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Entscheidung OVG 3 I 1/23


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 07.08.2023
Aktenzeichen OVG 3 I 1/23 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2023:0807.OVG3I1.23.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 58 Abs 6 S 1 AufenthG, § 58 Abs 7 AufenthG, § 58 Abs 8 S 1 AufenthG, Art 13 Abs 1 GG

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beschwerdeführer.

Gründe

I.

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem die Durchsuchung ihrer Wohnung auch zur Nachtzeit gestattet wurde, um die Abschiebung des Beschwerdeführers zu 1. durchzuführen.

Der Beschwerdeführer zu 1. ist libanesischer Staatsangehöriger, der 1993 in Berlin geboren wurde. Mit Bescheid vom 7. August 2012 (nach Angaben des Beschwerdegegners in diesem Verfahren: 16. August 2012) wurde sein Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt und ihm die Abschiebung in den Libanon angedroht. Dieser Bescheid ist seit Mitte 2014 bestandskräftig. In der Folge wurde der Beschwerdeführer zu 1 wegen fehlender Reisedokumente geduldet. Mit Schreiben vom 18. März 2022 ersuchte das Landesamt für Einwanderung die Polizei Berlin um seine Abschiebung.

Mit Schriftsatz vom 5. April 2022 beantragte die Polizei Berlin - Landeskriminalamt - beim Verwaltungsgericht die Anordnung der Durchsuchung der Meldeanschrift der Beschwerdeführer durch die mit der Abschiebung beauftragten Vollzugsbeamten in den Nachtstunden eines Tages im April 2022.

Das Verwaltungsgericht erteilte dem Beschwerdegegner mit Beschluss vom 8. April 2022 die Befugnis, im Zeitraum vom 13. bis zum 30. April 2022 die Wohnung der Beschwerdeführer zur Ergreifung des Beschwerdeführers zu 1. zum Zweck der Durchführung seiner Abschiebung auch zur Nachtzeit zu betreten und zu durchsuchen. Bei der am 14. April 2022 durchgeführten Durchsuchung wurde der Beschwerdeführer zu 1 nicht angetroffen.

Die Beschwerdeführer haben am 26. April 2022 Beschwerde erhoben und beantragen,

festzustellen, dass der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 8. April 2022 rechtswidrig gewesen ist,

hilfsweise festzustellen, dass die am 14. April 2022 erfolgte Durchsuchung der Wohnung in der G...  in Berlin in rechtswidriger Art und Weise erfolgte;

hilfsweise erklärten sie den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.

II.

Die Beschwerde ist nur mit ihrem Hauptantrag zulässig, aber unbegründet (1.). Die Hilfsanträge sind unzulässig (2.).

1. a. Soweit die Beschwerdeführer die Feststellung begehren, dass der angefochtene Beschluss vom 8. April 2022 rechtswidrig gewesen ist, ist ihr Rechtsbehelf zulässig.

Zwar hat sich der Beschluss des Verwaltungsgerichts erledigt, nachdem die angeordnete Durchsuchung am 14. April 2022 erfolgt und zudem der vom Verwaltungsgericht für die Durchsuchung eingeräumte Zeitraum inzwischen abgelaufen ist. Für den Feststellungsantrag, auf den die Beschwerdeführer danach statthaft umgestellt haben, besteht entgegen der vom Beschwerdegegner vertretenen Auffassung auch weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis. Ungeachtet der Frage einer etwaigen Wiederholungsgefahr oder eines Rehabilitierungsinteresses ergibt sich dieses aus dem Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) aufgrund des mit der Wohnungsdurchsuchung verbundenen erheblichen Grundrechtseingriffs, dessen direkte Belastung sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in der der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung gegebenen Instanz kaum erlangen kann. Effektiver Grundrechtsschutz gebietet es in diesen Fällen, dass der Betroffene Gelegenheit erhält, die Berechtigung des schwerwiegenden - wenn auch tatsächlich nicht mehr fortwirkenden - Grundrechtseingriffs gerichtlich klären zu lassen (vgl. zu strafprozessualen Durchsuchungsbeschlüssen: BVerfG, Beschluss vom 30. April 1997 - 2 BvR 817/90 u.a. - juris Rn. 47 ff.; Beschluss vom 24. März 1998 - 1 BvR 1935/96 u.a. - juris Rn. 8 C 14.1218 ff.; Beschluss vom 18. Dezember 2002 - 2 BvR 1660/02 - juris Rn. 3; Beschluss vom 9. Februar 2005 - 2 BvR 984/04 u.a. - juris Rn. 31; s. auch BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 - juris Rn. 32; Urteil vom 16. Februar 2023 - 1 C 19.21 - juris 17).

