Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 4. Senat | Entscheidungsdatum | 03.08.2023 | |
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Aktenzeichen | OVG 4 N 31.19 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2023:0803.OVG4N31.19.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 45 Abs 2 BeamtVG, § 86 Abs 2 VwGO |
1. Die Anerkennung einer akuten Belastungsreaktion als Dienstunfallfolge betrifft definitionsgemäß eine kurzfristige psychische Störung (ICD F43.0). Das Auftreten einer posttraumatischen Belastungsstörung nach mehr als zehn Jahren kann der akuten Belastungsreaktion nicht als Spätfolge zugeordnet werden.
2. Schriftsätzliche Beweisanträge im schriftlichen Verfahren müssen nicht vorab beschieden werden, wenn sie vor dem Verzicht auf mündliche Verhandlung oder gleichzeitig gestellt worden und später nur wiederholt worden sind.
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 27. Mai 2019 wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 4.602,49 Euro festgesetzt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Das Gericht prüft nur die von der Klägerin dargelegten Gründe (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Gemessen an deren Darlegungen hat das Verwaltungsgericht die Klage mit dem Ziel, den Beklagten zu verpflichten, die Kosten für eine Psychotherapie und Heilbehandlungskosten des verstorbenen Beamten zu übernehmen, zu Recht abgewiesen.
1. Die Klägerin macht ernstliche Richtigkeitszweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die posttraumatische Belastungsstörung eine eigene Unfallfolge darstelle, die nicht innerhalb der Frist aus § 45 BeamtVG gemeldet worden sei. Die posttraumatische Belastungsstörung sei vielmehr eine unmittelbare Folge einer akuten Belastungsreaktion, ein typischer Krankheitsverlauf, wie ein Sachverständigengutachten belegen werde. Der vom Verwaltungsgericht zur Begründung angeführte ICD-Code sei keine amtliche Veröffentlichung, die über jeden Zweifel erhaben sei. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die akute Belastungsreaktion klinge innerhalb von zwei bis drei Tagen ab, während die posttraumatische Belastungsstörung erst nach einer längeren Latenz auftrete, sei in vielen Fällen richtig, bei einem derart schwerwiegenden Ereignis, wie es der Kläger habe erleben müssen, jedoch nicht die Regel. Das könne ein Sachverständiger belegen. Damit sei die akute Belastungsreaktion entgegen dem Verwaltungsgericht nicht eine andere Erkrankung als die posttraumatische Belastungsstörung. Auch die Behandlungsmethoden unterschieden sich nicht wesentlich. In der Regel könne eine Depression auch Folge einer posttraumatischen Belastungsstörung sein. Es sei nicht richtig, dass das Verwaltungsgericht aus den Folgen einer Depression Rückschlüsse auf die Unterscheidung der Erkrankungen ziehe. Die Klägerin könne nicht ausschließen, dass das Gericht deren Schriftsatz vom 15. November 2018 nicht zur Kenntnis genommen und insoweit das Gebot rechtlichen Gehörs verletzt habe. Die Klägerin habe auch darauf hingewiesen, dass bei einem Andauern der Symptome von mehr als vier Wochen eine akute Belastungsreaktion bereits eine posttraumatische Belastungsstörung darstelle. Das vom Verwaltungsgericht herangezogene Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster gebe nichts her, weil im Unterschied zu dem vorliegenden Fall dort ein nicht vorhersehbarer, untypischer Körperschaden aufgetreten sei. Die Frage, ob es sich bei der posttraumatischen Belastungsstörung um eine neue Erkrankung oder lediglich um eine Folge der akuten Belastungsreaktion handele, sei eine medizinische, keine Rechtsfrage. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. August 2018 zur Ausschlussfrist von zehn Jahren sei im Hinblick auf den Fürsorgegrundsatz aus Art. 33 Abs. 5 GG nicht hinreichend durchdacht. Denn es sei erst in der heutigen Zeit erkannt worden, dass eine posttraumatische Belastungsstörung noch nach Ablauf dieses Zeitraums auftreten könne. Entgegen dem Bundesverwaltungsgericht dürfe die Frist bei einer schweren Gesundheitsstörung aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht abschließend sein. Richtigerweise müsste Unfallruhegehalt zugestanden werden. Die Frist sei wegen des Verfassungsverstoßes nichtig. Bei der Gesetzgebung sei die Frage einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht andeutungsweise diskutiert worden. Die Klägerin hält insoweit die Einholung eines Sachverständigengutachtens im Berufungsverfahren für geboten. Ein solches Gutachten könne auch nach langer Zeit den Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallgeschehen und der späteren Erkrankung belegen.
