Gericht | VG Cottbus 6. Kammer | Entscheidungsdatum | 09.03.2023 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 6 K 1063/19 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2023:0309.6K1063.19.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 29. März 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2019 wird, soweit Schmutz-wassermengengebühren für den Veranlagungszeitraum 2018 festgesetzt worden sind, aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Kläger wehrt sich gegen die Heranziehung zur Zahlung von Abwassergebühren durch den Beklagten.
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks A..., das im Einzugsbereich des Beklagten liegt.
Mit Bescheid vom 29. März 2019 zog der Beklagte den Kläger für das Veranlagungsjahr 2018 (Zeitraum 1. Januar 2018 bis 31. Dezember 2018) zu Abwassergebühren für das vorbezeichnete Grundstück in Höhe von insgesamt 2.143,65 € heran. Der Betrag setzt sich zusammen aus einer Grundgebühr in Höhe von 24,00 € sowie einer Mengengebühr ausgehend von einer bezogenen Trinkwassermenge von 195 m³ und einem Gebührensatz in Höhe von 10,87 €.
Mit Schreiben vom 14. April 2019, das am 16. April 2019 beim Beklagten eingegangen ist, hat der Kläger gegen den Gebührenbescheid hinsichtlich der festgesetzten Abwassergebühren Widerspruch erhoben. Zur Begründung führte er aus, dass auf der Abrechnung die Zählernummer fehle. Der alte und neue Abrechnungsstand seien jeweils nicht angegeben. Die Abrechnungsgebühr pro Kubikmeter von 10,87 € sei völlig überhöht, da das gleiche Versorgungsunternehmen in M... bei einem vergleichbaren 4-Personen-Haushalt nur 4,50 € berechne. Darüber hinaus sei ein Wasserverbrauch laut Mieterauskunft zwischen 120 und 130 m³ normal und nicht wie in dem hiesigen Fall von 195 m³. Schließlich sei der Wasserzähler seit 2016 abgelaufen und somit nicht geeicht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2019 wies der Beklagte den klägerischen Widerspruch gegen den Gebührenbescheid zurück. Zur Begründung führte er aus, dass gemäß der Schmutzwassergebührensatzung die Berechnungsgrundlage die Trinkwassermenge sei. Wassermengen, die nachweislich nicht der Schmutzwasserentsorgung zugeführt würden, würden nicht mit angerechnet. Der Trinkwasserverbrauch sei durch Selbstablesung ermittelt worden und sei im Bescheid vom 26. Februar 2019 ausgewiesen. Die bei der Abrechnung der Schmutzwassergebühr nicht berücksichtigte Menge sei auf dem Bescheid mit ausgewiesen worden. Nach dem Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg müssten Gebühren kostendeckend sein. Daher werde die Höhe der Gebühr für die Entsorgung auf der Grundlage einer Kalkulation ermittelt. Vor diesem Hintergrund sei ein Vergleich mit anderen Gemeinden oder Verbänden nicht möglich, da nicht bei allen die gleichen zu deckenden Kosten entstünden.
Mit seiner am 9. August 2019 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen führt er aus, dass die Abwassergebühren mengenmäßig berechnet würden. Zu diesem Zwecke sei eine Messeinrichtung vorhanden. Diese Messeinrichtung sei nach der Anschlusssatzung für die öffentliche Wasserversorgung in der Gemeinde vom 28. April 1999, dort in § 11 Abs. 2, Bestandteil der öffentlichen Wasserversorgung. Nach dem Wegfall der privat betriebenen Kläranlage im Jahr 2013, die für die Schmutzwasserentsorgung des gesamten Siedlungsgebietes „A...“ vorhanden gewesen sei, habe die Gemeinde H... die mobile Schmutzwasserentsorgung übernommen. Nachdem zuerst eine privatrechtliche Rechnungsstellung erfolgt sei, sei durch Satzung im Jahr 2015 die Schmutzwasserentsorgung hoheitlich geregelt worden. Die Kosten würden durch Gebührensatzung erhoben. Durch Bezugnahme auf die Satzung der Gemeinde H... über den Anschluss von Grundstücken an die öffentliche Wasserversorgung und ihre Benutzung sei spätestens seit dem Zeitpunkt der Verkündung der Schmutzwassergebührensatzung am 25. Juni 2015 zwingend notwendig, dass Messeinrichtungen vorhanden seien und diese den Anforderungen genügten. Der vorhandene Wasserzähler genüge jedoch nicht den Anforderungen des Mess- und Eichgesetzes. Denn der Zähler