Gericht | VG Frankfurt (Oder) 5. Kammer | Entscheidungsdatum | 14.07.2023 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 5 K 566/18 | ECLI | ECLI:DE:VGFRANK:2023:0714.5K566.18.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung von Schmutzwassergebühren für Mietwohnungen und ein Hotel im Wege der Schätzung.
Der Kläger ist Eigentümer eines bebauten Grundstücks unter der postalischen Anschrift M...1, 1..., OT F.... Das dortige Gebäude verfügt über vier Wohneinheiten, von denen eine der Kläger mit seiner Familie nutzt und die übrigen drei vermietet werden. Des Weiteren befindet sich dort eine Beherbergungsstätte mit zehn Hotelzimmern und ein Restaurantbetrieb mit etwa 80 Plätzen.
Das Grundstück ist an die öffentliche Trinkwasserversorgungsanlage angeschlossen. Der Trinkwasserverbrauch aus der öffentlichen Anlage wird durch eine installierte und geeichte Wasseruhr gemessen. Das anfallende Abwasser wird leitungsgebunden über die öffentliche Schmutzwasserbeseitigungsanlage abgeleitet. Der Kläger betreibt zudem eine eigene Wasserversorgungsanlage in Form eines Brunnens, an der seinerzeit kein geeichtes Messgerät installiert war.
Im Rahmen einer Netzerweiterung sperrte die Beklagte am 28. November 2016 das Trinkwasserleitungsnetz, um den Trinkwasseranschluss des klägerischen Grundstücks umbinden zu können. Bei dieser Gelegenheit erfuhr die Beklagte erstmals von der eigenen Wasserversorgungsanlage des Klägers. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob trotz der Sperrung weiterhin Wasserdruck auf der Versorgungsleitung anstand und ob die Eigenversorgungsanlage mit dem Hausanschluss verbunden war. Jedenfalls verlangte ein Mitarbeiter der Beklagten Zutritt zur verbandseigenen Zähleranlage, was der Kläger verweigerte. Im Wege der Amtshilfe verschafften Beamte der Polizei am 1. Dezember 2016 der Beklagten den Zutritt zur Anlage. Eine Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes E... entnahm eine Wasserprobe. Noch an demselben Abend übersandte der vom Kläger beauftragte Fachunternehmer für Sanitär, Gas & Heizung, Herr R... eine Erklärung, demnach keine Einspeisung aus der Eigenversorgungsanlage in die öffentliche Trinkwasserversorgungsanlage erfolge. Im Anschluss wurde die Sperrung aufgehoben und die Trinkwasserversorgung aus der öffentlichen Anlage wieder in Betrieb genommen. Der Fachunternehmer erstellte ein weiteres Schreiben vom 23. Mai 2017 mit dem Inhalt, dass seine Mitarbeiter am 1. Dezember 2016 keine Verbindung vom Druckbehälter des Brunnens zur weiterführenden Wasserleitung vorgefunden hätten.
Die Ablesung der Trinkwasseruhr am 1. Dezember 2016 ergab einen Verbrauch von 78m³. Für die verbleibende Zeit bis zum Ende des Jahres, d.h. vom 2. bis 31. Dezember 2016, errechnete die Beklagte einen anteiligen Verbrauch von 7m³. Für den zu erstellenden Gebührenbescheid Schmutzwasser legte die Beklagte diese Verbrauchsmengen zugrunde und schätzte überdies eine weitere Menge des leitungsgebundenen Abwassers von 453 m³. Dabei nahm sie folgende Schätzungsgrundlagen an:
In den vier vermieteten Wohneinheiten waren laut der Beklagten neun Personen mit Hauptwohnsitz gemeldet. Der durchschnittliche Trinkwasserverbrauch pro Einwohner lag im Verbandsgebiet bei täglich 86 Liter. Damit errechnete sich für diese neun Personen ein überschlägiger Jahresverbrauch in Höhe von insgesamt 282.510 Liter (282,50 m³).
Für die Hotelzimmer des Beherbergungsbetriebs zog die Beklagte den laut Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. – DVGW – Arbeitsblatt 410 durchschnittlichen Bedarfswert für ein Hotelzimmer in Höhe von täglich 70 Liter – 140 Liter pro Hotelzimmer heran und wählte den untersten Wert von 70 Liter. Danach errechnet sich für diese Nutzung ein überschlägiger Jahresverbrauch in Höhe von 255.500 Liter (255,55 m³).
Summiert betrug der geschätzte Jahresverbrauch somit 538 m³. Davon zog die Beklagte den abgelesenen Trinkwasserwert in Höhe von 78 m³ sowie den errechneten Erwartungswert von 7 m³ ab (verbleibend insgesamt 453 m³).
Per Gebührenbescheid Schmutzwasser vom 22. Juni 2017 setzte die Beklagte eine Gesamtgebühr in Höhe von 1.865,06 Euro fest, davon 1.789,35 Euro für die geschätzte Abwassermenge.
Mit Schreiben vom 6. Juli 2017 ließ der Kläger Widerspruch einlegen, den er damit begründete, dass die Nachberechnung von 453 m³ für Trinkwasser und Abwasser nicht nachvollziehbar seien. Er bat um Übersendung der Berechnungsgrundlage für die vorgenommene Schätzung.
