Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat | Entscheidungsdatum | 23.05.2023 | |
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Aktenzeichen | OVG 5 B 29.19 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2023:0523.OVG5B29.19.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 1 Abs 2 Nr 7 WoZwEntfrG BE, § 1 Abs 3 WoZwEntfrG BE, § 2 Abs 1 Nr 5 WoZwEntfrG BE, § 3 Abs 1 S 1 Nr 2 WoZwEntfrG BE, § 3 Abs 2 S 1 WoZwEntfrG BE, § 3 Abs 4 WoZwEntfrG BE, § 63b S 2 BauO BE, § 30 Abs 1 BauGB, § 31 Abs 2 BauGB, § 36 Abs 1 VwVfG BE, Art 14 GG, Art 70ff GG, § 556 BGB, § 3 Abs 2 S 2 WoZwEntfrG BE, § 31 Abs 3 BauGB, § 557 BGB, § 558 BGB, § 559 BGB, § 560 BGB, § 561 BGB |
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 27. August 2019 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Klägerin begehrt die Erteilung einer zweckentfremdungsrechtlichen Genehmigung zum Abriss von Bestandswohnraum.
Sie ist Eigentümerin des in der X... in 6... Berlin belegenen Grundstücks, das mit einem im Jahr 1960 errichteten Mehrparteienwohnhaus bebaut ist. Dieses Bestandsgebäude umfasst 30 Wohneinheiten und hat eine Wohnfläche von 1.329,93 qm. Nachdem die Klägerin im Februar 2018 die beabsichtigte Beseitigung des Bestandsgebäudes bei der Bauaufsichtsbehörde angezeigt hatte, stellte sie im Februar 2018 bei dem Beklagten einen Antrag auf Erteilung einer zweckentfremdungsrechtlichen Genehmigung zum Abriss des Gebäudes. Sie führte an, eine Modernisierung und Instandsetzung des Bestandsgebäudes sei nicht wirtschaftlich. Daher wolle sie das Bestandsgebäude abreißen und an dessen Stelle einen Neubau mit 67 Wohneinheiten und einer Gesamtwohnfläche von 4.115,30 qm errichten. 58 der Wohneinheiten seien 1-2 Zimmer-Wohnungen mit Wohnflächen zwischen 41-54 qm.
Einer im Juni 2018 zum Verwaltungsvorgang genommenen anonymisierten Kopie eines Kündigungsschreibens der Klägerin an einen Mieter in dem Bestandsgebäude lässt sich entnehmen, dass für den Ersatzbau eine Miete von monatlich 18,55 Euro pro qm Wohnfläche in Aussicht gestellt wurde.
Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 7. August 2018 den Antrag auf Erteilung einer zweckentfremdungsrechtlichen Genehmigung zum Abriss des Gebäudes ab und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2018 zurück. Zur Begründung führte er u.a. aus, dass Ersatzwohnraum bei einer Vermietung dem Wohnungsmarkt zu angemessenen Bedingungen zur Verfügung stehen müsse. Das setze Mieten voraus, die ein durchschnittlich verdienender Arbeitnehmerhaushalt aufbringen könne. Nach § 3 Abs. 4 Zweckentfremdungsverbot-Verordnung - ZwVbVO - in der Fassung vom 16. Oktober 2018 (GVBl. S. 607) dürfe keine höhere Nettokaltmiete als 7,92 Euro pro qm verlangt werden. Der von der Klägerin geplante Mietpreis von 18,55 Euro pro qm liege weit über dieser Festlegung. Darüber hinaus könne die Verlässlichkeit des Ersatzwohnraumangebots nicht beurteilt werden, weil hierfür die Baugenehmigung fehle.
Dagegen hat die Klägerin am 21. Dezember 2018 Klage erhoben mit dem Antrag, den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides in der Gestalt des Widerspruchbescheids zu verpflichten, die begehrte Abrissgenehmigung zu erteilen. In der mündlichen Verhandlung hat sie zudem beantragt, hilfsweise festzustellen, dass § 3 Abs. 4 ZwVbVO gegen höherrangiges Recht verstoße. Sie hat ausgeführt, dass ihr nach Art. 14 GG ein Anspruch auf die Abrissgenehmigung zustehe. Die Mietobergrenze in § 3 Abs. 4 ZwVbVO verletze den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Regelung sei pauschal und ohne zeitliche Grenze. Die Begrenzung der maximalen Miethöhe auf 7,92 Euro pro qm mache den Abriss und den anschließenden Neubau wirtschaftlich unrealisierbar. Für den legitimen Zweck, Wohnraum zu angemessenen Bedingungen zu sichern, genüge es, die Schaffung von Luxuswohnraum zu verhindern. Hierzu zählten die geplanten Wohnungen aufgrund der geringen Größe und einer zeitgemäßen Ausstattung jedoch nicht. Das Ersatzwohnraumangebot sei auch ohne Baugenehmigung verlässlich. Bei dem Grundstück handle es sich um Bauland, das eine Bebauung von mindestens 1.329,93 qm Wohnfläche - wie zuvor - zulasse. Auch sei bereits ein Bauantrag eingereicht worden. Der Beklagte könne jedenfalls mit einer Auflage sicherstellen, dass die zweckentfremdungsrechtliche Abrissgenehmigung erst genutzt werden dürfe, wenn die Baugenehmigung für den Ersatzwohnraum vorliege.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat darauf hingewiesen, dass die Wohnungen des in Rede stehenden Bestandsgebäudes vom Wohnungsmarkt angenommen worden seien. Die Klägerin habe die Bestandsmieter im Wege einer „Entmietung“ verdrängt, um hochpreisige Miet- oder Eigentumswohnungen zu schaffen. Sie habe nicht nachgewiesen, dass die Weiterbewirtschaftung des Bestandsgebäudes mit den ehemaligen Mietern nicht rentabel sei. Ein so genannter Sickereffekt bei Abriss und Neubau komme erst nach Jahrzehnten bei den bisherigen Bewohnern an. Dies ergebe sich aus neueren Untersuchungen und der Erfahrung auch aus anderen Städten, wonach der Wohnungsmarkt sich in weitgehend geschlossene Teilmärkte - etwa für Eigentumswohnungen, hochpreisige und günstige Mietwohnungen - aufspalte.
Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 27. August 2019 verpflichtet, der Klägerin die beantragte Genehmigung zu erteilen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Anspruch folge aus § 3 Abs. 1 Satz 1 Variante 2 Zweckentfremdungsverbot-Gesetz - ZwVbG -. Nach dieser Vorschrift könne auf Antrag die Genehmigung erteilt werden, wenn in besonderen Ausnahmefällen durch die Schaffung von angemessenem Ersatzwohnraum der durch die Zweckentfremdung eintretende Wohnraumverlust ausgeglichen werde. Vorliegend seien die tatbestandlichen Genehmigungsvoraussetzungen gegeben und das Ermessen des Beklagten auf die Erteilung der Genehmigung beschränkt.
Die Genehmigungsvoraussetzungen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Variante 2 und die diese konkretisierenden Sätze 2 und 3 ZwVbG seien verfassungskonform dahin auszulegen, dass Ersatzwohnraum als angemessener Ausgleich für die Zweckentfremdung von Wohnraum durch den Abriss anzusehen sei, wenn der Ersatzwohnraum die von dem Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung aufgestellten Eignungskriterien, die auch für das Zweckentfremdungsverbots-Gesetz gelten würden, erfülle. Danach sei ein Angebot von Ersatzwohnraum, sofern nicht die Erhaltung ganz bestimmten Wohnraums aus besonderen Gründen im öffentlichen Interesse geboten sei, unter sechs Voraussetzungen beachtlich: Erstens müsse der Ersatzwohnraum im Gebiet der Gemeinde geschaffen werden, in der der zweckentfremdete Wohnraum verloren gehe. Zweitens müsse er im zeitlichen Zusammenhang mit der Zweckentfremdung geschaffen werden oder geschaffen worden sein. Drittens müsse in der Verfügungsberechtigung über den zweckentfremdeten Wohnraum und über den Ersatzwohnraum Übereinstimmung bestehen. Viertens müsse der Ersatzwohnraum in Größe und baulichem Standard mindestens dem zweckentfremdeten Wohnraum entsprechen. Fünftens müsse er die einer Überschreitung des Standards des zweckentfremdeten Wohnraumes gezogene obere Grenze einhalten. Sechstens müsse er dem allgemeinen Wohnungsmarkt so zur Verfügung stehen wie zuvor der zweckentfremdete Wohnraum.
Der Beklagte erkenne dies im Ausgangspunkt an, da er im Widerspruchsbescheid das Ersatzwohnraumangebot an den sechs Kriterien messe. Er verkenne jedoch die verfassungsrechtliche Grundlage der Eignungskriterien, soweit er ergänzend die Genehmigung unter Verweis auf die geplante Miethöhe verweigere. Die vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Anforderungen an ein beachtliches Ersatzwohnraumangebot seien abschließend zu verstehen. Sie konkretisierten den grundrechtlichen Rechtfertigungszusammenhang, dass das Zweckentfremdungsverbot die über Art. 14 GG geschützten Eigentümerbefugnisse nur zum Zwecke der Wohnraumversorgung der Bevölkerung verhältnismäßig einschränken dürfe. Die Wohnraumbilanz sei aber im Fall eines Ersatzwohnraumangebots, das den genannten Anforderungen entspreche, ausgeglichen. Der Einwand des Beklagten, ein so genannter Sickereffekt sei auf dem Berliner Wohnungsmarkt tatsächlich nicht gegeben, sei nicht hinreichend belegt und führe zu keiner anderen Beurteilung. Nach alledem fehle eine grundrechtlich erforderliche Rechtfertigung, um dem Eigentümer die Zweckentfremdung in Gestalt des Abrisses zu verbieten. Im Licht dieser grundrechtlichen Vorgaben sei § 3 Abs. 1 Satz 1 Variante 2 ZwVbG verfassungskonform dahin auszulegen, dass hierdurch keine über die genannten Eignungskriterien hinausgehenden Anforderungen gestellt werden dürften. Der Beklagte dürfe die Genehmigung auch nicht unter Verweis auf § 3 Abs. 4 ZwVbVO verweigern, wonach für Ersatzwohnraum keine höhere Nettokaltmiete als 7,92 Euro pro qm monatlich verlangt werden dürfe. Diese Bestimmung sei nichtig, weil sie aus vorstehenden Gründen mit höherrangigem Recht unvereinbar sei.
Gemessen an den dargelegten Maßstäben sei das Ersatzwohnangebot der Klägerin beachtlich, da die Eignungskriterien erfüllt seien. Insbesondere sei das Angebot auch verlässlich. Auf Grund des zwischen den Beteiligten unstreitigen Sachverhalts sei damit zu rechnen, dass die Klägerin im zeitlichen Zusammenhang mit dem Abriss den neuen Wohnraum tatsächlich errichten werde. Für den Neubau habe sie eine Baugenehmigung beantragt, die Planungsunterlagen auch zum zweckentfremdungsrechtlichen Verfahren vorgelegt und zur Zulässigkeit der Bebauung nach dem Bebauungsplan vorgetragen.
Auf Grund des beachtlichen Ersatzwohnangebots sei das durch § 3 Abs. 1 S. 1 Variante 2 ZwVbG eröffnete Ermessen dahin reduziert, dass nur die Erteilung der beantragten Abrissgenehmigung - ggf. unter Nebenbestimmungen - ermessensgerecht sei.
Über den Hilfsantrag sei danach nicht zu entscheiden, weil die Klägerin mit ihrem Hauptantrag wie erkannt durchdringe.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Berufung. Die begehrte Genehmigung sei zu versagen, weil bereits die Anspruchsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 Variante 2 ZwVbG nicht erfüllt seien. Das Ersatzraumangebot sei nicht verlässlich. Ausweislich des an die Klägerin gerichteten Anhörungsschreibens der Bauaufsichtsbehörde vom 12. April 2022 sei die geplante Errichtung des Ersatzgebäudes baurechtlich unzulässig.
