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Entscheidung 3 O 240/19


Metadaten

Gericht LG Cottbus 3. Zivilkammer Entscheidungsdatum 21.07.2021
Aktenzeichen 3 O 240/19 ECLI ECLI:DE:LGCOTTB:2021:0721.3O240.19.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Der Klageantrag ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen behaupteten Verstoßes gegen Wettbewerbsverbotsklauseln in Anspruch.

Der Kläger ist Facharzt für Augenheilkunde und war bis zum … als Chefarzt bei der Augenklinik am … (im Folgenden angestellt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag vom … Der Kläger ist alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der … Folgenden: H). Die Gesellschaft besteht seit dem 21.03.2011 (B 6, BI. 159). Bevor der Kläger am 01.04.2019 80 % der Gesellschaftsanteile der … veräußerte, war er alleiniger Gesellschafter und ärztlicher Leiter der …  Die Beklagte ist ein Medizinisches Versorgungszentrum auf dem Gelände der und zugleich zu 100% ein Tochterunternehmen der B-…

Der Kläger (Anm.: im Vertrag als „Beschäftigter" bezeichnet), die Beklagte (Anm.: im Vertrag als … bezeichnet), vertreten durch ihren Geschäftsführer Herrn … und die … schlössen am 26.08.2016 eine Aufhebungsvereinbarung (K 1, BI. 73). Der Kläger handelt laut Vertragsurkunde für sich selbst im eigenen Namen, eine Vertretung bzw. eine namentliche Benennung der erfolgte laut Vertragstext nicht. Die Aufhebungsvereinbarung enthält unter anderem die folgenden Regelungen:

Ziffer 7: „Das verpflichtet sich zum Betrieb von maximal zwei rein konservativ ambulanten Kassensitzen (ohne operative Leistungsumfänge), welche sich ausschließlich auf dem derzeitigen Gelände der … befinden dürfen. Für die Erweiterung der Tätigkeit des … auf mehr als zwei Kassenarztsitze, als auch die Änderung des inhaltlichen Umfangs der Leistungserbringung im [bedarf es] der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Beschäftigten."

Ziffer 8: „Das verzichtet für die Dauer von zwei Jahren nach Vertragsschluss auf sein Recht zur Teilnahme an Bewerbungen im Rahmen von Sitzausschreibungsverfahren des Zulassungsausschusses der KV BB für den Großraum … soweit diese den Fachbereich der Augenmedizin betreffen, teilzunehmen. Dieser Verzicht ist jedoch auf insgesamt zwei, durch den Arzt im Einzelnen konkret zu benennenden, Sitzungsausschreibungsverfahren (Benennung der Praxen) beschränkt." Aus dem Vertragskontext ergibt sich, dass mit „Arzt" der Kläger gemeint ist.

Mit Email vom 02.09.2016 erklärte der vom Kläger bevollmächtigte Dr. …  gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten, dass gemäß dem „Aufhebungsvertrag …  die beiden Arztpraxen „Praxis …. und „Praxis …. benannt würden (K2, BI. 74).

Im Oktober 2016 erfolgte die Ausschreibung des streitgegenständlichen Vertragsarztsitzes von (im Folgenden „Sitz"). An dieser Ausschreibung beteiligte sich die die sich auf den Sitz mit dem Antrag auf Genehmigung der Anstellung u.a. des Klägers als Facharzt für Augenheilkunde bewarb.

