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Der Wahlvorstand hat gemäß § 2 WO einen - im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzbaren - Anspruch gegenüber der Arbeitgeberin auf Herausgabe der Post- und E-Mail-Adressen der Beschäftigten.


Metadaten

Gericht ArbG Cottbus 3. Kammer Entscheidungsdatum 13.04.2023
Aktenzeichen 3 BVGa 5/23 ECLI ECLI:DE:ARBGCOT:2023:0413.3BVGA5.23.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 2 BetrVGDV1WO, § 24 BetrVGDV1WO

Tenor

1. Der Beteiligten zu 2) wird aufgegeben, dem Beteiligten zu 1) die Postadressen sowie E-Mail-Adressen aller in der Zentrale, den Filialen und Betriebsstätten sowie im Bereich der Remote Optic in Heimarbeit, Telearbeit oder mit mobiler Arbeit im Homeoffice beschäftigten Arbeitnehmer*innen zur Verfügung zu stellen.

2. Der Beteiligten zu 2) wird aufgegeben, den Beteiligten zu 1) über die Arbeitnehmer*innen zu informieren, die regelmäßig mobil im Homeoffice oder auf Telearbeitsplätzen arbeiten, sowie über die Arbeitnehmer*innen, die im Zeitraum ab dem Erlass des Wahlausschreibens bis zum voraussichtlichen Zeitpunkt der Wahl am 11.05.2023 wegen einer bereits bekannten Arbeitsunfähigkeit, Urlaub, Mutterschutz oder aus anderen Gründen voraussichtlich nicht im Hauptbetrieb anwesend sein werden.

3. Der Beteiligten zu 2) wird aufgegeben, den Beteiligten zu 1) über das Geburtsdatum der Mitarbeiter L.K. und A.K. zu informieren.

4. Der Antrag zu 4. wird zurückgewiesen.

Gründe

I

Die Beteiligten streiten im Wege der einstweiligen Verfügung um die Verpflichtung der Beteiligten zu 2) dem Antragsteller Informationen zu den Arbeitnehmer*innen der Beteiligten zu 2) zur Verfügung zu stellen.

Die Beteiligte zu 2) (im Folgenden: Arbeitgeberin) vertreibt über das Internetportal brillen.de Brillen und beschäftigt insgesamt knapp 400 Arbeitnehmer*innen. In ca. 183 Filialgeschäften sind jeweils ca. 1 – 2 – Arbeitnehmer*innen tätig. Die Zentrale mit ca. 100 – 120 Beschäftigten ist in Königs Wusterhausen. In Bayreuth gibt es eine Verwaltungsstelle mit weniger als fünf Arbeitnehmer*innen und in Wuppertal ein Entwicklungszentrum. Eine Reihe von Arbeitnehmer*innen sind im Bereich der Remote Optic mit Telearbeitsplätzen oder mobiler Arbeit beschäftigt.

Der Antragsteller ist der bei der Arbeitgeberin gewählte Wahlvorstand.

Auf die Aufforderung des Wahlvorstands, alle nötigen Daten zur Wahldurchführung zur Verfügung zu stellen, übersandte die Arbeitgeberin letztmals am 23.03.2023 eine Personalliste. Bei zwei Arbeitnehmern (L.K. und A.K.) fehlt das Geburtsdatum. Zu Herrn L.K. teilte die Arbeitgeberin mit, er sei minderjährig. Hinsichtlich aller Arbeitnehmer*innen fehlen die E-Mail- und Postadressen. Aus der Liste ist nicht erkennbar, wer in einem Kleinstbetriebsteil, einer Kleinstfiliale, im Homeoffice bzw. auf einem Telearbeitsplatz arbeitet. Am 16.03.2023 beschloss der Wahlvorstand für den größten Teil der Betriebsteile und Filialen und für alle im Homeoffice bzw. mit Telearbeit Beschäftigten die Durchführung der Briefwahl.

Jede/r Arbeitnehmer*in verfügt über eine eigene E-Mail-Adresse, die grundsätzlich wie folgt zusammengesetzt ist:

1. Buchstabe des L.K.Vornamens.Nachname@....de

Über diese E-Mail-Accounts wird die gesamte Firmenkommunikation gesteuert.

