Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 2 K 2072/22


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 2. Senat Entscheidungsdatum 27.06.2023
Aktenzeichen 2 K 2072/22 ECLI ECLI:DE:FGBEBB:2023:0627.2K2072.22.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt

Die Revision wird hinsichtlich des Streitjahres 2011 zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Vorsteuerabzug hat und ob dieser im Regelbesteuerungsverfahren oder im Vorsteuervergütungsverfahren geltend gemacht werden muss.

Die Klägerin ist eine in Mauritius ansässige Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Sie betreibt Hotels und Resorts in Mauritius, La Reunion, den Malediven, China, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Vietnam. Wegen der Einzelheiten verweist der Senat auf die Website der Klägerin www. ... com.

In Deutschland unterhielt die Klägerin in den Streitjahren in angemieteten, 56 m2 großen Räumlichkeiten in B. ein Verbindungsbüro für die Geschäftsbeziehungen zu deutschen Reiseveranstaltern, in dem durchschnittlich ca. fünf Personen tätig waren. Das Verbindungsbüro wurde von einer Marketingmanagerin geführt, die regelmäßig mit den Kunden Vertragsvereinbarungen aushandelte. Zu den Aufgaben des Verbindungsbüros gehörten insbesondere folgende Leistungen an das Stammhaus der Klägerin:

■ jährliche Vertragsverhandlungen mit Reiseveranstaltern über die Überlassung von Zimmerkontingenten,

■ Kontrolle von Reiseveranstaltungsverträgen sowie der Darstellung der Hotels in den jeweiligen Reisekatalogen,

■ Erstellung und Kontrolle des Jahresbudgets für Sales und Marketing,

■ tägliche Prüfung der Auslastung der Hotels, der generierten Umsätze sowie der gesetzten Verkaufsziele,

■ Betreuung von deutschen Reiseveranstaltern, Reisebüros, Veranstaltungsagenturen, Fluglinien und Tourismuszentralen,

■ Überprüfung der Internetseiten der Reiseveranstalter,

■ Durchführung von Vertriebsaktionen in Zusammenarbeit mit Reiseveranstaltern, Reisebüros, Fluglinien und Flughäfen sowie

■ Teilnahme an Reisemessen, Roadshows, Workshops, Programmvorstellungen und Studienreisen in Deutschland.

Das Verbindungsbüro kann über ein vom Stammhaus festgelegtes Budget verfügen. Die eigentliche Leistungserbringung, nämlich die Überlassung der Hotelzimmer und Resorts gegenüber den Kunden, erfolgte demgegenüber nicht durch das Verbindungsbüro, sondern unmittelbar durch das Stammhaus der Klägerin selbst und stets im Drittlandsgebiet.

Die Klägerin erwarb im Jahr 2006 im Inland für ihr deutsches Verbindungsbüro Büromöbel.

Auch in Frankreich unterhielt die Klägerin ein Büro mit Mitarbeitern, das vergleichbare Marketingaufgaben für den französischsprachigen Raum wahrnahm und sich auf die Erbringung von Innenumsätzen beschränkte. Das Büro wurde in Frankreich im Jahr 2004 als umsatzsteuerliche Betriebsstätte anerkannt und als solche umsatzsteuerlich registriert.

Für das Streitjahr 2011 gab die Klägerin am 12. Februar 2013 zunächst eine Umsatzsteuererklärung ab, die nur Vorsteuerbeträge auswies. Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 5. März 2013 eine Umsatzsteuerfestsetzung im Regelbesteuerungsverfahren ab und verwies die Klägerin auf das Vorsteuervergütungsverfahren, da die Klägerin keine Umsätze erbracht habe. Hiergegen legte die Klägerin am 20. März 2013 Einspruch ein. Mit Schreiben vom 27. November 2014 legte die Klägerin dem Beklagten eine nicht unterschriebene Rechnung über den Verkauf von Büromöbeln an die C... GmbH, D...-straße, E... vor, die einen Stempelaufdruck des Verbindungsbüros der Klägerin in B..., einen Nettokaufpreis von 300,- €, die Rechnungs-Nr. 1 - 2011 und das Datum 18. April 2011 ausweist. Außerdem ist vermerkt: „Nicht steuerbar gemäß Artikel 56 Abs. 1 c) der Richtlinie 2006/112/EG.

Wir verweisen auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers gemäß Art. 196 der Richtlinie 2006/112/EG."

In einer berichtigten Umsatzsteuererklärung für 2011 vom 16. Dezember 2014 erklärte die Klägerin neben einem Ausgangsumsatz zu 19 % i.H.v. 252,- € (netto) und der darauf entfallenden Umsatzsteuer i.H.v. 47,88 € Leistungen ausländischer Unternehmer, für die sie nach § 13b Umsatzsteuergesetz -UStG- Steuerschuldner ist. Mit Schreiben vom 11. Mai 2015 legte die Klägerin eine berichtigte Rechnung über den Verkauf der Büromöbel an die C... GmbH vor, die nunmehr einen Nettobetrag von 252,- € und darauf entfallende Umsatzsteuer i.H.v. 47,88 € auswies.

Ebenfalls am 16. Dezember 2014 gab die Klägerin Umsatzsteuererklärungen für 2009 und 2010 ab.

Mit Bescheid vom 16. Juli 2015 lehnte der Beklagte die Durchführung des allgemeinen Besteuerungsverfahrens für die Zeiträume 2009 und 2010 sowie die in diesem Zusammenhang geltend gemachte Erstattung von Vorsteuerbeträgen für 2009 und 2010 ab. Er begründete dies damit, die Klägerin habe in diesen Zeiträumen im Inland keine steuerbaren Umsätze i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bzw. 5 UStG getätigt und verfüge im Inland nicht über einen Sitz, einen Ort der Geschäftsleitung oder eine umsatzsteuerliche Betriebsstätte, sodass die Vergütung der Vorsteuern gem. § 18 Abs. 9 UStG, §§ 59 ff. Umsatzsteuerdurchführungsverordnung -UStDV- beim Bundeszentralamt für Steuern -BZSt- zu beantragen sei.

Mit einem am 28. Dezember 2015 beim Beklagten eingegangenen Schreiben mit Datum vom 23. Dezember 2015 stellte die Klägerin beim Beklagten erstmals einen Antrag auf Erstattung der Vorsteuern für den Veranlagungszeitraum 2008. Das Schreiben hatte folgenden Wortlaut:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

wir beantragen, wie bereits für die anderen Jahre, die Erstattung der Vorsteuerbeträge vom 1.1.2008 bis zum 31.12.2008 in der Summe 37.731,01 für die deutsche Niederlassung unserer Mandantin F... Ltd.

Als Nachweis erhalten Sie Vorsteuerkonten mit der Auflistung der Einzelbeträge. Die Original-Belege würden wir Ihnen bei Anforderung ebenso einreichen. ...“

Dem Schreiben waren Kopien der Vorsteuerkonten beigefügt, die den geltend gemachten Betrag von 37.731,01 € auswiesen.

Mit Bescheid vom 5. Januar 2016 lehnte der Beklagte auch den Antrag auf Vorsteuererstattung für das Jahr 2008 ab und verwies erneut auf das BZSt. Dagegen legte die Klägerin am 13. Januar 2016 Einspruch ein.