Der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen verfassungskonformen Auslegung der Anspruchsnorm stehe jedenfalls die nunmehr gültige Fassung des § 3 Abs. 1 und 2 Zweckentfremdungsverbot-Gesetz i.d.F.v. 27. September 2021 (GVBl. S. 1131) entgegen. In dem neu eingefügten § 3 Abs. 2 Satz 3 ZwVbG werde ausdrücklich klargestellt, dass lediglich bei Ersatz von Wohnraum, bei dem die Miethöhe nicht durch Gesetz oder auf der Grundlage eines Gesetzes, insbesondere auch der Regelungen des Bürgerlichen Rechts, begrenzt werde, keine Anforderungen an die Miethöhe gestellt werden sollen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 29. März 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und führt ergänzend u.a. aus: Entgegen der Auffassung des Beklagten sei das Ersatzwohnraumangebot verlässlich. Auf Grund des zwischen den Beteiligten unstreitigen Sachverhalts sei damit zu rechnen, dass die Klägerin im zeitlichen Zusammenhang mit dem Abriss den neuen Wohnraum tatsächlich errichte. Den Nachweis der Finanzierung sehe auch der Beklagte als erbracht an. Die Klägerin habe bezüglich des Bestandsgebäudes die beabsichtigte Beseitigung gemäß § 63 Abs. 3 Satz 2 BauO Bln a.F. angezeigt. Für den Neubau habe sie eine Baugenehmigung beantragt, die Planungsunterlagen auch zum zweckentfremdungsrechtlichen Verfahren vorgelegt und zur Zulässigkeit der Bebauung nach dem Bebauungsplan vorgetragen. Unter diesen Voraussetzungen dürfe der Beklagte die zweckentfremdungsrechtliche Abrissgenehmigung nicht wegen der ausstehenden Baugenehmigung verweigern. Nach Maßgabe von § 63b Satz 2 BauO Bln könne, falls die Beseitigung von Gebäuden mit Wohnraum nur bei Schaffung von Ersatzwohnraum zulässig sei, die baurechtliche Abrissgenehmigung ohnehin erst erteilt werden, wenn eine Baugenehmigung für das Gebäude mit Ersatzwohnraum vorliege. Zweckentfremdungsrechtlich entscheidend sei allein, dass die Ersatzwohnraumgestellung im zeitlichen Zusammenhang mit dem Abriss erfolge. Dies könne der Beklagte im Fall der Klägerin hinreichend durch Nebenbestimmungen der Genehmigung sicherstellen. Die Klägerin habe sich bereits mit der Auflage einverstanden erklärt, dass sie die zweckentfremdungsrechtliche Abrissgenehmigung erst nach Erteilung der Baugenehmigung ausnutzen dürfe.
Die Zweifel des Beklagten an einem Sickereffekt verfingen nicht, weil der neu geschaffene Ersatzwohnraum dem Wohnungsmarkt zur Verfügung stehe, einen konkreten Wohnungsbedarf erfülle und darüber hinaus zusätzlicher Wohnraum zur Verfügung gestellt werde.
Der Beklagte verkenne zudem, dass dem Berliner Landesgesetzgeber die Gesetzgebungskompetenz für eine öffentlich-rechtliche Mietpreisobergrenze fehle. Das Mietpreisrecht sei Teil des sozialen Mietrechts, bei dem es im Wesentlichen um die Ordnung von Individualrechtsverhältnisse gehe. Daher sei das Mietpreisrecht dem Kompetenztitel des Bürgerlichen Rechts nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zugeordnet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klage hat weder mit dem Hauptantrag (1.) noch mit dem Hilfsantrag (2.) Erfolg.
1. Die Klage ist mit dem Hauptantrag als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Variante 2 VwGO zulässig, aber unbegründet. Der ablehnende Bescheid vom 7. August 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Dezember 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung einer zweckentfremdungsrechtlichen Genehmigung zum Abriss des in Rede stehenden Bestandsgebäudes.
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der hier vorliegenden Verpflichtungsklage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juli 1989 - 7 C 39.87 -, juris Rn. 8). Der Entscheidung des Senats sind deshalb die Bestimmungen des Zweckentfremdungsverbot-Gesetzes i.d.F.v. 27. September 2021 (GVBl. S. 1131) - ZwVbG n.F. - sowie der Zweckentfremdungsverbot-Verordnung i.d.F. v. 30. August 2022 (GVBl. S. 534) - ZwVbVO n.F. - zu Grunde zu legen.
Der Anwendungsbereich des Zweckentfremdungsverbot-Gesetzes ist hier eröffnet, weil es sich bei den 30 Wohnungen des Bestandsgebäudes um schützenswerten Wohnraum im Sinne des § 1 Abs. 3 ZwVbG n.F. handelt. Die Wohnungen sind zur dauernden Wohnnutzung tatsächlich und rechtlich geeignet. Der geplante Abriss des Bestandsgebäudes stellt gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5 ZwVbG n.F. eine Zweckentfremdung von Wohnraum dar. Es steht zwischen den Beteiligten außer Streit, dass die Klägerin für den Abriss des Bestandsgebäudes einer zweckentfremdungsrechtlichen Genehmigung bedarf.
Anspruchsgrundlage für die Erteilung der beantragten Genehmigung zum Abriss von Wohnraum wegen der Schaffung von Ersatzwohnraum ist § 3 Abs. 1 Satz 1 Variante 2 ZwVbG n.F. Danach kann auf Antrag die Genehmigung erteilt werden, wenn in besonderen Ausnahmefällen durch die Schaffung von angemessenem Ersatzwohnraum der durch die Zweckentfremdung eintretende Wohnraumverlust ausgeglichen wird.