Mit ihrem am 31.03.2023 beim Arbeitsgericht Cottbus eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrt der Wahlvorstand

- die Zurverfügungstellung der Post- und E-Mail-Adressen aller Arbeitnehmer*innen,

- Informationen über die voraussichtlich am Wahltag abwesenden Arbeitnehmer*innen,

- die fehlenden Geburtsdaten der zwei Arbeitnehmer.

Der Wahlvorstand trägt vor, dass er die E-Mail-Adressen zur Bekanntgabe der Wählerliste und des Wahlausschreibens brauche, §§ 2 Abs. 4 Satz 2 und 3 Abs. 4 Satz 2 Wahlordnung (WO). Er könne sich die E-Mail-Adressen nicht selbst zusammenstellen. Es gebe Namensdopplungen, die Zusammensetzung der E-Mail-Adresse in diesen Fällen sei nicht bekannt. Die Postadressen benötige er, um die Briefwahlunterlagen entsprechend § 24 WO verschicken zu können. Zur Überprüfung des Wahlrechts/der Wählbarkeit sei das Geburtsdatum erforderlich.

Der Wahlvorstand beantragt,

1. der Beteiligten zu 2) aufzugeben dem Beteiligten zu 1) die Postadressen sowie E-Mail-Adressen aller in der Zentrale, den Filialen und Betriebsstätten sowie im Bereich der Remote Optic in Heimarbeit, Telearbeit oder mit mobiler Arbeit im Home Office beschäftigten Arbeitnehmer *innen zur Verfügung zu stellen.

2. der Beteiligten zu 2) aufzugeben, die Beteiligten zu 1) über die Beschäftigten zu informieren, die regelmäßig mobil im Home Office oder auf Telearbeitsplätzen arbeiten sowie über die Beschäftigten, die im Zeitraum ab dem Erlass des Wahlausschreiben bis zum voraussichtlichen Zeitpunkt der Wahl am 11.05.2023 wegen einer bereits bekannten Arbeitsunfähigkeit Urlaub, Mutterschutz, Elternzeit oder aus anderen Gründen voraussichtlich nicht im Hauptbetrieb anwesend sein werden.

3. der Beteiligten zu 2) aufzugeben, dem Beteiligten zu 1) über das Geburtsdatum der Mitarbeiter L.K. und A.K. zu informieren.

4. der Beteiligten zu 2) für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen gemäß Ziffer 1 bis 3 ein Zwangsgeld festzusetzen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Die E-Mail-Adressen könnten anhand der Angaben der Personalliste selbst erstellt werden. Der Herausgabe aller Postadressen bedürfe es nicht. Die Arbeitnehmer*innen könnten über die Niederlassungen und Filialen postalisch erreicht werden. Eine Verpflichtung zur Herausgabe der Postadressen bestehe nur für die Mitarbeiter, die im Betrieb nicht zu erreichen wären. Hinsichtlich aller anderen Arbeitnehmer*innen könne der Wahlvorstand über die bekannten E-Mail-Adressen die Postadressen erfragen. Sollten sich Arbeitnehmer*innen mit der Bitte um Briefwahlunterlagen an den Wahlvorstand wenden, könne dann nach der Postadresse gefragt werden. Das pauschale Zurverfügungstellen aller Postadressen käme einer unzulässigen Vorratsspeicherung gleich. Die Arbeitgeberin werde zu umfassenden Datenschutzverstößen gezwungen, die bußgeldbewehrt seien und Unterlassungsansprüche zur Folge haben könnten.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und das Protokoll der Anhörung gemäß §§ 313 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO), §§ 46 Abs. 2, 80 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) verwiesen.

II

A.

Den im Wege der einstweiligen Verfügungen begehrten Anträgen war im tenorierten Umfang zu entsprechen. Die Voraussetzungen für den Erlass der beantragten Verpflichtungsverfügung gemäß § 85 Abs. 2 ArbGG, §§ 935, 940 ZPO liegen vor. Dabei kann im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht nur die einstweilige Sicherung des Anspruchs oder die einstweilige Regelung in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erreicht werden, sondern ausnahmsweise - wie im vorliegenden Fall - mit der Leistungsverfügung auch die Erfüllung des Anspruchs (Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf vom 9. Januar 2018 – 3 TaBVGa 6/17 - juris).