Am 5. Februar 2016 gab die Klägerin ihre Umsatzsteuererklärung für 2008 ab, in der sie folgende Beträge erklärte:

Vorsteuerbeträge aus Rechnungen von anderen Unternehmern (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG):

37.730.99 €

Vorsteuerbeträge aus innergemeinschaftlichen Erwerben (§
15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG):

203,71 €

Vorsteuer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UStG

1.595,09 €

Vorsteuern aus Leistungen im Sinne des § 13b Abs. 1 UStG (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG):

28.001,43 €

Summe Vorsteuerbeträge:

67.531,22 €

Umsatzsteuer auf innergemeinschaftliche Erwerbe:

203,71 €

Umsatzsteuer, die vom Leistungsempfänger geschuldet wird (§13b Abs. 2 UStG):

28.001,43 €

Zwischensumme:

28.205,14 €

abzüglich Vorsteuern:

67.531,22 €

zu erstattender Betrag:

39.326,10 €

Während der laufenden Einspruchsverfahren für die Streitjahre 2008 bis 2011 erging am 6. Juli 2017 ein klageabweisendes Urteil des 5. Senats des Finanzgerichts -FG- Berlin- Brandenburg für das den Streitjahren vorangehende Jahr 2007, dem ein identischer Grundsachverhalt zugrunde lag (Urteil vom 6. Juli 2017 - 5 K 5270/15, juris). Das FG wies die Klage der Klägerin auf Festsetzung einer Umsatzsteuer-Erstattung als unbegründet ab. Zur Begründung verwies das Gericht darauf, der Beklagte habe den Vorsteuerabzug im Veranlagungsverfahren zutreffend abgelehnt, da es sich bei der Klägerin um einen im Ausland ansässigen Unternehmer handele. Eine durch eine Zweigniederlassung vermittelte Ansässigkeit im Inland liege nur unter der im Streitfall nicht erfüllten Voraussetzung vor, dass von der Zweigniederlassung Umsätze bewirkt würden. Die Klägerin habe auch keine Umsätze erbracht, für die sie nach § 13b Abs. 2 UStG die Umsatzsteuer schulde, da die an sie erbrachten Leistungen mangels einer inländischen Betriebsstätte in Deutschland nicht steuerbar seien.

Der BFH wies die dagegen gerichtete Revision der Klägerin mit Urteil vom 14. November 2018 als unbegründet zurück (BFH-Urteil vom 22. Mai 2019 - XI R 1/18, BFHE 264, 529, BStBl II 2020, 132). Er führte zur Begründung aus, der Vorsteuerabzug der Klägerin sei im allgemeinen Besteuerungsverfahren ausgeschlossen. Das im Vorsteuer-Vergütungsverfahren geltende Erfordernis der Gegenseitigkeit finde gem. § 15 Abs. 4b UStG auch im allgemeinen Besteuerungsverfahren Anwendung. Das FG habe zutreffend angenommen, dass die Klägerin eine nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmerin i.S. des § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG a.F. sei, so dass das allgemeine Besteuerungsverfahren nur dann anzuwenden sei, wenn die Klägerin Umsatzsteuer gemäß § 13b UStG schulde. Wegen § 15 Abs. 4b UStG sei der Vorsteuerabzug deshalb selbst dann ausgeschlossen, wenn das allgemeine Besteuerungsverfahren anzuwenden wäre, da mit Mauritius keine Gegenseitigkeit bestehe. Das Erfordernis der Gegenseitigkeit verstoße weder gegen Verfassungsrecht noch gegen Unionsrecht.

Am 30. März 2022 erließ der Beklagte für die Streitjahre drei Einspruchsentscheidungen, mit denen er die Einsprüche der Klägerin für die Jahre 2008 bis 2011 als unbegründet zurückwies.

Für das Jahr 2008 begründete der Beklagte dies damit, die Umsatzsteuererklärung für 2008 sei nicht fristgerecht eingegangen. Die Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuer 2008 habe mit Ablauf des 31. Dezember 2011 begonnen und mit Ablauf des 31. Dezember 2015 geendet. Bis dahin habe keine Umsatzsteuererklärung der Klägerin vorgelegen. Mit dem Schreiben vom 23. Dezember 2015 werde lediglich die Erstattung eines Vorsteuerbetrags in Höhe von 37.731,01 € beantragt. Es liege auch kein Antrag im Sinne des § 171 Abs. 3 Abgabenordnung -AO- vor, der den Ablauf der Festsetzungsfrist gehemmt hätte.

Für die Jahre 2009 und 2010 führte der Beklagte aus, es sei keine Umsatzsteuerveranlagung nach dem Regelbesteuerungsverfahren durchzuführen. Die Klägerin sei eine nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmerin, sodass das allgemeine Besteuerungsverfahren nur anzuwenden sei, wenn die Klägerin Umsatzsteuer gemäß § 13b UStG schulde. Zudem müsse gem. § 15 Abs. 4b UStG das Gegenseitigkeitserfordernis erfüllt sein, was für Mauritius nicht der Fall sei. Da der Sachverhalt im Veranlagungszeitraum 2007 dem Grunde nach identisch mit dem Sachverhalt 2009 und 2010 sei, sei die Entscheidung des BFH auch auf die Streitjahre 2009 und 2010 vollumfänglich anwendbar.

Für 2011 verwies der Beklagte ebenfalls auf die aus seiner Sicht fehlende Gegenseitigkeit und führte ergänzend aus, es lägen nach Aktenlage keine Umsätze gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 5 UStG aus dem Verkauf von Büromöbeln vor. Das Verbindungsbüro in B... sei keine aktive Betriebsstätte und wirtschaftlich gar nicht in der Lage gewesen, Anlagevermögen aus eigenen Einnahmen zu finanzieren. Dies müsse durch die Hauptniederlassung erfolgt sein. Hierzu passend weise der übersandte Kontoauszug als Kontoinhaberin und Empfängerin der Zahlung für den Verkauf der Büromöbel die G... Ltd. (später F... Ltd.) aus. Dementsprechend seien die Erlöse aus Verkäufen des Anlagevermögens der Hauptniederlassung zuzurechnen. Daher könne auch der Vorsteuerabzug für die Büromöbel nicht vorgenommen worden sein. Überdies habe die Klägerin die Anschaffung der Büromöbel nicht nachgewiesen. Es entspreche dem Willen des Gesetzgebers, dass in solchen Fällen die entgeltliche oder unentgeltliche Lieferung der Büromöbel nicht steuerbar sei bzw. steuerfrei bleibe. Dem liege der Gedanke zugrunde, dass die Besteuerung eines Investitionsguts, das das Unternehmen verlasse, nur dann erforderlich sei, wenn für das Wirtschaftsgut ein Vorsteuerabzug in Anspruch genommen worden sei (Verweis auf Stadie, § 1 UStG, Tz 110 und 111). Dass im Umsatzsteuerrecht Veräußerungen von Anlagevermögen einerseits und Umsätze aus dem laufenden Geschäftsverkehr andererseits durchaus differenziert betrachtet würden, folge auch aus § 19 UStG.

Mit ihrer fristgerechten Klage begehrt die Klägerin eine Umsatzsteuer-Erstattung i.H.v. insgesamt 168.051,24 €. Die Einzelheiten ergeben sich aus folgender Tabelle:

Jahr   

2008   

2009   

2010   

20211 

Umsatzsteuer 19 %

                        47,88 € 

Vorsteuer

- 37.730,99 €

-40.818,94 €

-46.333,68 €

-39.752,72 €

Umsatzsteuer ig. Erwerbe

203,71 €

                          
Vorsteuer ig. Erwerbe 203,71 €

EUSt   

-1.595,09 €

-1.185,11 €

-309,73 €

-372,86 €

Umsatzsteuer § 13b

28.001,43 €

9.441,34 €

1.311,40 €

342,- €

Vorsteuer § 13b

-28.001,43 €

-9.441,34 €

-1.311,40 €

-342,- €

Erstattungsbetrag

-39.326,08 €

-42.004,05 €

-46.643,41 €

-40.077,70 €

Die Klägerin erläutert dazu, die Vorsteuerbeträge ergäben sich im Wesentlichen aus Marketingleistungen, die von der deutschen Niederlassung bezogen worden seien. Die Klägerin habe zudem Eingangsrechnungen ausländischer Dienstleister erhalten, die an die B... Adresse gerichtet und aufgrund des Reverse-Charge-Verfahrens netto ausgestellt worden seien.

