Gericht | ArbG Cottbus 4. Kammer | Entscheidungsdatum | 01.09.2021 | |
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Aktenzeichen | 4 Ca 583/18 | ECLI | ECLI:DE:ARBGCOT:2021:0901.4CA583.18.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | Art 8 Rom-I-VO, § 307 BGB |
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.666,66 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 6.666,66 Euro seit dem 01.05.2018 sowie aus weiteren 6.000,00 Euro seit dem 01.06.2018 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 4.457,68 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 3.729,66 Euro seit dem 01.07.20218 sowie aus weiteren 728,02 Euro seit dem 01.08.2018 zu zahlen.
3. Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Beklagte.
4. Der Streitwert wird festgesetzt auf 17.124,34 Euro.
Die Parteien streiten im Rahmen von einbehaltenen Entgeltansprüchen durch die Beklagte darüber, ob der Kläger zur Rückzahlung der von der Beklagten gezahlten Kosten für ein „Pilot Training“ verpflichtet ist.
Der Kläger war vom ...2016 bis zum ...2018 bei der Beklagten als Kapitän einer Boeing 737-800 zu einem Jahresgehalt in Höhe von 67.115,80 Euro beschäftigt.
Während dieser Zeit hatte er seine Heimatbasis (Homebase) am Flughafen Berlin-Schönefeld. Der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag vom 16.04./28.04.2016 wurde in englischer Sprache verfasst (Anlage B 1 in deutscher Übersetzung, Bl. 68 – 84 d. A.)
In Ziffer 36 des Arbeitsvertrages ist geregelt, dass das Beschäftigungsverhältnis jederzeit den in der Republik Irland geltenden und zu gegebener Zeit geänderten Gesetzen unterliegt. Außerdem unterliegt der Vertrag gemäß Ziffer 36.1 Satz 2 des Arbeitsvertrages irischem Arbeitsrecht. Nach Ziffer 36.1 Satz 3 sind in allen Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Ausführung und Beendigung dieses Vertrages sowie der Funktionsweise und den Bedingungen dieses Vertrages allein und ausschließlich die irischen Gerichte zuständig.
Ziffer 8 des Arbeitsvertrages „Erstattung der Schulungskosten“ enthält – soweit es vorliegend darauf ankommt – folgende Regelung:
„8.1 Es ist eine Voraussetzung für diesen Vertrag, dass Sie den Kurs Boeing 737 Transition Type Rating absolvieren, damit Sie ihre Pflichten als Kapitän von R. erfüllen können. Ihre Beschäftigung ist abhängig vom erfolgreichen Abschluss dieses Kurses Boeing 737 Transition Type Rating. R. wird viel Zeit, Geld und Ressourcen in dieses Schulungsprogramm in Höhe von 25.000 € investieren, und Sie sind verpflichtet, diesen Betrag ganz oder teilweise zurückzuzahlen, wenn Ihr Arbeitsverhältnis mit R. innerhalb von 5 Jahren nach Ihrem Eintrittstermin (d.h. vor dem 10.Oktober 2021) wie nachstehend beschrieben beendet wird;
Kündigungsdatum | Rückzahlung |
Innerhalb eines Jahres nach dem | 25.000 € |
Innerhalb von zwei Jahren nach dem | 20.000 € |
Innerhalb von drei Jahren nach dem | 15.000 € |
Innerhalb von vier Jahren nach dem | 10.000 € |
Innerhalb von fünf Jahren nach dem | 5.000 € |
Sollte Ihre Beschäftigung aus Gründen der Freisetzung von Arbeitskräften beendet werden oder sollte R. schriftlich etwas anderes vereinbaren, sind Sie nicht zur Erstattung der oben genannten Kosten verpflichtet.
(….).“
Der Kläger absolvierte vom 10.10.2016 bis zum 20.12.2016 in East Midland in Großbritannien eine Ausbildung zur Erlangung der Musterberechtigung für den von ihm gemäß des Arbeitsvertrages zu fliegenden Flugzeugtyp Boeing 737 in Großbritannien. Die Ausbildung fand in einer eigenen Schulungseinrichtung der Beklagten mit eigenem Schulungspersonal der Beklagten statt.
Mit Schreiben vom 04.03.2018 kündigte der Kläger sein Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 05.06.2018 (Anlage B 6, Bl. 213 d. A.).
Auf die Schreiben der Beklagten vom 02.04.2018 und 15.04.2018 (Anlagen B 7 und B 8 in deutscher Übersetzung, Bl. 314 – 316 d. A.), in denen die Beklagte den Kläger darauf hinwies, dass er zur anteiligen Rückzahlung der Schulungskosten in Höhe von insgesamt 20.000,00 Euro verpflichtet sei und zunächst einen Rückzahlungsplan vorlegten und dann den Einbehalt ankündigten, reagierte der Kläger nicht.