Auch die Beklagte bewarb sich auf diesen Sitz, wovon der Kläger spätestens im November 2016 erfuhr. Der vom Kläger bevollmächtigte Dr. … forderte darauf die Beklagte mit Email vom 22.11.2016 (K 5, BI. 77) auf, die Teilnahme am Ausschreibungsverfahren zu unterlassen. Die Beklagte reagierte hierauf, auch auf mehrfache schriftliche Nachfragen und telefonische Kontaktversuche des Herrn zunächst nicht. Schließlich schrieb der Prokurist der Beklagten, Herr … Eis, am 24.11.2016 in einer Email zurück, dass die den Sitz abgebende Ärztin in jedem Gespräch darauf hingewiesen worden sein soll, „dass eine vertragliche Vereinbarung zwischen und der … bestehe, „welche ein Exklusivrecht für diese" einräume (K 6, BI. 79). Auf anschließende Kontaktversuche reagierte die Beklagte nicht mehr. Erst auf ein daraufhin veranlasstes Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 06.02.2017 (K 11, BI. 83), mit dem die unter Fristsetzung bis zum 17.02.2017 aufgefordert wurde, die Rücknahme ihrer Bewerbung zu erklären, reagierte diese mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 16.02.2017 (K 12, BI. 85) und verwies unter anderem darauf, dass die nicht Vertragspartner sei.

Nach weiterem Schriftwechsel wiesen die Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit Schreiben vom 08.03.2017 (K 14, BI. 87) jegliche Ansprüche des Klägers zurück.

Daraufhin beantragte der Kläger mit Antrag vom 14.03.2017 eine Unterlassungsverfügung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Das Landgericht Cottbus wies den Antrag zurück mit der Begründung, dass mangels Eilbedürftigkeit kein Verfügungsgrund mehr vorliege (K 15, BI. 88). Zu diesem Zeitpunkt verfügte der Kläger bereits über einen halben Vertragsarztsitz in Sachsen, den er auch heute noch inne hat.

Mit Beschluss vom 22.03.2017 erteilte der Zulassungsausschuss für Ärzte der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (im Folgenden KV) die Zulassung an den bei der Beklagten beschäftigten Herrn … mit Wirkung zum 01.07.2017 (K 18, BI. 98).

Die … erkannte im Rahmen der vor dem Sozialgericht Potsdam erhobenen Klage den Anspruch des Klägers auf Neubescheidung des zunächst gegen die erteilte Zulassung erhobenen zurückgewiesenen Widerspruchs an (K 23, BI. 115). Anschließend lehnte die KV die Anträge der auf Zulassung in der Sitzung vom 06.08.2019 erneut ab mit der Begründung, dass die in der ursprünglichen Bewerbung angegebene Ärztin … nicht mehr zur Verfügung stehe. Die Entscheidung wurde bestandskräftig.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe gegen die Aufhebungsvereinbarung Ziffer 7 und 8 verstoßen, indem sie sich auf den streitgegenständlichen Sitz beworben hat. Dadurch, dass sich die … laut Antrag auf den abzugebenden Sitz unter Benennung des Klägers als anzustellenden Augenarzt beworben hat, ergebe sich, dass das Wettbewerbsverbot zwischen der Beklagen und dem Kläger zur Geltung komme. Die Entscheidung der … sei ermessensfehlerhaft gewesen. Da sich auf den Kassensitz nur die Beklagte und die beworben hatten, sei dem Kläger ein kausaler Schaden entstanden. Dieser sei ihm in Form des bei der Veräußerung seiner Gesellschaftsanteile an der im März 2019 entgangenen Gewinns zu ersetzen. Für die Berechnung der geltend gemachten Schadenshöhe wird auf S. 21 ff. der Klageschrift vom 11.12.2019 (BI. 57) verwiesen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 2.510.718,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 30.01.2021 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, es bestünde schon kein Wettbewerbsverhältnis zwischen der Beklagten und der … sodass der Kläger keinen Schadensersatz geltend machen könne. Laut Aufhebungsvereinbarung sei der Kläger nur als natürliche Person Vertragspartei, sodass durch die Bewerbung der … der Kläger nie in ein Wettbewerbsverhältnis mit der Beklagten eingetreten sei. Die … sei auch nicht in den Schutzbereich der Vertragsvereinbarung einbezogen. Die Wettbewerbsabrede sei zudem unwirksam, da sie gegen wettbewerbsrechtliche Vorgaben verstoße. Sie bestreitet einen kausalen Schaden und die Schadenshöhe.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist dem Grunde nach begründet.