Die Umsatzsteuerveranlagung des Jahres 2008 sei entgegen der Auffassung des Beklagten nicht festsetzungsverjährt. Vor Eintritt der regulären Festsetzungsverjährung gemäß den §§ 169 Abs. 2 Nr. 2, 170 Abs. 1 Nr. 2 AO mit Ablauf des 31. Dezember 2015 sei ein Antrag nach § 171 Abs. 3 AO eingereicht worden, der den Ablauf der Festsetzungsverjährung hemme. Mit Urteil vom 23. September 2020 (XI R 1/19, BStBl II 2021, 341) habe der BFH entschieden, dass der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist bei der für ihn zuständigen Behörde einen Antrag gestellt haben müsse, aus dem sich zweifelsfrei ergebe, inwieweit eine Steuerfestsetzung begehrt werde. Die Klägerin habe dem Beklagten mit Schreiben vom 23. Dezember 2015 sämtliche Informationen zukommen lassen, die der Beklagte zum Erlass des begehrten Erstattungsbescheids benötigt habe. Die geltend gemachten Vorsteuerbeträge seien in dem Antrag beziffert und die relevanten Konten diesem Schreiben als Anlage beigefügt worden. Die für das Streitjahr 2008 wesentliche Problematik sei dem Beklagten zum Zeitpunkt der Antragstellung 2015 bekannt gewesen. Infolgedessen habe der Beklagte den Antrag für das Jahr 2008 nur wenige Tage nach Antragstellung mit Bescheid vom 5. Januar 2016 abgelehnt und die Klägerin - wie schon für die anderen Streitjahre - auf das Vergütungsverfahren beim BZSt verwiesen.

Die von der Klägerin bezogenen Dienstleistungen seien in Deutschland nach § 3a Abs. 2 Satz 2 UStG steuerbar und berechtigten die Klägerin zur Geltendmachung der Vorsteuer. Entgegen der Auffassung des Beklagten handele es sich bei dem Verbindungsbüro um eine passive Betriebsstätte i.S.d. § 3a Abs. 2 Satz 2 UStG. Für die Auslegung von § 3a Abs. 2 Satz 2 UStG bzw. Art. 44 Satz 2 MwStSystRL definiere Art. 11 Abs. 1 der EU-VO 282/2011 die passive feste Niederlassung. Nach dem Wortlaut von Art. 11 Abs. 1 EU-VO 282/2011 setze die passive Niederlassung lediglich voraus, dass diese aufgrund der technischen und personellen Ausstattung in der Lage sei, Leistungen zu empfangen und zu verwenden. Art. 11 Abs. 1 EU-VO 282/2011 setze nicht voraus, dass die Niederlassung Ausgangsleistungen erbringe. Zwar gelte Art. 11 EU-VO 282/2011 formell erst ab dem 1. Juli 2011. Es handele sich jedoch um eine Interpretation von Art. 44 der MwStSystRL, so dass die Grundsätze auch für die Jahre 2008 bis 2010 anzuwenden seien (Verweis auf EuGH, Urteil vom 16. Oktober 2014 - C-605/12, Welmory, Rz. 46). Die deutsche Niederlassung erfülle sämtliche Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 1 EU-VO 282/2011. Bislang hätten sich weder EuGH noch BFH zu der Frage geäußert, ob eine passive Betriebsstätte/feste Niederlassung i.S.v. § 3a Abs. 2 Satz 2 UStG bzw. Art. 11 Abs. 1 EU-VO 282/2011 eigenständige Ausgangsumsätze dieser Niederlassung voraussetze. Generalanwältin H... scheine in ihrem Schlussantrag vom 15. Mai 2014 zum EuGH-Verfahren Welmory, C-605/12, Rz. 41 ff. davon auszugehen, dass Art. 11 Abs. 1 EU-VO 282/2011 eine solche Voraussetzung nicht kenne. Zudem müsse es dem Leistenden in der täglichen Praxis möglich sein, die Existenz einer Betriebsstätte seines Vertragspartners anhand sichtbarer, möglichst rechtssicherer und einfach zu überprüfender Kriterien feststellen zu können. Würde man als Voraussetzung für die passive Betriebsstätte Ausgangsumsätze der Niederlassung fordern, müsste der leistende Unternehmer diese Entscheidung anhand von Kriterien treffen, die er nicht kenne. Die weitere Voraussetzung für die Steuerbarkeit einer Eingangsleistung gemäß § 3a Abs. 2 Satz 2 UStG bzw. Art. 44 Satz 2 MwStSystRL, nämlich der Bezug der Eingangsleistung für Zwecke der Niederlassung, sei vorliegend ebenfalls erfüllt. Für das Jahr 2011 seien darüber hinaus die Voraussetzungen für das Vorliegen einer aktiven und damit auch einer passiven Betriebsstätte auf jeden Fall erfüllt, da die Klägerin Büroinventar veräußert und damit einen steuerbaren und steuerpflichtigen Ausgangsumsatz erbracht habe.

Die Klägerin sei entgegen der Auffassung des Beklagten auch berechtigt, sämtliche Vorsteueransprüche im Rahmen des Veranlagungsverfahrens geltend zu machen. Das Vergütungsverfahren gemäß § 18 Abs. 9 UStG i.V.m. §§ 59 ff. UStDV sei nicht anzuwenden. Die Klägerin habe in den Jahren 2008 bis 2011 jeweils Leistungen erbracht bzw. bezogen, für die sie nach § 13a UStG die Steuer schulde. In allen Streitjahren habe die Klägerin Leistungen ausländischer Dienstleister bezogen, die gem. § 3a Abs. 2 Satz 2 UStG in Deutschland steuerbar seien und für die sie die Umsatzsteuer gem. § 13b Abs. 5, 7 UStG schulde. Im Jahr 2008 habe die Klägerin einen innergemeinschaftlichen Erwerb gem. § 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG zu versteuern. Im Jahr 2011 schulde die Klägerin die Umsatzsteuer gem. § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG aus der Veräußerung von Büromobiliar. Die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung für bestimmte Umsätze berechtige die Klägerin, sämtliche Vorsteuerbeträge des jeweiligen Kalenderjahres im Veranlagungsverfahren geltend zu machen.

In dem Verfahren betreffend das Veranlagungsjahr 2007 habe der BFH die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg zurückgewiesen und auf den Ausschlusstatbestand des § 15 Abs. 4b UStG verwiesen. Gegenstand des Verfahrens 2007 seien derselbe Sachverhalt und dieselben Rechtsfragen wie im vorliegenden Verfahren gewesen. Für die Jahre 2008 und 2011 griffen die Beschränkungen des § 15 Abs. 4b UStG schon vom Wortlaut her nicht; denn im Jahr 2008 habe die Klägerin zusätzlich zu den Reverse-Charge-Eingangsumsätzen innergemeinschaftliche Erwerbe nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG zu versteuern. Im Jahr 2011 sei die Klägerin Steuerschuldnerin für die Veräußerung des Büromobiliars nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG.

Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 15 Abs. 4b UStG sei, dass die Klägerin nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sei. Die B... Niederlassung sei aber als passive Betriebsstätte zu qualifizieren, sodass die Klägerin im Gemeinschaftsgebiet ansässig sei. Darüber hinaus unterhalte die Klägerin seit 2004 neben der deutschen Niederlassung eine weitere Niederlassung in Frankreich, die von den französischen Behörden als solche anerkannt sei. Diese Niederlassung sei der deutschen Niederlassung vergleichbar, d.h., sie verfüge über Personal und Räumlichkeiten, erbringe jedoch lediglich interne Marketingdienstleistungen an das Stammhaus in Mauritius. Ausgangsleistungen würden nicht erklärt, sondern lediglich Vorsteuerbeträge geltend gemacht. Auch aufgrund der Anerkennung der französischen Betriebsstätte durch die französischen Behörden handele es sich bei der Klägerin um einen im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer und nicht mehr um einen Unternehmer aus einem Drittland i.S.d. § 15 Abs. 4b UStG. Dieser Aspekt sei im Verfahren für das Jahr 2007 vom BFH nicht beachtet und rechtlich nicht gewürdigt worden.