Im laufenden Widerspruchsverfahren teilte die Beklagte unter anderem mit, das mittels einer Eigenwasserversorgungsanlage dem Grundstück zugeführte Wasser werde ebenso wie das aus der öffentlichen Anlage entnommene Trinkwasser in die öffentliche Schmutzwasseranlage abgeleitet. Für die Eigenwasserversorgungsanlage existiere keine geeichte Messeinrichtung, so dass die Abwassermenge zu schätzen gewesen sei. Die Beklagte teilte die dem Bescheid zugrunde liegenden Berechnungen mit. Der Kläger wies zur Klarstellung drauf hin, dass kein aus der Eigenversorgungsanlage entnommenes Trinkwasser in die Schmutzwasseranlage eingeleitet worden sei. Der Fachunternehmer habe mit Schreiben vom 1. Dezember 2016 erklärt und bestätigt, dass keine Fremdeinleitung erfolge. Eine Nachberechnung einer geschätzten Einleitungsmenge sei unzulässig. Das Brunnenwasser nutze der Kläger ausschließlich als Gartenwasser, um die Pflanzen im Außenbereich zu wässern.
Am 23. Januar 2018 erging der zurückweisende Widerspruchsbescheid. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass aus der Eigenversorgungsanlage Wasser zugeführt worden und daher auch als Schmutzwasser in die öffentliche Schmutzwasserbeseitigungsanlage gelangt sei. Die Eigenversorgungsanlage besitze keinen geeigneten oder geeichten Zähler. Für die Gebührenerhebung der leitungsgebundenen Entsorgung sei der abzurechnende Verbrauch geschätzt worden; und zwar gemäß § 3 Abs. 5 der Gebührensatzung für die leitungsgebundene Schmutzwasserbeseitigung. In dem Zeitraum zwischen Sperrung der Versorgung (28. November 2016) und Wiederinbetriebnahme (1. Dezember 2016) habe im Haus voller Wasserdruck angestanden. Mangels Wasserzähler an der Eigenanlage sei deren Verbrauch geschätzt worden.
Der Kläger hat am 26. Februar 2018 Klage erhoben. Er macht geltend, eine Nachberechnung für die geschätzte Einleitmenge sei unzulässig und der Bescheid in Höhe von 1.789,35 Euro rechtswidrig. Der Kläger behauptet, die Eigenversorgungsanlage sei zu keinem Zeitpunkt mit der Trink- und Abwasseranlage des Gebäudes verbunden gewesen, sondern diene allein zur Bewässerung des Gartens. Das (Trink-)Wasser der Eigenversorgungsanlage gelange demnach nicht in die Schmutzwasseranlage. Obwohl die Beklagte verschiedene Wasserproben vorgenommen habe und allein aus der Zusammensetzung des beprobten Wassers eindeutig feststellen könne, ob das Trinkwasser aus der Versorgung der Beklagten oder aus einer Eigenversorgungsanlage stamme, habe die Beklagte zu keinem Zeitpunkt einen Nachweis erbracht, dass das Wasser nicht aus der öffentlichen Trinkwasserversorgungsanlage stamme.
Er bestreitet, dass am 28. November 2016 – dem Tag der Trinkwasserversorgungssperrung – weiterhin Wasserdruck auf der Hausanschlussleitung bestanden haben soll. Sofern doch weiterhin Druck angestanden habe, sei das auf die hauseigenen „Pufferspeicher“ zurückzuführen, die auch bei einer Sperrung des Trinkwasseranschlusses dafür sorgten, dass weiterhin Wasser im Gebäude verfügbar sei. Die Speicher seien auf jeder Etage vorhanden und für eine Vollbelegung berechnet, sodass deren Versorgungsleistung sich verlängere, wenn sich im Gebäude wenige Verbraucher aufhielten. Die Speicher seien inzwischen zurückgebaut.
Er trägt weiterhin vor, die Wohneinheiten würden kaum genutzt. Das liege an der langen Abwesenheit der Bewohner. Eine Wohneinheit sei dauerhaft nicht bewohnt. Eine weitere werde nur von einer Person bewohnt. Eine dritte Einheit werde lediglich im Winter von einem Ehepaar bezogen, das mehr als die Hälfte des Jahres auf dem Campingplatz verbringe. Die vierte Wohnung werde von zwei Personen bewohnt. Das Hotel arbeite mit einer geringen Auslastung. Im Jahresdurchschnitt seien drei bis vier Zimmer dauerhaft vermietet. Das Restaurant werde nur hin und wieder für Feierlichkeiten gemietet und genutzt. Vor diesem Hintergrund sei der tatsächlich festgestellte und abgelesene Trinkwasserverbrauch plausibel.
Der Kläger meint, es sei unzulässig, die Schmutzwassermenge im Wege der Nachberechnung zu schätzen. Die Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt belastbar festgestellt, dass der Kläger eigenerzeugtes Wasser in die Schmutzwasseranlage eingeleitet habe. Trotz Wasserprobenentnahme sei zu keinem Zeitpunkt der Nachweis erbracht worden, dass das entnommene und beprobte Wasser vom Kläger stamme. Nicht aufgeklärt sei außerdem, welchen Wasserdruck die Beklagte festgestellt habe. Wenn eine Nachberechnung zulässig sei, dann müsse jedenfalls die Schätzung niedriger angesetzt werden.