Nach diesen Darlegungen besteht nicht der Zulassungsgrund aus § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind gegeben, wenn ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des angegriffenen Urteils mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und auch die Richtigkeit des Entscheidungsergebnisses solchen Zweifeln unterliegt (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. April 2020 – OVG 4 N 24.19 – juris Rn. 1).
Es ist höchstgerichtlich geklärt, dass eine Meldepflicht nach § 45 Abs. 2 BeamtVG a.F. (entsprechend § 45 Abs. 2 LBeamtVG) besteht in Hinsicht auf eine erst später bemerkbar gewordene Unfallfolge, selbst wenn der Unfall und / oder eine andere Unfallfolge bereits gemeldet worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. August 2018 – 2 C 18.17 – juris Rn. 22; Schnellenbach, in: Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 10. Aufl. 2020, § 14 Rn. 73 Fußn. 325).
Der Vorwurf der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe fehlerhaft die behördlich anerkannte akute Belastungsreaktion und die posttraumatische Belastungsstörung als zwei verschiedene Unfallfolgen behandelt, trifft nicht zu. Das Verwaltungsgericht bezieht sich zu Recht auf den ICD-Code. Die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten ist die amtliche Klassifikation zur Verschlüsselung von Diagnosen in der ambulanten und stationären Versorgung in Deutschland (so das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte - BfArM, Homepage). Es handelt sich dabei um eine anerkannte Klassifikation, die dazu geeignet ist, eine ärztliche Bewertung plausibel und für die Behörde nachvollziehbar zu machen (BVerwG, Urteil vom 31. August 2017 – 2 A 6.15 – juris Rn. 65). Der Beklagte legte demgemäß mit der Dienstunfallanerkennung einer akuten Belastungsreaktion durch Bescheid vom 18. März 2004 bei der Auswertung der ärztlichen Unterlagen die amtliche Klassifikation zugrunde und machte sich dadurch deren Inhalt in der damals geltenden Fassung zu eigen. Die im Jahr der Dienstunfallanerkennung geltende Fassung ist vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung am 29. September 2003 beschlossen und im Bundesanzeiger bekannt gegeben worden (Ausgabe vom 11. Oktober 2003, Nr. 190 S. 22709). Bereits die damalige Fassung unterschied wie die heutige Version fünf verschiedene Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen (F43), darunter die akute Belastungsreaktion (F43.0) und die posttraumatische Belastungsstörung (F43.1). Damit unterscheidet die amtliche Klassifikation diese beiden Erkrankungen. Die Überschrift des Abschnitts F43 setzt die „Reaktionen“ in den Plural und bringt damit nicht das von der Klägerin dargelegte Vorverständnis zum Ausdruck, es handele sich in diesem Abschnitt um Varianten einer einzigen Krankheit. In der Fassung 2004 (nicht anders die aktuelle Fassung) hieß es zu dieser Krankheit, die Symptome erschienen im Allgemeinen innerhalb von Minuten nach dem belastenden Ereignis und gingen innerhalb von zwei oder drei Tagen, oft innerhalb von Stunden zurück. Wenn die Symptome andauerten, sollte eine Änderung der Diagnose in Erwägung gezogen werden. Indem der Beklagte im Jahr 2004 als Dienstunfallfolge nichts weiter als eine akute Belastungsreaktion anerkannte, legte er sich definitionsgemäß auf eine nur kurzfristige psychische Störung fest. Die bestandskräftige Feststellung eines Dienstunfalls bindet Behörden und Gerichte (BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2004 – 2 C 66.03 – juris Rn. 20; Nabazid, in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, BeamtVG, Stand 164. AL/ 41. Update, § 45 Rn. 87; Reich, in: Reich, BeamtVG, 2. Aufl. 2019, § 45 Rn. 13).