sei nicht geeicht. Grundsätzlich unterliege der Zähler der Eichpflicht. Eine derartige Eichung sei nicht gegeben, sodass nach § 33 Mess- und Eichgesetz ein Verwendungsverbot bestehe. Diesen Umstand habe auch der Beklagte gesehen, indem er die Anbringung eines geeichten Wasserzählers angekündigt habe. Darüber hinaus sei auch nur lediglich ein Gartenzähler abgelesen worden. Dieser ungeeichte Gartenzähler sei allerdings nicht an die Hauswasseranlage angeschlossen. Dies sei auch der Beklagtenseite bekannt, da sie etwa mit dem Bescheid vom 25. Februar 2020 sowohl den Wasserverbrauch des Gartenzählers als auch den Wasserverbrauch des Hauptanschlusses gesondert aufweise. Dort habe der Gartenzähler, der nicht ausgewechselt worden sei, einen Anfangsstand von 0 und einen Endstand von 0. Auch sei dieser Zähler selbst nie abgelesen worden, obwohl dies dort vermerkt sei. Das Gebäude auf dem Grundstück des Klägers sei nicht leerstehend. Es sei bis zum 31. Dezember 2019 durchgehend an die Mieter des Klägers vermietet gewesen, die zum Jahresende ausgezogen seien. Anschließend habe eine Veräußerung an einen Selbstnutzer erfolgt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gebührenbescheid des Beklagten vom 29. März 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2019, soweit Schmutzwassermengengebühren für den Veranlagungszeitraum 2018 festgesetzt worden sind, aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist dem klägerischen Vorbringen entgegengetreten. Ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen führt er aus, dass die Gemeindevertretung der Gemeinde H... in ihrer Sitzung vom 18. Juni 2015 die Neufassung der Schmutzwasserbeseitigungssatzung aufgrund der §§ 2, 3, 28 Nr. 9 und 135 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg vom 18. Dezember 2007, zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 13. März 2012 des Wasserhaushaltsgesetzes vom 31. Juli 2009, zuletzt geändert durch Artikel 12 des Gesetzes zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie auf dem Gebiet des Umweltrechts sowie zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften vom 11. August 2010 sowie des brandenburgischen Wassergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. März 2012 beschlossen habe. Mit dieser Neufassung seien zahlreiche Änderungen, insbesondere im Bereich der zentralen Schmutzwasserentsorgung eingeführt und damit den geänderten Vorgaben im Bereich des Wasserhaushaltsgesetzes und des brandenburgischen Wassergesetzes Rechnung getragen worden. Die Pflicht zur Abwasserbeseitigung obliege der Gemeinde. Gemäß § 66 des brandenburgischen Wassergesetzes hätten die Gemeinden das auf ihrem Gebiet anfallende Abwasser zu beseitigen und die dazu notwendigen Anlagen zu betreiben oder durch Dritte betreiben zu lassen. Den Gemeinden obliege auch die Pflicht zur Beseitigung des in abflusslosen Gruben anfallenden Abwassers. Zu dieser Beseitigungspflicht gehöre auch, die Durchführung der Beseitigung zu organisieren. Im Bereich der zentralen Entsorgung sei dies der Bau und die Unterhaltung der Abwasserkanäle und Klärwerke; im Bereich der dezentralen Entsorgung umfasse die Organisationspflicht unter anderem auch die Auswahl des Unternehmens, dass die Abfuhr, also den Transport der Fäkalien von der Grube bis zur Einleitung im Klärwerk bzw. der Annahmestelle durchführe. Die Abwasserentsorgung im Wohngebiet „O...“ sei derzeit so organisiert, dass die häuslichen Abwässer in einen großen sammelbehälterflössen, den sogenannten „Pufferbehälter“. Dort flössen die gesamten Abwässer der Grundstücke A... zusammen. Der Pufferbehälter werde täglich von der Firma S... gelehrt und die Abwässer in das Klärwerk W... gebracht. Für diese Leerung stelle die Firma S... dem Amt eine Rechnung wie auch der M... als Betreiber des Klärwerks für die Einleitung. Diese Rechnungen seien aber für den Gebührenpflichtigen ohne Aussagekraft, da sie sich auf die Gesamtmenge an Abwasser bezögen. Eine konkrete Einzelberechnung für den Grundstückseigentümer ergebe sich erst durch die Feststellung des bezogenen Frischwassers im Abrechnungszeitraum. Dieser sei