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Entscheidung 1 L 232/23


Metadaten

Gericht VG Cottbus 1. Kammer Entscheidungsdatum 11.08.2023
Aktenzeichen 1 L 232/23 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2023:0811.1L232.23.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 53 Abs 3 S 7 SchulG BB

Tenor

1. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, das Kind der Antragsteller F... zum Schuljahr 2023/2024 im Bildungsgang Fachoberschulreife vorläufig in die Klassenstufe 7 aufzunehmen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Begehren, das Kind der Antragsteller F..., geboren am 0..., zum Schuljahr 2023/2024 vorläufig in die 7. Klasse der Musikbetonten Gesamtschule „P...“ in dem Bildungsgang „Fachoberschulreife“ (FOR) aufzunehmen, ist zulässig und begründet.

Nach § 123 Abs. 1 S. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahr zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der jeweilige Antragsteller das Bestehen eines materiellen Anspruchs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 und § 294 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Die Antragsteller haben sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund (unter 5.) glaubhaft gemacht.

Die Entscheidung der Antragsgegnerin, ihr Kind nicht aufzunehmen, ist im Ergebnis rechtswidrig. Zwar unterliegt die Ausgangskapazität der neu eingerichteten 7. Klassen an der Gesamtschule „P...“ keinen durchgreifenden Bedenken (unter 1.); die Aufteilung der Gesamtkapaziätät zwischen den Bildungsgängen Erweiterte Berufsbildungsreife (EBR)/FOR auf der einen und Allgemeine Hochschulreife (AHR) auf der anderen Seite ist jedoch zu Lasten der erstgenannten Bildungsgänge rechtsfehlerhaft um einen Platz zu niedrig angesetzt worden (unter 2.). Der danach in den Bildungsgängen EBR/FOR weitere zur Verfügung zu stellende Platz ist dem Kind der Antragsteller zuzuteilen (unter 4.).

1. Die Festsetzung der Ausgangskapazität auf 106 Schülerinnen und Schüler ist bedenkenfrei.

Nach § 50 Abs. 3 S. 2 des Brandenburgischen Schulgesetzes (BbgSchulG) ist die Aufnahmekapazität so zu bemessen, dass nach Ausschöpfung der verfügbaren personellen, räumlichen, sächlichen und fachspezifischen Ausstattung die Unterrichts- und Erziehungsarbeit gesichert ist. Nach § 4 Abs. 2 der Sekundarstufe I-Verordnung (Sek I-V) bestimmt der Schulträger im Rahmen der Schulorganisation die Zügigkeit und die Zahl der Plätze der Klassen in den jeweiligen Jahrgangsstufen unter Beachtung der Maßgaben des § 50 Abs. 3 S. 2 BbgSchulG (Aufnahmekapazität). Die Musikbetonte Gesamtschule „P...“ ist danach eine vierzügige Schule, wobei für zwei 7. Klassen – eine „Spezialklasse Musik“ und eine weitere Klasse – Plätze für jeweils 28 Schülerinnen und Schüler sowie für die beiden anderen 7. Klassen Plätze für jeweils 25 Schülerinnen und Schülern zur Verfügung gestellt werden. Bedenken hiergegen sind weder dargelegt noch veranlasst.

Nach § 103 Abs. 4 S. 1 BbgSchulG darf in Klassen der Jahrgangsstufe 7 eine Höchstgrenze von 30 Schülerinnen und Schülern nicht überschritten werden. Im Übrigen legt das für Schule zuständige Ministerium nach § 103 Abs. 4 S. 2 BbgSchulG fest die Richtwerte für die Klassenfrequenz neu einzurichtender Klassen (Nr. 1.), die Bandbreiten für die Klassenfrequenz bestehender Klassen (Nr. 2.) sowie – soweit vorliegend von Bedeutung – die Bedingungen für eine Überschreitung von Bandbreiten (Nr. 3. lit. c). Die Festlegung von Frequenzrichtwerten für die Bildung neu einzurichtender Schulklassen und von Bandbreiten für die Klassenfrequenz bestehender Klassen durch Verwaltungsvorschriften oder Rundschreiben des für Schule zuständigen Ministeriums findet in der Ermächtigungsnorm des § 103 Abs. 4 S. 2 BbgSchulG eine ausreichende gesetzliche Grundlage (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 04. Februar 2021 – OVG 3 S 123/20 –, juris Rn. 5 m. w. N.).

