Gericht | OLG Brandenburg 6. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 11.07.2023 | |
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Aktenzeichen | 6 U 67/22 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:0711.6U67.22.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 11. Zivilkammer – Einzelrichterin – des Landgerichts Potsdam vom 19.07.2022, Az. 11 O 375/20, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 12.500 € festgesetzt.
I.
Der Kläger macht im Wege der Stufenklage Honoraransprüche aus seiner Tätigkeit als freier Mitarbeiter in der Rechtsanwaltskanzlei der Beklagten geltend.
Der Kläger ist Rechtsanwalt. Er war Gesellschafter der Rechtsanwaltssozietät Dr. F… GbR, welche eine Kanzlei in N… mit einer Zweigstelle in N…betrieb. Die Beklagte war zunächst als freie Mitarbeiterin bei der Sozietät beschäftigt. Durch Vertrag vom 27.03.2017 erwarb sie von der Sozietät die Kanzlei in N… mit Wirkung zum 01.07.2017. Sie blieb freie Mitarbeiterin der Sozietät am Standort N… und vereinbarte mit den Gesellschaftern der GbR im Gegenzug deren freie Mitarbeiterschaft in ihrer Kanzlei in Na…. In dem zwischen den hiesigen Prozessparteien hierüber am 13.06.2017 geschlossenen Vertrag (Anlage B1, Blatt 87 d.A.) heißt es unter Ziffer 3): „Als Vergütung erhält der freie Mitarbeiter 50 % des Honoraraufkommens der von ihm unter seinem Bearbeiterkürzel (WG) bearbeiteten Aktenvorgänge.“
Im Folgenden waren die Beklagte als freie Mitarbeiterin der Dr. F… GbR in deren Kanzlei in N…und der Kläger als freier Mitarbeiter der Beklagten in deren Kanzlei in Na… tätig. Die Beklagte erteilte dem Kläger monatlich Auskunft über die aus den von ihm bearbeiteten Verfahren erzielten Honorareinnahmen; der Kläger stellte der Beklagten auf dieser Grundlage seine Honorare in Rechnung.
Zum 31.10.2019 kündigte die seinerzeit in Liquidation befindliche Dr. F. GbR das Mitarbeiterverhältnis der Beklagten. Die Gesellschaft und die Beklagte vereinbarten, dass die Beklagte für einen Zeitraum von fünf Monaten nach Wirksamwerden der Kündigung einen prozentual sinkenden Anteil an eingehenden Honoraren erhält.
Mit Schreiben vom 13.12.2019 kündigte die Beklagte den Vertrag mit dem Kläger zum 31.12.2019. Der Monat Dezember 2019 wurde nach der zwischen den Parteien bis dahin geübten Praxis abgerechnet. Ab dem 01.01.2020 war der Kläger nicht mehr in der Kanzlei der Beklagten tätig; Akten, die bis dahin von ihm bearbeitet worden und noch nicht erledigt waren, wurden von anderen Mitarbeitern der Kanzlei unter deren Bearbeitungskürzeln weiter bearbeitet. Ein Angebot der Beklagten, dem Kläger 50 % der Honorare zu zahlen, die in den Monaten Januar bis März 2020 in den auf sein Bearbeiterkürzel angelegt gewesenen Akten eingehen, nahm der Kläger nicht an.