Nach einhelliger Auffassung setzt die Schaffung von zweckentfremdungsrechtlich angemessenem Ersatzwohnraum u.a. dessen hinreichende Verlässlichkeit voraus. An dieser Anspruchsvoraussetzung fehlt es im vorliegenden Fall, sodass der Verpflichtungsklage der Erfolg zu versagen ist. Hinreichend verlässlich ist ein Ersatzwohnraum nur dann, wenn er im zeitlichen Zusammenhang mit der Zweckentfremdung geschaffen wird (vgl. statt vieler BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1997 - 8 C 18.96 -, juris Rn. 9 f., m.w.N.). Ohne diesen zeitlichen Zusammenhang könnte der mit der Schaffung von Ersatzwohnraum verfolgte Zweck, den durch die Zweckentfremdung eintretenden konkreten Wohnraumverlust auszugleichen, nicht erreicht werden. Dazu muss gewährleistet sein, dass die baurechtlichen Voraussetzungen für die Realisierung des geplanten Ersatzwohnraums erfüllt werden. Die Klägerin verfügt weder über eine Baugenehmigung noch über einen Bauvorbescheid, die eine derartige Beurteilung zulassen (vgl. hierzu OVG Hamburg, Beschluss vom 7. November 2013 - 4 Bs 186/13 -, juris LS 2 und Rn. 18). Der Hinweis der Klägerin, dass eine bauordnungsrechtliche Abrissgenehmigung für das Bestandsgebäude nach § 63b Satz 2 BauO Bln ohnehin erst bei Vorliegen einer Baugenehmigung für den Ersatzbau erteilt werden dürfe, schließt nicht aus, dass die Genehmigung nach dem Zweckentfremdungsrecht nicht ebenfalls an das Vorliegen einer Baugenehmigung für den Ersatzbau anknüpfen darf. Im Gegenteil entspricht es erkennbar dem Willen des Gesetzgebers, eine „Zweckentfremdung durch Abriss“ erst zu gestatten, wenn die Erstellung des Ersatzwohnraums hinreichend gesichert ist. Jedenfalls steht das Fehlen einer zweckentfremdungsrechtlichen Abrissgenehmigung der Erteilung einer Baugenehmigung nicht entgegen.
Das Verwaltungsgericht hat zwar das Fehlen der Baugenehmigung als unschädlich angesehen, weil die Klägerin eine Baugenehmigung beantragt, die Planungsunterlagen auch zum zweckentfremdungsrechtlichen Verfahren vorgelegt und zur Zulässigkeit der Bebauung nach dem Bebauungsplan vorgetragen habe und zudem das im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegte Schreiben der Architekten vom 22. August 2019 keinen Zweifel daran lasse, dass die Klägerin den Neubau jedenfalls im Wesentlichen wie geplant werde ausführen können. Davon ist im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren aber nicht mehr auszugehen. Vielmehr hat die Bauaufsichtsbehörde der Klägerin mit Schreiben vom 12. April 2022 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, die Baugenehmigung für den geplanten Ersatzbau zu versagen, weil das Vorhaben nach § 30 Abs. 1 BauGB unzulässig sei und den mit dem Vorhaben verbundenen Abweichungen nach § 31 Abs. 2 und 3 BauGB mangels Vorliegens der Befreiungsvoraussetzungen nicht zugestimmt werde. Die gegenteilige Sichtweise der Klägerin, insbesondere in ihrer an die Bauaufsichtsbehörde gerichteten eingehenden Stellungnahme vom 13. Juli 2022, vermag nichts daran zu ändern, dass es einer Klärung gewichtiger Streitfragen in dem bereits seit 2018 anhängigen bauaufsichtsrechtlichen Verfahren bedarf und angesichts der ablehnenden Haltung der Bauaufsichtsbehörde von einer hinreichenden Verlässlichkeit des Ersatzwohnraums im hier maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nicht ausgegangen werden kann.
Dem Verwaltungsgericht ist nicht zu folgen, soweit es meint, dass der Beklagte den zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Abriss und der Ersatzwohnraumgestellung durch Nebenbestimmungen zur Genehmigung sicherstellen könne und die Klägerin sich bereits mit einer Auflage einverstanden erklärt habe, dass sie die zweckentfremdungsrechtliche Abrissgenehmigung erst nach Erteilung der Baugenehmigung ausnutzen dürfe. Nach § 1 Abs. 1 VwVfG Bln i.V.m. § 36 Abs. 1 VwVfG darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, nur mit einer Nebenbestimmung versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden. Die hier allein in Betracht kommende zweite Variante der Vorschrift ermächtigt jedoch nur zur Sicherstellung von solchen Anspruchsvoraussetzungen mittels Nebenbestimmungen, mit deren Erfüllung in absehbarer Zeit und mit der erforderlichen Gewissheit gerechnet werden kann (vgl. Schröder in: Schoch/Schneider, VwVfG, Stand August 2023, § 36 Rn. 128 m.w.N.). Das ist vorliegend hinsichtlich der fehlenden Anspruchsvoraussetzung einer hinreichenden Verlässlichkeit des Ersatzwohnraums mit Blick auf den Stand des bauaufsichtsrechtlichen Verfahrens indes nicht der Fall.
Ungeachtet dessen weist der Senat darauf hin, dass die Klägerin selbst bei einer unterstellten hinreichenden Verlässlichkeit des Ersatzwohnraums keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten zweckentfremdungsrechtlichen Abrissgenehmigung ohne Berücksichtigung der für den Ersatzwohnraum aufzubringenden Mieten haben dürfte. Die Vorschrift des § 3 Abs. 2 Satz 1 ZwVbG n.F. verlangt, dass für die Dauer der angespannten Wohnungsmarktlage auch für den Fall der Rechtsnachfolge sicherzustellen ist, dass der Ersatzwohnraum, soweit er nicht von den Verfügungsberechtigten selbst genutzt wird, bei einer Vermietung dem Wohnungsmarkt zu angemessenen Bedingungen zur Verfügung steht. Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 ZwVbG n.F. setzen angemessene Bedingungen Mieten voraus, die für Wohnungen der entsprechenden Art von einem durchschnittlich verdienenden Arbeitnehmerhaushalt allgemein aufgebracht werden können. Damit greift der Berliner Landesgesetzgeber eine Formulierung in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Februar 1975 - 2 BvL 5/74 - (juris Rn. 44) zu Artikel 6 § 1 Absatz 1 Satz 1 Mietrechtsverbesserungsgesetz auf. In dieser zweckentfremdungsrechtlichen Grundsatzentscheidung hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass das Zweckentfremdungsverbot dem Bestandsschutz von Wohnraum mit dem Ziel einer ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen diene, und zugleich klargestellt, dass „angemessene Bedingungen“ nicht außergewöhnlich niedrige Mieten, sondern Mieten bedeuteten, die - für Wohnungen der entsprechenden Art - von einem durchschnittlich verdienenden Arbeitnehmerhaushalt allgemein, d.h. auch außerhalb der besonders gefährdeten Gebiete, tatsächlich aufgebracht würden, und zwar einschließlich der vom Staat gewährten finanziellen Hilfen; denn diese entbehrlich zu machen, sei nicht das Ziel des Gesetzes (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 1975 - 2 BvL 5/74 -, juris Rn. 43 f.).
