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Entscheidung 6 O 471/18


Metadaten

Gericht LG Cottbus 6. Zivilkammer Entscheidungsdatum 15.06.2021
Aktenzeichen 6 O 471/18 ECLI ECLI:DE:LGCOTTB:2021:0615.6O471.18.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Unfallversicherung.

Der Ehemann der Klägerin – verstorben am 30.08.2015 – schloss bei der Beklagten einen Vertrag über eine dynamische Unfallversicherung mit Beginn 15.09.2005 (Versicherungsschein Nr. ...............).

Versicherungsschutz bestand danach für den Ehemann der Klägerin und für die Klägerin als mitversicherte Person.

Die Versicherung wurde mit Nachträgen vom 15.08.2013 und 07.08.2014 hinsichtlich der zu zahlenden Invaliditätssumme geändert.

Nach dem Versicherungsvertrag wird für die Klägerin als mitversicherte Ehefrau eine Invaliditätssumme von 35.000 € (nach Änderung vom 15.08.2013) bzw. 37.000 € (nach der Änderung vom 07.08.2014) ab einem Invaliditätsgrad von 20 % gewährt unter Berücksichtigung von den in den Vertrag einbezogenen Bedingungen ............ Im Weiteren ist ab 70 % Invalidität eine monatliche Rente von zunächst 600 € zu zahlen.

Die Klägerin erlitt am 05.12.2013 in ihrer damaligen Wohnung ..........., ..........., einen Unfall. Im Weiteren erlitt Sie am 19.02.2015 einen Unfall. Sie zog sich dabei Verletzungen am linken Bein und am rechten Arm zu.

Die Beklagte zahlte nach Anzeige des Unfalls vom 05.12.2013 für Hilfs- und Pflegeleistungen, lehnte jedoch nach weiterer Prüfung Invaliditätsleistungen und Rentenzahlungen für beide Unfälle ab. Sie verwies darauf, dass die unfallbedingten körperlichen Leistungsbeeinträchtigungen unter Berücksichtigung der ........... jeweils einen Invaliditätsgrad von 20 % nicht erreichen würden.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie sowohl Anspruch auf Invaliditätsleistungen als auch auf Rentenzahlungen habe. Es sei jeweils ein Invaliditätsgrad von 20 % erreicht. Die Funktionsbeeinträchtigung des linken Beines liege bei ¼ Beinwert, die des linken Armes bei 1/5 Armwert nach den ärztlichen Stellungnahmen insbesondere von Herrn ........... .

Auf die Gliedertaxe nach den Vertragsbedingungen könne nicht abgestellt werden. Diese würden unklare Regelungen enthalten, welche zulasten der Beklagten gehen würden.

Im Übrigen seien die Angaben im Versicherungsschein zur Versicherungssumme – Invaliditätsleistung ab 20 % – im Zusammenhang mit dem Verweis auf die Versicherungsbedingungen intransparent für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer und somit unwirksam. Sie seien unklar und würden den Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligen.

Die Klägerin sei zudem aktiv legitimiert als Alleinerbin nach ihrem Ehemann laut Testament, zudem sei sie im Besitz des Originalversicherungsscheins.

Mit der Klage vom 18.02.2019, geändert am 23.04.2019, hat die Klägerin zunächst für den Unfall vom 05.12.2013 beantragt,

- die Beklagte zu verurteilen, an sie 35.000 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. aus 7000 € ab dem 03.09.2014 sowie aus 28.000 € ab 03.01.2015 Zug um Zug gegen Übergabe des Originalversicherungsscheins zur dynamischen Unfallversicherung Nr. .................... zu zahlen

- die Beklagte zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 746,73 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % Pkt. über dem Basiszinssatz p.a. ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Mit Schriftsatz vom 28.08.2019 wurde die Klage bezüglich Leistungen für den Unfall vom 19.02.2015 sowie Rentenzahlungen erweitert.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

- die Beklagte zu verurteilen, an sie 35.000 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. aus 7000 € ab dem 03.09.2014 sowie aus 28.000 € ab 03.01.2015 Zug um Zug gegen Übergabe des Originalversicherungsscheins zur dynamischen Unfallversicherung Nr. .................... sowie des Originalnachtrages vom 07.08.2014 zur Unfallversicherung .................... zu zahlen

- die Beklagte zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 746,73 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über dem Basiszinssatz p.a. ab Rechtshängigkeit zu zahlen

- die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 37.000 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. aus 35.000 € ab dem 18.02.2019 sowie aus 2.000 € ab Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Übergabe des Originalversicherungsscheins zur dynamischen Unfallversicherung Nr. .................... sowie des Originalnachtrages vom 07.08.2014 zur Unfallversicherung .................... zu zahlen

- die Beklagte zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.698,13 € zuzüglich Zinsen n Höhe von 5 %Punkten über dem Basiszinssatz p.a. ab Rechtshängigkeit zu zahlen

- die Beklagte zu verurteilen, an sie Unfallrente in Höhe von 79.380 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. auf 1050 € jeweils monatlich zum 1. des Monats ab dem 01.12.2013 bis einschließlich 31.08.2014 sowie auf 1110 € jeweils monatlich zum 1. des Monats ab dem 01.09.2019 bis 01.11.2019 zu zahlen

- die Beklagte zu verurteilen, an sie Unfallrente in Höhe von 64380,- € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über dem Basiszinssatz p. a. auf 1110,- € jeweils monatlich zum 1. des Monats ab dem 01.03.2015 bis zum 01.11.2019 zu zahlen.