Es wird weder mit der Begründung des Berufungszulassungsantrags vorgetragen noch ist es aktenkundig, dass der Beamte dem Beklagten innerhalb der gesetzlichen Ausschlussfristen aus § 45 Abs. 1, 2 BeamtVG a.F. gemeldet hätte, die Symptome dauerten an, was dem Beklagten entsprechend § 45 Abs. 3 BeamtVG a.F. von Amts wegen Anlass zu einer Überprüfung der Dienstunfallanerkennung (im Sinne der Maßgabe in ICD <2004> F43.0) gegeben hätte. Im Gegenteil befindet sich im Verwaltungsvorgang der Bescheid des Polizeipräsidenten in Berlin vom 21. Oktober 2004, wonach aufgrund ärztlicher Prüfung keine erwerbsmindernden Unfallfolgen zurückgeblieben seien. Dem hatte der Beamte nicht widersprochen. Das deckt sich mit dem Vorbringen der Klägerin im Berufungszulassungsantrag, der Beamte sei nicht in der Lage gewesen, die Auswirkungen der Unfallfolgen zu erkennen. Die Klägerin behauptet denn auch nicht, dass die Symptome seit 2003 ununterbrochen aufgetreten seien, sondern dass sie nach mehr als einem Jahrzehnt erkennbar geworden seien.
Mit ihrer Behauptung eines Zusammenhangs zwischen den Symptomen kurz nach dem Unfallgeschehen und den nach mehr als 10 Jahren akut aufgetretenen Symptomen, die als posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert wurden, wäre – in Anwendung der amtlichen Klassifikation – die damalige Diagnose der akuten Belastungsreaktion falsch gewesen. Denn die von der Klägerin behauptete Unfallfolge unterscheidet sich von einer akuten Belastungsreaktion schon dadurch, dass diese Krankheit per definitionem nur kurze Zeit anhält. Darum ist auch das Vorbringen der Klägerin, es handele sich um eine medizinische und nicht um eine rechtliche Frage, unerheblich. Denn die entweder richtig oder falsch, jedenfalls durch bestandskräftigen Verwaltungsakt anerkannte akute Belastungsreaktion kann nach einem Jahrzehnt definitionsgemäß keine Auswirkung mehr haben und eine andere Krankheit ist nicht innerhalb der Ausschlussfrist gemeldet bzw. ermittelt worden.
Soweit sich die Klägerin gegen die Anwendbarkeit der Zehnjahresfrist richtet, legt sie keine Umstände dar, die eine Verfassungswidrigkeit der Gesetzesbestimmung annehmen ließen. Die Klägerin zeigt nicht auf, warum von Verfassungs wegen später auftauchende Unfallfolgen in die Dienstunfallfürsorge einbezogen werden müssten. Die von ihr angeführte Fürsorgepflicht aus Art. 33 Abs. 5 GG hat das nicht zur Folge. Der Senat kann nicht erkennen, dass das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 30. August 2018 – 2 C 18.17 – (juris) unbedacht und rechtsirrig die vom Gesetzgeber eingeführte Zehnjahresfrist als zwingend ansah. Dasselbe Gericht hat in seinem späteren Urteil vom 12. Dezember 2019 – 2 A 1.19 – diese Gesetzesauslegung bekräftigt und dazu ausgeführt, der Fürsorgegrundsatz gebiete nicht, dass über die Alimentation (Besoldung oder Versorgung) und Beihilfegewährung hinaus zwingend weitere Leistungen zu gewähren seien, wenn ein Beamter infolge dienstlicher Umstände erkranke (juris Rn. 39). Wie das Argument des Bundesverwaltungsgerichts zeigt, gilt der gesetzliche Ausschluss sogar bei einem erkannten Zusammenhang zwischen dem Unfallgeschehen und einer nach mehr als zehn Jahren auftretenden Unfallfolge. Mit der Zehnjahresfrist wird mithin nicht allein Beweisschwierigkeiten begegnet; vielmehr ist die gesetzliche Ausschlussfrist selbst durch den Nachweis eines wesentlichen Ursachenzusammenhangs nicht überwindbar. Auch der inzwischen verstorbene Beamte war – den von der Klägerin behaupteten wesentlichen Zusammenhang zwischen Unfallgeschehen und den neu aufgetretenen psychischen Krankheiten einmal unterstellt – durch die ihm gewährte Alimentation und Beihilfe hinreichend geschützt.