Der Kläger beantragt,
den Schmutzwasser-Gebührenbescheid der Beklagten vom 22. Juni 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2018 insoweit aufzuheben, soweit darin eine Schmutzwassergebühr von mehr als 615,71 Euro festgesetzt wurde, und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger einen Betrag in Höhe von 1.789,35 Euro zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. Juli 2017 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, nach Sperrung des Trinkwassergrundstücksanschlusses sei bei der Wasserprobenentnahme ein anstehender voller Versorgungsdruck festgestellt worden, obwohl keine Einspeisung aus der öffentlichen Trinkwasseranlage erfolgte. Am 1. Dezember 2016 sei festgestellt worden, dass die Wasserversorgungsanlage des Klägers in Betrieb und mit der häuslichen Installationsanlage verbunden sei.
Dass das aus der Eigenversorgungsanlage zugeführte Wasser nicht in die Schmutzwasseranlage eingeleitet worden, sondern lediglich für die Gartenbewässerung verwendet worden sei, sei nicht glaubhaft und darüber hinaus nicht relevant. Die Gebührensatzung (§ 3 Abs. 2 Gebührensatzung) fingiere, dass sämtliches aus fremden und eigenen Wasserversorgungsanlagen dem Grundstück zugeführtes Trinkwasser wieder in die Schmutzwasseranlage gelangt sei.
Der Nachweis der Nichteinleitung in die Schmutzwasseranlage durch verplombte und genehmigte Zwischenzähler bleibe auf Antrag möglich (§ 3 Abs. 3 Gebührensatzung). Diesen Nachweis erbringe der Kläger nicht. Die Darlegungs- und Beweislast treffe den Anschlussnehmer, da in der Regel das zugeführte Trinkwasser auch wieder als Schmutzwasser in die Kanalisation eingeleitet werde.
Die Behauptung, das Wasser habe der Gartenbewässerung gedient, sei auch vor dem Hintergrund der Gebührengerechtigkeit (§ 12 Abs. 1 Nr. 3a Kommunalabgabengesetz (KAG) i.V.m. § 85 Abgabenordnung - AO) nicht ausreichend und überdies nicht glaubhaft. Aus der Fachunternehmererklärung des Herrn P... vom 1. Dezember 2016 ergäbe sich, dass die Eigenversorgungsanlage des Klägers mit der Trinkwasserversorgungsanlage der Beklagten bis zum Abend des 1. Dezember 2016 verbunden gewesen sei. Es werde dort nur bestätigt, dass nach der Trennung keine Einspeisung von Wassermengen aus der Eigenversorgungsanlage mehr erfolgt sein soll. Eine Wiederverbindung sei technisch jederzeit möglich. Die Erklärung bestätige gerade nicht, dass keine Einleitung in die Schmutzwasseranlage erfolgt sei.
Der behauptete Pufferspeicher sei weder schriftlich noch bildlich dargelegt und auch nicht behördlich bekannt. Angesichts der typischen Verbrauchszahlen müsste dieser Speicher ein exzessives Volumen aufweisen, der mit dem gemessenen Wasserbezug gar nicht auffüllbar gewesen wäre.
Auf dem Grundstück seien neun Personen mit Hauptwohnsitz gemeldet. Gegen den Vortrag der Teilauslastung der Hotelzimmer spreche, dass der zimmerbezogene Wasserverbrauch sich auch aus Komponenten zusammensetze, die trotz Leerstand anfielen, wie Reinigung, Leitungsspülung, Fensterputzen. Den Restaurantbetrieb berücksichtige die Schätzung zugunsten des Klägers nicht. Der Kläger sei der Anzeigepflicht seines Eigenwasserbezugs nicht nachgekommen (§ 3 Abs. 2 S. 2 Gebührensatzung).
Mit Schriftsatz vom 1. August 2022 hat der Kläger „die Einrede der Verjährung für die in Rede stehende Beitragsforderung aus dem Jahr 2017“ erheben lassen. Zur Begründung wird ausgeführt, das Verwaltungsgericht habe den Klageabweisungsschriftsatz des Beklagten vom 4. Mai 2018 erstmalig am 5. Juli 2022 übersandt. Das Verfahren sei durch ein Nichtbetreiben der Parteien in Stillstand geraten. Die Verjährungshemmung ende sechs Monate nach der letzten Verfahrenshandlung (§ 204 Abs. 2 S. 3 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB).
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger mitgeteilt, dass im Jahr 2019 insgesamt 220 m³ (mit Gartenwasser) verbraucht wurden, abzüglich 108 m³ Gartenwasser, die über einen eigenen Zähler erfasst wurden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden.
A. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Gebührenbescheid der Beklagten vom 22. Juni 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Januar 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO.
I. Die Gebührenforderung ist nicht infolge eines etwaigen Stillstands des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens verjährt. Die vierjährige Festsetzungsfrist gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) KAG – in Verbindung mit § 169 AO war gewahrt, da vor Ablauf der vierjährigen Festsetzungsfrist ein Festsetzungsbescheid ergangen ist. Der Bescheid vom 22. Juni 2017 und der Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2018 haben den Bereich der für die Festsetzung zuständigen Behörde rechtzeitig vor Fristablauf verlassen. Die Frist bleibt auch durch eine nachfolgende Klageerhebung gewahrt, denn ein Wiedereintritt in den Fristlauf ist damit nicht verbunden. Die an eine Verjährungshemmung gebundenen Wirkungen treten ohnehin nur bei einer Leistungsklage, Verpflichtungsklage oder Feststellungsklage ein (Riese, in: Schoch/Schneider/Riese, 43. EL August 2022, VwGO § 90 Rn. 33), nicht jedoch bei der Erhebung einer Anfechtungsklage, so dass ein Ende der Hemmung gemäß § 204 Abs. 2 BGB schon nicht einschlägig ist.