Der Ausschluss der Klägerin vom Vorsteuerabzug aufgrund der Regelung in § 15 Abs. 4b UStG verstoße gegen den unionsrechtlichen Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer, der eine vollständige Entlastung der Unternehmen von den auf ihren Eingangsumsätzen lastenden Vorsteuern verlange. Die Klägerin unterhalte in Deutschland eine Niederlassung, die als passive Betriebsstätte i.S.d. § 3a Abs. 2 S. 2 UStG zu qualifizieren sei. Die bezogenen Eingangsleistungen verwende sie für die unternehmerische Tätigkeit dieser Niederlassung und erfülle somit sämtliche formellen und materiellen Voraus-setzungen, die für den Vorsteuerabzug erfüllt sein müssten. Es gebe keinen sachlichen Grund, der Klägerin den Vorsteuerabzug zu verweigern. Es gebe insbesondere keine sachliche Rechtfertigung, den Bezug von Dienstleistungen anders zu behandeln als den Bezug von Waren, zumal die Abgrenzung im Einzelfall schwierig sei. Während der Bezug von Waren zur Steuerschuld für einen innergemeinschaftlichen Erwerb führe, der den Vorsteuerabzug nicht ausschließe, führe die Steuerschuld nach § 13b UStG für bezogene Dienstleistungen zur Registrierungsund Erklärungspflicht, berechtige jedoch nicht zum Vorsteuerabzug. In beiden Fällen würden keine Ausgangsleistungen erbracht, in beiden Fällen entstehe die Steuerschuld nur für bezogene Eingangsleistungen.

Es werde angeregt, dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

„Ist unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, in denen die Klägerin mit Sitz in einem Drittstaat ein auf Dauer angelegtes Verbindungsbüro mit durchschnittlich fünf Angestellten im Inland unterhält, dieses als „feste Niederlassung" i.S.d. Art. 11 Abs. 1 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 anzusehen, wenn die Ausgangsleistungen vom Stammhaus erbracht werden und das Verbindungsbüro ausschließlich unternehmensinterne Marketingaufgaben sowie Aufgaben der Vertragsanbahnung übernimmt, für die es sonstige Leistungen i.S.d. Art. 44 MwStSystRL 2006/112/EG von inländischen und ausländischen Unternehmern empfängt und verwertet?

Falls Frage 1 bejaht wird: Ist es unter den o.g. Umständen des Ausgangsverfahrens mit dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer vereinbar, dass einem Unternehmer mit Sitz im Drittland und passiver fester Niederlassung im Inland der Vorsteuerabzug mit der Begründung versagt wird, dass er lediglich Eingangsumsätze zu versteuern hat, die dem Reverse-Charge-Verfahren unterliegen?“

Ergänzend führt die Klägerin aus, es gehe hier nicht um die Frage, ob das Vergütungsverfahren anwendbar sei, sondern um die Frage, ob der Ausschlusstatbestand des § 15 Abs. 4b UStG im Veranlagungsverfahren erfüllt sei.

Der Beklagte gehe zu Unrecht davon aus, dass die Umsatzbesteuerung eines Wirtschaftsguts nur dann erforderlich sei, wenn für das Wirtschaftsgut ein Vorsteuerabzug vorgenommen worden sei. Dafür fehle es an einer Rechtsgrundlage.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung der Ablehnungsbescheide vom 5. März 2013 (für 2011), vom 16. Juli 2015 (für 2009 und 2010) und vom 5. Januar 2016 (für 2008) sowie der dazu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 30. März2022 zu verpflichten, die Umsatzsteuer für 2008 i.H.v. ./.39.326,08 €, für 2009 i.H.v. ./.42.004,05 €, für 2010 i.H.v. ./.46.643,41 € und für 2011 i.H.v. ./.40.077,70 € festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf seine Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt der Beklagte vor, der BFH habe für das Vorjahr 2007 die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen, da nach der Auffassung des BFH der Vorsteuerabzug der Klägerin im allgemeinen Besteuerungsverfahren - seine Anwendbarkeit zugunsten der Klägerin unterstellt - ausgeschlossen sei, da gemäß § 15 Abs. 4b UStG bei fehlender Gegenseitigkeit ein Vorsteuerabzug für sämtliche Eingangsleistungen entfalle. Der grundlegende Sachverhalt habe sich in den Streitjahren 2008 bis 2011 nicht verändert.

Für 2008 sei auch unter Berücksichtigung des BFH-Urteils vom 23. September 2020 - XI R 1/19 Festsetzungsverjährung eingetreten; denn ein wirksamer Antrag setze voraus, dass sich das Begehren des Steuerpflichtigen seinem sachlichen Gehalt nach zumindest in groben Zügen bereits aus dem Antrag selbst ergebe. Angaben zur betragsmäßigen Auswirkung seien für die Bestimmtheit des Antrags für sich genommen nicht ausreichend. So sei es aber vorliegend; denn die Klägerin habe lediglich eine Kontoübersicht über Vorsteuerbeträge zur Darstellung der betragsmäßigen Auswirkung ihres Antrags übersandt. Hieraus sei nicht erkennbar gewesen, ob und inwieweit die Klägerin in diesem Veranlagungszeitraum Umsätze erzielt habe. Dies sei jedoch zwingend notwendig, um den Sachverhalt prüfen zu können. Diese Informationen seien erst aus der Umsatzsteuererklärung der Klägerin für 2008 hervorgegangen, die sie am 5. Februar 2016 - also nach Ablauf der Festsetzungsfrist - eingereicht habe.

Die Klägerin stütze ihren Anspruch auf Vorsteuererstattung für die Streitjahre auf § 3a Abs. 2 Satz 2 UStG und führe aus, das Verbindungsbüro sei eine passive Betriebsstätte. Maßgebend sei aber nicht § 3a UStG, sondern § 59 UStDV. Dazu habe der BFH für 2007 ausführlich Stellung genommen. Diese Grundsätze des Veranlagungszeitraums 2007 seien wegen der gleichen Sachverhaltsgestaltung auch auf die Streitjahre 2009 bis 2011 zu übertragen. Es sei nicht entscheidend, ob und inwieweit sich BFH und EuGH zur Frage von Ausgangsumsätzen bei einer passiven Niederlassung im Sinne des § 3a Abs. 2 Satz 2 UStG geäußert hätten.

Soweit die Klägerin im Hinblick auf 2011 darauf verweise, dass sie in diesem Streitjahr die Umsatzsteuer aus der Veräußerung von Büromobiliar gemäß § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG schulde, setze sie sich nicht mit den Ausführungen des Beklagten in der Einspruchsentscheidung auseinander. Die Besteuerung eines Wirtschaftsguts, welches das Unternehmen verlasse, sei nur dann erforderlich, wenn für das Wirtschaftsgut ein Vorsteuerabzug vorgenommen worden sei. Dies habe die Klägerin bisher nicht nachgewiesen.

Die Klägerin sei nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig, da Mauritius ein Drittland sei. Eine passive Betriebsstätte führe nicht zur Ansässigkeit. Ob und inwieweit die Klägerin in Frankreich eine Niederlassung unterhalte und in welcher Form diese nach französischem Recht zu besteuern sei bzw. besteuert werde, sei für das hiesige inländische Verfahren nicht von Bedeutung. Erst recht könne für die Verhältnisse der hiesigen Streitjahre 2008 bis 2011 einer in 2004 ausgestellten französischen Bescheinigung keine Bedeutung beigemessen werden.

§ 15 Abs. 4b UStG verstoße nicht gegen den Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer; denn das Verbindungsbüro der Klägerin in B... führe keine wirtschaftlichen Tätigkeiten aus, die der Mehrwertsteuer unterlägen. Zudem habe der BFH die Vereinbarkeit des § 15 Abs. 4b UStG mit dem Unionsrecht im Urteil vom 14. November 2018 ausdrücklich bestätigt. Damit setze sich die Klägerin nicht erkennbar auseinander.