Im hiesigen Rechtsstreit begehrt der Kläger Zahlung von 50 % der Nettoumsätze, die die Beklagte aus den Angelegenheiten erzielt hat, die vom 01.07.2017 bis zum 31.12.2019 in der Kanzlei in Na… unter seinem Namen bzw. Bearbeiterkürzel geführt worden sind. Er hat im Wesentlichen geltend gemacht, dass die im Vertrag vom 13.06.2017 getroffene Vergütungsabrede nicht auf die Laufzeit des Beschäftigungsverhältnisses begrenzt sei. Eine solche Begrenzung würde problematisch gewesen sein, da der Eingang der Honorare für ihn kaum steuerbar gewesen sei. So seien nur gegenüber nicht-rechtsschutzversicherten Mandanten Vorschuss- und Zwischenrechnungen gelegt worden. Bei Eintritt einer Rechtsschutzversicherung sei – soweit nicht der Mandant eine Selbstbeteiligung zu tragen gehabt habe, die zwischenabgerechnet worden sei – die Abrechnung nach Abschluss der ersten Instanz bzw. Beendigung des Mandats erfolgt. Auch auf Basis von Prozesskostenhilfe geführte Mandate seien erst nach Abschluss des jeweiligen gerichtlichen Verfahrens abgerechnet worden. Davon abgesehen habe er keinen Einfluss darauf gehabt, wann Honorarzahlungen tatsächlich erfolgt seien. Da die Beklagte mit ihm – dem Kläger – auch nachträglich keine Vereinbarung über eine zeitliche Begrenzung ihrer sich aus dem Vertrag begründenden Zahlungsverpflichtungen getroffen habe, verbleibe es bei seinem gesetzlichen Vergütungsanspruch wegen solcher Gebühren, die während des Bestehens seines freien Mitarbeiterverhältnisses erarbeitet aber noch nicht realisiert worden seien. Zur Bezifferung dieses Zahlungsanspruchs gegen die Beklagte bedürfe er der Auskunft über die von ihr in den betreffenden Verfahren erzielten Umsätze und, da er nicht über eine Übersicht der Mandate verfüge, eines diese Verfahren umfassenden Auszugs aus dem Verfahrensregister der Beklagten.
Der Kläger hat im Wege der Stufenklage zunächst beantragt,
1.a) die Beklagte zu verurteilen, Auskunft über sämtliche in der Kanzlei Dr. F…GbR, Zweigstelle Na…, L…platz …, … Na… bezüglich der für Rechtsanwalt J… W… dort vom 01.07.2017 bis zum 31.12.2019 unter seinem Bearbeitungskürzel geführten bzw. unter seinem Namen dort geführten Akten durch Vorlage eines Aktenregisters nach dem bei der Beklagten im Büro verwandten Rechtsanwaltsprogramm RA-Micro zu erteilen;
1.b) die Beklagte zu verurteilen, auf Grundlage der erteilten Auskunft weitere Auskunft über den Bearbeitungsstand der zu Ziffer 1a) konkretisierten Akten unter Berücksichtigung der Gebührentatbestände des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes zu erteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat gemeint, dem Kläger für die Zeit nach Beendigung des Vertrages über die freie Mitarbeit keine Vergütung zu schulden. Jedenfalls könne der Kläger einen solchen Anspruch nicht geltend machen, nachdem er ihr gegenüber in einem Schreiben vom 28.04.2020 erklärt habe, die Forderung abgetreten zu haben. Ungeachtet dessen ziele der Antrag zu 1a) insofern auf eine unmögliche Leistung, als es ab dem 01.07.2017 keine „Kanzlei Dr. F… GbR, Zweigstelle Na…“ mehr gegeben habe. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben und sich gegenüber dem geltend gemachten Auskunftsanspruch auf ihre berufsrechtliche Verpflichtung zur Verschwiegenheit berufen.
Mit dem angefochtenen Teilurteil vom 19.07.2022, dessen Tatbestand durch Beschluss vom 08.11.2022 berichtigt worden ist, hat das Landgericht die Beklagte nach Einvernahme eines Zeugen antragsgemäß verurteilt. Es hat dafür gehalten, dass dem Kläger die auf der ersten Stufe seiner Klage geltend gemachten Auskunftsansprüche nach § 242 BGB zustünden. Der Vertrag vom 13.06.2017 beinhalte keine Regelung, die die Vereinbarung über die anteilige Vergütung anhand des Honoraraufkommens auf die Zeit bis zur Beendigung des Vertrages begrenze. Auch habe sich nicht erwiesen, dass sich die Parteien bei Abschluss dieses Vertrages darüber einig gewesen seien, dass sog. nachlaufende Honorare nicht vergütet würden. Der Kläger könne daher auch Vergütung wegen des Honorars beanspruchen, das erst nach Beendigung seiner Tätigkeit für die Beklagte gezahlt worden sei. Über die Höhe dieses Anspruchs sei er in entschuldbarer Weise im Unklaren.