II. Die Rechtsgrundlage für den Gebührenbescheid ist § 6 KAG in Verbindung mit § 1 Abs. 2 der Gebührensatzung für die leitungsgebundene Schmutzwasserbeseitigung vom 9. Dezember 2009 in der Fassung der ersten Satzung zur Änderung der Gebührensatzung für die leitungsgebundene Schmutzwasserbeseitigung vom 16. November 2015 – Gebührensatzung Schmutzwasser. Benutzungsgebühren sind zu erheben, wenn eine Einrichtung oder Anlage überwiegend dem Vorteil einzelner Personen oder Personengruppen dient, sofern nicht ein privatrechtliches Entgelt gefordert wird. Nach Maßgabe der Gebührensatzung Schmutzwasser erhebt der Zweckverband Benutzungsgebühren für die Inanspruchnahme der öffentlichen Schmutzwasseranlage, § 1 Abs. 2 Gebührensatzung Schmutzwasser. Die Schmutzwassergebühren gliedern sich dabei in Grund- und Verbrauchsgebühren, § 1 Abs. 3 Gebührensatzung Schmutzwasser.
III. Die Verbrauchsgebühr wird satzungsgemäß nach der Schmutzwassermenge berechnet, die im Erhebungszeitraum in die öffentliche Schmutzwasseranlage gelangt, § 3 Abs. 1 S. 1 Gebührensatzung Schmutzwasser. Als „in die öffentliche Schmutzwasseranlage gelangte Schmutzwassermenge“ gilt die dem Grundstück aus fremden und eigenen Wasserversorgungsanlagen zugeführte Wassermenge, § 3 Abs. 2 S. 1 Gebührensatzung Schmutzwasser. Aus der öffentlichen Wasserversorgungsanlage wurde dem Hausanschluss laut Ablesung der geeichten Wasseruhr am 1. Dezember 2016 eine Trinkwassermenge von 78 m3 zugeführt. Weitere 7 m3 wurden auf dieser Grundlage für den Rest des Jahres rechnerisch ermittelt. Die derart zugeführte Wassermenge bildet zugleich die Berechnungsgrundlage für die angefallene Abwassermenge (sog. Frischwassermaßstab). Es gilt in erster Linie diejenige Schmutzwassermenge als in dem Erhebungszeitraum angefallene Verbrauchsmenge, die anhand der Messeinrichtung ermittelt wurde, § 3 Abs. 4 Buchst. a) und b) Gebührensatzung Schmutzwasser. Der Kläger ficht den Bescheid nur insoweit an, als darin im Wege der Schätzung weitere 453 m3 Abwasser zugrunde gelegt werden.
IV. Die Beklagte war dem Grunde nach berechtigt, eine weitere Schmutzwassermenge im Wege der Schätzung zu ermitteln (Schätzungsanlass) und hat die Schätzung auch in rechtmäßiger Weise ausgeführt (Schätzungshöhe).
1. Zwar durfte die Schätzung nicht auf Grundlage der Gebührensatzung Schmutzwasser erfolgen (dazu a.), jedoch war ein Rückgriff auf die Befugnis gemäß § 162 AO zulässig (dazu b.).
a. Die Schätzungsbefugnis der Beklagten ergibt sich in dem vorliegenden Verfahren nicht aus § 3 Abs. 5 Gebührensatzung Schmutzwasser, denn die Vorschrift setzt voraus, dass die (Trinkwasser-)Verbrauchsmenge des Vorjahreszeitraumes als taugliche Schätzungsgrundlage herangezogen werden kann. Gemäß § 3 Abs. 5 Gebührensatzung Schmutzwasser wird die Wassermenge unter Zugrundelegung der Menge des letzten Erhebungszeitraums und unter Berücksichtigung der begründeten Angaben des Gebührenpflichtigen geschätzt, soweit die Wassermengen nach Abs. 4 lit. a) und b) nicht ermittelt werden können oder aus anderen Gründen nicht zur Verfügung stehen. Zwar ist diese Satzungsbestimmung gegenüber den allgemeinen abgaberechtlichen Bestimmungen des § 162 AO in der Regel vorrangig mit der Folge, dass die Schätzung anhand der satzungsrechtlichen Vorgaben zu erfolgen hat und kein Raum für abweichende Schätzungsmethoden auf der Grundlage des § 162 AO bleibt. Das gilt jedoch nur, soweit und solange die satzungsrechtliche Schätzungsmethode im Einzelfall anwendbar ist, weil eine konkrete Ermittlung des Wasserverbrauchs des vorangegangenen Jahres möglich gewesen ist (Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg, Beschluss vom 23. Juli 2003 – 2 B 333/02 –, Rn. 13, juris; vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 19. Dezember 2018 – 9 LA 48/18 –, Rn. 20f., juris). Das ist hier nicht der Fall. Steht im Raum, dass auch mit Rückgriff auf den letzten Erhebungszeitraum keine annäherungsweise fehlerfreie, richtige oder vollständige Mengenberechnung des Vorjahreszeitraumes zugrunde gelegt werden kann, ist die satzungsrechtliche Vorschrift hinsichtlich ihrer Rechtsfolge nicht anwendbar. Die Beklagte hat in ihrer Klageerwiderung vom 4. Mai 2018 dargelegt, dass die Menge des Vorjahreserhebungszeitraums unergiebig und daher nicht heranzuziehen war, weil die Beklagte zu diesem Zeitpunkt noch keine Kenntnis von der Eigenversorgungsanlage des Klägers hatte. Für das Veranlagungsjahr 2015 war ebenfalls nur eine Schmutzwassermenge von 74 m3 durch Ablesung ermittelt und per Gebührenbescheid vom 14. Januar 2016 veranlagt worden. Da die verbrauchte Wassermenge des letzten Erhebungszeitraums somit keine taugliche Schätzungsgrundlage bietet, war es in diesem konkreten Einzelfall gerechtfertigt, auf § 162 AO zurückzugreifen. Denn die satzungsrechtliche Schätzbefugnis ist erkennbar auch darauf ausgerichtet, dem wahren Sachverhalt möglichst nahe zu kommen (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. April 2013 – OVG 9 B 5.12 –, Rn. 17, juris). Soweit die Beklagte noch § 3 Abs. 5 Gebührensatzung Schmutzwasser zugrunde gelegt hatte, ist ein Auswechseln der Rechtsgrundlage zulässig, da Regelungsgegenstand und Tenor des Verwaltungsaktes bestehen bleiben und der Gebührenbescheid somit in seinem Wesen nicht verändert wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Februar 1993 – 7 B 107/92 – juris).