b. In der Sache hat das Feststellungsbegehren jedoch keinen Erfolg. Die Anordnung der Durchsuchung auch in den Nachtstunden erweist sich ausgehend von der maßgeblichen Sach- und Rechtslage bei Erlass des Durchsuchungsbeschlusses (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. September 2010 - 2 BvR 2561/08 - juris Rn. 28) als rechtmäßig.

Gemäß § 58 Abs. 6 Satz 1 AufenthG kann die die Abschiebung durchführende Behörde eine Durchsuchung der Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung vornehmen, soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert. Die Wohnung darf zur Nachtzeit nur betreten oder durchsucht werden, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die Ergreifung des Ausländers zum Zweck seiner Abschiebung andernfalls vereitelt wird, wobei die Organisation der Abschiebung keine Tatsache in diesem Sinne ist (§ 58 Abs. 7 AufenthG). Durchsuchungen - sei es zur Tag- oder Nachtzeit - dürfen nach § 58 Abs. 8 Satz 1 AufenthG nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die die Abschiebung durchführende Behörde, angeordnet werden.

Eine Durchsuchung greift in den durch die Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 Abs. 1 GG geschützten räumlich gegenständlichen Bereich der Privatsphäre schwerwiegend ein, mit dem dem Einzelnen im Hinblick auf seine Menschenwürde und im Interesse der freien Entfaltung der Persönlichkeit ein elementarer Lebensraum gewährleistet wird. Dem Gewicht dieses Eingriffs und der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Schutzes der räumlichen Privatsphäre entspricht es, dass Art. 13 Abs. 2 Halbsatz 1 GG die Anordnung einer Durchsuchung grundsätzlich dem Richter vorbehält. Der Richtervorbehalt zielt auf eine vorbeugende Kontrolle der Maßnahme durch eine unabhängige und neutrale Instanz ab. Der Richter muss die beabsichtigte Maßnahme eigenverantwortlich prüfen; er muss dafür Sorge tragen, dass die sich aus der Verfassung und dem einfachen Recht ergebenden Voraussetzungen der Durchsuchung genau beachtet werden, und insbesondere prüfen, ob die Maßnahme verhältnismäßig ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 20. Februar 2001 - 2 BvR 1444/00 - juris Rn. 32 ff.; Beschluss vom 16. Juni 2015 - 2 BvR 2718/10 u.a. - juris Rn. 56 ff.).

Diese Anforderungen sind hier erfüllt.

Die Durchsuchung war zum Zweck der Abschiebung des Beschwerdeführers zu 1. erforderlich. Die Voraussetzungen einer Abschiebung nach § 58 AufenthG waren gegeben. Der Beschwerdeführer zu 1. war vollziehbar ausreisepflichtig, da er über keinen Aufenthaltstitel verfügte (§ 50 Abs. 1 AufenthG) und die Versagung der Aufenthaltserlaubnis durch Bescheid des Landesamts für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten vom 7. August 2012 seit Mitte 2014 bestandskräftig und damit vollziehbar war (§ 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). In diesem Bescheid war dem Beschwerdeführer zu 1. die Abschiebung angedroht worden (§ 59 Abs. 1 AufenthG). Die gesetzte Frist zur freiwilligen Ausreise war abgelaufen und Abschiebungshindernisse waren, namentlich angesichts der Zusage der libanesischen Botschaft, ein Heimreisedokument für den Beschwerdeführer zu 1. auszustellen, nicht gegeben. Dass noch ein Eilverfahren mit dem Ziel einer vorläufigen Duldung anhängig war (VG 13 L 42/22), hat das Verwaltungsgericht zulässigerweise mit dem Vorbehalt aufgefangen, dass vor der Durchführung der Durchsuchung der Ausgang dieses Verfahrens zu prüfen sei.