Schließlich überzeugt die Spekulation der Klägerin nicht, der Gesetzgeber hätte, wenn er vor Jahrzehnten bei der Einführung der Ausschlussfrist bereits die posttraumatische Belastungsstörung gekannt hätte, auf eine Zehnjahresfrist verzichtet. Sie legt nicht dar, was die rechtliche Folge wäre, wenn ihre Spekulation richtig wäre. Außerdem liegt es fern anzunehmen, dass der Gesetzgeber eine Ausschlussfrist einführt, die nach dem damaligen Kenntnisstand ohne jegliche praktische Relevanz ist. Die Frist hatte schon immer Bedeutung bei gesundheitlichen Verschlechterungen, die im Laufe eines Berufslebens auftreten. Ob beispielsweise ein Sturz seine wesentliche Ursache in einem Knochenbruch hat, der Jahrzehnte zuvor als Dienstunfall anerkannt wurde, ist eine Frage, die sich schon immer gestellt haben kann.
Wenn die Klägerin in ihrem Vorbringen zu § 124 Abs. 1 Nr. 1 VwGO meint, nicht ausschließen zu können, dass das Verwaltungsgericht den Schriftsatz vom 15. November 2018 nicht zur Kenntnis genommen habe, ist dem unter dem Gesichtspunkt eines Verfahrensmangels (siehe zu den Voraussetzungen unten unter 4) nachzugehen. Die Spekulation trifft indes nicht zu. Im Urteil werden die beiden im Schriftsatz vom 15. November 2018 angeführten Beweisanträge ausdrücklich angesprochen (Urteilsabschrift Seite 6, 3. Absatz; Seite 11, 1. Absatz).
2. Die Klägerin nimmt besondere Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) an. Tatsächliche Schwierigkeiten ergäben sich aus der Notwendigkeit einer Bewertung von gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Insoweit sei medizinischer Sachverstand verlangt. Rechtliche Schwierigkeiten folgten daraus, dass die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gegen Art. 33 Abs. 5 GG verstoße. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht werde nötig und indiziere die besonderen Schwierigkeiten.
Mit diesem Vorbringen sind besondere Schwierigkeiten der Rechtssache nicht aufgezeigt. Eine Rechtssache weist – nach einer Auffassung – besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn die Angriffe des Rechtsmittelführers begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung geben, die sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern, wenn der Ausgang des Rechtsstreits aufgrund der summarischen Prüfung im Zulassungsverfahren als offen erscheint (so Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 106, 118; Happ, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 27 f.; in dieser Richtung der Beschluss des Senats vom 10. Juni 2010 – OVG 4 N 37.08 – juris Rn. 12). Nach anderer Auffassung sind besondere Schwierigkeiten gegeben, wenn die Streitsache überdurchschnittliche Schwierigkeiten macht, nämlich Schwierigkeiten, die das normale Maß übersteigen. Die Rechtssache muss Probleme aufwerfen, die das Verfahren in seinem Schwierigkeitsgrad von den in der verwaltungsgerichtlichen Praxis regelmäßig zu entscheidenden Streitsachen abheben (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. März 2017 – OVG 10 N 21.14 – juris Rn. 16; Rudisile, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand August 2022, § 124 Rn. 28; beide Auffassungen zusammenführend: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. Dezember 2020 – OVG 2 N 65.17 - juris Rn. 29 <kumulativ>; Kuhlmann, in: Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 124 Rn. 29 f. <alternativ>). Jedenfalls ist zur Darlegung des Zulassungsgrundes erforderlich, dass die Fragen, in Bezug auf die sich solche Schwierigkeiten stellen, konkret bezeichnet werden und erläutert wird, worin die besondere Schwierigkeit besteht (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 29. März 2017 – OVG 10 N 21.14 – juris Rn. 16 und vom 15. August 2019 – OVG 11 N 118.17 – juris Rn. 15).