b. Für die Anwendung der kommunalabgaberechtlichen Schätzbefugnis gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) KAG in Verbindung mit § 162 Abs. 1 AO bestanden ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte. Demnach hat eine Schätzung zu erfolgen, wenn der Einrichtungsträger die Grundlagen für die Gebührenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Gebührenpflichtigen gemachten Angaben bestehen, § 162 Abs. 2 S. 2 AO. Die Schätzung der verbrauchten Trinkwassermenge nach dem Frischwassermaßstab ist eine besondere Art der Tatsachenfeststellung als Teil des Ermittlungs- und Festsetzungsverfahrens, ohne die im Abgabenrecht nicht auszukommen ist (Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg, Beschluss vom 23. Juli 2003 – 2 B 333/02 –, Rn. 10, juris). Voraussetzung einer Schätzung ist demnach, dass die Gebührenerhebungsgrundlagen nicht ermittelbar sind. Das ist zum einen der Fall, wenn es objektiv unmöglich ist, eine Verbrauchsmenge zu ermitteln, etwa, weil ein geeichter und verplombter Wasserzähler gänzlich fehlt oder defekt ist (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. März 2009 – OVG 9 S 75.08 –, Rn. 13, juris). Das ist zum anderen der Fall, wenn ein besonderer Schätzungsanlass nach Maßgabe des Einzelfalls auftritt (Rüsken, in: Klein, 16. Aufl. 2022, AO § 162 Rn. 20).
Ein Schätzungsanlass lag hier vor. Es waren ausreichende Tatsachen gegeben, um die Richtigkeit und Vollständigkeit des verfügbaren Messergebnisses in Zweifel zu ziehen. Denn auf dem Grundstück befindet sich ein Gebäude mit einer Vielzahl an Endverbrauchsstellen, die einen Abwasseranfall in der per Wasserzähler erfassten Menge unplausibel erscheinen ließen: Der Beherbergungsbetrieb mit zehn Hotelzimmern, der Restaurantbetrieb mit 80 Plätzen sowie vier Wohneinheiten für Eigennutzung und Vermietung. Demgegenüber liegt der gemessene/ermittelte Grundstücksgesamtjahresverbrauch in Höhe von 85 m3 weit unterhalb dessen, was angesichts des durchschnittlichen Jahresverbrauchs einer Einzelperson (86 Liter mal 366 Tage = ca. 31,5 m3) im Gebiet des Verbandes zu erwarten gewesen wäre. Hinzu kam, dass die aktive Brunnenanlage des Klägers bis zum Betreten des Grundstücks am 28. November 2016 dem beklagten Wasserverband unbekannt war, obwohl eine entsprechende Mitteilungspflicht gemäß § 5 Abs. 5 S. 1 der Trinkwasserversorgungssatzung vom 4. Mai 2005 bestand. In der Zusammenschau dieser Umstände des Einzelfalls durfte die Beklagte annehmen, dass ein zutreffendes Messergebnis nicht zur Verfügung stand.
Die gerichtliche Würdigung der Fachunternehmererklärung vom 23. Mai 2017 hat insoweit nichts Anderes ergeben. Darin bestätigt der für Sanitär, Gas und Heizung zuständige Unternehmer R..., dass er seinen Mitarbeitern am 1. Dezember 2016 den Auftrag zum Trennen und Abstopfen der Brunnenleitung erteilt habe. Die Mitarbeiter hätten keine Verbindung vom Druckbehälter zur weiterführenden Wasserleitung (Brunnen) vorgefunden, aber beides in der Wohnung des Klägers abgestopft. Aus dieser Erklärung ergibt sich jedoch nicht der Zustand der Wasserversorgungsanlage am 28. November 2016, dem Tag der Versorgungssperrung beim Kläger und erstmaligen Kenntnisnahme der Beklagten von der Brunnenanlage. Die spezifische Erklärung, dass keine Verbindung vom Druckbehälter zur weiterführenden Wasserleitung (Brunnen) vorgefunden, aber gleichwohl beides dichtgemacht wurde, sagt erstens nichts über den Verbindungszustand drei Tage zuvor aus und legt zweitens nahe, dass eine Verbindung aufgrund der technischen Ausstattung jedenfalls nicht vollkommen ausgeschlossen war. Jedenfalls führt diese Erklärung nicht dazu, dass der Schätzungsanlass entfiele.
