Der Angeklagte war schlichtweg außer sich (vgl. Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. Februar 2013 – 2 Ss 25/13 –). Die von ihm getätigte Äußerung, er werde sie ertränken, ist hiernach als (weitere) Beleidigung zu werten, da mit dieser zum Ausdruck kommt, die Zeugin sei nicht lebenswert.
Da nicht zu erwarten ist, dass weitere Feststellungen möglich sind, aufgrund derer die Äußerung gegenüber der Zeugin N... als Bedrohung nach § 241 StGB gewertet werden könnte, kann das Revisionsgericht nach § 354 Abs. 1 StPO selbst entscheiden.
Der Angeklagte war mithin vom Vorwurf der Bedrohung freizusprechen.
Die Abänderung des Schuldspruchs in den Tatvorwurf der Beleidigung gemäß § 185 StGB scheidet aus, da es insoweit an einer Prozessvoraussetzung mangelt. Die Zeugin N... als Verletzte dieser Tat im Sinne von § 77 Abs. 1 StGB hat keinen Strafantrag gestellt, die Staatsanwaltschaft hat im Berufungsverfahren jedenfalls einen auf die Verurteilung wegen Beleidigung gerichteten Verfolgungswillen nicht mehr aufrechterhalten, indem sie das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung auf den Vorwurf der Bedrohung beschränkte.
III.
Nur ergänzend bemerkt der Senat, dass auch der Strafausspruch keinen Bestand gehabt hätte, weil das Urteil insoweit den vorliegend auszumachenden gesteigerten Begründungsanforderungen nicht gerecht wird. Der Angeklagte hat nämlich einen Anspruch darauf zu erfahren, warum trotz der erheblichen Milderungsgründe eine höhere Strafe verhängt wird (vgl. BayObLG, Beschluss vom 21. Mai 2021 – 206 StRR 193/21 –).
Zunächst ist davon auszugehen, dass die Staatsanwaltschaft ihre Berufung nicht eingelegt hat, um eine höhere Bestrafung des Angeklagten zu erreichen. Ziel der Berufung war die Beseitigung des einstellenden Prozessurteils und eine Verurteilung des Angeklagten überhaupt.
Es sind auch neu eingetretene gewichtige Strafmilderungsgründe zu verzeichnen.
Zum einen geriet die zunächst tateinheitlich vorgeworfene Tat der Beleidigung in Wegfall, darüber hinaus war inzwischen ein Zeitablauf eingetreten, den das Gericht als strafmildernd berücksichtigt hat (vgl. BayObLG, a.a.O.). Weshalb sodann eine um 50 % erhöhte Geldstrafe verhängt wurde, kann man den Urteilsgründen nicht entnehmen.
Die Tatsache, dass die Kammer, anders als noch von der Staatsanwaltschaft und dem Amtsgericht im Strafbefehl angenommen, von der Drohung mit einem schweren Verbrechen ausgeht, kann die Erhöhung der Strafe allein nicht begründen, denn dass die Tat im Strafbefehl rechtlich anders beurteilt wurde als in der Berufungshauptverhandlung, rechtfertigt bei gleicher Tatsachengrundlage nicht ohne Weiteres eine höhere Strafe.
Zudem legt das Urteil nicht ausreichend dar, dass die Voraussetzungen für die Schätzung des Einkommens des Angeklagten vorgelegen haben.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1, § 473 Abs. 1 StPO.