Es ist ein Grundurteil zu erlassen, da der Anspruch nach Grund und Höhe streitig ist, alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt bzw. entscheidungsreif sind und nach dem Sach- und Streitstand der Anspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht (BGH NJW-RR 2008, 305 [306]).

Dem Kläger steht ein Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. Ziffer 8 der Aufhebungsvereinbarung vom 26.08.2016 gegenüber der Beklagten zu.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Tatsache, dass die selbst nicht Vertragspartei der Aufhebungsvereinbarung war, für den streitgegenständlichen Anspruch unerheblich. Denn mit der vorliegenden Klage macht der Kläger Schadensersatzansprüche geltend, die ihm selbst als Vertragspartei gegenüber der Beklagten zustehen. Einer ausdrücklichen vertraglichen Einbeziehung der … bedurfte es nicht. Indem die Beklagte sich auf den streitgegenständlichen Sitz bewarb, verstieß sie pflichtwidrig gegen die geschlossene Aufhebungsvereinbarung, sodass eine Haftung dem Grunde nach besteht.

Im Einzelnen:

1. Vertragsschluss zwischen dem Kläger und der Beklagten

Die Parteien haben sich unstreitig durch die Aufhebungsvereinbarung vom 26.08.2016 vertraglich geeinigt. Da der Kläger die Ansprüche für sich selbst und nicht in Vertretung der für die … geltend macht, steht ihm die Aufhebungsvereinbarung als Anspruchsgrundlage zur Verfügung. Der Kläger kann sich als Vertragspartei auf die Regelungen der Aufhebungsvereinbarung berufen.

2. Pflichtverletzung der Beklagten durch Bewerbung auf den streitgegenständlichen Kassensitz

Indem die Beklagte sich auf den Sitz bewarb, verstieß sie dem Wortlaut nach sowohl gegen Ziffer 7 (der Sitz liegt außerhalb des Geländes der bzw. für die Erweiterung der Tätigkeit wurde keine vorherige Zustimmung des Klägers eingeholt) als auch gegen Ziffer 8 der Aufhebungsvereinbarung (der bevollmächtigte Vertreter des Klägers hatte zuvor der Beklagten mitgeteilt, dass sie sich nicht auf den Sitz bewerben solle).

Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt eine Pflichtverletzung auch dann in Betracht, wenn der Kläger sich nicht persönlich, sondern die unter Benennung u.a. des Klägers als anzustellenden Arzt bewarb.

Eine Einschränkung dahingehend, dass der Beklagten eine Bewerbung auf einen Vertragsarztsitz nur dann versagt werde, wenn sich gleichzeitig der Kläger allein bzw. als natürliche Person auf den jeweiligen Sitz bewirbt, bzw. nur zwischen ihm und der Beklagten direkt eine Konkurrenzsituation besteht, geht aus dem Wortlaut der Aufhebungsvereinbarung nicht hervor. Die Regelungen statuieren nur die Pflicht der Beklagten, ohne Zustimmung des Klägers keine weiteren Sitze außerhalb des Geländes der aufzunehmen (Regelung Ziffer 7) bzw. sich auf keinen durch den Kläger benannten Sitz zu bewerben (Regelung Ziffer 8).

Die streitgegenständlichen Regelungen sind auch nicht im Sinne der Beklagten auszulegen.

Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (BGHZ 103, 275 (280) = NJW 1988, 1378). Maßgebender Zeitpunkt ist der Vertragsschluss, eine spätere Änderung des Willens oder der für die Auslegung maßgebenden Umstände sind nicht zu berücksichtigen (Ellenberger, in: Palandt/Sprau, BGB, 80. Aufl. 2021, § 133 Rn. 6b).

Die Auslegung hat sich immer zunächst am Wortlaut zu orientieren, wobei der Kenntnisstand der Parteien miteinzubeziehen ist. (ebd., Rn. 14). Zu berücksichtigen ist daneben die bestehende Interessenlage (BGH NJW 1981, 1549, 2295). Es ist dasjenige zu ermitteln und zu berücksichtigen, was die Parteien zwar nicht erklärt haben, was sie aber in Anbetracht des gesamten Vertragszwecks erklärt haben würden, wenn sie den offen gebliebenen Punkt in ihren Vereinbarungen ebenfalls geregelt hätten und hierbei zugleich die Gebote von Treu und Glauben und der Verkehrssitte beachtet hätten (BGHZ 16, 71 (76) = NJW 1995, 337).