Gegen das Teilurteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie ist der Auffassung, dass die Klage hinsichtlich der Anträge zu 1a) und 1b) bereits mangels Bestimmtheit unzulässig und im Übrigen unbegründet sei. Insofern wiederholt und vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen. Zudem macht sie geltend, dass Eigentümerin der Kanzlei am L…platz … in Na… und damit auch der hier streitgegenständlichen Akten seit dem 01.01.2020 die Rechtsanwälte K… GbR sei. Nicht sie, die Beklagte, sondern jene GbR habe seit dem 01.01.2020 die in Rede stehenden Honorare vereinnahmt. Unabhängig davon könne der Kläger die begehrte Auskunft aus keinem Rechtsgrund beanspruchen.
Die Beklagte beantragt,
das Teilurteil des Landgerichtes Potsdam vom 19.07.2022 zum Az. 11 O 375/20 abzuändern und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
das Teilurteil des Landgerichtes Potsdam vom 19.07.2022 zum Az. 11 O 375/20 aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Berufungsverfahrens – an das Landgericht Potsdam zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil. Die Beklagte habe die im Tenor des angefochtenen Teilurteils genannte Firma fortgeführt, sodass die bis vor dem 01.07.2017 erteilten Vollmachten fortgalten. Die danach von der Beklagten gestellten Vollmachtsurkunden hätten die Firmierung „Dr. F…“ aufgewiesen. In den von ihm, dem Kläger, bearbeiteten Zivilrechtsangelegenheiten seien keinerlei Vorschüsse abgerechnet worden; anderes mag in einzelnen Fällen der von ihm in geringer Zahl bearbeiteten Verkehrsstrafsachen der Fall gewesen sein. Im Übrigen wiederholt und vertieft auch der Kläger seinen erstinstanzlichen Vortrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der überreichten Unterlagen, im Übrigen auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Berufung hat Erfolg.
1.
Das als Berufung statthafte Rechtsmittel ist zulässig, insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden. Auch übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 €, § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Beklagte hat vorgetragen, in ihrer Kanzlei seien bis zum 31.12.2019 insgesamt 1.122 Akten angelegt worden, die zur Erfüllung der Auskunftspflicht nach dem Tenor zu 1) des angefochtenen Urteils zu sichten seien, wofür voraussichtlich 10 Minuten pro Akte benötigt würden. Für die Erfüllung der Auskunft nach Ziffer 2) des Urteilstenors seien etwa 30 Minuten je betreffender Akte zu veranschlagen. Die hierfür aufzuwendende Zeit sei mit mindestens 150 € die Stunde zu bewerten.
Diese Ausführungen genügen für die nach § 511 Abs. 3 ZPO erforderliche Glaubhaftmachung einer ausreichenden Beschwer. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass für die Erfüllung der Verpflichtung nach Ziffer 2 des Tenors des angefochtenen Urteils im Durchschnitt ein Aufwand von über 10 Minuten zu veranschlagen ist, sodass sich bei 242 Akten, die rechnerisch auf jeden der im fraglichen Zeitraum in der Kanzlei der Beklagten tätig gewesenen vier Rechtsanwälte entfallen, und einem plausiblen Stundensatz von 150 € eine Beschwer von über 6.050 € ergibt. Darauf, ob zur Erfüllung der Auskunftsverpflichtung nach Ziffer 1) des Tenors jede der 1.122 im fraglichen Zeitraum angelegten Akten mit einem voraussichtlichen Aufwand von etwa 10 Minuten durchzusehen ist, kommt es demnach für die Zulässigkeit der Berufung nicht mehr an.