Die Abschiebung des Beschwerdeführers zu 1. war hier schon deshalb geboten, weil seine freiwillige Ausreise nicht gesichert war (§ 58 Abs. 1 Satz 1 AufenthG), nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung über einen erheblichen Zeitraum von gut acht Jahren nicht nachgekommen ist und - wie die Duldungen wegen fehlender Reisedokumente belegen - seinen Mitwirkungspflichten zur Beschaffung eines Reisepasses oder sonstigen Heimreisedokuments nicht Folge geleistet hat.

Der Zweck der Durchführung der Abschiebung erforderte auch die Durchsuchung. Dies ist der Fall, wenn sich der abzuschiebende Ausländer in der Wohnung aufhält und soweit er sich verborgen hält (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 30. September 2019 - 2 S 262/19 - juris Rn. 14; Dollinger, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, AufenthG § 58 Rn. 38). Angesichts der vom Beschwerdegegner vorgetragenen Tatsache, dass der Beschwerdeführer zu 1. nur unter der Anschrift in der G...  gemeldet war und keine Erkenntnisse über andere Unterkünfte vorlagen, war die Annahme gerechtfertigt, den Beschwerdeführer zu 1. dort auch anzutreffen. Ebenso lagen angesichts seines Verhaltens in der Vergangenheit, nämlich der beharrlichen Weigerung, der Ausreisepflicht nachzukommen, hinreichende Anhaltspunkte sowohl dafür vor, dass eine Abschiebung nicht ohne unmittelbaren Zwang durch Ergreifung des Beschwerdeführers zu 1. durchführbar gewesen wäre, als auch dafür, dass er sich einer Abholung zur Abschiebung nicht ohne weiteres stellen, sondern sich in der Wohnung verborgen halten würde. Unerheblich ist, dass der Beschwerdeführer zu 1. nicht alleiniger Bewohner der zu durchsuchenden Wohnung war. § 58 Abs. 6 Satz 1 AufenthG erfordert nur, dass der Ausländer Mitinhaber der Wohnung ist (vgl. HTK-AuslR, § 58 AufenthG - zu Abs. 6 - Durchsuchung Rn. 11; zu §§ 102, 103 StPO: BVerfG, Beschluss vom 4. Juni 2004 - 2 BvR 1912/01 - juris Rn. 3; Beschluss vom 9. Februar 2005 - 2 BvR 984/04 - juris Rn. 36; Beschluss vom 9. August 2019 - 2 BvR 1684/18 - juris Rn. 33)

Die Durchsuchung war auch erforderlich, denn ein weniger belastendes aber gleichermaßen geeignetes Mittel zur Ergreifung des Beschwerdeführers zu 1. war im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht auszumachen. Da die Wohnung nach den Informationen des Beschwerdegegners aus mehreren Räumen besteht, schied ein bloßes Betreten der Wohnung auf der Basis von § 58 Abs. 5 AufenthG als Alternative zu einer Durchsuchung aus (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 18. März 2021 - 18 E 221/21 - juris Rn. 26/28). Der Beschwerdegegner war insbesondere nicht gehalten, zunächst einen Abschiebeversuch in Form einer „Einladungsabschiebung“ zu unternehmen, da diese angesichts der jahrelangen Weigerung des Beschwerdeführers zu 1., seiner Ausreisepflicht nachzukommen, nicht erfolgversprechend erschien (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 5. August 2019 - 2 F 211/19 - juris Rn. 14). Ohne Erfolg verweisen die Beschwerdeführer darauf, dass der Beschwerdeführer zu 1. in der Vergangenheit (zuletzt am 28. Februar 2022) zu den Vorsprachen zwecks Verlängerung seiner Duldung beim Landesamt für Einwanderung erschienen sei, so dass die Möglichkeit bestanden habe, ihn bei einer solchen Gelegenheit zu ergreifen und abzuschieben. Es ist schon nicht ersichtlich, dass eine solche Vorsprache konkret angestanden hätte, als dem Beschwerdegegner die eine Abschiebung ermöglichenden Rückreisepapiere vorlagen. Abgesehen von den Unwägbarkeiten eines Zugriffs in den Räumen des Landesamts spricht alles dafür, dass eine Abschiebung nicht im direkten Anschluss möglich gewesen wäre, so dass sich freiheitsentziehende Maßnahmen in Form von Abschiebehaft nach § 62 AufenthG oder Ausreisegewahrsam gemäß § 62b AufenthG angeschlossen hätten, die für den Beschwerdeführer zu 1 einen schwerwiegenderen Grundrechtseingriff dargestellt hätten. Für eine von den Beschwerdeführern ins Spiel gebrachte Ergreifung des Beschwerdeführers zu 1. am Arbeitsplatz gilt gleiches.