Die Beklagte nahm daraufhin im Monat April 2018 einen Gehaltsabzug in Höhe von 6.666,66 Euro netto vor (Abrechnung, Bl. 8 d. A.), im Mai 2018 in Höhe von 6.000,00 Euro netto (Abrechnung, Bl. 9 d. A.) und im Monat Juni 2018 in Höhe von 3.729,66 Euro (Abrechnung, Bl. 33 d. A.), jedes Mal unter dem Vermerk „Pilot Training“ auf der Gehaltsabrechnung. Die Überweisung des abgerechneten Auszahlungsbetrages für den Monat Juli 2018 in Höhe von 728,02 Euro netto (Abrechnung, Bl. 34 d. A.) scheiterte zunächst daran, dass der Kläger bereits sein irisches Bankkonto aufgelöst hatte, später erklärte die Beklagte die Aufrechnung mit offenen Rückzahlungsansprüchen aus den Schulungskosten (Schriftsatz vom 02.08.2021 (Bl. 303 d. A.).
Die Beklagte betreibt eine nach irischem Recht gegründete Fluggesellschaft mit Sitz in Dublin, Irland. Sie führt an verschiedenen Flughäfen in Deutschland internationale Flüge unter irischer Fluglizenz durch. Sie verfügt in Deutschland über keine Niederlassung. Die Flüge werden mit Flugzeugen der Beklagten durchgeführt, die in Irland registriert sind. In Berlin-Schönefeld hatte die Beklagte in den Jahren 2017 und 2018 im Durchschnitt zwischen 9 und 10 Flugzeugen, jedenfalls vorübergehend, im Rahmen eines „routierenden Systems“ stationiert. Die Beklagte unterhält am Flughafen Berlin-Schönefeld einen ihr zugordneten Crew-Raum. Dort finden sich die Crew-Mitglieder vor dem Start ihres ersten Fluges von Berlin-Schönefeld, als auch nach der Landung in Berlin-Schönefeld ein. Im Crew-Raum befindet sich ein Computer der Beklagten, auf dem vor dem Flug der sogenannte Flightplan heruntergeladen und ausgedruckt wird. Der Flightplan wird in Dublin von der Beklagten erstellt und gibt die aktuellen Informationen zu dem Flug (z. B. Wetter, Crew-Besatzung etc.) wieder. Der Inhalt des Flightplans wird an die Crew-Mitglieder weitergegeben und ist Teil des Briefings vor einem Flug, das im Crew-Raum stattfindet. Im Crew-Raum verfügt der Kläger auch über ein individuelles Postfach, worin z. B. schriftliche Anweisungen für den Kläger hinterlegt wurden. Die Beklagte kommunizierte mit dem Kläger jedoch auch auf elektronischem Wege mittels eines dem Kläger zur Verfügung gestellten Tablets. Weisungen aus Dublin wurden dem Kläger über das Intranet der Beklagten (crewdock) übermittelt. Auch Urlaubsanträge müssen über das Intranet an die Beklagte übermittelt werden.
Sowohl die Personalabteilung der Beklagten, als auch die Abteilung Flight Operations und die Abteilung Crew Control haben ihren Sitz in Dublin.
Die Einkünfte des Klägers unterlagen irischem Steuerrecht. Die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge erfolgte nach Deutschland.
Der Kläger startete und beendete seine Einsatztage in der Regel auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld.
Die Einsatzpläne erstellt die Beklagte in Dublin und versendet diese von dort aus an ihre Mitarbeiter. Der Kläger hatte auch für die Beklagte Bereitschaftsdienste zu leisten. Dabei bestand die Vorgabe der Beklagten, mindestens innerhalb einer Zeit von 60 Minuten nach dem entsprechenden An- bzw. Abruf den Dienst aufzunehmen.
Mit der am 18.06.2018 beim Arbeitsgericht Cottbus eingereichten Klage wendet sich der Kläger gegen die von der Beklagten vorgenommenen Gehaltsabzüge in den Monaten April 2018 in Höhe von 6.666,66 Euro netto und Mai 2018 in Höhe von 6.000,00 Euro netto mit dem in der Gehaltsabrechnung jeweils ersichtlichen Grund „Pilot Training“. Mit der mit Schriftsatz vom 27.08.2018 eingegangenen Klageerweiterung wendet sich der Kläger ebenso gegen einen Gehaltsabzug für den Monat Juni 2018 in Höhe von 3.729,66 Euro netto für das „Pilot Training“ sowie gegen die Nichtauszahlung des nach der Gehaltsabrechnung für den Monat Juli 2018 ersichtlichen Auszahlungsbetrages in Höhe von 728,02 Euro netto. Außerdem hat er zunächst eine Verzugspauschale für die rückständigen Zahlungen aller vier Monate in Höhe von je 40,00 Euro geltend gemacht.