Die Klägerin hat auf Aufforderung des Berichterstatters im gerichtlichen Verfahren weitere Unterlagen vorgelegt, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird. Es handelt sich insbesondere um exemplarische Rechnungen, aus denen der Vorsteuerabzug geltend gemacht wird, sowie um die Ankaufsrechnung aus dem Jahr 2006 für die im Streitjahr 2011 verkauften Büromöbel.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Ablehnungsbescheide und die dazu ergangenen Einspruchsentscheidungen sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Festsetzung der von ihr geltend gemachten Vorsteuerüberhänge im Regelbesteuerungsverfahren (§ 101 Finanzgerichtsordnung -FGO-).

II. Für das Streitjahr 2008 kommt die von der Klägerin begehrte Steuerfestsetzung schon deshalb nicht in Betracht, weil Festsetzungsverjährung eingetreten ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO).

1. Die reguläre vierjährige Festsetzungsfrist für das Streitjahr 2008 endete unter Berücksichtigung der Anlaufhemmung von maximal drei Jahren (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO) mit Ablauf des 31. Dezember 2015.

2. Das am 28. Dezember 2015 beim Beklagten eingegangene Schreiben der Klägerin vom 23. Dezember 2015, mit dem die Klägerin beim Beklagten einen Antrag auf Erstattung der Vorsteuern für den Veranlagungszeitraum 2008 stellte, führte nicht zu einer Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 3 AO.

a) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 AO gestellt, so läuft gemäß § 171 Abs. 3 AO die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist. Damit ist der Erfolg eines einmal gestellten Antrags nicht von der Arbeitsweise und -geschwindigkeit der Behörde abhängig. Bei der Auslegung des § 171 Abs. 3 AO sind nach der Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteil vom 23. September 2020 - XI R 1/19, BFHE 271, 1, BStBl II 2021, 341), der sich der Senat anschließt, folgende Grundsätze zu beachten:

Wenn der Steuerpflichtige eine Steuererklärung abgeben muss, sieht das Gesetz grundsätzlich keine Ablaufhemmung vor, sondern eine Anlaufhemmung (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Der Steuerpflichtige handelt, indem er eine Steuer- oder Feststellungserklärung abgibt. Wer dies innerhalb der Frist unterlässt, muss an sich den damit verbundenen Nachteil, dass gegebenenfalls kein Bescheid mehr ergeht, tragen. Daher verlangt die Rechtsprechung des BFH für eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO zunächst, dass der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist einen Antrag gestellt hat, aus dem sich zweifelsfrei ergibt, inwieweit eine Steuerfestsetzung begehrt wird. Eine ggf. vorgeschriebene Form ist einzuhalten.

Als „Antrag“ i.S. des § 171 Abs. 3 AO a.F. sind nur solche Willensbekundungen zu verstehen, die ein Tätigwerden der Finanzbehörden außerhalb des infolge der Amtsmaxime ohnehin gebotenen Verwaltungshandelns auslösen sollen. Daher ist eine Steuererklärung grundsätzlich auch dann kein Antrag i.S.d. § 171 Abs. 3 AO, wenn sie zur Auszahlung eines Überschusses (Steuervergütung, „Erstattung“) führen soll. Ziel dieser einschränkenden Auslegung des Begriffs „Antrag“ i.S. des § 171 Abs. 3 AO ist die Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen, die eine Steuer- oder Feststellungserklärung innerhalb der Festsetzungsoder Feststellungsfrist abgeben, mit den Steuerpflichtigen, die dies unterlassen haben. Ist innerhalb der Festsetzungsfrist kein Antrag eingegangen, ist der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis erloschen; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht möglich. Dasselbe gilt, wenn sich das Ziel des Steuerpflichtigen nicht durch Auslegung des eingereichten Schreibens ermitteln lässt.

Ob und mit welcher Reichweite ein Antrag i.S. von § 171 Abs. 3 AO vorliegt, hat das FG im Wege der Auslegung (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) als Tatsacheninstanz zu ermitteln. Auch in Fällen des § 171 Abs. 3 AO, in denen der Steuerpflichtige zur Einreichung einer Steuererklärung gesetzlich verpflichtet ist, muss sich das von ihm verfolgte Begehren seinem sachlichen Gehalt nach zumindest in groben Zügen bereits aus dem fristgerecht gestellten Antrag selbst ergeben, so dass Angaben zur rein betragsmäßigen Auswirkung auf die Steuerfestsetzung für die Bestimmtheit des Antrags für sich genommen nicht ausreichend sind. Will ein zur Einreichung einer Steuererklärung verpflichteter Steuerpflichtiger einen Antrag i.S.d. § 171 Abs. 3 AO stellen, muss er daher Angaben machen, deren Erklärungswert über die Ankündigung einer Steuererklärung mit einem bestimmten Gesamtbetrag der Einkünfte hinausgeht. Die Angaben müssen die Behörde überhaupt in die Lage versetzen, das Begehren der Sache nach zu bearbeiten. Unterlässt der Steuerpflichtige diese Angaben, hängt der Erfolg oder Misserfolg seines Antrags nicht von der Arbeitsweise und -geschwindigkeit der Behörde ab, sondern ist durch seine fehlenden Angaben veranlasst.

b) Nach Maßgabe dieser Kriterien genügt der auf den 23. Dezember 2015 datierte und kurz vor Ablauf der regulären Festsetzungsfrist beim Beklagten eingegangene Antrag der Klägerin nicht, um eine Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 3 AO auszulösen.

Die Klägerin hat sich in dem Schreiben vom 23. Dezember 2015 darauf beschränkt, dem Beklagten die dem Jahr 2008 zuzuordnenden Vorsteuerbeträge i.H.v. 37.731,01 € mitzuteilen und durch Beifügung der Vorsteuerkonten glaubhaft zu machen sowie deren Erstattung zu beantragen. Die Berücksichtigung von Vorsteuerbeträgen ist aber nur ein - wenn auch wesentlicher - Teilaspekt einer Umsatzsteuererklärung, die neben Angaben zum Unternehmen und dem Unternehmer insbesondere auch Angaben zu den steuerbaren oder nicht steuerbaren Ausgangsumsätzen verlangt. Ein Antrag, der sich auf die Vorsteuerbeträge beschränkt, kann deshalb nach Auffassung des Senats schon deshalb keine Ablaufhemmung auslösen. Dies ist deshalb gerechtfertigt, weil das Finanzamt in einem solchen Fall nicht in die Lage versetzt wird, die Steuererklärung zu bearbeiten, obwohl die Klägerin nach Ende des Veranlagungszeitraums 2008 sieben Jahre Zeit hatte, ihre vollständige Steuererklärung beim Beklagten abzugeben.

Selbst wenn zugunsten der Klägerin unterstellt würde, dass aufgrund des eingeschränkten Tätigkeitsspektrums der deutschen Niederlassung der Klägerin nicht mit relevanten steuerbaren und steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen der Klägerin in Deutschland zu rechnen war, erlaubt dies nicht den Schluss, dass die Angabe der Vorsteuerbeträge genügte, um einen wirksamen Antrag i.S.v. § 171 Abs. 3 AO anzunehmen. Der Klägerin war aufgrund der Ablehnungsbescheide des Beklagten vom 5. März 2013 (für 2011) und vom 16. Juli 2015 (für 2009 und 2010) bekannt, dass der Beklagte eine Umsetzsteuerfestsetzung im Regelbesteuerungsverfahren abgelehnt und dies insbesondere mit dem Fehlen von Ausgangsumsätzen begründet hat. Die Klägerin hätte daher zu den Ausgangsumsätzen Angaben machen müssen, um den Beklagten in die Lage zu versetzen, ihren Antrag in Gestalt einer Steuerfestsetzung zu bearbeiten. Dies war der Klägerin - bzw. ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten - auch bewusst, denn sie hatte schon in der berichtigten Umsatzsteuererklärung für 2011 vom 16. Dezember 2014 einen Ausgangsumsatz zu 19 % i.H.v. 252,- € (netto) und darauf entfallende Umsatzsteuer i.H.v. 47,88 € erklärt. Es war daher für die Klägerin ersichtlich, dass der Antrag für 2008 unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Beklagten ohne eigene Ausgangsumsätze keinen Erfolg haben könnte. Unter diesen Umständen ist eine Ablaufhemmung aber ausgeschlossen.