Der angefochtene Beschluss unterliegt auch insoweit keinen rechtlichen Bedenken als er dem Beschwerdegegner die Durchsuchung der Wohnung zur Nachtzeit erlaubt. Eine Wohnungsdurchsuchung während Nachtzeit greift allerdings ungleich stärker in die Rechtssphäre des Betroffenen ein als zur Tageszeit. Stellt bereits die Durchsuchung der Wohnung bei Tage einen schwerwiegenden Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Wohnungsinhabers dar, sind bei einer nächtlichen Wohnungsdurchsuchung zusätzlich die Nachtruhe und die damit verbundene besondere Privatsphäre betroffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. März 2019 - 2 BvR 675/14 - juris Rn. 61). Ungeachtet dessen war deren Anordnung hier rechtmäßig.

Die besonderen Tatbestandsvoraussetzungen nach § 58 Abs. 7 Satz 1 AufenthG für eine Durchsuchung zur Nachtzeit waren gegeben. Es lagen hinreichende Tatsachen dafür vor, dass ohne eine nächtliche Durchsuchung die Ergreifung des Beschwerdeführers zu 1. zum Zweck seiner Abschiebung vereitelt worden wäre.

Durch die von der Bundespolizei übermittelte Vorgabe des Abschiebungszielstaates Libanon, dass eine Ankunft bis 9:00 Uhr erfolgen müsse, war eine dem Beschwerdegegner nicht § 58 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zuzurechnende Rahmenbedingung für die Abschiebung gesetzt, auf die er keinen Einfluss hatte und die seinen Organisationsspielraum begrenzte (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 18. März 2021 - 18 E 221/21 - juris Rn. 18; OVG Bautzen, Beschluss vom 13. August 2021 - 3 B 277/21 - juris Rn. 23; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand: Mai 2023, § 58 Rn. 158). Unter Berücksichtigung notwendiger Fahrt- und Flugzeiten erforderte dies für die hier vorgesehene sogenannte Direktabschiebung einen Zugriff in den Nachtstunden, für den andere gesicherte Optionen als das Aufsuchen in der bekannten Unterkunft des Beschwerdeführers zu 1. nicht zur Verfügung standen. Die Option einer Durchsuchung und Ergreifung am Vorabend der vorgesehenen Abschiebung - vor 21:00 Uhr (vgl. zum Umfang der Nachtzeit BVerfG, Beschluss vom 12. März 2019 - 2 BvR 675/14 - juris Rn. 63 ff.) - bestand nicht, weil sie - worauf das Verwaltungsgericht bereits zutreffend hingewiesen hat - für den Beschwerdeführer zu 1. deutlich eingriffsintensiver gewesen wäre als eine lediglich mit Freiheitsbeschränkungen im Sinne von § 58 Abs. 4 AufenthG verbundene Direktabschiebung, und scheidet somit als milderes Mittel aus (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. Juni 2021 - OVG 6 I 1/21 -; OVG Bremen, Beschluss vom 30. September 2019 - 2 S 262/19 - juris Rn. 21; OVG Münster, Beschluss vom 18. März 2021 - 18 E 221/21 - juris Rn. 26).