Aufgrund der Rüge der internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts durch die Beklagte, erklärte sich das Arbeitsgericht Cottbus mit Zwischenurteil vom 29.01.2020 (Bl. 172 – 185 d. A.) für den Rechtsstreit für international zuständig. Die von der Beklagten hiergegen eingelegte Berufung wurde vom LAG Berlin-Brandenburg, Aktenzeichen 14 Sa 527/20, mit Urteil vom 04.03.2021 zurückgewiesen (Bl. 258 – 270 d. A.).
Der Kläger ist der Auffassung, der Vergütungseinbehalt durch die Beklagte sei rechtswidrig. Die Beklagte habe keinen Anspruch auf Rückzahlung der Schulungskosten. Die in Ziffer 8 des Arbeitsvertrages geregelte Rückzahlung bei vorzeitigem Austritt sei nach § 307 BGB unwirksam. Überdies habe die Beklagte durch den Einbehalt das Aufrechnungsverbot aus § 394 S. 1 BGB i. V. m. §§ 850, 850 c ZPO verletzt.
Vorliegend sei nach Art. 8 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Rom-I-VO deutsches Recht anzuwenden, da es sich bei den §§ 305 ff. BGB um zwingende Vorschriften handele und der Kläger in Erfüllung seines Vertrages gewöhnlich seine Arbeit von seiner Heimatbasis in Berlin-Schönefeld verrichte.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens des Klägers wird auf dessen Ausführungen in seinen Schriftsätzen verwiesen.
Nachdem der Kläger die Anträge gerichtet auf Zahlung von Verzugspauschalen in Höhe von insgesamt 160,00 € im Kammertermin vom 29.01.2020 zurückgenommen hat, hat er zuletzt beantragt,
1. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 12.666,66 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 6.666,66 € seit dem 01.05.2018 sowie aus weiteren 6.000,00 € seit dem 01.06.2018 zu zahlen,
2. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 4.457,68 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.729,66 € seit dem 01.07.2018 sowie aus weiteren 728,02 € seit dem 01.08.2018 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, es sei auf das Arbeitsverhältnis entsprechend der in Ziffer 36.1 Satz 1 und 2 des Arbeitsvertrages getroffenen Rechtswahl, irisches Recht anzuwenden. Weder handele es sich bei den §§ 305 ff. BGB und §§ 394 ff. BGB um zwingende Vorschriften im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom-I-VO, noch habe der Kläger seine Arbeit gewöhnlich von Deutschland aus verrichtet. Jedenfalls bestände eine engere Verknüpfung des Arbeitsverhältnisses und der streitgegenständlichen Rückzahlungsverpflichtung mit dem Staat Irland. Nach irischem Recht bestände weder ein Aufrechnungsverbot noch sei die Rückzahlungsklausel unwirksam.
Selbst wenn deutsches Recht anwendbar wäre, würde die Rückzahlungsklausel einer Inhaltskontrolle standhalten und der Kläger könnte sich nach Treu und Glauben nicht auf ein Aufrechnungsverbot berufen.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten wird auf die Ausführungen der Beklagten in ihren Schriftsätzen verwiesen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung der von der Beklagten einbehaltenen Vergütungsforderungen der Monate April bis Juli 2018 in Höhe von insgesamt 17.124,34 Euro netto. Da die Beklagte keinen Anspruch auf die Rückzahlung der von ihr getragenen Schulungskosten für das Pilotentraining hat, erweist sich der Einbehalt bzw. die Aufrechnung mit diesen Forderungen als rechtswidrig.
Die in Ziffer 8.1 des Arbeitsvertrags geregelte Rückzahlungsklausel hält einer Inhaltskontrolle nicht stand, da sie eine unangemessene Benachteiligung des Klägers gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB darstellt.
1.
Die Wirksamkeit der Rückzahlungsvereinbarung ist trotz der in Ziffer 36.1 des Arbeitsvertrages geregelten Geltung des irischen Rechts, nach deutschem Recht zu überprüfen.
a.
Nach Art. 3 Abs. 1 Rom-I-VO gilt grundsätzlich die freie Rechtswahl.