Ihre - inhaltlich ausreichende - Umsatzsteuererklärung für 2008 hat die Klägerin erst am 5. Februar 2016 und damit nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist abgegeben. Aus dieser Erklärung resultieren im Übrigen erhebliche Abweichungen zum Antrag vom 23. Dezember 2015. So erklärte die Klägerin statt der Vorsteuer i.H.v. 37.731,01 € nunmehr Vorsteuerbeträge i.H.v. insgesamt 67.531,22 €. Außerdem erklärte die Klägerin von ihr geschuldete Umsatzsteuer i.H.v. 28.001,43 € und einen resultierenden Erstattungsbetrag von 39.326,10 €. Alle diese Informationen konnte der Beklagte dem Antrag vom 23. Dezember 2015 nicht entnehmen.

Der Senat weist abschließend darauf hin, dass die Klägerin in ihrer Klagebegründung selbst darauf hinweist, dass sich aus ihrer Sicht das Veranlagungsverfahren 2008 von den anderen Streitjahren und auch von dem Jahr 2007, zu dem der BFH bereits entschieden hat, unterscheidet, weil sie im Jahr 2008 einen innergemeinschaftlichen Erwerb gem. § 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG zu versteuern habe. Sie erklärte erstmals Umsatzsteuer und Vorsteuerbeträge i.H.v. jeweils 203,71 € aus innergemeinschaftlichen Erwerben, die die Klägerin nunmehr heranzieht, um ihre Berechtigung zur Veranlagung im Regelbesteuerungsverfahren und zum Vorsteuerabzug zu begründen und die deshalb trotz der geringen Höhe von potentiell erheblicher Bedeutung sind. Die Klägerin hätte zumindest diesen Umstand dem Beklagten vor Ablauf der Festsetzungsfrist mitteilen müssen, um sich erfolgreich auf die Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 3 AO berufen zu können.

III. Für die Streitjahre 2009 und 2010 ist der Vorsteuerabzug der Klägerin im allgemeinen Besteuerungsverfahren nach § 15 Abs. 4b UStG ausgeschlossen.

1. Der Senat verweist - da der Sachverhalt unverändert ist - auf die Entscheidung des

BFH für das Jahr 2007 (BFH-Urteil vom 22. Mai 2019 - XI R 1/18, BFHE 264, 529, BStBl II 2020, 132), der sich der Senat anschließt. Daraus ergibt sich für die Jahre 2009 und 2010 zusammengefasst Folgendes:

a) Die Klägerin war in den Streitjahren eine nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmerin i.S. des § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG (jetzt: Satz 4). Daher wäre das allgemeine Besteuerungsverfahren grundsätzlich anzuwenden, wenn die Klägerin Umsatzsteuer gemäß § 13b UStG schuldet.

aa) Nach § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG hat der Unternehmer für das Kalenderjahr (oder für den kürzeren Besteuerungszeitraum) eine Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln, in der er die zu entrichtende Steuer oder den Überschuss, der sich zu seinen Gunsten ergibt, nach § 16 Abs. 1 bis 4 und § 17 UStG selbst zu berechnen hat (Steueranmeldung). Daneben hat der deutsche Gesetzgeber in § 18 Abs. 9 UStG geregelt, dass die Vergütung der Vorsteuerbeträge (§ 15 UStG) an im Ausland ansässige Unternehmer abweichend von § 16 UStG und von § 18 Abs. 1 bis 4 UStG in einem besonderen Verfahren erfolgen kann. Einem Unternehmer, der nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig ist, wird danach die Vorsteuer u.a. nur dann vergütet, wenn in dem Land, in dem der Unternehmer seinen Sitz hat, keine Umsatzsteuer oder ähnliche Steuer erhoben oder im Fall der Erhebung im Inland ansässigen Unternehmern vergütet wird (sog. Gegenseitigkeit, § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG, jetzt § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG, i.V.m.

Art. 171 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112/EG, Art. 2 Abs. 2 der Dreizehnten Richtlinie 86/560/EWG des Rates vom 17. November 1986 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Verfahren der Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige -Richtlinie 86/560/EWG-).

bb) In § 59 UStDV a.F. war in den Streitjahren in Ausführung dieser Verordnungsermächtigung bestimmt, dass die Vergütung der abziehbaren Vorsteuerbeträge (§ 15 UStG) an im Ausland ansässige Unternehmer (§ 13b Abs. 4 UStG) abweichend von § 16 und § 18 Abs. 1 bis 4 UStG nach den §§ 60 und 61 UStDV durchzuführen ist, wenn der Unternehmer im Vergütungszeitraum (1.) im Inland keine Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 5 UStG oder nur steuerfreie Umsätze im Sinne des § 4 Nr. 3 UStG ausgeführt hat, (2.) nur Umsätze ausgeführt hat, für die der Leistungsempfänger die Steuer schuldet (§ 13b UStG) oder die der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Abs. 5 und § 18 Abs. 5 UStG) unterlegen haben, (3.) im Inland nur innergemeinschaftliche Erwerbe und daran anschließende Lieferungen im Sinne des § 25b Abs. 2 UStG ausgeführt hat, oder (4.) im Inland als Steuerschuldner nur Umsätze im Sinne des § 3a Abs. 3a UStG erbracht hat und von dem Wahlrecht nach § 18 Abs. 4c UStG Gebrauch gemacht hat oder diese Umsätze in einem anderen Mitgliedstaat erklärt sowie die darauf entfallende Steuer entrichtet hat.

cc) Ein im Ausland ansässiger Unternehmer war bis einschließlich dem Streitjahr 2009 gemäß § 13b Abs. 4 Satz 1 UStG a.F. ein Unternehmer, der weder im Inland noch auf der Insel I... oder in einem der in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete einen Wohnsitz, seinen Sitz, seine Geschäftsleitung oder eine Zweigniederlassung hatte. Zum 1. Januar 2010 wurde in § 13b Abs. 4 Satz 1 UStG a.F. der Begriff „Zweigniederlassung“ durch „Betriebsstätte“ ersetzt und ein Halbsatz 2 angefügt, wonach eine Betriebsstätte nur dann zur Ansässigkeit führt, wenn sie den Umsatz ausgeführt hat (Art. 7 Nr. 7 i.V.m. Art. 39 Abs. 9 JStG 2009, BGBl. I 2008, 2794). Zum 1. Juli 2010 wurde die gesetzliche Definition des im Ausland ansässigen Unternehmers in den neuen § 13b Abs. 7 UStG übernommen.