Die Anordnung der Wohnungsdurchsuchung war auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Sie steht bei der dem Richter obliegenden umfassenden Abwägung zur Feststellung der Angemessenheit des Eingriffs (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. April 2003 - 2 BvR 358/03 - juris Rn. 18; Beschluss vom 9. Februar 2005 - 2 BvR 984/04 u.a. - juris Rn. 36; Beschluss vom 3. Juli 2006 - 2 BvR 299/06 - juris Rn. 23 f.; Beschluss vom 10. September 2010 - 2 BvR 2561/08 - juris Rn. 25; Beschluss vom 20. November 2019 - 2 BvR 31/19 u.a. - juris Rn. 25) nicht außer Verhältnis zum Anlass der Maßnahme. Dies gilt auch vor dem Hintergrund der für die Anordnung nächtlicher Durchsuchungen gesteigerten Anforderungen. Auch wenn mit der Durchsuchung in den grundrechtlich geschützten räumlich-gegenständlichen Bereich der Privatsphäre eingegriffen wurde, überwiegt hier das öffentliche Interesse, die vom Beschwerdeführer zu 1. über einen erheblichen Zeitraum missachtete Ausreisepflicht durchzusetzen. Den Einsatz des unmittelbaren Zwangs in Form der Abschiebung hat er selbst veranlasst, indem er seiner Ausreisepflicht nicht freiwillig nachgekommen ist (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 5. August 2019 - 2 F 211/19 - juris Rn. 13). Das Gelingen der Abschiebung am geplanten Termin sicherzustellen lag hier auch deshalb im gesteigerten öffentlichen Interesse, weil deren Vorbereitung und Umsetzung mit besonderen Schwierigkeiten verbunden waren. Zum einen hatte der Beschwerdegegner bei der libanesischen Botschaft ein Heimreisedokument (Pass oder Laissez-Passer) gemäß deren Vorgaben zu beschaffen. Zum anderen durfte er berechtigt davon ausgehen, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers zu 1. wegen Gewaltbereitschaft eine Sicherheitsbegleitung während des Fluges erforderte, nachdem dieser u.a. wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz bereits strafrechtlich verurteilt worden und zudem wiederholt auch im Zusammenhang mit Gewaltdelikten polizeilich festgestellt worden war. Der Beschwerdegegner hat in der Antragsschrift auf Ermittlungen wegen Bedrohung, Beleidigung, Nötigung sowie fahrlässiger und gefährlicher Körperverletzung verwiesen und dies mit den im Beschwerdeverfahren vorgelegten POLIKS-Auszügen untermauert, die zu den jeweiligen Vorfällen ausführliche Ermittlungsergebnisse enthalten. Diese Informationen durfte der Beschwerdegegner unabhängig davon in seine Gefährdungseinschätzung einbeziehen, ob zu den Vorfällen rechtskräftige Verurteilungen vorliegen.

Eine andere Bewertung der Verhältnismäßigkeit folgt auch nicht daraus, dass durch die Durchsuchung neben dem ausreisepflichtigen Beschwerdeführer zu 1. auch die Beschwerdeführer zu 2. bis 4. als nicht ausreisepflichtige Personen in ihrem Recht aus Art. 13 GG betroffen waren. Es handelte sich nicht um gänzlich Unbeteiligte, sondern um Familienangehörige (Eltern und Schwester) des Beschwerdeführers zu 1., für die sich das Risiko der in Kenntnis der langjährig nicht erfüllten Ausreiseverpflichtung fortgeführten familiären Wohngemeinschaft verwirklicht hat. Anhaltspunkte für eine besondere Schutzbedürftigkeit einzelner Mitbewohner, die im Fall einer Durchsuchung übermäßig beeinträchtigt würde, bestehen nicht und macht auch die Beschwerde nicht geltend. Daher setzt sich auch insoweit das gesteigerte öffentliche Interesse an der Realisierung der Aufenthaltsbeendigung durch.

2. Der Hilfsantrag, die Rechtwidrigkeit der Durchführung der Durchsuchung festzustellen, ist unzulässig. Denn dabei handelt es sich im Verhältnis zum erstinstanzlichen Verfahren um einen anderen Streitgegenstand. Die Art und Weise, wie eine angeordnete Durchsuchung umgesetzt wird, ist nicht im Rahmen der richterlichen Anordnung der Durchsuchung zu prüfen.

Die „weiter hilfsweise“ Erledigungserklärung ist unwirksam, weil die Erklärung der Erledigung der Hauptsache als Prozesshandlung grundsätzlich bedingungsfeindlich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juli 1986 - 6 C 106.83 - juris Rn. 19; VGH München, Beschluss vom 15. November 2001 - 14 C 00.2405 - juris Rn. 15; OVG Magdeburg, Beschluss vom 14. Oktober 2011 - 1 M 148/11 - juris Rn. 6).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, da eine Festgebühr nach Nr. 5502 KV zum GKG entstanden ist (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 23. November 2022 - 13 ME 276/22 - juris Rn. 16; VGH Mannheim, Beschluss vom 13. Februar 2023 - 11 S 198/23 - juris Rn. 17).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).