2.
Die Berufung ist auch begründet.
a)
Entgegen dem Berufungsvorbringen ist die Klage allerdings zulässig. Insbesondere genügen die auf erster Stufe gestellten Klageanträge den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
Der Kläger hat mit dem Antrag zu 1a) sowohl die Art und den Inhalt der begehrten Auskunft als auch die Akten, auf die sich dieses Auskunftsbegehren bezieht, verständlich bezeichnet. Anderes ergibt sich auch nicht aus der Benennung der Kanzlei als „Dr. F… GbR, Zweigstelle Na…. Denn bei gebotener Auslegung des gesamten Klagevorbringens besteht kein Zweifel, dass sich der Antrag auf die ab dem 01.07.2017 unter der genannten Anschrift von der Beklagten betriebene Rechtsanwaltskanzlei bezieht. Der Antrag beinhaltet mithin zwar eine (sprachliche) Ungenauigkeit; hierdurch wird aber weder das Risiko eines Unterliegens auf die Beklagte abgewälzt noch wäre deshalb die Belastung eines etwaigen Vollstreckungsverfahrens mit dem Streit über die Auslegung des Antrags zu erwarten.
Der Antrag zu 1b) begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden Zulässigkeitsbedenken. Die Forderung nach Auskünften über den Bearbeitungsstand der nach dem Antrag zu 1a) zu benennenden Akten „unter Berücksichtigung der Gebührentatbestände des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes“ lässt mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass es dem Kläger um die Mitteilung derjenigen Umstände geht, die – wie etwa die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Hinblick auf die Gebühr nach Nr. 3104 VV RVG – von gebührenrechtlicher Relevanz sind.
Die von der Beklagten erhobenen Einwände, an der Erteilung der begehrten Auskünfte zum einen aus berufsrechtlichen Gründen, zum anderen wegen der zum 01.01.2020 erfolgten Begründung der Rechtsanwälte K… GbR gehindert zu sein, betreffen nicht die Zulässigkeit, sondern die Begründetheit der Klageforderung.
b)
Die Klage ist aber unbegründet. Dem Kläger steht die mit dem Hauptanspruch geltend gemachte Zahlungsforderung nicht zu, sodass er auch die im Wege der Stufenklage zur Durchsetzung dieser Forderung verlangten Auskünfte nicht beanspruchen kann, sondern die Klage insgesamt abzuweisen ist.
aa)
Ein Vertrag, auf dessen Grundlage der Kläger nach § 311 Abs. 1, § 241 Abs. 1 Satz 1 BGB eine Vergütung für Honorare fordern kann, die die Beklagte aus von ihm bis 31.12.2019 bearbeiteten Mandaten ab dem 01.01.2020 erzielt hat, besteht nicht.
Eine gesonderte Vereinbarung über Zahlungen für derartige, von den Parteien als nachlaufende Honorare bezeichnete Einnahmen der Beklagten haben die Parteien weder ausdrücklich noch konkludent getroffen. Insbesondere ist das Angebot der Beklagten, eine entsprechende Vergütung für einen begrenzten Zeitraum zu zahlen, vom Kläger nicht angenommen worden. Als rechtsgeschäftliche Grundlage für die mit dem Hauptanspruch verfolgte Zahlungsforderung kommt mithin allein der Vertrag vom 13.06.2017 in Betracht, der – wie zwischen den Parteien nicht im Streit steht – wirksam zum 31.12.2019 gekündigt worden ist. Dieser Vertrag rechtfertigt die streitgegenständliche Zahlungsforderung indes nicht.