Diese Grundsätze gelten auch für 2009, obwohl das nationale Recht in diesem Streitjahr eine dem § 13b Abs. 7 Satz 3 UStG n.F. entsprechende Vorschrift noch nicht enthielt. Denn auch nach altem Recht war § 59 UStDV richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass der Unternehmer nur dann nicht im Ausland ansässig i.S. des § 59 UStDV war, wenn von einer ggf. vorhandenen inländischen „Zweigniederlassung“ oder „Betriebsstätte“ aus „Umsätze“ bewirkt wurden.

b) Danach war die Klägerin - wie schon vom BFH rechtskräftig für das Jahr 2007 entschieden - auch in den Streitjahren 2009 und 2010 eine nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmerin und war vom allgemeinen Besteuerungsverfahren grundsätzlich ausgeschlossen; denn ihr Hauptsitz befindet sich in Mauritius, einem Drittland, und sie erbringt durch ihre deutsche Betriebsstätte keine Ausgangsumsätze. Die Leistungen des Verbindungsbüros an den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit in Mauritius sind nicht steuerbar, weil das Stammhaus und das unselbständige Verbindungsbüro Teile desselben Unternehmens sind. Die Klägerin kann auch nicht mit ihrem erstmals im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Argument durchdringen, sie sei deshalb nicht als Drittlands-Gesellschaft anzusehen, weil sie mit ihrer Betriebsstätte/Niederlassung in Frankreich 2004 von den französischen Behörden anerkannt worden sei. Abgesehen von dem Umstand, auf den der Beklagte auch hingewiesen hat, dass nicht ersichtlich ist, dass die nur für das Jahr 2004 nachgewiesene Anerkennung durch die französischen Behörden auch in den Streitjahren wirksam war, kann sich der Senat der Rechtsauffassung der Klägerin schon deshalb nicht anschließen, weil auch die französische Betriebsstätte/Niederlassung der Klägerin keine Ausgangsumsätze erbracht hat.

c) Der Senat kann an dieser Stelle offenlassen, ob die Werbeleistungen an die Klägerin, die nach Auffassung der Klägerin zu einer Steuerschuld gem. § 13b UStG führen, der Betriebsstätte/Niederlassung der Klägerin zuzurechnen waren, was Voraussetzung für die Steuerbarkeit der Leistungen in Deutschland und damit für den Vorsteuerabzug der Klägerin wäre. Denn jedenfalls ist der Vorsteuerabzug nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, gem. § 15 Abs. 4b UStG selbst dann ausgeschlossen, wenn wegen der Steuerschuld gem. § 13b UStG das allgemeine Besteuerungsverfahren anzuwenden wäre.

Nach § 15 Abs. 4b UStG gelten für Unternehmer, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind und die nur Steuer nach § 13b Abs. 2 UStG schulden, die Einschränkungen des § 18 Abs. 9 Sätze 6 und 7 UStG (jetzt: Sätze 4 und 5) entsprechend. Damit finden die im Vorsteuer-Vergütungsverfahren geltenden Einschränkungen des § 18 Abs. 9 UStG, z.B. zur Gegenseitigkeit, wie bisher auch im allgemeinen Besteuerungsverfahren Anwendung. Dies führt zu einer Gleichstellung der Drittlands-Unternehmer, die wegen der Verpflichtung zur Abführung der nach § 13b UStG geschuldeten Steuer in Deutschland umsatzsteuerrechtlich erfasst sind, mit Drittlands-Unternehmern, die nicht in Deutschland erfasst sind und ihre Vorsteuerbeträge im Vergütungsverfahren geltend machen müssen. Fehlt es an der Gegenseitigkeit, ist der Vorsteuerabzug für sämtliche Eingangsleistungen ausgeschlossen.

Danach ist der Vorsteuerabzug für sämtliche Umsätze gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 15 Abs. 4b UStG, § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG ausgeschlossen; denn mit Mauritius bestand und besteht keine Gegenseitigkeit.

2. Es ist ebenso bereits höchstrichterlich geklärt, dass das in § 15 Abs. 4b i.V.m. § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG enthaltene Erfordernis der Gegenseitigkeit weder gegen Verfassungsrecht noch gegen Unionsrecht verstößt (vgl. dazu BFH-Urteil vom 22. Mai 2019 - XI R 1/18, BFHE 264, 529, BStBl II 2020, 132, m.w.N.):

Der BFH hat zum nationalen Verfassungsrecht entschieden, dass das Erfordernis der Gegenseitigkeit in § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG im Einklang mit dem aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht. Die Benachteiligung von im Drittlandsgebiet ansässigen Unternehmern ist in Bezug auf Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes gerechtfertigt, weil Unternehmer, die dem Vergütungsverfahren unterliegen, im Inland keine steuerpflichtigen Umsätze erzielen. Das gilt in den Fällen des § 15 Abs. 4b UStG in gleicher Weise: Er stellt die Gleichbehandlung von im Drittlandsgebiet ansässigen Unternehmern, die im Inland keine Ausgangsumsätze bewirken, sicher, indem er die Einschränkung des § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG für diese Fallgruppe wirkungsgleich ins allgemeine Besteuerungsverfahren überträgt.

Der EuGH hat zum Unionsrecht bereits entschieden, dass Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 86/560/EWG nicht ungeachtet seines klaren und genauen Wortlauts in einer Weise ausgelegt werden kann, die auf seine Berichtigung abzielt (vgl. EuGH-Urteil Kommission/ Vereinigtes Königreich vom 15. Juli 2010 - C-582/08, EU:C:2010:429, HFR 2010, 995, Rz 51). Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 86/560/EWG ist auch nicht dahingehend auszulegen, dass er auf Drittländer beschränkt ist, die sich nicht auf die Meistbegünstigungsklausel nach Art. II Abs. 1 des General Agreement on Trade in Services (GATS; BGBl II 1994, 1643) berufen können (vgl. EuGH-Urteil Rizeni Letoveho Provozu vom 7. Juni 2007 - C-335/05, EU:C:2007:321, BFH/NV 2007, Beilage 4, 386). Der EuGH hält danach das Prinzip der Gegenseitigkeit ebenfalls für unionsrechtlich zulässig.

Aus Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union -EuGrdRCh- ergibt sich vor diesem Hintergrund nichts anderes. Ein etwaiger Verstoß der § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG (jetzt § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG), § 15 Abs. 4b UStG gegen das GATS führt nicht zur Unanwendbarkeit dieser Normen; denn dieses Abkommen gewährt dem Einzelnen keine subjektiven Rechte. Etwaige Verstöße sind nur im Rahmen eines von den Mitgliedstaaten einzuleitenden Verfahrens zu überprüfen. Der Senat sieht deshalb von einer Vorlage an den EuGH ab.

IV. Schließlich hat die Klage auch für das Jahr 2011 keinen Erfolg. Auch der Umsatz aus dem Verkauf der Büromöbel begründet keinen Anspruch auf Abzug der Vorsteuer aus den an die Klägerin erbrachten Werbeleistungen.

1. Der Vorsteuerabzug aus den von der Klägerin bezogenen Werbeleistungen ist ausgeschlossen, da diese nicht der deutschen Betriebsstätte/Niederlassung zuzuordnen und deshalb nicht in Deutschland steuerbar waren (so bereits der 5. Senat des FG Berlin-Brandenburg im Urteil vom 6. Juli 2017 - 5 K 5270/15, juris, zum Streitjahr 2007).

Gemäß § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG wird eine sonstige Leistung, die an einen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird, grundsätzlich an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung an die Betriebsstätte eines Unternehmers ausgeführt, ist stattdessen der Ort der Betriebsstätte maßgebend (§ 3a Abs. 2 Satz 2 UStG).