Lediglich der Antrag auf Androhung eines Zwangsgeldes war zurückzuweisen.

Der Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt voraus, dass Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht worden sind, aus denen sich herleiten lässt, dass eine Entscheidung im Eilverfahren zur Abwehr wesentlicher Nachteile erforderlich ist (§§ 935, 940 ZPO).

B.

Dem Antrag des Wahlvorstandes auf Zurverfügungstellung aller Post- und E-Mail-Adressen aller Arbeitnehmer*innen war zu entsprechen. Der erforderliche Verfügungsanspruch liegt vor.

I.

Die Arbeitgeberin hat dem Wahlvorstand die E-Mail-Adressen aller Arbeitnehmer*innen zur Verfügung zu stellen. Der Wahlvorstand benötigt die E-Mail-Adressen, um die Wählerliste und das Wahllausschreiben gemäß § 2 Abs. 4 Satz 2 bzw. § 3 Abs. 4 Satz 2 WO der Belegschaft bekannt zu machen.

Der Wahlvorstand kann nicht darauf verwiesen werden, sich die E-Mail-Adressen selbst nach der Regel „1. Anfangsbuchstabe.Nachname @....de“ zusammenzustellen. Er hat zu Recht darauf hingewiesen, dass diese Regel nicht für alle E-Mail-Adressen gelten kann. Nur mit dieser Grundregel fehlt es an einer Regel für Namensdoppelungen (Frau F.S. / Herr F.S.). Da die Anwendung der von der Arbeitgeberin dargelegten Grundregel in diesen Fällen nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führt, verbleibt es bei der Verpflichtung der Arbeitgeberin, dem Wahlvorstand die vollständigen E-Mail-Adressen zur Verfügung zu stellen.

II.

Dem Wahlvorstand sind auch die Postanschriften aller Arbeitnehmer*innen mitzuteilen. Der Anspruch folgt aus § 24 Abs. 2 Satz 2 WO bzw. dem Verweis auf Abs. 2 Satz 1 in Abs. 3 Satz 2.

1. Soweit der Wahlvorstand am 16.03.2023 beschlossen hat, für den größten Teil der Betriebsteile und Filialen und für alle im Homeoffice und mit Telearbeit Beschäftigten die Betriebsratswahl als Briefwahl durchzuführen, folgt die Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Mitteilung der Postanschriften bereits aus § 24 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 WO. Der Wahlvorstand braucht sich nicht darauf verweisen zu lassen, die Arbeitnehmer*innen seien teilweise über die Postanschriften der Niederlassungen und Filialen zu erreichen. Aufgrund der Fristgebundenheit des Wahlverfahrens verbietet sich der „Umweg“ über die Filialen und Niederlassungen.

2. Der Anspruch des Wahlvorstandes besteht aber auch hinsichtlich der Arbeitnehmer*innen, für die an sich die unmittelbare Stimmabgabe vorgesehen ist. Die erkennende Kammer schließt sich insoweit den Ausführungen des LAG Hessen vom 10.08.2020 – 16 TaBVGa 75/20 – Rn 16 an:

„Der Wahlvorstand hat nämlich jedenfalls auf Antrag der Wahlberechtigten nach § 24 Abs. 1 WahlO Betriebsverfassungsgesetz diesen die Briefwahlunterlagen zu übersenden. Dies muss je nach dem Zeitpunkt des Eingangs des Antrags auf Briefwahl sehr kurzfristig („unverzüglich“) erfolgen. Dem steht es entgegen, wenn der Wahlvorstand wegen jeder Adresse des betreffenden Wahlberechtigten beim Arbeitgeber vorstellig werden müsste. Erforderlich ist vielmehr, dass dem Wahlvorstand sämtliche Daten vorab vorliegen, damit er im konkreten Einzelfall seine als Gremium getroffene Entscheidung über die Bewilligung des jeweiligen Antrags auf Briefwahl durch Übersendung der Briefwahlunterlagen umsetzen kann.“

3. Die Überlassung der Postanschriften aller Arbeitnehmer*innen ist keine unzulässige „Vorratsdatenspeicherung“, die die Arbeitgeberin der Gefahr eines Bußgeldes oder von Unterlassungsansprüchen aussetzt. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin bestehen hinsichtlich der Mitteilung der Adressen keine datenschutzrechtlichen Bedenken (Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, 30. Aufl., § 24 WO 2001, Rn. 14). Die Daten der Arbeitnehmer (Adressen) werden vom Arbeitgeber rechtmäßig und im Einvernehmen mit den Arbeitnehmern verarbeitet. Der Wahlvorstand benötigt diese zur Durchführung seiner ihm nach § 24 WahlO Betriebsverfassungsgesetz obliegenden gesetzlichen Verpflichtungen (Hessisches LAG vom 10. August 2020, aaO, Rn. 17, juris).