Dem Berliner Landesgesetzgeber dürfte es unbenommen sein, im Rahmen seiner Gesetzgebungszuständigkeit für das „Wohnungswesen“ (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Januar 2022 - 5 B 4.21 -, juris Rn. 6; BT-Drs. 16/813 S. 13) bei der Normierung des Zweckentfremdungsverbot-Gesetzes an diese höchstrichterliche Rechtsprechung anzuknüpfen. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht seine Rechtsprechung mit seinem Beschluss vom 2. Dezember 1980 - 1 BvR 436/78 - (juris Rn. 33) dahingehend relativiert, dass auch die Schaffung teurerer, dafür aber besser ausgestatteter Wohnungen den angespannten Markt entlasten könne, solange es sich um keinen Luxuswohnraum handele. Die neuen Wohnungen kämen dann der allgemeinen Versorgung zugute, wenn ihre Bezieher wiederum Wohnraum frei machten. Neuer, vermehrter Wohnraum sei geeignet, das Angebot an Wohnungen verschiedenartiger Qualität in den gefährdeten Bereichen zu verbreitern; er trage deshalb zur Befriedigung unterschiedlicher Wohnansprüche (mit deutlicher Tendenz zu neuzeitlichem Wohnkomfort) bei und entlaste damit den Markt insgesamt. Dem ist das Bundesverwaltungsgericht unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den vom Bundesverfassungsgericht angenommenen so genannten Sickereffekt gefolgt (vgl. Urteil vom 12. März 1982 - 8 C 23.80 -, juris Rn. 19, sowie zuletzt Urteil vom 17. Oktober 1997 - 8 C 18/96 -, juris Rn. 18). Allerdings hat sich der Berliner Landesgesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien von der Erkenntnis leiten lassen, dass ein solcher Sickereffekt den Berliner Wohnungsmarkt nicht zu entlasten vermag (Abgh.-Drs. 18/0815, S. 15 ff.):
„Dem Regelungserfordernis kann auch kein sog. Sickereffekt entgegengehalten werden, der Anfang der 80er Jahre in der Rechtsprechung berücksichtigt worden ist. Danach soll durch den Bezug des neu geschaffenen Wohnraums alter Wohnraum frei werden, der dann der Versorgung der Bevölkerung dient. Ein solcher Sickereffekt mag in den 70er und 80erJahren bestanden haben. Eine Vielzahl von Wohnungen wiesen nur einen ganz geringen Standard auf, z. B. kein eigenes WC und Bad, Ofenheizung, so dass der durchschnittlich verdienende Mieter an einem Umzug in eine Wohnung mit besserem Standard auch unter Inkaufnahme einer höheren Miete bereit sein konnte. Der geschützte Wohnraum verfügt jetzt aber überwiegend schon über einen hohen Standard. In angespannten Wohnungsmärkten kommt heute ein solcher Sickereffekt daher - wenn überhaupt - nicht in vollem Umfang zum Tragen. Weitere Gründe sind nachfragebedingt höhere Wiedervermietungsmieten, aber auch die zusätzliche Wohnungsnachfrage durch Zuzug. Für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum reicht es also nicht aus, nur im oberen Preissegment zusätzlichen Wohnraum zu generieren und zu hoffen, dass durch Umzugsketten auch einkommensschwächere Haushalte profi- tieren (vgl. Wohnungsmarktbericht 2017 der NBank, Seite 39, https:// www.nbank.de/medien/nbedia/Downloads/Publikationen/Wohnungsmarktbeobachtung/Wohnungsmarktberichte/WOM-Bericht-2017.pdf). In Berlin hat der Zuzug in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Nach Berlin Zuziehende machen gerade nicht hier ihre alte Wohnung frei, wenn sie teuren Ersatzwohnraum beziehen. Der sog. Sickereffekt kann daher den Berliner Wohnungsmarkt nicht entlasten.“
Damit entfällt nach Auffassung des Berliner Landesgesetzgebers die seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Dezember 1980, a.a.O., von der höchstrichterlichen Rechtsprechung herangezogene Rechtfertigung für die Vernichtung preisgünstigen Wohnraums, wenn wie hier neuer, teurerer Ersatzwohnraum geschaffen werden soll. Anders als das Verwaltungsgericht meint, ist dagegen angesichts der weiten Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers nichts zu erinnern. Die Einschätzung des Berliner Landesgesetzgebers wird zudem durch eine neuere Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung aus dem Oktober 2020 (Umzugsmobilität und ihre Wirkung auf lokale Wohnungsmärkte, BBSR-Online-Publikation Nr. 11/2020, abrufbar über https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/veroeffentlichungen/bbsr-online/2020/bbsr-online-11-2020.html) gestützt, wonach jedenfalls in deutschen Großstädten mit angespannten Wohnungsmärkten und positiven Wanderungssalden ein Sickereffekt allenfalls eingeschränkt festzustellen ist (vgl. dort S. 4, 6, 109 ff.). Das dürfte ohne Weiteres auch auf Berlin zutreffen. Haben sich jedoch insoweit die Verhältnisse, von denen noch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 17. Oktober 1997 - 8 C 18/96 - (juris Rn. 8, 18) ausgegangen ist, geändert, dürfte es nicht zu beanstanden sein, wenn der nunmehr für das Zweckentfremdungsrecht zuständige Landesgesetzgeber für die Erreichung des auch in dieser Entscheidung ausdrücklich genannten Ziels des Zweckentfremdungsverbots, „preiswerten Wohnraum für die großen Teile der Bevölkerung [zu] erhalten“, nicht weiter auf einen - tatsächlich nicht (mehr) eintretenden - Sickereffekt vertraut.