Die wirksame Kündigung eines Dienstvertrages nach § 620 Abs. 2 BGB bewirkt das sofortige oder befristete Ende des Dienstverhältnisses. Die Kündigung wirkt damit für die Zukunft und führt im Allgemeinen dazu, dass die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien insoweit erlöschen. Dies gilt auch für den vertraglich begründeten Vergütungsanspruch, sodass die Pflicht zur Zahlung der Vergütung bis zur rechtlichen Beendigung des Dienstverhältnisses bestehen bleibt und nicht befriedigte Ansprüche weiterhin zu erfüllen sind, der Dienstverpflichtete aber für die weitere Zukunft eine Vergütung grundsätzlich nicht mehr beanspruchen kann (statt vieler Oetker, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2022, Vorb. zu §§ 620 ff, Rn. 407 ff.).
Nach diesen Grundsätzen stehen dem Kläger aus dem Vertrag vom 13.06.2017 keine Ansprüche auf Zahlung einer Vergütung für die ab dem 01.01.2020 bei der Beklagten eingegangenen Honorare zu, weil diesbezügliche Vergütungsansprüche bis zur Beendigung des Vertrages nicht entstanden waren. Maßgeblich für den Vergütungsanspruch des Klägers ist nach Ziffer 3 des Vertrages ein Honoraraufkommen. Hierunter ist bei gebotener Auslegung der Eingang von Honorarzahlungen Dritter aus vom Kläger unter seinem Kürzel bearbeiteten Aktenvorgängen bei der Beklagten zu verstehen. Das Aufkommen eines solchen Honorars ist dabei nicht lediglich Fälligkeits-, sondern Anspruchsvoraussetzung. Denn nach dem Wortlaut der Klausel knüpft der Vergütungsanspruch nicht an die Aktenbearbeitung als solche an, sondern bildet der Satzteil: „von ihm unter seinem Bearbeiterkürzel … bearbeiteten Aktenvorgänge“ einen auf den Begriff des Honoraraufkommens bezogenen Relativsatz. Entgegen der im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 26.06.2023 klägerseits vertretenen Auffassung ist der Vergütungsanspruch demnach nicht mit der Bearbeitung einer Rechtsangelegenheit im Dezernat des Klägers entstanden und gemäß § 614 BGB sogleich fällig, sondern gelangt der Anspruch erst mit dem Aufkommen eines Honorars aus einer solchen Angelegenheit zur Entstehung und bestimmt sich dessen Fälligkeit gemäß Ziffer 6 des Vertrages nach der Rechnungsstellung durch den Kläger. Diesem Verständnis der Regelung der Ziffer 3 des Vertrages entspricht es im Übrigen, dass der Kläger unstreitig auch eine Vergütung für solche Honorare erhalten hat, die vor dem 01.07.2017 verdient aber erst später in einem von ihm ab diesem Zeitpunkt als freier Mitarbeiter der Beklagten bearbeiteten Aktenvorgang abgerechnet worden waren, für Honorare also, die nicht aufgrund der Bearbeitung durch ihn als freier Mitarbeiter der Beklagten entstanden sind.