2. Es bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken gegen die geschätzte Menge von 453 m3 Abwasser für das Veranlagungsjahr 2016. Eine Schätzung ist rechtmäßig durchgeführt, wenn sich das Ergebnis als schlüssige, wirtschaftlich vernünftige und mögliche Wahrscheinlichkeitsüberlegung darstellt; demgegenüber ist eine Schätzung rechtswidrig, wenn sie den durch die Umstände des Einzelfalls gezogenen Schätzungsrahmen verlässt und das Schätzungsergebnis mithin unschlüssig, wirtschaftlich unvernünftig und unwahrscheinlich ist. Als Gründe für die Rechtswidrigkeit kämen etwa in Betracht, dass die Behörde die Schätzungsvoraussetzungen zu Unrecht bejaht, gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze verstößt, entgegen § 162 Abs. 1 S. 2 AO nicht alle schätzungsrelevanten Umstände berücksichtigt oder Schätzungsmethoden nicht richtig anwendet, insbesondere falsche oder offenbar unsachliche Erwägungen anstellt, wesentliche Tatsachen nicht ermittelt oder außer Acht lässt oder der Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde legt. Die Rechtmäßigkeit einer Schätzung ist jedoch nicht davon abhängig, dass das Ergebnis der Schätzung die tatsächlichen Verhältnisse genau abbildet (Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 17. Januar 2020 – 5 A 334/17 –, Rn. 25, juris, m.w.N.)
Die Beklagte hat die Grundsätze einer gebührenrechtlichen Schätzung berücksichtigt, sowohl hinsichtlich des Verfahrensrechts als auch mit Blick auf materiell-rechtliche Anforderungen.
a. Im Rahmen des Zumutbaren muss die Behörde die Grundlagen für die Gebührenbemessung selbst ermitteln. Sie muss sich insoweit umso weniger bemühen, je weniger der Abgabenpflichtige bereit ist, Angaben zu den in seiner Sphäre liegenden Umständen zu machen. Eine einfache Nachfrage in Bezug auf ersichtlich maßgebliche Umstände allerdings dürfte regelmäßig zumutbar sein (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Februar 2019 – OVG 9 S 7.18 –, Rn. 17, juris; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. April 2013 – OVG 9 B 5.12 –, Rn. 17, juris). Obgleich eine solche Nachfrage oder Anhörung hier weder vor Erlass des streitigen Gebührenbescheides noch bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids erfolgt und eine Heilung nicht ersichtlich ist, kommt es darauf an, ob die Aufhebung des Verwaltungsakts allein deshalb beansprucht werden kann, weil er unter Verletzung einer Verfahrensvorschrift zustande gekommen ist, § 12 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) KAG in Verbindung mit § 127 AO. Das ist dann nicht der Fall, wenn bei hypothetisch ordnungsgemäßem Verlauf keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können, mithin eine Entscheidungsalternative fehlte. Bei gebundenen Verwaltungsakten ist es häufig eine Frage der rechtlichen Subsumtion, ob die getroffene Entscheidung aus zwingenden rechtlichen Gründen nicht anders hätte ausfallen dürfen (Vorbeck, in: Koenig, 4. Aufl. 2021, AO § 127 Rn. 23). Ein Bescheid, der auf geschätzten Bemessungsgrundlagen ergeht, ist entsprechend zu beurteilen. Eine Schätzung gemäß § 162 Abs. 2 AO ist keine Ermessenshandlung und enthält auch keinen gerichtlich nicht nachprüfbaren Beurteilungsspielraum, vielmehr ist eine vorgenommene Schätzung in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar (BFH, Beschluss vom 18. August 1999 – IV B 108/98 –, Rn. 3, juris; BFH, Urteil vom 19. Februar 1987 – IV R 143/84 –, BFHE 149, 121, BStBl II 1987, 412, Rn. 12, juris). Ein Verfahrens- oder Formfehler führt nur zur Aufhebung, wenn er sich im Sinne einer Kausalität tatsächlich auf die getroffene Entscheidung ausgewirkt hat oder der Bescheid unter Berücksichtigung des formellen Fehlers jedenfalls im Ergebnis nicht anders hätte ausfallen dürfen (Vorbeck, in: Koenig, 4. Aufl. 2021, AO § 127 Rn. 20).