auch Maßstab für das eingeleitete Abwasser. Der Kläger sei mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 29. März 2019 anhand seines Trinkwasserbezuges zu Abwassergebühren für das Jahr 2018 und den entsprechenden periodisch wiederkehrenden Vorauszahlungen für das Jahr 2019 herangezogen worden. Dass die in Ansatz gebrachten Mengen nicht stimmten, habe der Kläger nicht vorgetragen und sei auch anhand der Aktenlage nicht erkennbar. Der Kläger scheine davon auszugehen, dass er bei Vorhandensein eines nicht geeichten Zählers überhaupt nichts bezahlen müsse. Dies sei nicht der Fall. Nach § 3 Abs. 5 Schmutzwassergebührensatzung werde nämlich die Wassermenge gemäß Abs. 3 von der Gemeinde geschätzt, wenn ein Wasserzähler überhaupt nicht oder nicht richtig angezeigt habe oder nicht eingebaut sei. Lägen solche Erkenntnisse nicht vor, erfolge die Schätzung unter angemessener Berücksichtigung der tatsächlichen Nutzung des Grundstücks. Eine Schätzung der Wassermenge erfolge auch dann, wenn Zweifel an der Richtigkeit der ermittelten bzw. gemessenen Wassermengen als Master für die in die öffentliche zentrale Anlage zu Schmutzwasserbeseitigung gelangte Menge bestünden. Insofern sei der Abwasserverbrauch auch vorliegend zu schätzen. Ob die im angegriffenen Bescheid festgesetzte Schmutzwassermenge vor diesem Hintergrund Bestand haben könne oder ob sie nicht bei einer Schätzung weitaus höher ausfallen, sei durch den Beklagten noch nicht geprüft worden. Auch müsse der Gartenzähler geeicht sein, wofür allerdings der Grundstückseigentümer nachweispflichtig sei. Darüber hinaus bestehe ein auffälliges Missverhältnis zwischen Wasserbezug aus der Leitung und aus dem Gartenzähler, zumal unter der bezeichneten Anschrift des Klägers bereits seit dem Jahr 2012 niemand mehr gemeldet gewesen sei.
Mit Schriftsätzen jeweils vom 2. März 2023 (Kläger) sowie vom 3. März 2023 (Beklagte) haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten bezüglich des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen.
Die Kammer konnte gemäß § 87a Abse. 2 und 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) durch den Berichterstatter anstelle der Kammer entscheiden, weil sich die Beteiligten mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben.
Die als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO statthafte Klage ist zulässig und begründet.
Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 29. März 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2019 ist, soweit er angegriffen wurde, rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 S. VwGO).
Die in Betracht kommende Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zur Zahlung der Schmutzwassergebühren und den Erlass des streitbefangenen Gebührenbescheides ist die durch die Gemeindevertretung der Gemeinde H... in ihrer Sitzung vom 18. Juni 2015 beschlossene Satzung der Gemeinde H... über die Erhebung von Gebühren für die Nutzung der öffentlichen Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung im Bereich des Siedlungsgebiets im Geltungsbereich des Bebauungsplans „A...“ (Schmutzwassergebührensatzung O...), die am 1. Juli 2015 in Kraft getreten ist.
Es mag an dieser Stelle dahinstehen und bedarf insoweit keiner Entscheidung, ob die Schmutzwassergebührensatzung O... insgesamt wirksam ist, da selbst bei Unterstellung ihrer Wirksamkeit, die konkrete Festsetzung der Schmutzwassermengengebühren für der Veranlagungszeitraum 2018 rechtwidrig und mit der Satzung selbst nicht in Einklang zu bringen ist.
Die satzungsmäßigen Voraussetzungen zur Veranlagung des klägerischen Grundstücks und der Festsetzung von Mengengebühren für die Schmutzwasserbeseitigung liegen – jedenfalls zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung – nicht vor. Der Beklagte hat vorliegend die Mengengebühren der Höhe nach nicht zutreffend festgesetzt. Er hätte sich auf den am Wasserzähler abgelesenen Wert nicht stützen dürfen sondern eine Schätzung vornehmen müssen.
§ 3 Schmutzwassergebührensatzung O... regelt die Berechnung und Höhe der Mengengebühr für die zentralen Anlagen der Schmutzwasserbeseitigung.