Die Interessenlage ging bei Aushandlung der Aufhebungsvereinbarung zwischen dem Kläger und der Beklagten auseinander. Auf der einen Seite stand das Interesse des Klägers, nach Beendigung seines Anstellungsvertrages bei der^H einen Konkurrenzschutz zu der Beklagten herzustellen, um sein berufliches Fortkommen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu ermöglichen und zu fördern. Auf der anderen Seite stand das Interesse der Beklagten, diesen Konkurrenzschutz so weit wie möglich zu begrenzen. Der Ausgleich des Interessenkonflikts wurde unter anderem dadurch hergestellt, dass der Kläger laut Ziffer 8 der Aufhebungsvereinbarung der Beklagten maximal zwei Ausschreibungen benennen durfte, an denen sich die Beklagte nicht zu beteiligen hatte.

Die Beklagte macht geltend, dass die bei Abschluss der Aufhebungsvereinbarung bereits bestand und es deswegen dem Kläger unbenommen gewesen wäre, auf einer Einbeziehung der …  in den Vertrag zu bestehen. Dabei verkennt sie jedoch, dass der vertragliche Wortlaut einem Konkurrenzschutz auch gegenüber der …  gerade nicht entgegensteht. Der Vertragstext ist so weit gefasst, dass sich ein vernünftiger Vertragspartner darauf einlassen konnte, ohne dass es einer speziellen Benennung gerade der B als Begünstigter bedurfte. Dass dem Kläger daran gelegen war, dass die Aufhebungsvereinbarung nicht nur in seinem Interesse, sondern auch im Interesse der war, war für die Beklagte auch objektiv erkennbar. Die wird bereits in dem Entwurf des Letter of Intent (K 31, BI. 265) namentlich benannt. Gemäß der Email vom 23.05.2016 (K 32, BI. 271) hat die Beklagte von dem Vertragsentwurf vor Abschluss der Aufhebungsvereinbarung vom 26.08.2016 Kenntnis genommen. Die Beklagte muss sich als geschäftskundiger Vertragspartner an dem von ihr ausgehandelten Vertragsinhalt festhalten lassen.

Weder aus dem Wortlaut, noch aus Sinn und Zweck der Vereinbarung, noch aus der Interessenlage ergibt sich, dass die Beklagte dem Kläger vorgeben durfte, dass dieser zwingend nur als natürliche Person und nicht in Form einer Personengesellschaft oder als Angestellter einer Gesellschaft tätig werden durfte. Die Regelung enthält auch unter dem Gesichtspunkt einer Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB keine Einschränkung dahingehend, dass der Kläger sich nur auf sie berufen kann, wenn er sich als Einzelperson auf den vertraglich vereinbarten Konkurrenzschutz berufen will.

Dass die Parteien ursprünglich von einer solchen Auslegung ausgingen, wird auch durch das nachvertragliche Verhalten der Beklagten gestützt.

Grundsätzlich sind bei Auslegung einer Willenserklärung nur solche Umstände zu berücksichtigen, die dem Empfänger bei Zugang der Willenserklärung erkennbar waren. Aus Umständen, die erst nach Zugang der Erklärung zu Tage treten, kann nicht der Schluss gezogen werden, dass der Empfänger diese Erklärung in einem anderen als in dem zum Zeitpunkt des Zugangs erkennbaren Sinn verstehen musste (BGH, NJW 1988, 2878, m.w.N.). Bei Auslegung eines Rechtsgeschäfts kann das nachvertragliche Verhalten der Partei aber dann berücksichtigt werden, wenn spätere Vorgänge Rückschlüsse auf den tatsächlichen Willen und das tatsächliche Verständnis der am Rechtsgeschäft Beteiligten zulassen können (BGH, NJW 1971, 1844 = WM 1971, 1513 [1515]).