Ob die Tatsache, dass die Beklagte im Widerspruchsverfahren zum Wasserverbrauch des Klägers nicht ausdrücklich nachfragte, sich im hier zu entscheidenden Fall kausal auf die Entscheidung auswirkte ist bereits zweifelhaft, weil im Widerspruchsverfahren lediglich darum gerungen wurde, ob aus der Eigenversorgungsanlage entnommenes Trinkwasser in die Schmutzwasseranlage gelangt sei. Die Beklagte erläuterte im laufenden Widerspruchsverfahren mit Schreiben vom 28. Juli 2017, auf Bitten des anwaltlich vertretenen Klägers, die Berechnungsgrundlagen der als „Nachberechnung“ bezeichneten Schätzung in Höhe von 453 m3. Mit Schreiben vom 15. August 2017 und 4. September 2017 wies der Prozessbevollmächtigte jeweils nur darauf hin, dass kein aus der Eigenversorgungsanlage entnommenes Trinkwasser in die Schmutzwasseranlage eingeleitet worden sei. Der Kläger hatte indes im Widerspruchsverfahren ausreichend Möglichkeit zur Klarstellung bzw. zum Vorbringen etwaiger Einwände gegen die Zahl der gemeldeten Personen oder der belegten Hotelzimmer, bevor am 23. Januar 2018 der Widerspruchsbescheid erging. Erst im Klageverfahren machte der Kläger geltend, welche Personenanzahl sich dauerhaft oder zeitweise auf dem Grundstück befunden habe. Selbst wenn mit Blick auf das Verfahren ein Fehler unterlaufen wäre, hält das materiell-rechtliche Ergebnis jedenfalls einer Nachprüfung stand (dazu sogleich b.).
b. Denn die von der Beklagten herangezogenen Tatsachen als Schätzgrundlage für den Hotelbetrieb und die Mietwohnungen sind nachvollziehbar und als solche nicht zu beanstanden. Zwar muss die Schätzung von dem Bemühen getragen sein, dem wahren Sachverhalt möglichst nahe zu kommen (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. April 2013 – OVG 9 B 5.12 –, Rn. 17, juris); dies jedoch nur im Rahmen des Möglichen, d. h. nach den verfügbaren Erkenntnisquellen (VG Potsdam, Urteil vom 28. Juni 2017 – 8 K 2366/13 –, Rn. 32, juris).
aa. Insbesondere durfte der Beklagte für die Hotelzimmer den verwendeten Schätzwert zugrunde legen (zehn Zimmer à 70 Liter/Tag). Die Beklagte hat sich dabei von einer vertretbaren Erkenntnisquelle leiten lassen. Der vom DVGW errechnete Durchschnittsverbrauch eines Hotelzimmers von 70 Liter bis 140 Liter ist eine schlüssige und nachvollziehbare Schätzgrundlage. Zugunsten des Klägers wurde der Verbrauch am unteren Ende der Skala festgesetzt. Soweit der Kläger einwendet, nur drei bis vier Hotelzimmer seien überhaupt belegt gewesen, ist dieser Vortrag bereits nicht hinreichend substantiiert. Mangels konkreter Darlegungen handelt es sich wohl um eine klägerseitige Schätzung, wie schon die Wortwahl „drei bis vier“ zeigt. Die Beklagte legt jedoch keine wirtschaftlich unvernünftigen Erwägungen zugrunde, indem sie eine durchschnittliche „Vollbelegung“ der Zimmer schätzt. Für ein alternatives Schätzverfahren – beispielsweise anhand der durchschnittlichen Hotelauslastung – genügt es nicht, die Zahl der Zimmer zu kennen, sondern es wäre auch die jährliche Bettenkapazität zu errechnen. Hierfür fehlen jegliche Angaben des Klägers, da weder erkennbar noch vorgetragen ist, wie viele Einzel, Zwei-, Drei- und Vier-Bett-Zimmer vorhanden sind. Zudem ist der herangezogene Wasser-Bedarfswert für das Hotel bereits ein mathematisch extrapolierter Mittelwert, sodass die Beklagte rechtsfehlerfrei annehmen kann, dass typischerweise schätzungsrelevante Umstände in dessen Berechnung eingeflossen sind. Im Übrigen erscheint es schon aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität zulässig, für eine Schätzung von Verbrauchsmengen keine zeit- und ressourcenintensiven Nachforschungen zum zwölfmonatigen Belegungsgrad der Hotelzimmer anzustellen.
bb. Mit Blick auf die Mietwohnungen ist ein Schätzwert für den durchschnittlichen Frischwasserverbrauch nicht unsachgemäß, der von einem Verbrauch in Höhe von 86 Liter täglich pro Person, d.h. etwa 31,5 m3 jährlich, ausgeht (vgl. VG Potsdam, Urteil vom 28. Juni 2017 – 8 K 2366/13 –, Rn. 36, juris; VG Minden, Urteil vom 17. Juli 2003 – 9 K 2985/02 –, Rn. 23, juris). Auch die Annahme, dass neun Personen im zu schätzendem Zeitraum dauerhaft auf dem Grundstück wohnten, hat vorliegend eine ausreichende sachliche Grundlage. Will die Behörde die dem Grundstück zugeführte oder die auf ihm gewonnene Wassermenge anhand des Durchschnittswasserbezuges je Person schätzen, ist sie gehalten, die Zahl der auf dem Grundstück wohnenden Personen zu ermitteln (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Februar 2019 – OVG 9 S 7.18 –, Rn. 17, juris; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. April 2013 – OVG 9 B 5.12 –, Rn. 17, juris). Diese behördliche Tatsachenfeststellung unterliegt grundsätzlich der vollen gerichtlichen Nachprüfung. Dabei besteht auch keine Begrenzung auf den Erkenntnisstand, den die Behörde im Zeitpunkt ihrer letzten Entscheidung haben konnte. Das gilt auch, wenn in Bezug auf die Tatsachenlage eine behördliche Schätzung erfolgt ist (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Februar 2019 – OVG 9 S 7.18 –, Rn. 17, juris).