Nach § 3 Abs. 1 S.1 Schmutzwassergebührensatzung O... wird die Mengengebühr für die Benutzung der öffentlichen zentralen Anlagen zur Schmutzwasserbeseitigung nach der Schmutzwassermenge berechnet, die der zentralen Schmutzwasseranlage von dem Grundstück zugeführt wird.
Nach § 3 Abs. 3 S. 1 Schmutzwassergebührensatzung O... gelten als in die öffentliche zentrale Anlage zur Schmutzwasserbeseitigung gelangt: a) bei öffentlicher Wasserversorgung die durch Wasserzähler festgestellte Wassermenge; b) bei nichtöffentlichen Trinkwasserversorgungsanlagen die diesen entnommenen Wassermengen; c) die auf dem Grundstück gewonnene oder dem Grundstück sonst zugeführte Wassermenge.
Nach § 3 Abs. 4 S. 1 Schmutzwassergebührensatzung O... hat der Gebührenpflichtige die Wassermengen nach Abs. 3 lit. b) und c) der Gemeinde innerhalb von zwei Monaten nach Ablauf des für die Veranlagung maßgeblichen Kalenderjahres anzuzeigen.
Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass gemäß § 3 Abs. 4 S. 2 Schmutzwassergebührensatzung O... die Wassermengen grundsätzlich durch einen geeichten, ordnungsgemäß eingebauten und von der Gemeinde abgenommenen Wasserzähler, den der Gebührenpflichtige auf seine Kosten einzubauen und zu unterhalten hat, nachgewiesen werden müssen.
An diesen Voraussetzungen mangelt es vorliegend. Nach dem Vorbringen des Klägers ist der zur Ermittlung der bezogenen Trinkwassermenge verwendete Wasserzähler nicht geeicht. Dem hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht widersprochen. Durch den Hinweis, dass eine Schätzung nach erfolgen könne, hat er vielmehr indirekt eingeräumt, dass der abgelesene Wasserzähler tatsächlich nicht geeicht ist. Das Messergebnis eines solchen nicht geeichten Wasserzählers kann allerdings bereits nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 4 S. 2 Schmutzwassergebührensatzung O... nicht zur Grundlage einer Gebührenfestsetzung gemacht werden.
Auch begründet das Ergebnis eines nicht geeichten Wasserzählers keinen Anscheinsbeweis oder eine entsprechende tatsächliche Vermutung (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 8. Oktober 2004 - I-7 U 55/04 -, juris, Rdnr. 16; BGH, Urteil vom 17. November 2010 - VIII ZR 112/10 - juris, Rdnr 13). Sowohl in der Rechtsprechung der Kammer sowie des OVG Berlin-Brandenburg ist bereits geklärt, dass nur der Zählerstand eines (noch) geeichten und einer technischen Befundprüfung unterzogenen Wasserzählers einen Anscheinsbeweis dafür begründet, dass in der Zeit vom Einbau des Zählers bis zur Ablesung tatsächlich so viel Wasser durch den Zähler geflossen ist, wie vom Zähler angezeigt wurde (vgl. dazu OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 17. Februar 2010 - OVG 9 S 83.09 -, juris, Rdnr. 5; Beschluss vom 28. Februar 2008 - OVG 9 N 57.07 -, juris, Rdnr. 5; KG Berlin, Beschluss vom 4. Februar 2013 - 8 U 215/12 u. a. -, juris, Rdnr. 57; VG Halle, Urteil vom 18. Oktober 2012 - 4 A 74/12 -, juris, Rdnr. 23; VG Cottbus, Beschluss vom 22. Juni 2009 - 6 L 205/07 -, juris, Rdnr. 13; VG Frankfurt, Gerichtsbescheid vom 23. März 2004 - 6 E 714/04 -, juris, Rdnr. 21; OVG Saarlouis, Urteil vom 20. Januar 1994 - 1 R 4/92 -, NJW 1994, S. 2243 <2244>; Hempel/Franke, Recht der Energie- und Wasserversorgung, § 30 AVBWasserV, Rdnr. 57, Morell, AVBWasserV, Anm. b zu § 19 Abs. 2 AVBWasserV). Hat nämlich ein noch geeichter Wasserzähler eine bestimmte Durchflussmenge angezeigt und eine technische Befundprüfung keine Anzeichen für eine Fehlfunktion ergeben, so kann erfahrungsgemäß davon ausgegangen werden, dass tatsächlich insgesamt so viel Wasser durch den Zähler geflossen ist, wie angezeigt. Dieser Anscheinsbeweis kann zwar durch den Nachweis von Tatsachen erschüttert werden, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit ergibt, dass der Wasserzähler doch falsch angezeigt hat (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. April 2014 – OVG 9 N 45.13 –, Rn. 7 - 8, juris). Hierfür reicht es wegen der Überzeugungskraft des genannten Erfahrungssatzes indessen grundsätzlich nicht aus, dass sich aus der angezeigten Durchflussmenge eine ungewöhnlich hohe Verbrauchsmenge ergibt; das Gericht muss insoweit nicht von sich aus der Frage nachgehen oder Beweis darüber erheben, ob der gemessene höhere Verbrauch durch Verhaltens- oder Zustandsänderungen im Einflussbereich des Grundstückseigentümers bestätigt wird (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Februar 2008 - OVG 9 N 57.07 -, juris, Rdnr. 5). Auch bei einem nur geeichten, aber nicht einer Befundprüfung unterzogenen Wasserzähler mag erfahrungsgemäß davon ausgegangen werden können, dass die angezeigte auch der tatsächlichen Durchflussmenge entspricht (vgl. etwa OVG NW, Beschluss vom 24. Oktober 2013 - 9 A 2553/11 -, juris, Rdnr. 31). Die Überzeugungskraft dieses Erfahrungssatzes ist allerdings geringer als der Erfahrungssatz der richtigen Anzeige eines geeichten und einer Befundprüfung unterzogenen Wasserzählers; zeigt ein nur geeichter, aber nicht einer Befundprüfung unterzogener Wasserzähler einen ungewöhnlich hohen Durchflusswert an, ist danach durchaus der Frage nachzugehen, ob dieser Wert durch Verhaltens- oder Zustandsänderungen im Bereich des Grundstückseigentümers bestätigt wird; bleibt dies offen, kann auf den angezeigten hohen Durchflusswert nicht abgestellt werden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. April 2014 – OVG 9 N 45.13 –, Rn. 7 - 8, juris).
Vorliegend ist der Wasserzähler allerdings weder geeicht gewesen noch wurde er einer technischen Befundprüfung unterzogenen, sodass letztlich mit Blick auf den Zählerstand hinsichtlich der durchflossenen Wassermenge kein Anscheinsbeweis zugunsten des Beklagten greift (vgl. VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 8. März 2019 – 5 K 1679/15 –, Rn. 46, juris). Da der Kläger zudem ausdrücklich die veranlagte Menge in Zweifel gezogen hat, bleibt der Beklagte hinsichtlich der durchgeflossenen Wassermenge beweisbelastet.
Aber auch die Ermittlung der Menge eines nicht geeichten Wasserzählers hat nach den Vorschriften der Schmutzwasserbeseitigungssatzung des Beklagten zu erfolgen und ist durch den Beklagten zu schätzen.
So wird nach § 3 Abs. 5 S. 1 Schmutzwassergebührensatzung O... die Wassermenge gemäß Abs. 3 von der Gemeinde geschätzt, wenn ein Wasserzähler überhaupt nicht oder – wie vorliegend – nicht richtig angezeigt hat oder ein Wasserzähler nicht eingebaut ist.
Grundlage einer solchen Schätzung ist dann der Wasserverbrauch der Vorjahre (vgl. § 3 Abs. 5 S. 2 Schmutzwassergebührensatzung O...). Liegen solche Erkenntnisse nicht vor, erfolgt S. 3 der zitierten Vorschrift die Schätzung unter angemessener Berücksichtigung der tatsächlichen Nutzung des Grundstücks. Eine Schätzung der Wassermenge erfolgt nach S. 4 der zitierten Vorschrift auch dann, wenn Zweifel an der Richtigkeit der ermittelten bzw. gemessenen Wassermengen als Maßstab für die in die öffentliche zentrale Anlage zur Schmutzwasserbeseitigung gelangte Menge bestehen.
Dies hat der Beklagte – nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung – bislang nicht getan. Somit ist aber auch der streitgegenständliche Gebührenbescheid mangels geeichten Wasserzählers und nicht erfolgter Schätzung nicht auf Grundlage seiner eigenen Schmutzwassergebührensatzung ergangen und somit letztlich jedenfalls hinsichtlich der festgesetzten Mengengebühr rechtswidrig.
Vor diesem Hintergrund war der Gebührenbescheid, soweit er angegriffen wurde, aufzuheben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).