Mit Blick auf die konkreten Bezeichnungen und Erläuterungen der Klägerin fehlt es hier nach beiden Auffassungen zu § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO an besonderen Schwierigkeiten. Wie unter 1 bereits ausgeführt, bedarf es tatsächlich keines medizinischen Sachverständigengutachtens, weil sich die Lösung rechtlich ohne Weiteres anhand der amtlichen Klassifikation gemäß ICD (Fassung 2004) und deren Übernahme in den bestandskräftig gewordenen Dienstunfallbescheid des Beklagten mit Anerkennung einer akuten Belastungsreaktion einerseits und der Anwendung der Zehnjahresfrist andererseits ergibt. Wie ebenfalls unter 1 ausgeführt, sind auch rechtlich keine besonderen Schwierigkeiten gegeben. Zu einer konkreten Normenkontrolle besteht nach der überzeugenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Bedeutung der Fürsorgepflicht im Dienstunfallrecht kein Grund.
3. Die Klägerin misst der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) bei. Es stelle sich erstens die Frage, ob es sich bei der Beurteilung des Zusammenhangs zweier Erkrankungen um eine Rechts- oder um eine Tatsachenfrage handele. Das sei in der Verwaltungsgerichtsbarkeit noch nicht abschließend geklärt. Es frage sich zweitens, ob § 45 Abs. 2 BeamtVG und die Berliner Nachfolgeregelungen mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar seien. Die Klärung sei nicht durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. August 2018 erfolgt, weil die Klägerin die Entscheidung mit beachtlichen Gründen infrage gestellt habe. Zudem sei damals die Zulassung der Revision aus einem anderen Grund erfolgt, die sich hier stellende Frage nicht eingehend durchdacht worden. Gefordert sei eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wozu es der Zulassung der Berufung bedürfe. Die grundsätzliche Bedeutung erweise sich auch an der Ehrung des Landes Berlin für den erschossenen Kollegen.
Mit diesem Vorbringen ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargetan. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist es erforderlich, dass eine bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich noch nicht geklärte, konkrete und zugleich entscheidungserhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen und dazu erläutert wird, warum sie über den Einzelfall hinaus bedeutsam ist und im Interesse der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung in einem Berufungsverfahren geklärt werden muss (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. März 2020 – OVG 10 N 41.17 – juris Rn. 23). Die Frage von grundsätzlicher Bedeutung muss ausformuliert werden (OVG Münster, Beschluss vom 1. April 2020 – 10 A 2667/19 – juris Rn. 14). Einer Rechtsfrage fehlt die grundsätzliche Bedeutung, wenn sich die Antwort ohne Weiteres und unmittelbar aus dem Gesetz ergibt und keine Zweifel bestehen oder wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden ist (Rudisile, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand August 2022, VwGO § 124 Rn. 32).