Eine Gebührenfestsetzung, die auf einer Schätzung beruht, kann sich auch deshalb als rechtswidrig erweisen, weil im Nachhinein der Schätzungsanlass entfallen ist oder bessere Schätzungsgrundlagen vorhanden sind (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Februar 2019 – OVG 9 S 7.18 –, Rn. 17, juris). Das soll beispielsweise der Fall sein, wenn der Kläger während des Klageverfahrens zu erkennen gibt, die Bewohner seien etwa nur die Hälfte des Jahres auf dem Grundstück anwesend gewesen (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Februar 2019 – OVG 9 S 7.18 –, Rn. 17, juris). Zwar ist hier ein entsprechender Vortrag im Klageverfahren erfolgt: Eine Wohneinheit sei dauerhaft nicht bewohnt, eine weitere werde nur von einer Person bewohnt, eine dritte Einheit werde lediglich im Winter von einem Ehepaar bezogen, das mehr als die Hälfte des Jahres auf dem Campingplatz verbringe und die vierte Wohnung werde von zwei Personen bewohnt.
Dieser Vortrag des Klägers steht indes im Widerspruch zu der in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung herangezogenen Auskunft aus dem Landesmelderegister. Demnach waren im Jahr 2016 insgesamt zehn Personen durchgängig unter der Adresse M...1, F..., gemeldet und zwei weitere Personen jeweils für einige Monate (bis 24. März 2016 und ab 31. Mai 2016). Mindestens drei Meldungen lauten auf minderjährige Kinder, die dort laut amtlicher Auskunft mit einem Elternteil gewohnt haben dürften. Weder die Personenanzahl noch die Nutzungsgewohnheiten stimmen daher mit dem klägerischen Vortrag überein. Mit Blick auf die vermieteten Wohneinheiten genügt der insoweit unsubstantiierte Vortrag des Klägers nicht, die ursprünglichen Grundlagen der Schätzung zu ersetzen.
cc. Ebenso wenig vermag der Kläger mit seinem Tatsachenvortrag, das Wasser der Eigengewinnungsanlage sei für die Gartenbewässerung verwendet worden, durchzudringen. Grundsätzlich kommt es nicht darauf an, ob eine aus der Eigenversorgungsanlage (hier: Brunnen oder Pufferspeicher) stammende Trinkwassermenge tatsächlich in die öffentliche Schmutzwasseranlage gelangt ist, § 3 Abs. 2 Gebührensatzung Schmutzwasser. Vielmehr geht die Satzung von einer Zuführungsfiktion aus, hernach es genügt, dass Wassermengen dem Grundstück zugeführt werden, unabhängig davon, ob das Wasser im Garten versickert oder in einen dezentralen Schmutzwasserbehälter oder die zentrale Beseitigungsanlage eingeleitet wird. Somit gilt im Ausgangspunkt die widerlegliche Vermutung, das aus eigenen Wasserversorgungsanlagen stammende Trinkwasser sei in die öffentliche Schmutzwasseranlage gelangt. Diese Vermutung wird im vorliegenden Fall weder durch einen Wasserzähler noch durch ein Fachgutachten widerlegt, vgl. § 3 Abs. 3 S. 1, S. 4 Gebührensatzung Schmutzwasser. Dabei liegt es in der Risikosphäre des gebührenpflichtigen Grundstückseigentümers, was hinter dem vom beklagten Wasserverband installierten Trinkwasserzähler passiert. Es kann dahingestellt bleiben, unter welchen Umständen Eigenversorgungsanlagen „gebührenneutral“ ohne eigenen Wasserzähler betrieben werden können. Die Unerweislichkeit geht jedenfalls dann zulasten des Grundstückseigentümers, wenn infolge der unterlassenen Mitteilung über die genutzte Brunnenanlage deren Abnahme durch den Wasserverband unterblieben ist und überdies der gemessene Wasserverbrauch nahelegt, dass eine weitere Bezugsquelle von Wasser zur Verfügung gestanden haben könnte.
dd. Die Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung, für das Jahr 2019 sei nach Stilllegung des Brunnens eine Trinkwassermenge von 220 m3 abgelesen und abzüglich Gartenwasser eine Schmutzwassermenge von 112 m3 abgerechnet worden, lässt weder den Schätzungsanlass entfallen noch die Schätzungshöhe rechtswidrig erscheinen. Der Veranlagungszeitraum drei Jahre später ist kein tauglicher Schätzmaßstab für das hier interessierende Jahr 2016. Die indizielle Wirkung reicht nicht so weit, eindeutige Anhaltspunkte für ein wirklichkeitsnäheres Schätzergebnis zu liefern.
ee. Nach alledem kommt es auf die Frage, ob die Eigenversorgungsanlage des Klägers tatsächlich mit dem öffentlichen Trinkwasserversorgungsnetz verbunden gewesen ist, im vorliegend zu entscheidenden Verfahren nicht an.
V. Mangels Aufhebung des Gebührenbescheids besteht auch der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung in Höhe von 1.789,35 Euro nicht.
B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit mit Abwendungsbefugnis beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung. Die Gebühren und Auslagen des Prozessbevollmächtigten sind bei vollständigem Unterliegen in der Hauptsache nicht erstattungsfähig, § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO. Gründe, die Berufung zuzulassen, §§ 124a, 124 Abs. 2 Nr. 3, Nr. 4 VwGO, sind nicht ersichtlich.