- die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ab dem 01.12.2019 jeweils zum Monatsersten Unfallrente in Höhe von monatlich 1110 € zu zahlen

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, der Klägerin stünden die geltend gemachten Ansprüche nicht zu.

Sie bestreitet die Aktivlegitimation und deren Prozessführungsbefugnis.

Mit dem unfallbedingt festgestellten Dauerschaden von ¼ (später 1/5) Beinwert und von 1/5 Armwert sei die vertraglich vereinbarte Mindestinvalidität von 20 % unter Berücksichtigung der in den Vertrag einbezogenen Versicherungsbedingungen nicht erreicht. Es bestünde daher weder ein Anspruch auf Invaliditätsleistung noch auf Rente.

Die in den Versicherungsbedingungen verwandten Klauseln seien wirksam, eine Benachteiligung der Versicherungsnehmer liege nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Klägerin steht aus den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag wegen der Unfälle vom 05.12.2013 und 19.02.2015 kein Anspruch auf Zahlung von Invaliditätsleistungen und Rente zu.

Soweit die Beklagte die Aktivlegitimation der Klägerin und deren Prozessführungsbefugnis bestreitet wegen des Nichtvorliegens eines Testaments bzw. des bisher nicht vorgelegten Originalversicherungsscheins, dürfte diese vorliegend wegen der seitens der Klägerin erfolgten Klageänderung dahingehend, dass Zahlung Zug um Zug begehrt wird, nunmehr gegeben sein.

Der Klägerin steht jedoch kein Anspruch auf Zahlung zu.

Die Unfälle der Klägerin – Sturz am 05.12.2013 und 19.02.2015 – sowie die daraus resultierenden Verletzungen sind von der Beklagten nicht mehr bestritten. Es liegen danach eine Beeinträchtigung des linken Beines von ¼ bzw. 1/5 Beinwert und des rechten Armes von 1/5 Armwert vor. Dennoch ist der aufgrund der Verletzungen notwendige Invaliditätsgrad von 20 % für Zahlungen unter Berücksichtigung der in den Vertrag einbezogenen Versicherungsbedingungen entgegen der Ansicht der Klägerin nicht erreicht. Bei der Bewertung für den Invaliditätsgrad sind zunächst beide Unfälle separat zu betrachten. Der jeweiligen Berechnung von Invaliditätsleistungen wären die oben genannten Beeinträchtigungen von 1/5 Beinwert bzw. 1/5 Armwert jeweils zugrunde zu legen.

Die von der Klägerin begehrten Invaliditätsleistungen in Höhe von 35.000 € für den Unfall vom 05.12.2013 sowie 37.000 € für den Unfall vom 19.02.2015 sind nach dem Versicherungsschein jedoch nur zu zahlen, wenn jeweils unter Berücksichtigung der nach den Bedingungen ........... Ziff. 2.1.1.2 und 2.1.2.2 vorzunehmenden Berechnung ein Invaliditätsgrad von jeweils 20 % erreicht wird. Dies ist jedoch vorliegend bei beiden Unfällen nicht gegeben. Ein Invaliditätsgrad von 20 % wurde jeweils nicht erreicht. Die Berechnung der Beklagten unter Einbeziehung der Bedingungen ........... an sich hat die Klägerin nicht bestritten.

Die Regelung dahingehend, dass Invaliditätsleistungen nur dann zu erbringen sind, wenn der Invaliditätsgrad 20 % beträgt, folgt aus dem Versicherungsvertrag und dem der Klägerin bzw. ihrem verstorbenen Ehemann als Versicherungsnehmer übersandten Versicherungsschein und ist nicht überraschend und intransparent und somit wirksam. Eine Leistungseinschränkung dahingehend, dass Invaliditätsleistungen erst dann geschuldet sind, wenn der Invaliditätsgrad mindestens 20 % beträgt, ist weder unüblich noch überraschend, weil trotz vereinbarter Leistungseinschränkung ein sinnvoller Versicherungsschutz für schwerwiegende Unfallfolgen besteht. Maßgeblich ist danach der Invaliditätsgrad, welcher sich aus der Funktionseinschränkung eines Körperteils unter Berücksichtigung der Gliedertaxe nach ........... ergibt. Allein die quotale Einschränkung der Funktionsfähigkeit eines Körperteils ist entgegen der Ansicht der Klägerin kein Anknüpfungspunkt für die Leistungspflicht des Versicherers (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 23.12.2014 (9 a 413/14).

Dass Zahlungen in der von der Klägerin begehrten Höhe jeweils ab einem Invaliditätsgrad von 20 % erfolgen, errechnet unter Berücksichtigung der Bedingungen ..........., ist aus dem Versicherungsschein auch eindeutig ersichtlich und nicht überraschend. Zudem würden die von der Klägerin geltend gemachten Beträge selbst bei Vorliegen eines Invaliditätsgrades von jeweils 20 % in voller Höhe ebenfalls nicht automatisch gezahlt, diese würden im Weiteren ebenfalls nach den Bedingungen ........... errechnet.

Darüber hinaus besteht auch kein Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Rente nach Ziffer 2.1.2.3. Ein dafür erforderlicher Invaliditätsgrad von 70 % für jeden der Unfälle dürfte nach den oben genannten Ausführungen und Beeinträchtigungen von 1/5 Armwert und ¼ Beinwert ebenfalls nicht erreicht sein.

Mangels Begründetheit der Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf Zinsen und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 S. 1 ZPO.