Die Beklagte reagierte zunächst nicht, als der durch den Kläger bevollmächtigte Vertreter ihr mitteilte, dass sie sich nicht auf den streitgegenständlichen Sitz zu bewerben habe. Die Beweggründe hierfür können im Nachhinein nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Wenn sie jedoch, wie von ihr behauptet, davon ausging, dass die vertragliche Regelung von dem Kläger falsch verstanden wurde, wäre es von einem vernünftigen und gewissenhaften Vertragspartner zu erwarten gewesen, dass die divergierende Ansicht zur Auslegung der Vertragsvereinbarung mitgeteilt worden wäre. Zudem machte die Beklagte falsche Angaben gegenüber dem Vertreter des Klägers, indem sie mitteilte, es hätten nur „ein persönliches kurzes unverbindliches Gespräch in ihrer [der abgebenden Ärztin] Praxis, sowie mehrere Telefonate", jedoch keine „verbindliche...] Übernahmeverhandlungen" stattgefunden (K 6, BI. 80), obwohl es laut Aussage der KV bereits zu einer formell direkten Bewerbung auf den Sitz gekommen war (K 8, BI. 78). Wenn die Beklagte davon ausging, dass ihr dies durch die vereinbarten Klauseln nicht untersagt sei, versteht sich nicht, weshalb sie dies nicht offen kommunizierte.

Anschließend äußerte sich der Prokurist der Beklagten mit Email vom 24.11.2016 dahingehend, dass „eine vertragliche Vereinbarung zwischen und der … bestehe, „welche ein Exklusivrecht für diese" einräume (K 6, BI. 79). Der Prokurist einer Gesellschaft ist vertretungsberechtigt (§ 49 HGB). Zwar war an dem Vertragsschluss nicht der Prokurist, sondern der Geschäftsführer der Beklagten beteiligt. Die Beklagte muss aber den objektiven Umstand der Äußerung ihres Prokuristen, dessen Vertretungsmacht nach außen hin nicht beschränkt werden kann (§ 50 HGB) gegen sich gelten lassen. Es liegen keine Umstände vor, die den Rückschluss, die Beklagte habe bei Vertragsschluss die vereinbarten Regelungen genauso verstanden wie der Kläger, entkräften könnten. Die Auslegung der Kammer wird also vom nachvertraglichen Verhalten der Beklagten geradezu bestätigt.

Die Grenzen der Auslegung unter Berücksichtigung der benannten Interessen wäre erst überschritten, wenn die Klausel so verstanden würde, dass der Kläger gemäß Ziffer 8 der Aufhebungsvereinbarung der Beklagten eine Bewerbung auch dann untersagen könnte, wenn er sich selbst gar nicht an dem Ausschreibungsverfahren beteiligen würde, ihm die Ausübung seines vertraglichen Rechts also gar keinen Konkurrenzschutz bieten würde. Dies wäre vom Sinn und Zweck der Regelung, das berufliche Fortkommen des Klägers nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses bei der zu ermöglichen und zu erleichtern, nicht mehr gedeckt. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Die hat unter anderem den Kläger als anzustellenden Augenarzt benannt.

Soweit sich der Kläger an einem Ausschreibungsverfahren beteiligt, kann er sich auf die vereinbarten Regelungen der Aufhebungsvereinbarung berufen. Eine formaljuristische Unterscheidung zwischen dem Kläger als natürlicher Person und der als juristischer Person ist nicht angezeigt. Das Ausschreibungsverfahren nach § 103 Abs. 4 SGB V stellt immer neben versorgungsbezogenen Kriterien auch auf qualifikationsbezogene und personenbezogene Kriterien ab und stellt damit selbst eine Verbindung zwischen den jeweiligen Ärzten und den sich gegebenenfalls unter Benennung der anzustellenden Ärzte bewerbenden Gesellschaften her. Die persönliche Leistungserbringung ist dem ärztlichen Behandlungsrecht als speziellem Dienstvertragsrecht wesensimmanent. Um zu überprüfen, ob die Voraussetzungen zur persönlichen Leistungserbringung vorliegen und damit der Sitz an den Bewerber vergeben werden kann, prüft die KV die Zulassung nach den vorgeschriebenen Kriterien. Eine juristische Person kann niemals persönlich geeignet oder ungeeignet sein, dies ist nur bei natürlichen Personen möglich. Eine strikte Unterscheidung zwischen juristischer und natürlicher Person kann damit im Rahmen des Ausschreibungsverfahren gar nicht erfolgen, sodass es die vereinbarten Regelungen auch nicht sinnentleert, wenn diese die Unterscheidung ebenfalls nicht treffen.