Eine sonstige Leistung ist dann an eine Betriebsstätte ausgeführt, wenn sie ihr zuzuordnen ist, weil sie dieser dient, d.h. für deren Zwecke verwendet wird. Das ist nicht schon dann der Fall, wenn die Leistung von der Betriebsstätte in Auftrag gegeben wurde. Erforderlich ist vielmehr, dass die bezogene sonstige Leistung von der Betriebsstätte für die Erbringung von eigenen Leistungen eingesetzt wird, also von solchen, die ihr zwar nicht zivilrechtlich, aber wirtschaftlich zuzurechnen sind (Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 3a nF Rn. 212 ff. [Stand: 2/2021]). Das war in Bezug auf die der Klägerin in Rechnung gestellten Werbeleistungen nicht der Fall; denn die vom deutschen Verbindungsbüro in Auftrag gegebene Werbung wurde letztendlich nicht für Zwecke des Verbindungsbüros - im Sinne von eigenen Umsätzen des Verbindungsbüros - verwendet. Vielmehr ist die Werbung der Hauptniederlassung der Klägerin zugutegekommen, die die Ausgangsumsätze erbracht hat, weil durch die Werbung die Buchungen von Unterkünften in den von ihr betriebenen Hotels und Resorts gesteigert werden sollten. Die Reisebuchungen waren unstreitig nicht beim Verbindungsbüro, sondern in der Hauptniederlassung der Klägerin vorzunehmen. Das deutsche Verbindungsbüro fungierte lediglich als Ansprechpartner für Rückfragen von Reisebüros. Dies zeigt, dass die Werbeleistungen gerade nicht für eigene Leistungen des Verbindungsbüros eingesetzt worden sind. Dem entsprechend geht die Finanzverwaltung in Abschnitt 3a. 2 Abs. 5 UStAE im Ergebnis zutreffend davon aus, dass Werbeanzeigen in Zeitungen und Zeitschriften (nur) dann einer Betriebsstätte zuzuordnen sind, wenn diese in der Lage ist, die Leistungen zu erbringen, für die geworben wird. Gerade das war bei dem Verbindungsbüro nicht der Fall. Die Werbeleistung ist damit der Hauptniederlassung der Klägerin in Mauritius zuzuordnen und nicht einer inländischen Betriebsstätte in Gestalt des in B... betriebenen Verbindungsbüros.

2. Selbst wenn die Werbeleistungen entgegen der Überzeugung des Senats dem inländischen Verbindungsbüro der Klägerin zuzuordnen wären, käme eine Vorsteuererstattung nicht in Betracht, da das deutsche Verbindungsbüro keine Ausgangsumsätze erbracht hat.

a) Nach Auffassung des Senats ist die Erbringung von Ausgangsumsätzen Voraussetzung dafür, dass ein wirtschaftlicher Verbrauch der empfangenen sonstigen Leistungen am Ort der Betriebsstätte stattfindet und nicht an dem Ort, von dem aus das Unternehmen betrieben wird.

Dies folgt aus dem Urteil des EuGH vom 16. Oktober 2014 (Rs. C-605/12 - Welmory) zu dem unionsrechtlichen Begriff der festen Niederlassung, der dem nationalen Begriff der Betriebsstätte entspricht. Danach verfügt ein Steuerpflichtiger, der den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit in einem Mitgliedstaat hat und der Dienstleistungen empfängt, die von einem in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Steuerpflichtigen erbracht werden, im Hinblick auf die Bestimmung des Ortes der Besteuerung dieser Dienstleistungen in diesem anderen Mitgliedstaat dann über eine „feste Niederlassung“, wenn diese Niederlassung einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die es von der personellen und technischen Ausstattung her ermöglicht, Dienstleistungen für ihre wirtschaftliche Tätigkeit zu empfangen und zu verwenden. Daraus ergibt sich nach Auffassung des Senats, dass die Betriebsstätte/feste Niederlassung auch im Hinblick auf die Bestimmung des Ortes der sonstigen Leistung eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, also Ausgangsumsätze erbringen muss. Ist dies nicht der Fall, so handelt es sich nicht um eine Betriebsstätte i.S.v. § 3a Abs. 2 Satz 2 UStG (so auch Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 3a UStG, Rn. 51 und 200; Grambeck in BeckOK UStG, § 31 Rn. 85; a.A. Korn in Bunjes, § 3a UStG Rn. 14; Wäger in Sölch/Ringleb, § 3a UStG Rn. 92; Monfort, UR 2012, 341, 348). Dies wird bestätigt durch Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 86/560/EWG, wonach als nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässiger Steuerpflichtiger derjenige Steuerpflichtige gilt, der im Vergütungszeitraum in diesem Gebiet weder den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit noch eine feste Niederlassung, von wo aus die Umsätze bewirkt worden sind, gehabt hat, und der in dem gleichen Zeitraum in dem in Art. 2 der Richtlinie 86/560/EWG genannten Mitgliedstaat keine Gegenstände geliefert oder Dienstleistungen erbracht hat mit Ausnahme (u.a.) von Dienstleistungen, bei denen die Steuer lediglich vom Empfänger geschuldet wird.

b) Der Umsatz i.H.v. 252,- € aus dem Verkauf der Büromöbel an die C... GmbH aus E... begründet hinsichtlich der Eingangsleistungen der Klägerin keinen Anspruch auf Vorsteuerabzug.

Zwar stünde das Gegenseitigkeitserfordernis gem. § 18 Abs. 9 Sätze 4 und 5 UStG dem Vorsteuerabzug nicht entgegen; denn dieses galt gem. § 15 Abs. 4b UStG nur für Unternehmer, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind und die nur Steuer nach § 13b Abs. 5 schulden, während die Klägerin die Umsatzsteuer gem. § 13a Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG schuldet. Es spielt dabei nach dem Gesetzeswortlaut keine Rolle, dass es sich lediglich um einen marginalen Betrag handelt. Auch für einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S.v. § 42 AO liegen keine Anhaltspunkte vor, selbst wenn unterstellt würde, dass die Klägerin die Büromöbel nur verkauft hat, um den Vorsteuerabzug für ihre Eingangsleistungen zu erlangen. Insbesondere hat der Senat keinen Anlass, anzunehmen, dass der Verkauf der Büromöbel nur vorgetäuscht wurde, was der Beklagte auch nicht geltend macht. Ein tatsächlich steuerbarer und steuerpflichtiger Umsatz kann aber keinen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten darstellen. Schließlich kann sich der Senat nicht der Rechtsauffassung des Beklagten anschließen, wonach der Verkauf der Büromöbel nicht als steuerbarer Umsatz gem. § 13a Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG anzusehen sein soll, weil es sich um einen Hilfsumsatz der nicht steuerbaren Umsätze der Betriebsstätte an das Stammhaus handele. Dies ist nach Auffassung des Senats nicht mit den Grundsätzen der Umsatzbesteuerung zu vereinbaren.

T rotzdem führt der Verkauf der Büromöbel nicht zu Ausgangsumsätzen, die die Eigenschaft der Niederlassung als Betriebsstätte/feste Niederlassung begründen können. Insofern geht der Senat im Anschluss an die Rechtsauffassung des Beklagten davon aus, dass der Umsatz aus der Veräußerung der Büromöbel nicht der Betriebsstätte/festen Niederlassung in Deutschland zuzuordnen ist, sondern dem Stammhaus in Mauritius. Dies folgt schon daraus, dass die deutsche Betriebsstätte/Niederlassung mangels eigener Ausgangsumsätze nicht über die Liquidität verfügt hätte, um die Büromöbel zu erwerben. Zudem schließt sich der Senat auch der Auffassung des Beklagten an, wonach zwischen Umsätzen aus dem laufenden Geschäft und aus der Veräußerung von Anlagevermögen zu unterscheiden ist, wenn es um die Frage geht, ob aus der Veräußerung die Existenz einer Betriebsstätte/festen Niederlassung abzuleiten ist. Im Übrigen fehlt es an jeglichem wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den von der Klägerin eingekauften Werbeleistungen und dem Verkauf der Büromöbel.

c) Soweit die Klägerin dagegen einwendet, dies führe zu Rechtsunsicherheit, da der Leistungserbringer nicht wissen könne, ob die inländische Betriebsstätte Ausgangsleistungen erbringe, kann dies den Senat schon deshalb nicht überzeugen, weil diese Unsicherheit den Leistungserbringer betrifft, nicht die Klägerin als Leistungsempfängerin. Zudem hat der Gesetzgeber das Problem erkannt und in § 13b Abs. 7 Satz 5 UStG Regelungen aufgenommen (s. auch Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 3 MwStVO).

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Senat hat die Revision hinsichtlich des Jahres 2011 zugelassen, weil die Frage des Vorsteuerabzugs bei Leistungsbezug durch inländische Repräsentationsbüros höchstrichterlich nicht geklärt ist. Hinsichtlich der Streitjahre 2008 bis 2010 hat der Senat die Revision mangels Grundes i.S.v. § 115 Abs. 2 FGO nicht zugelassen.