Für die ab dem 01.01.2020 bei der Beklagten eingegangenen Honorarzahlungen Dritter kann nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch auch keine Rede davon sein, dass diese Honorare aus vom Kläger unter seinem Bearbeitungskürzel bearbeiteten Aktenvorgängen aufgekommen sind, da der Kläger die Akten zu dieser Zeit unstreitig nicht mehr bearbeitet hat. Hätten die Parteien anderes regeln wollen, hätte es nahe gelegen, beispielsweise an das Honoraraufkommen aus unter dem Kürzel des Klägers angelegten Aktenvorgängen anzuknüpfen. Davon abgesehen wären in diesem Fall weitere Vereinbarungen zur Höhe des Honorars bei Vertragsbeendigung zu erwarten gewesen. Das Auslegungsergebnis des Klägers führte nämlich in der Konsequenz dazu, dass er selbst für Mandate, an deren Bearbeitung er nur in sehr geringem Umfang beteiligt war, die Hälfte des gesamten Honoraraufkommens beanspruchen könnte. Nach dieser Auffassung genügte beispielsweise ein erstes vorgerichtliches Anspruchsschreiben an den Unfallgegner bzw. dessen Haftpflichtversicherer, einen Vergütungsanspruch nicht nur hinsichtlich der Geschäftsgebühr, sondern auch hinsichtlich solcher Gebühren zu begründen, die erst im weiteren Verlauf des dann von einem anderen Rechtsanwalt bearbeiteten Mandats, etwa durch das Betreiben des Rechtsstreits, die Wahrnehmung eines Gerichtstermins oder die Mitwirkung am Abschluss eines Vergleichs, entstehen. Dafür, dass hierüber zwischen den Parteien Konsens bestand, geben weder der Vertrag vom 13.06.2017 noch das Vorbringen der Parteien zum Zustandekommen dieses Vertrages einen Anhaltspunkt.
Der Kläger kann sich daher auch nicht mit Erfolg auf das von ihm mehrfach zitierte Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 08.09.1998 (9 AZR 223/97, NZA 1999, 420) stützen. In dem jenem Urteil zu Grunde liegenden Sachverhalt hatten die Parteien vereinbart, dass der dort klagenden Arbeitnehmerin von dem von ihr erzielten Umsatz des Vorjahres jeweils im Folgejahr 5 % in monatlichen Teilbeträgen ausgeschüttet werden sollten. Das Bundesarbeitsgericht sah in dieser von der Arbeitgeberin als Provision bezeichneten Zahlung ein erfolgsabhängiges Entgelt. Mit der Vereinbarung, diese Umsatzbeteiligung im Folgejahr ratenweise auszuzahlen, hätten die Parteien lediglich die Leistungszeit geregelt; dass der Anspruch untergehe, wenn das Arbeitsverhältnis im folgenden Jahr nicht mehr bestehe, folge hieraus nicht. Der vorliegende Streitfall liegt insofern anders, als das für die Vergütung hier maßgebliche Honoraraufkommen nach dem Vorstehenden Voraussetzung nicht lediglich für die Fälligkeit, sondern für die Entstehung des Vergütungsanspruchs ist.
Eine andere Auslegung des Vertrages vom 13.06.2017 rechtfertigt sich auch im Hinblick auf § 26 Abs. 1 Satz 2 lit. b BORA nicht. Dass die Beschäftigungsbedingungen des Klägers bei der Beklagten ohne Annahme einer Verpflichtung zur Vergütung für die ab dem 01.01.2020 bei der Beklagten eingegangenen Honorare nicht mehr angemessen im Sinne der Vorschrift war, ist bei der insofern vorzunehmenden Würdigung der Gesamtumstände (vgl. Günther, in: Römermann, BeckOK BORA, Stand: 01.06.2023, § 26 BORA, Rn. 25) nicht festzustellen. Der Kläger macht zwar der Sache nach zutreffend geltend, dass seine Tätigkeit für die Beklagte bei der nach dem Vorstehenden gebotenen Auslegung des hier in Rede stehenden Vertrages unvergütet bleibt, soweit die von ihm bis zum 31.12.2019 begründeten Honoraransprüche der Beklagten gegen Dritte erst nach diesem Zeitpunkt erfüllt worden sind. Dem aus dem Fehlen einer anderweitigen Regelung bei Beendigung des Vertrages für den Kläger folgendem Nachteil steht aber ein gewissermaßen spiegelbildlicher Vorteil bei Vertragsbeginn gegenüber. Die Beklagte und die Rechtsanwaltssozietät Dr. F… GbR hatten nämlich im Zusammenhang mit dem Erwerb der Kanzlei in Na…vereinbart, dass Honorare aus den in der Kanzlei geführten Mandaten, die vor dem 01.07.2017 abgerechnet worden sind, der GbR zustehen, während Honorarforderungen, die bis zu diesem Zeitpunkt nicht abgerechnet sind, als Teil des veräußerten Unternehmens auf die Beklagte übergehen. Der Kläger, der die bis dahin von ihm als Gesellschafter der GbR geführten Mandate ab dem 01.07.2017 als freier Mitarbeiter weiterbearbeitete, konnte daher nach dem streitgegenständlichen Vertrag 50 % auch derjenigen bis 01.07.2017 nicht abgerechneten Honorare beanspruchen, die nicht aus seiner Tätigkeit als freier Mitarbeiter, sondern aus seiner – mit dem von der Beklagten gezahlten Kaufpreis abgegoltenen – Tätigkeit als Gesellschafter der GbR resultierten.