Vorliegend haben die Vertragsparteien ausdrücklich eine Rechtswahl getroffen und die Anwendung irischen Rechts vereinbart.
Die Rechtswahl ist im internationalen Arbeitsvertragsrecht jedoch in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt, d.h. unabhängig von einer Vereinbarung über das anzuwendende Recht setzen sich bestimmte zwingende Normen aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes durch.
Zunächst folgt aus Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom-I-VO, dass durch die Rechtswahl dem Arbeitnehmer nicht der Schutz der zwingenden Normen des Rechts entzogen werden darf, welches nach Art. 8 Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 4 Rom-I-VO anzuwenden wäre, wenn die Parteien keine Rechtswahl getroffen hätten.
aa.
Hätten die Parteien keine Rechtswahl getroffen, käme nach Art. 8 Abs. 2, Abs. 3, bzw. Abs. 4 Rom-I-VO deutsches Recht zur Anwendung, da der Kläger in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit von seiner Heimatbasis (Homebase) am Flughafen Schönefeld und damit in Deutschland verrichtet hat (Art. 8 Abs. 2 Rom-I-VO) und sich aus der Gesamtheit der Umstände nicht ergibt, dass der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis engere Verbindungen zum irischen Staat aufweist (Art 8 Abs. 4 Rom-I-VO).
Nach der Rechtsprechung des EuGH und des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließt, kommt beim Flugpersonal für den Ort, von dem aus die Arbeit für gewöhnlich verrichtet wird, der Heimatbasis ein wichtiges Indiz zu (vgl. 2. Kammer des EuGH, Urteil v. 14.09.2017, – C-168/16 und C-169/16 -, NZA 2017, 1477 ff.; BAG Urteil v. 07.05.2020, - 2 AZR 692/19-, NZA 2021, 225 ff.).
Die Heimatbasis verliert nur dann seine Relevanz für die Bestimmung des Ortes, von dem aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Falles das konkrete Begehren eine engere Verknüpfung mit einem anderen Ort als der Heimatbasis aufweisen würde.
Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Die Kammer schließt sich insoweit in vollem Umfang den Ausführungen des LAG Berlin-Brandenburg in seiner Berufungsentscheidung vom 04.03.2021 (Az. 14 Sa 527/20) über die internationale Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Cottbus zum Vorliegen der Voraussetzungen des Artikels 21 Abs. 1 b) i) der Brüssel 1 a-VO an.
Auch danach kommt es für die Frage des Gerichtsstandes darauf an, an welchem Ort oder von welchem Ort aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Das LAG Berlin-Brandenburg hat hierfür die Heimatbasis des Klägers in Berlin-Schönefeld ausgemacht und eine engere Verbindung des Arbeitsverhältnisses zu Irland als zu Deutschland verneint.
Auf die diesbezüglichen Ausführungen des LAG Berlin-Brandenburg im Urteil vom 04.03.2021, dort die Seiten 8 bis 13 (Bl. 265 – 270 d. A.), die sich die Kammer zu eigen macht, wird in vollem Umfang verwiesen.
bb.
Bei den §§ 305 ff. BGB handelt es sich auch um zwingende Vorschriften im Sinne von Art. 8 Abs. 1 S. 2 Rom-I-VO.
Zwingende Vorschriften in diesem Sinne sind Normen, die dem Schutz der Beschäftigten dienen und vertraglich nicht abdingbar sind, z.B. die §§ 1 bis 14 KSchG, sowie die §§ 305 ff BGB (Schlachter in Erfurter Kommentar, 21. Aufl 2021., Rom I-VO Art. 3- Art. 9 Rn. 19).
2.
Die Rückzahlungsklausel in Ziffer 8.1 des Arbeitsvertrags, wonach der Kläger verpflichtet ist, die Schulungskosten in Höhe von 25.000,00 Euro ganz oder teilweise zurückzuzahlen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von 5 Jahren nach dem Eintrittsdatum des Klägers in das Unternehmen der Beklagten, also vor dem 10.Oktober 2021 beendet wird, verstößt gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB und ist damit unwirksam.
a.
Die Rückzahlungsklausel in Ziffer 8.1 des Arbeitsvertrags unterliegt der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB, da es sich es sich bei den Vertragsbedingungen im Arbeitsvertrag vom 16.04./28.04.2016 um vorformulierte bzw. von der Beklagten gestellte Vertragsbedingungen i. S. v. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB handelt, die mit dem Kläger nicht ausgehandelt worden sind i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB.
b.
Gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sind Bestimmungen in vorformulierten Verträgen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
Die unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ergibt sich im vorliegenden Fall bereits daraus, dass nach Ziffer 8.1 des Arbeitsvertrags mit Ausnahme der betriebsbedingten Kündigung seitens der Beklagten („…sollte Ihre Beschäftigung aus Gründen der Freisetzung von Arbeitskräften beendet werden…“), jede vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der fünfjährigen Bindungsdauer die Rückzahlungspflicht auslöst, ohne danach zu differenzieren, ob der Beendigungsgrund der Verantwortungssphäre des Klägers oder der Beklagten zuzurechnen ist.
Die Wirksamkeit einer Rückzahlungsverpflichtung setzt aber voraus, dass der Arbeitnehmer es selbst in der Hand hat, ob er allein durch seine Betriebstreue die Rückzahlungsverpflichtung abwenden kann (BAG Urteil v. 18.11.2008, – 3 AZR 192/07 -, NZA 2009, 435 ff.).
Eine derartige Rückzahlungsklausel die nicht danach unterscheidet, aus welcher Verantwortungssphäre der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses stammt, stellt eine übermäßige Beeinträchtigung der in Art. 12 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz geschützten arbeitsplatzbezogenen Berufsfreiheit des betroffenen Beschäftigten dar, da dieser sich auch ohne den Druck einer Rückzahlungspflicht aus einem Arbeitsverhältnis lösen können muss, wenn er sich aufgrund eines Fehlverhaltens des Arbeitgebers zur Eigenkündigung berechtigt ansehen darf (vgl. u.a. BAG Urteil v. 11.04.2006, - 9 AZR 610/05 -, NZA 2006, 1042 ff.; BAG Urteil v. 24.06.2004, - 6 AZR 383/03 -, NZA 2004, 1035 ff.).
Der Arbeitgeber hat kein berechtigtes Interesse daran, sich die – im Falle der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses – fehlgeschlagene oder jedenfalls nicht im erwarteten (zeitlichen) Umfang amortisierte Bildungsinvestition vom kündigenden Arbeitnehmer zahlen zu lassen, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses seiner eigenen Sphäre zuzurechnen ist.
Da bei der Inhaltskontrolle auf den objektiven/abstrakten Inhalt der Klausel abzustellen ist, kommt es nicht darauf an, ob die Gründe für die Kündigung des Klägers tatsächlich aus der Sphäre der Beklagten stammten, wie der Kläger im Kammertermin ausgeführt hat.
Ebenso wenig kommt eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel in der Weise in Betracht, dass sie nur mit dem (zulässigen) Inhalt gilt, nach dem eine Rückzahlung nur in den Fällen erfolgt, in denen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Sphäre des Beschäftigten entstammt (verhaltensbedingte oder personenbedingte Kündigung der Beklagten oder Eigenkündigung aus privaten Gründen).
3.
Nach alledem besteht kein Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung der Schulungskosten für das Pilotentraining, so dass die Beklagte zu einem Einbehalt bzw. einer Aufrechnung mit den Vergütungsansprüchen des Klägers in den Monaten April bis Juli 2018 – unabhängig von der Frage der Geltung des Aufrechnungsverbotes gemäß § 394 S. 1 BGB i. V. m. §§ 850, 850 c ZPO - nicht berechtigt war.
Die Höhe der geltend gemachten Forderung in Höhe von insgesamt 17.124,34 Euro netto ist zwischen den Parteien nicht streitig.
4.
Die Nebenforderungen des Klägers ergeben sich aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1, S. 1 u. 2 BGB.
Wegen der Fälligkeit des Vergütungsanspruchs jeweils zum 28. eines jeden Monats waren die eingeklagten Verzugszinsen wie ausgeurteilt auszusprechen.
Der Höhe nach ergeben sie sich aus § 288 Abs. 1 S. 2 BGB.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i. V. m. §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Der Beklagten waren die Kosten des Rechtsstreits insgesamt aufzuerlegen, trotz der eigentlichen Kostentragungspflicht des Klägers nach § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i. V. m. §§ 495, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO aufgrund der teilweisen Klagerücknahme über den Zahlungsbetrag in Höhe von 160,00 Euro (Verzugspauschale). Dies folgt aufgrund des Unterliegens mit dem Zahlungsanspruch über 17.124,34 Euro aus § 91 ZPO. Da die zurückgenommene Teilzahlungsforderung des Klägers über 160,00Euro verhältnismäßig geringfügig ist im Sinne von § 92 Abs. 2 Nr.1 ZPO (0,009% des Kostenstreitwertes in Höhe von 17.284,24 Euro) und insbesondere keinen Gebührensprung verursacht hat, waren der Beklagten die Kosten daher insgesamt aufzuerlegen.