Allerdings dürfte sich die zur Umsetzung der Vorgaben des § 3 Abs. 2 ZwVbG n.F. festgelegte Mietobergrenze in § 3 Abs. 4 ZwVbVO n.F. als nichtig erweisen. Diese Vorschrift bestimmt, dass für Ersatzwohnraum gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, 2 und 4 des Zweckentfremdungsverbot-Gesetzes keine höhere Nettokaltmiete verlangt werden darf als 9,17 Euro pro Quadratmeter monatlich. Gesetzliche Grundlage hierfür ist § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 ZwVbG n.F., der den Verordnungsgeber ermächtigt, die Anforderungen an die Beschaffenheit und Bedingungen des angemessenen Ersatzwohnraums gemäß § 3 Abs. 2 ZwVbG n.F. zu bestimmen.
Die normative Festlegung einer derartigen Mietobergrenze während des Bestehens einer Wohnraummangellage - und damit auf unabsehbare Zeit - gerät in Konflikt mit der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung, weil sie in die bürgerlich-rechtlich begründeten Mietverhältnisse für den Ersatzwohnraum eingreift und insbesondere bewirkt, dass letztlich Mieterhöhungen nur nach Maßgabe der Verordnung zulässig sind. Regelungen zum Mietpreisrecht für - wie hier - frei finanzierten Wohnraum, der auf dem freien Wohnungsmarkt angeboten werden kann (ungebundener Wohnraum), fallen als Teil des sozialen Mietrechts in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für das „bürgerliche Recht“ im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. März 2021 - 2 BvF 1/20 u.a. - „Berliner Mietendeckel“, juris LS 2 und Rn. 107). Da der Bundesgesetzgeber von seiner Zuständigkeit für das Mietpreisrecht mit den §§ 556 bis 561 BGB Gebrauch gemacht hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. März 2021, a.a.O., juris LS 3), fehlt es insoweit an der Gesetzgebungszuständigkeit der Länder.
Dem Berliner Landesgesetzgeber dürfte es vor diesem Hintergrund verwehrt sein, sich hinsichtlich der in Rede stehenden Mietobergrenze auf seine Gesetzgebungskompetenz für das „Wohnungswesen“ zu berufen. Die Zuordnung einer gesetzlichen Regelung zu einem Kompetenztitel nach Art 70 ff. GG erfolgt an Hand ihres (unmittelbaren) Regelungsgegenstandes, ihrer Wirkungen und Adressaten sowie des Normzwecks. Ob sich eine Regelung unter einen Kompetenztitel subsumieren lässt, hängt davon ab, ob der dort genannte Sachbereich unmittelbar oder lediglich mittelbar Gegenstand dieser Regelung ist. Für die Ermittlung ist der sachliche - auch auf Grund des Gesamtzusammenhangs der Regelung im jeweiligen Gesetz zu ermittelnde - Gehalt einer Regelung und nicht die von dem Gesetzgeber gewählte Bezeichnung maßgebend (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. März 2021, a.a.O., juris Rn. 104 f.). Dabei kann sich zwar eine Regelung auch als Annex darstellen, die jeweils dem Sachbereich zuzurechnen ist, zu dem sie in einem notwendigen Zusammenhang steht. Eine derartige Annexkompetenz ist dem Gesetzgeber jedoch nur eingeräumt, soweit die Regelung nicht Teil eines anderen selbständigen Sachbereichs im Sinne der grundgesetzlichen Verteilung der Gesetzgebungskompetenz zwischen Bund und Ländern ist (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 29. April 1958 - 2 BvO 3/56 -, juris Rn. 13, sowie vom 18. März 1970 - 2 BvO 1/65 - juris Rn. 96 ff.). So liegt es hier.
Der Bundesgesetzgeber hat mit den Regelungen über die Höhe der Miete in §§ 556 bis 561 BGB von der konkurrierenden Zuständigkeit für das Mietpreisrecht als Teil des bürgerlichen Rechts abschließend Gebrauch gemacht (Art. 72 Abs. 1 GG). Er hat damit insbesondere durch die so genannte Mietpreisbremse in §§ 556d ff. BGB ein umfassendes Regelungskonzept für die Miete für ungebundenen Wohnraum auf angespannten Wohnungsmärkten geschaffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. März 2021, a.a.O., juris Rn. 148). Die Länder sind von Regelungen zur Festlegung der Miethöhe in diesem Bereich ausgeschlossen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. März 2021, a.a.O., juris Rn. 160). Die abschließende Regelung der Miethöhe durch die §§ 556 ff., 556d ff. BGB wird auch nicht durch die in § 556d Abs. 2 BGB normierte Verordnungsermächtigung der Länder in Frage gestellt. Sie ändert nichts an der durch die abschließende bundesgesetzliche Regelung bewirkten Sperrwirkung für den Landesgesetzgeber aus Art. 72 Abs. 1 GG. Die Länder sind insoweit lediglich Ausführende einer Regelung, die der Bund ausweislich Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG nach Inhalt, Zweck und Ausmaß weitgehend vorgegeben hat. Eine eigenständige Regelungsbefugnis ist damit nicht verbunden, auch wenn die Länder nach Art. 80 Abs. 4 GG statt der Rechtsverordnung ein Gesetz erlassen können. Durch eine Rechtsverordnung nach § 556d Abs. 2 BGB werden zwar die Regelungen über die Mietpreisbremse räumlich konkretisiert. Die Verordnungsermächtigung eröffnet den Ländern aber keinen inhaltlichen Gestaltungsspielraum, sondern erschöpft sich darin, die auf Ebene des Bürgerlichen Gesetzbuchs detailliert ausgestaltete Mietpreisbremse nach Maßgabe der in den einzelnen Ländern bestehenden Verhältnisse zur Anwendung zu bringen. Zweck der Verordnungsermächtigung in § 556d Abs. 2 BGB ist es allein, angesichts der Heterogenität der lokalen Mietwohnungsmärkte den insoweit sachnäheren Ländern die Festlegung der Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten zu überlassen. Das wird dadurch unterstrichen, dass der Bundesgesetzgeber in § 556d Abs. 2 Sätze 4 bis 7 BGB die Geltungsdauer der Rechtsverordnung festgelegt und besondere formelle Anforderungen für ihren Erlass vorgeschrieben hat. Die Länder können daher nur innerhalb des engen bundesgesetzlich vorgegebenen Rahmens regelnd tätig werden und sind darauf beschränkt, die Vollziehbarkeit der bundesgesetzlichen Regulierung für ihren Bereich sicherzustellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. März 2021, a.a.O., juris Rn. 159).