3. Wirksamkeit der vereinbarten und bei der Auslegung berücksichtigten Klauseln

Die oben genannten Vertragsklauseln sind auch nicht unwirksam, jedenfalls nicht, wenn man sie in dem vorgenannten Sinne auslegt.

Die Vertragsklauseln müssen an den engen gesetzlichen Grenzen, in denen ein Wettbewerbsverbot zulässig ist, gemessen werden. Konkurrenzschutzklauseln greifen weitreichend in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährte Berufsfreiheit und den freien Wettbewerb ein. Sie sind deswegen nur zulässig, um zu verhindern, dass der Vertragspartner die Erfolge der eigenen bzw. gemeinsamen Arbeit illoyal verwertet oder in sonstiger Weise sich die Ausübung der Berufsfreiheit missbräuchlich zu Nutze macht. Ein Wettbewerbsverbot darf nicht eingesetzt werden, um den anderen Teil als potenziellen Wettbewerber gezielt auszuschalten (Wigge, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 3. Auflage 2017, § 6, Rn. 72).

Eine Vertragsklausel mit diesem Ziel wäre nach § 138 BGB sittenwidrig und damit nichtig.

Für nachvertragliche Wettbewerbsverbote in Freiberufler-Gesellschaftsverträgen gilt nach gefestigter Rechtsprechung die weitere Einschränkung, dass diese nur wirksam sind, „wenn sie räumlich, zeitlich und gegenständlich das notwendige Maß nicht überschreiten" (BGH NJW 2000, 2584).

Nach diesen Grundsätzen halten die beiden Vertragsklauseln 7 und 8 einer Wirksamkeitsprüfung stand. Sie überschreiten in der Gesamtschau nicht das zeitlich, räumlich und gegenständlich zulässige Maß.

Die Formulierung „Großraum … ist noch nicht zu weit gefasst. Aus ihr geht klar genug hervor, wo die Grenze des benannten Umkreises liegt. Das Einzugsgebiet einer Stadt wie sprengt nicht das räumlich zulässige Maß einer Konkurrenzschutzklausel für eine Augenmedizinpraxis. Die Regelung ist zusätzlich dadurch begrenzt, dass der Kläger maximal zwei Sitze benennen darf, an deren Ausschreibung sich die Beklagte beteiligen darf. Als Gegenstand der Konkurrenzschutzklausel Ziffer 8 ist der Bereich der „Augenmedizin" benannt. Übertragen auf den vorliegenden Fall kann das Korrektiv der Gegenständlichkeit insofern herangezogen werden, als dessen Grundgedanke dazu führt, dass die Regelung unter Ziffer 8 ausgelegt werden muss. Wäre es dem Kläger möglich, der Beklagten beliebige Ausschreibungsverfahren im Bereich der Augenmedizin zu benennen, an der sie sich nicht zu beteiligen habe, ohne dass der Kläger sich selbst ebenfalls am Bewerbungsverfahren beteiligt, wäre die Regelung ein bloßes Instrumentarium, der Beklagten die Ausweitung ihres Tätigkeitsbereichs zu erschweren. Der Wortlaut muss vielmehr so ausgelegt werden, dass es der Beklagten versagt ist, sich an solchen Ausschreibungsverfahren im Bereich der Augenmedizin zu beteiligen, an denen sich auch der Kläger zumindest mittelbar beteiligt und insofern sein Interesse an beruflicher Entwicklung verfolgt. Der Wortlaut ist auslegungsfähig und die Wortlautgrenze durch vorgenannte Auslegung nicht überschritten, sodass es keiner geltungserhaltenden Reduktion bedarf. Daneben spricht für das Einhalten der gegenständlichen Begrenzung ebenfalls die Tatsache, dass der Kläger maximal zwei Sitze innerhalb von zwei Jahren benennen durfte.