Danach zeigt die Klägerin keine grundsätzliche Bedeutung auf. Ihre erste Frage ist im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich. Sie ist umfassend formuliert, indem sie nach der rechtlichen oder medizinischen Qualität der Zusammenhangsprüfung zweier Erkrankungen jedweder Art fragt. Die Frage geht damit an der Besonderheit der bestandskräftigen Anerkennung einer akuten Belastungsreaktion als einziger Unfallfolge vorbei. Nach der im Anerkennungsbescheid aufgegangenen amtlichen Klassifikation der akuten Belastungsreaktion klingt diese Störung – wie unter 1 gezeigt – definitionsgemäß nach kurzer Zeit ab. Eine womöglich fortdauernde Störung hätte aufgrund der Maßgabe in ICD F43.0 nach einer geänderten Diagnose und Anerkennung einer anderslautenden Unfallfolge verlangt. Kommt es dazu nicht, fehlt ein Anknüpfungspunkt für die Zusammenhangsprüfung.
Der zweiten Frage fehlt die grundsätzliche Bedeutung. Denn sie ist – wie gleichfalls unter 1 gezeigt – in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt worden, zuletzt mit dessen Urteil vom 12. Dezember 2019 – 2 A 1.19 – (juris). Das Vorbringen der Klägerin zeigt keine Gründe für einen Rechtsirrtum des Bundesverwaltungsgerichts auf.
4. Die Klägerin macht als Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) geltend, das Verwaltungsgericht habe über deren Beweisanträge im Schriftsatz vom 15. November 2018 nicht durch gesonderten Beschluss entschieden. Durch Sachverständigengutachten sei zu beweisen, 1. dass es sich bei der aktuellen Erkrankung um dieselbe handele wie die anerkannte akute Belastungsreaktion bzw. die aktuelle Erkrankung deren unmittelbare Folge sei und 2. dass der Beamte aufgrund seiner Erkrankung überhaupt nicht in der Lage gewesen sei, die Auswirkungen der Unfallfolgen zu erkennen. Die Beteiligten hätten in der Sitzung vom 25. September 2018, mithin zuvor ihren Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erklärt. Demgemäß hätte das Verwaltungsgericht gesondert über die Beweisanträge beschließen müssen. Auf dem Verfahrensmangel könne die angefochtene Entscheidung beruhen, weil die Klägerin im Fall der Ablehnung auf deren Rechtswidrigkeit hingewiesen hätte.
Nach diesen Darlegungen ist die Berufung nicht zuzulassen. Es müsste dazu ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht werden und vorliegen, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Unter Verfahrensmängeln sind Verstöße gegen Vorschriften zu verstehen, die den Verfahrensablauf bzw. den Weg zu dem Urteil und die Art und Weise des Urteilserlasses regeln (BVerwG, Beschluss vom 12. März 2020 – 5 B 22.19 D – juris Rn. 20).
Das Verwaltungsgericht hat nicht gegen Verfahrensvorschriften verstoßen, als es die schriftsätzlichen Beweisanträge nicht gesondert durch Beschluss vor Erlass des Urteils beschieden, sondern erst im Urteil zu beiden Beweisanträgen angeführt hat, warum ihnen nicht nachzugehen sei. Nach § 86 Abs. 2 VwGO ist ein Gerichtsbeschluss nur aufgrund eines in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags zu bescheiden. Eine schriftsätzlich gestellter Beweisantrag ist kein förmlicher Beweisantrag in diesem Sinn (vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 191). Wird wie hier im schriftlichen Verfahren nach § 101 Abs. 2 VwGO entschieden, findet § 86 Abs. 2 VwGO allerdings entsprechende Anwendung auf einen neuen Beweisantrag, wenn ein damit versehener Schriftsatz dem Verzicht auf die mündliche Verhandlung nachfolgt (BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2013 – 1 B 15.13 – juris Rn. 7; Störmer, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, VwGO § 86 Rn. 71). Ist ein Beweisantrag vor der Erklärung des Verzichts oder zur gleichen Zeit gestellt worden, braucht hingegen nicht durch einen gesonderten Beschluss vorab darüber entschieden zu werden, weil mit dem Verzicht auf die mündliche Verhandlung regelmäßig zugleich die konkludente Preisgabe des Rechts auf Vorabentscheidung liegt (BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2013 – 1 B 15.13 – juris Rn. 7; Störmer, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, VwGO § 86 Rn. 71). Auch ein in einem nachgelassenen Schriftsatz gestellter Beweisantrag verpflichtet nicht zu einem vorab zu verkündenden Beschluss nach § 86 Abs. 2 VwGO (BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2013 – 1 B 15.13 – juris Rn. 7; Störmer, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, VwGO § 86 Rn. 73).