Zudem dürfte die Mietobergrenze in § 3 Abs. 4 ZwVbVO n.F., die der Verordnungsgeber aus dem durchschnittlichen Haushaltseinkommen und der durchschnittlichen Wohnungsgröße in Berlin ermittelt hat, weder das Merkmal eines „durchschnittlich verdienenden Arbeitnehmerhaushaltes“ noch das Merkmal „Wohnungen der entsprechenden Art“ in § 3 Abs. 2 Satz 2 ZwVbG n.F. in einer den gesetzlichen Vorgaben genügenden Weise abbilden, und jedenfalls aus diesem Grund unwirksam sein.
Die der Mietobergrenze von 9,17 Euro pro Quadratmeter zu Grunde gelegte Belastbarkeitsgrenze von 30 v.H. des verfügbaren Haushaltseinkommens ist als Orientierungsgröße zwar allgemein anerkannt. Sie kann jedoch allenfalls eine grobe Einschätzung ermöglichen, taugt nicht für eine centgenaue stadtweite, von allen weiteren Faktoren unabhängige Festlegung eines Mietpreises und führt insbesondere bei höheren Einkommen und größeren Haushalten zu Verzerrungen. Die genannte Belastbarkeitsgrenze eignet sich zudem nicht als Maßstab, soweit sich das Zweckentfremdungsverbot-Gesetz an die zweckentfremdungsrechtliche Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Februar 1975 - 2 BvL 5/74 - (juris Rn. 44) anlehnt. Denn das Bundesverfassungsgericht geht dort nicht von Mieten aus, die aufgebracht „werden können“, sondern von solchen, die „aufgebracht werden“, und knüpft damit an das tatsächliche Mietniveau an.
Das von dem Verordnungsgeber für die Festlegung des durchschnittlich verdienenden Arbeitnehmerhaushaltes herangezogene Median-Haushaltseinkommen lässt Beamte und Beamtinnen unberücksichtigt, obwohl auch diese zu den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen zählen. Es ist ferner unklar, ob bei der Ermittlung dieses Haushaltseinkommens entsprechend der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 4. Februar 1975, a.a.O. (juris Rn. 44), alle vom Staat gewährten finanziellen Hilfen, insbesondere das Wohngeld, zutreffend in Ansatz gebracht worden sind. Dahingestellt sei, ob die alleinige Berücksichtigung des erheblich nach unten vom Durchschnittseinkommen abweichenden Median-Einkommens eine realistische Einschätzung ermöglicht.
Problematisch erscheint ferner die vom Verordnungsgeber zu Grunde gelegte Gleichsetzung der durchschnittlichen Wohnungsgröße in Berlin (73,2 qm, vgl. zuletzt Statistischer Bericht F I 1 - j/22, Fortschreibung des Wohnge- bäude- und Wohnungsbestandes in Berlin am 31. Dezember 2022, S. 8, https://download.statistik-berlinbrandenburg.de/c35d62119fef3270/aec4fe6f5b4a/SB_F01-01-00_2022j01_BE.pdf, ebenso Statistischer Bericht F I 1 - j/22, Fortschreibung des Wohngebäude- und Wohnungsbestandes in Berlin am 31. Dezember 2018, S. 8, https://download.statistik-berlin-brandenburg.de/4aa57517aa0541d1/fae6f5aaea3c/SB_F01-01-00_2018j01_BE.pdf) mit der angemessenen Wohnungsgröße je Haushalt (durchschnittliche Haushaltsgröße in Berlin derzeit: 1,86 Personen, https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Haushalte-Familien/Tabellen/1-2-privathaushalte-bundeslaender.html). Die durchschnittliche Wohnungsgröße schwankt zudem in Berlin zwischen 67,2 qm in Mitte und 85,4 qm in Steglitz/Zehlendorf (Statistischer Bericht F I 1 - j/22, Fortschreibung des Wohngebäude- und Wohnungsbestandes in Berlin am 31. Dezember 2022, a.a.O.). Hinzu kommt, dass hinsichtlich des Haushaltseinkommens vom Median, hinsichtlich der Wohnungsgröße dagegen von dem - Verzerrungen durch sehr große Wohnungen einschließenden - Durchschnitt ausgegangen und auch nicht zwischen Miet- und (selbst bewohnten) Eigentumswohnungen (ggf. auch zwischen Wohnungen und [Einfamilien-]Häusern) differenziert wird, was wenig nachvollziehbar erscheint.
Des Weiteren erfolgt die Berechnung der Mietobergrenze pauschal und vollständig unabhängig von Ausstattung, Größe, Zuschnitt und vor allem Lage der Wohnung. Dies dürfte sich bereits deshalb nicht mit der genannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vertragen, weil nach dieser das Mietniveau von „Wohnungen der entsprechenden Art“ maßgeblich ist (BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 1975, a.a.O., juris Rn. 44).
Schließlich kann die Festlegung einer Mietobergrenze unabhängig vom Mietniveau des abgerissenen Wohnraums dazu führen, dass nicht nur einer Verteuerung der Miete entgegengewirkt wird, sondern sogar eine Verminderung der Miete pro Quadratmeter vorgegeben werden kann. Dass dies nicht mit der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Februar 1975, a.a.O., (juris Rn. 43 f.), vereinbar ist, liegt auf der Hand.