bb)
Eine Grundlage für die vom Kläger geforderten Zahlungen lässt sich dem Vertrag vom 13.06.2017 auch nicht nach §§ 157, 133 BGB im Wege ergänzender Vertragsauslegung entnehmen.
Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt in Betracht, wenn ein Vertrag innerhalb des durch ihn gesteckten Rahmens oder innerhalb der objektiv gewollten Vereinbarung ergänzungsbedürftig ist, weil eine Vereinbarung in einem regelungsbedürftigen Punkt fehlt (BGH, Urteil vom 04.03.2004 – III ZR 96/03, BGHZ 158, 201). Allein der Umstand, dass ein Vertrag für eine bestimmte Fallgestaltung keine Regelung enthält, besagt allerdings noch nicht, dass es sich um eine planwidrige Unvollständigkeit handelt. Von einer solchen kann vielmehr nur gesprochen werden, wenn der Vertrag – gleichgültig, aus welchem Grund – eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zu Grunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, mithin wenn ohne die Vervollständigung des Vertrags eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen wäre (BGH, Urteil vom 20.02.2019 – VIII ZR 7/18, BGHZ 221, 145; Urteil vom 20.04.2017 – VII ZR 194/13 – NJW 2017, 2025). So liegt es im Streitfall nicht. Vielmehr erweist sich der Vertrag nach dem Vorstehenden ohne die fragliche Vergütungsregelung als angemessen und interessengerecht, weil der Nachteil, der dem Kläger aus dem Fehlen eines Vergütungsanspruchs für solche Honorare erwächst, die bei Beendigung seiner freien Mitarbeiterschaft zwar von ihm verdient, von der Beklagten aber noch nicht vereinnahmt worden sind, der Sache nach dadurch ausgeglichen wird, dass er zu Beginn seiner freien Mitarbeiterschaft von Honoraren profitiert hat, die er nicht als freier Mitarbeiter verdient hatte. Dass der Vertrag dabei keine Gewähr für eine rechnerische Ausgewogenheit dieser Vor- und Nachteile bietet, rechtfertigt keine andere Würdigung. Dies gilt zumal deshalb, weil die insofern verbliebene Ungewissheit für beide Vertragsparteien gleichermaßen bestand und sich die Parteien zudem – der Kläger dabei als Gesellschafter der Dr. F… GbR – hinsichtlich der Tätigkeit der Beklagten als freie Mitarbeiterin für die GbR in einem entsprechend gestalteten Rechtsverhältnis in umgekehrten Rollen gegenüberstanden.
Abgesehen davon, dass es mithin bereits an einer Lücke im Regelungsplan der Parteien fehlt, ist daher auch nicht anzunehmen, dass die Parteien, wenn sie sich bei Vertragsschluss der Frage einer Vergütung für nachlaufende Honorare bewusst gewesen wären, einen diese Honorare berücksichtigenden Vergütungsanspruch des Klägers begründet hätten. Denn eine Vereinbarung dahingehend, die zunächst geltende Regelung, wonach die Höhe der Vergütung nicht an die Aktenbearbeitung, sondern das Honoraraufkommen aus den bearbeiteten Akten anknüpft, zum Ende des Vertrages umzukehren, entspräche aus den dargelegten Erwägungen nicht dem, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, sondern führte zu einer einseitigen Benachteiligung der Beklagten (zu dem insofern anzulegenden Prüfungsmaßstab s. etwa BGH, Urteil vom 12.10.2012 – V ZR 222/11, NJW-RR 2013, 494, Rn. 12 m.w.N.).
cc)
Die mit dem Hauptanspruch geltend gemachte Zahlungsforderung steht dem Kläger auch aus keinem anderen Rechtsgrund zu.