Das Verwaltungsgericht hat einen Erörterungstermin durchgeführt und gegen dessen Ende das Einverständnis der Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung eingeholt. Die Richterin hat sodann zu Protokoll gegeben, dass die Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 15. November 2018 erhielten und das Gericht vor diesem Termin nicht entscheiden werde. Angesichts dieser besonderen Protokollierung erscheint der Erörterungstermin als Surrogat der mündlichen Verhandlung und der klägerische Schriftsatz vom 15. November 2018 als nachgelassener Schriftsatz. Der Senat lässt allerdings offen, ob allein deswegen beide Beweisanträge nicht vorab durch Beschluss hätten beschieden werden müssen.
Der Beweisantrag zu 1 im Schriftsatz vom 15. November 2018 hat nicht vorab durch Beschluss beschieden werden müssen, weil er nichts weiter als die Wiederholung früher gestellter Beweisanträge gewesen ist. Es handelt sich damit nicht um einen neuen Beweisantrag, auf den es dem Bundesverwaltungsgericht im zitierten Beschluss vom 10. Oktober 2013 zu Recht ankommt. Der Klägerbevollmächtigte hat bereits mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2017 eine Beweiserhebung durch sachverständiges Zeugnis der behandelnden Ärztin und ein Sachverständigengutachten verlangt zum Beweis dafür, dass die akute Belastungsreaktion und die Folgestörung einer posttraumatischen Belastungsstörung unmittelbare Folgen des anerkannten Unfallereignisses seien und dass es dem Beamten unmöglich gewesen sei, den Zusammenhang zwischen seinen Beschwerden einerseits und dem damaligen Dienstunfall andererseits zu erkennen. Der Bevollmächtigte hat sodann im Erörterungstermin vom 25. September 2018 laut Protokoll darauf hingewiesen, dass die Frage, ob es sich bei der akuten Belastungsreaktion und der posttraumatischen Belastungsstörung um zwei getrennte Folgen oder um eine einheitliche Folge handle, durch ein Gutachten geklärt werden müsse. Bewirkt das nachfolgende Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung den konkludenten Verzicht auf eine Vorabentscheidung, wird dieser Verzicht durch eine Wiederholung des Beweisantrags nicht hinfällig.
Auch der Beweisantrag zu 2 im Schriftsatz vom 15. November 2018 ist eine Wiederholung des mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2017 gestellten Beweisantrags zum Beweis dafür, dass es dem Beamten unmöglich gewesen sei, den Zusammenhang zwischen seinen Beschwerden einerseits und dem damaligen Dienstunfall andererseits zu erkennen. Damit gilt das zum Beweisantrag zu 1 Gesagte auch hier. Unabhängig davon kann das angefochtene Urteil, wenn die unterbliebene Vorabentscheidung als Verfahrensmangel anzusehen wäre, nicht auf diesem Mangel beruhen. Diese Voraussetzung aus § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ist erfüllt, wenn das Gericht ohne den Verfahrensverstoß zu einem für den Rechtsmittelführer sachlich günstigeren Ergebnis gelangt wäre (Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 220). Hier ist das zu verneinen, weil die gesetzliche Ausschlussfrist – was wie gezeigt dem angefochtenen Urteil zugrunde liegt und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu entnehmen ist – dem Begehren entgegenzuhalten ist unabhängig davon, ob der Körperschaden erkannt wurde bzw. erkannt werden konnte oder nicht. Mithin hätte die klägerseitig begehrte Feststellung nicht zu einer Änderung des angefochtenen Urteils führen können.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).