Bei einer Unwirksamkeit der in § 3 Abs. 4 ZwVbVO n.F. festgelegten Mietobergrenze stellte sich die Frage, ob eine zweckentfremdungsrechtliche Genehmigung zum Abriss eines Bestandsgebäudes unter unmittelbarer Anwendung des § 3 Abs. 2 ZwVbG n.F. erteilt werden kann. Das Zweckentfremdungsverbot-Gesetz ist an dieser Stelle, wie § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 ZwVbG n.F. zeigt, auf eine Konkretisierung des angemessenen Ersatzwohnraums durch eine Verordnung angelegt.
Indes spricht viel dafür, auch ohne eine solche Konkretisierung eine ausreichende Anspruchsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 Variante 2 i.V.m. Abs. 2 ZwVbG n.F. für die Erteilung einer zweckentfremdungsrechtlichen Abrissgenehmigung zu sehen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner zweckentfremdungsrechtlichen Grundsatzentscheidung vom 4. Februar 1975, a.a.O. (juris Rn. 40), deutlich gemacht, dass sich ein gesetzlicher Genehmigungsvorbehalt für eine Zweckentfremdung von Wohnraum nicht als präventive Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt, sondern als repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt darstellt: Die Zweckentfremdung von Wohnraum soll nicht deshalb von einer behördlichen Genehmigung abhängig gemacht werden, um der Verwaltung ein Instrument zur bloßen Kontrolle eines prinzipiell vom Gesetz gebilligten, weil sozial erwünschten oder doch wertneutralen Verhaltens zu geben, sondern die Zweckentfremdung wird für die Gebiete, in denen die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist, als sozial unerwünscht missbilligt. Die Zweckentfremdung soll grundsätzlich verhindert werden, um einer Gefährdung der Versorgung entgegenzuwirken. Genau hierauf zielt auch das Zweckentfremdungsverbot-Gesetz. Die danach nur als Ausnahme in Betracht kommende Genehmigung steht grundsätzlich im pflichtgemäßen (und selbstverständlich grundrechtlich gebundenen) Ermessen der Verwaltungsbehörde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 1975, a.a.O., juris Rn. 41).
Es mag zwar sein, dass angesichts der in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Verfügungsbefugnis des Eigentümers die Zweckentfremdungsgenehmigung für den Abriss uneingeschränkt erteilt werden muss, wenn der dadurch eintretende Wohnraumverlust durch einen neu geschaffenen gleichwertigen Ersatzwohnraum ausgeglichen und im Ergebnis die Wohnraumversorgung nicht gefährdet wird (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Mai 1977 - VIII C 44.76 -, juris Rn. 33, vom 12. März 1982 - 8 C 23.80 -, juris Rn. 15, sowie vom 17. Oktober 1997, a.a.O., juris Rn. 9). Letzteres setzt jedoch nach § 3 Abs. 2 ZwVbG n.F. voraus, dass die Miete für den Ersatzwohnraum von einem durchschnittlich verdienenden Arbeitnehmerhaushalt allgemein auch leistbar ist. Solange dies nicht gewährleistet ist, steht die Erteilung der Zweckentfremdungsgenehmigung für den Abriss nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Variante 2 ZwVbG n.F. im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde und kann eine solche ggf. nach § 3 Abs. 1 Satz 2 ZwVbG n.F. mit einer entsprechenden Auflage versehen werden. Es liegt daher im Interesse eines Antragstellers im Genehmigungsverfahren, Vorschläge zu unterbreiten, die geeignet sind, die sein Vorhaben an den in § 3 Abs. 2 ZwVbG n.F. zum Ausdruck gebrachten Willen des Berliner Landesgesetzgebers anzugleichen (siehe BVerwG, Urteil vom 18. Mai 1977, a.a.O., juris Rn. 45). Hierzu könnte die Bereitschaft zählen, dass sich der Bauherr und etwaige Rechtsnachfolger mit der Behörde auf eine bestimmte Anfangsmiete für den Ersatzwohnraum, der, wie das hiesige Verfahren zeigt, nicht notwendig der gesamten neu zu errichtenden Wohnfläche entspricht, verständigen. Eine solche Anfangsmiete könnte Größe, Ausstattung und Lage der Wohnung einbeziehen, dürfte das aktuelle Mietniveau des abzureißenden Wohnraums nicht unterschreiten, in Grenzen auch eine qualitative Verbesserung des Wohnraumangebotes berücksichtigen und könnte im Fall einer erst späteren Vermietung durch einen etwaigen Wohnungserwerber auch Steigerungsmöglichkeiten z.B. in Gestalt einer fiktiven Mietentwicklung vorsehen. Zur Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit potentieller Mieter könnte sich dabei auch eine Heranziehung des Mietspiegels anbieten. Erhöhungen der Anfangsmieten müssten sich nach dem bürgerlich-rechtlichen Mietpreisrecht richten, weil das Zweckentfremdungsrecht keine Handhabe bieten dürfte, dauerhaft Mieten zu regulieren.
2. Der erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellte hilfsweise Antrag auf Feststellung, dass § 3 Abs. 4 ZwVbVO gegen höherrangiges Recht verstößt, ist als Klageänderung nach § 91 VwGO unzulässig. Der Beklagte hat nicht ausdrücklich in die Klageänderung eingewilligt. Mit seinem Klageabweisungsantrag hat er sich auch nicht gemäß § 91 Abs. 2 VwGO rügelos auf die Klageänderung eingelassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. März 1995 - 4 B 26.95 -, Orientierungssatz 1. und Rn. 4 ff.). Seine Ausführungen zu § 3 Abs. 4 ZwVbVO waren ersichtlich allein auf den Hauptantrag bezogen. Auch eine Sachdienlichkeit der Klageänderung ist zu verneinen, weil diese angesichts der in Streit stehenden Fragen nicht die Möglichkeit bietet, den Streitstoff zwischen den Beteiligten endgültig zu bereinigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. August 2022 - 6 A 9.20 -, juris Rn. 29; BeckOK VwGO/Wolff/Decker, 65. Ed. 1. April 2023, VwGO § 91 Rn. 27; Peters/Kujath, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 91 Rn. 53).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.