C.

Der Wahlvorstand hat gemäß § 24 Abs. 2 Satz 2 WO einen Anspruch darauf, dass ihm die Arbeitgeberin darüber informiert, welche Arbeitnehmer*innen regelmäßig im Homeoffice oder auf Telearbeitsplätzen arbeiten, sowie für welche Arbeitnehmer*innen feststeht, dass sie zwischen Erlass des Wahlausschreibens bis zum voraussichtlichen Zeitpunkt der Wahl am 11.05.2023 nicht im Hauptbetrieb in Königs Wusterhausen anwesend sein werden.

Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 WO hat der Wahlvorstand Wahlberechtigten, die voraussichtlich im Zeitpunkt der Wahl bzw. vom Erlass des Wahlausschreibens bis zum Zeitpunkt der Wahl aus den in § 24 Abs. 2 Satz 1 WO genannten Gründen nicht im Betrieb anwesend sein werden, eigeninitiativ die Wahlunterlagen zu übersenden. Der Arbeitgeber hat die erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen, § 24 Abs. 2 Satz 2 WO. Genau diese Informationen begehrt der Wahlvorstand mit seinem Antrag zu 2.

Dass die Arbeitgeberin dem Wahlvorstand hinsichtlich vereinzelter Arbeitnehmer*innen am Tag der Anhörung Auskunft erteilt haben will, steht dem Antrag des Wahlvorstandes nicht entgegen. Zum einen war der Vortrag des Vertreters der Beteiligten zu 2. im Anhörungstermin nicht konkret genug, einzelne Fallbeispiele des Antrags abschließend als erledigt beurteilen zu können. Zum anderen war es dem Wahlvorstand in entschuldbarer Weise nicht möglich, auf den Vortrag der Beteiligten zu 2. in der Kürze der Zeit zu reagieren.

D.

Die Arbeitgeberin war gemäß § 2 Abs. 2 WO zu verpflichten, dem Wahlvorstand die Geburtsdaten von L.K. und A.K. mitzuteilen. Der Vortrag, der eine Arbeitnehmer verlasse das Unternehmen und der andere sei minderjährig, reicht zur Erfüllung des Informationsanspruchs des Wahlvorstandes nicht aus. Der Wahlvorstand muss selbst in der Lage sein, die Wahlberechtigung und die Wählbarkeit der Arbeitnehmer*innen zu überprüfen, auf die Einschätzung der Arbeitgeberin dazu muss er sich nicht verweisen lassen. Die Angabe des Geburtsdatums ist zudem eine Angabe, die der Wahlvorstand zur Erstellung der Wählerliste nach § 2 Abs. 1 WO benötigt.

E.

Hinsichtlich der Informations- und Auskunftsansprüche des Wahlvorstandes liegt nach Auffassung der Kammer ein Verfügungsgrund, also die besondere Eilbedürftigkeit der Sache, vor. Der Wahlvorstand plant für den Mai 2023 die Durchführung der Betriebsratswahl. Bis dahin ist es ausgeschlossen, dass der Wahlvorstand in einem Hauptsacheverfahren Rechtschutz erlangen kann. Der Verweis auf ein solches Hauptsacheverfahren würde zu einer mehrmonatigen Verzögerung der Betriebsratswahl führen. Das ist für den Wahlvorstand nicht hinnehmbar.

F.

Der Antrag auf Androhung eines Zwangsgeldes war zurückzuweisen. Gemäß § 888 Abs. 2 ZPO, § 85 Abs. 2 ArbGG findet die Androhung eines Zwangsmittels nicht statt.

G.

Die Entscheidung im Beschlussverfahren ergeht gerichtskostenfrei.