Aufgrund der zeitlichen, räumlichen und nach Auslegung auch gegenständlichen Begrenzung stellen die o.g. Klauseln kein gezieltes Verhindern jeglichen Wettbewerbs dar und sind folglich nicht gern. § 138 BGB unwirksam.

Es liegt auch keine unzulässige Umgehung bei der Bestimmung der Reichweite eines Wettbewerbsverbots durch den Kläger vor. Unzulässig wäre es, wenn die Person, für die das Wettbewerbsverbot nach seinem Wortlaut gilt, sich der Bindung dadurch zu entziehen versucht, dass sie beispielsweise einen nahen Angehörigen „vorschiebt" (BGH, NZG 2005, 274, 275; JuS 2019, 1144, 1147). Der streitgegenständliche Fall liegt anders. Der Kläger möchte gerade, dass die Konkurrenzschutzklausel gilt, auch wenn er sich nicht als Privatperson, sondern durch die Bewerbung der an der Ausschreibung beteiligte. Eine planmäßige Umgehung des vertraglich Ausgehandelten liegt darin gerade nicht.

Dem Kläger ist auch nicht aus § 242 BGB (Treu und Glauben) verwehrt, sich auf die Konkurrenzschutzklausel zu berufen, etwa weil er im Vorfeld arglistig darüber getäuscht hätte, in welcher Form er später seinen Arztberuf ausüben möchte. Die Beklagte hätte aus keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt ein Recht darauf, zu entscheiden, in welcher Form der Kläger seinen Beruf als Arzt ausübt, ob als natürliche Person oder in Form einer juristischen Person, an der er beteiligt ist und/oder für die er tätig wird. Folglich wäre auch eine Klausel, mit der die Beklagte versuchen würde, den Kläger zu zwingen, nur als natürliche Person und gerade nicht i.V.m. einer seinen Arztberuf auszuüben, aus den oben genannten Gründen unwirksam. Entsprechend hat die Beklagte auch kein schützenswertes Interesse daran, zu erfahren, in welcher Form der Kläger seinen Arztberuf ausüben will. Entsprechend bestand auch keine Mitteilungspflicht des Klägers, die ein arglistiges Verschweigen begründen könnte. Zudem war der Beklagten die Existenz der bekannt.

In dem Vertragsentwurf zu dem Letter of Intent (K 31, BI. 265 ff.) wird die … namentlich benannt. Insofern hätte ihr bewusst sein können, dass der Kläger seine berufliche Weiterentwicklung auch durch Bewerbung der … auf Kassensitze als möglich erachtete. Hätte sie diesen Fall ausschließen wollen, wäre es ihr unbenommen gewesen, darauf im Rahmen der Vertragsverhandlungen hinzuwirken. Dem Kläger oblag keine Fürsorgepflicht hinsichtlich der Interessen der Beklagten.

4. Keine Formunwirksamkeit gern. § 518 BGB

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Konkurrenzschutzklausel auch nicht nach § 518 BGB form unwirksam.

Es liegt offensichtlich schon keine Schenkung im Sinne von § 516 BGB vor.