Die Forderung rechtfertigt sich nicht als Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB. Der Kläger trägt zwar vor, die Abrechnung der von ihm als freier Mitarbeiter verdienten Honorare habe in der Hand der Beklagten gelegen. Dass sie die Verfolgung dieser Honoraransprüche gegenüber den Mandanten und damit die Entstehung des zwischen den Prozessparteien vereinbarten Vergütungsanspruchs des Klägers pflichtwidrig verzögert hat, macht der Kläger aber nicht geltend und ist auch dem sonstigen Prozessstoff nicht zu entnehmen.
Die weiteren Ausführungen des Klägers zum Bestehen eines gesetzlichen Vergütungsanspruchs sind nicht schlüssig. Ebenso wenig ist nachvollziehbar dargelegt, dass sich der klagegegenständliche Zahlungsanspruch aus dem ebenfalls nicht substantiiert vorgetragenen Verstoß gegen das Mindestlohngesetz rechtfertigt.
Da mithin schon nicht festzustellen ist, dass die streitgegenständliche Zahlungsforderung entstanden ist, kann die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob der Kläger diese vermeintliche Forderung abgetreten hat, dahingestellt bleiben. Gleiches gilt für die weiteren von der Beklagten erhobenen Einwendungen und die Verjährungseinrede.
3.
Anlass zu der vom Kläger mit dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 26.06.2023 beantragten Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung besteht nicht. Auf die in jenem Schriftsatz ausgeführten rechtlichen Erwägungen zum Bestehen eines Auskunftsanspruchs nach § 666 BGB und einer nicht näher bezeichneten „Datenschutzverordnung“ kommt es nicht an. Nach der vorstehend dargelegten rechtlichen Würdigung, die im Verhandlungstermin am 20.06.2023 erörtert worden ist, steht dem Erfolg der Klage nicht das Fehlen eines Auskunftsanspruchs, sondern das Nichtbestehen der mit dem Hauptanspruch verfolgten Zahlungsforderung entgegen. Auch die weiteren Ausführungen zu der von dem Vorstehenden abweichenden Rechtsauffassung des Klägers zum Entstehen und zur Fälligkeit des Vergütungsanspruchs nach Ziffer 3 des Vertrages vom 13.06.2017 beinhalten keine Gesichtspunkte, die eine erneute mündliche Verhandlung erforderten.
Dem vom Kläger des Weiteren der Sache nach gestellten Antrag, den Rechtsstreit dem Senatskollegium zur Entscheidung über eine Rückübertragung vorzulegen, ist ebenfalls nicht zu entsprechen. Eine wesentliche Änderung der Prozesslage im Sinne von § 526 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO ist nicht eingetreten. Auch liegen keine übereinstimmenden Anträge im Sinne von § 526 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO vor. Dass der Kläger den Antrag „für den Berufungsführer“ gestellt hat, rechtfertigt keine andere Würdigung.
4.
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.
Die auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO beruhende Festsetzung des Streitwerts für die Berufungsinstanz berücksichtigt insbesondere die – jedenfalls nicht offensichtlich unzutreffenden – Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 09.02.2021 (zur indiziellen Bedeutung der Wertangabe des Antragstellers vgl. etwa BayObLG, Beschluss vom 20.09.2021 – 101 ZBR 134/20, BeckRS 2021, 30792, Rn. 62 m.w.N.).