In der Aufhebungsvereinbarung (Ani. K1, BI. 73 der Akte) sind die Rechte und Pflichten beider Parteien i.V.m. der Aufhebung des Chefarztvertrages ausführlich geregelt. Der Kläger/der Beschäftigte verpflichtet sich darin unter Nr. 3, eine ärztliche Stellungnahme abzugeben, erhält unter Nr. 4 eine konkrete Abfindungssumme, zu der auch die Beklagtenseite nichts konkretes dahingehend vorträgt, dass die Höhe der Abfindungssumme nichts mit dem vereinbarten Konkurrenzschutz zu tun hätte. Schließlich ist in Nr. 6 der Aufhebungsvertrages geregelt, dass sämtliche wechselseitigen finanziellen Ansprüche aus dem Bestehen und der Beendigung Parteien der Vereinbarung abgeschlossenen Verträge, Zusatzverträge und Erklärungen samt dem Wettbewerbsverbot erledigt sein sollen.

Der Schadensersatzanspruch des Klägers besteht aufgrund der eindeutigen vertraglichen Regelung.

Die Beklagte hat gern. § 280 I 2 BGB die Pflichtverletzung zu vertreten.

5. Vorliegen eines kausalen Schadens

Die für den Erlass eines Grundurteils nach § 304 ZPO erforderliche Wahrscheinlichkeit des Schadens ist gegeben. Ein Grundurteil wäre unzulässig, wenn der Anspruch zwar dem Grunde nach möglich wäre, aber der Höhe nach nicht bestehen kann. Erforderlich, aber auch ausreichend für den Erlass eines Grundurteils nach § 304 ZPO ist es, dass der geltend gemachte Anspruch auch unter Berücksichtigung der Einwendungen gegen ihn mit Wahrscheinlichkeit zumindest teilweise besteht, wobei die Erleichterung des § 287 ZPO gilt {Feskorn, in: Zöller, ZPO, 33.Aufl„ 2020, § 304 Rn. 7).

Diese Voraussetzung ist erfüllt.

Zwischen den Parteien steht unstreitig fest, dass sich bei dem streitgegenständlichen Ausschreibungsverfahren nur der Kläger (über die und die Beklagte beworben haben. Da die laut Beschluss des Berufungsausschusses vom 06.08.2019 (B 9, BI. 164) ebenfalls grundsätzlich die Zulassungskriterien erfüllte und der Berufungsausschuss die Beklagte nur als besser geeignet bewertete, ist anzunehmen, dass die den Sitz erhalten hätte, wenn sie die einzige Bewerberin gewesen wäre.

Der Vortrag der Beklagten, die Ärztin hätte den Sitz an die nicht abgeben wollen, da diese ein Interesse an der Beibehaltung der ambulanten Versorgung hatte und das Ziel der den operativen Bereich auszubauen, dem entgegengestanden habe, ist nicht erheblich.

Eine privatrechtliche Einigung ist keine Voraussetzung für die Zulassung nach § 103 Abs. 4 SGB V (Erth Die Kriterien der Auswahlentscheidung im Praxisnachverfolgeverfahren, NZS 2016, 12, Rn. 17). Sinn und Zweck des § 103 Abs. 4 S. 8 SGB V, wonach das wirtschaftliche Interesse des ausscheidenden Arztes nur bis zum Verkehrswert zu berücksichtigen ist, ist es, ein Wettbieten zwischen den jeweiligen Bewerbern zu verhindern und damit die allgemeine Versorgungsstabilität sicherzustellen (ebd.). Damit dieser Zweck zu den Interessen des jeweiligen Arztes, welcher den Sitz abgibt, in einem angemessenen Verhältnis steht, wird das wirtschaftliche Interesse des Arztes insofern geschützt, als der Bewerber den Sitz nur erhält, wenn er den Willen bekundet, den Verkehrswert der Praxis zu zahlen. Der Kläger hat durch Äußerungen in der vorgerichtlichen Korrespondenz, vor dem Zulassungsausschuss und im streitgegenständlichen Verfahren von der Beklagten unbestritten vorgetragen, dass die bereit war, den Verkehrswert der Praxis zu zahlen. Anhaltspunkte dafür, dass die dazu nicht in der Lage gewesen wäre, liegen nicht vor.

Das Gericht geht gern. § 287 ZPO von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines kausalen Schadenseintritts auf Seiten des Klägers durch pflichtwidriges Verhalten der Beklagten aus.