Nach § 5 Abs. 1 S. 1 der hiernach maßgeblichen Verwaltungsvorschriften des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport über die Unterrichtsorganisation vom 26. Juli 2017 (VV-Unterrichtsorganisation – ABl. MBJS/17, S. 302) gilt bei der Einrichtung von Klassen unter anderem in den Jahrgangsstufen 1 und 7 der jeweilige Frequenzrichtwert gemäß Anlage 1; für die Fortführung bestehender Klassen gilt die Bandbreite gemäß Anlage 1, die durch den oberen und den unteren Wert bestimmt wird, Nr. 5 Abs. 2 S. 1 und 2 VV-Unterrichtsorganisation. Der Anlage 1 VV-Unterrichtsorganisation nach beträgt der Frequenzrichtwert in der Sekundarstufe I an Gesamtschulen und Gymnasien 27 Schülerinnen und Schüler; die – den eindeutigen Bestimmungen in § 103 Abs. 4 S. 2 BbgSchulG und Nr. 5 Abs. 1 und 2 VV-Unterrichtsorganisation nach – für die Fortführung bestehender Klassen relevante Bandbreite (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. vom 2. September 2021 – OVG 3 S 102/21 –, juris Rn. 7) beträgt bei Gesamtschulen und Gymnasien in der Sekundarstufe I 20 bis 28 Schülerinnen. Nach § 11 Abs. 1 VV-Unterrichtsorganisation soll für neu einzurichtende Klassen mit Gemeinsamem Unterricht allerdings eine Klassenfrequenz von 25 nicht überschritten werden. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass das gemeinsame Unterrichten von Schülern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf eine niedrigere Klassenfrequenz als das Unterrichten von Schülern ohne sonderpädagogischen Förderbedarf angezeigt erscheinen lässt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22. August 2019 – OVG 3 S 52.19 –, juris Rn. 9; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 08. Oktober 2020 – OVG 3 S 92/20 –, juris Rn. 8).

Hiervon ausgehend wäre jedenfalls bei drei 7. Klassen eine Frequenzabsenkung auf jeweils 25 Schülerinnen und Schüler zulässig gewesen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 19. Oktober 2020 – OVG 3 S 61/20 –, juris Rn. 3), so dass sich eine Gesamtkapazität von 102 Plätzen ergeben hätte. Die tatsächlich zur Verfügung gestellte Gesamtkapazität für alle Bildungsgänge von 106 Plätzen überschreitet bereits den Frequenzrichtwert nach Nr. 5 Abs. 1 S. 1 VV-Unterrichtsorganisation.

Der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin vom 31. März 2023 steht zu der Antragserwiderung, die ebenfalls von 106 Plätzen ausgeht, nicht in Widerspruch: Zwar führt die Antragsgegnerin anfänglich aus, die Aufnahmekapazität der Schule liege bei den 7. Klassen „unter Berücksichtigung der gemäß § 7 Abs. 2 der Sekundarstufe I-Verordnung vorzuhaltenden Reserve für 8 Wiederholer“ bei 104 Plätzen, so dass sich eine Ausgangskapazität von 112 Plätzen ergäbe. Die weitere Berechnung der Schulleiterin auf Seite 2 des Bescheides und die Begründung, es stünden 42 Plätze im Bildungsgang EBR/FOR zur Verfügung, machen aber deutlich, dass auch der Bescheid nicht von einer einheitlichen Klassengröße mit 28 Schülerinnen und Schülern ausgegangen ist.

2. Die weitere Berechnung der Aufnahmekapazität bestimmt sich bei einer Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe (Gesamtschule) nach § 53 Abs. 3 S. 7 BbgSchulG zu einem Drittel der Aufnahmekapazität für den Bildungsgang zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife nach dem Vorrang der Eignung nach § 53 Abs. 5 S. 4 bis 6 BbgSchulG und zu zwei Dritteln der Aufnahmekapazität entsprechend dem Aufnahmeverfahren an Oberschulen.

Für das Aufnahmeverfahren an Oberschulen bestimmen § 53 Abs. 3 Sätze 5 und 6 BbgSchulG, dass die Auswahl (Nr. 1.) nach besonderen Härtefällen nach § 53 Abs. 4 und (Nr. 2.) im Übrigen nach der Nähe der Wohnung zur Schule erfolgt; im Umfang von bis zu 50 vom Hundert der Aufnahmekapazität können Schülerinnen und Schüler vorrangig berücksichtigt werden, wenn ein besonderer Grund vorliegt.

Für die Einzelheiten der Kapazitätsberechnung im Rahmen des vorliegend maßgeblichen Bildungsganges der Fachoberschulreife (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 lit. b) und § 20 Abs. 1 S. 1 BbgSchulG) sind des Weiteren die Bestimmungen der Sekundarstufe I-Verordnung, hier vor allem § 7 Abs. 2 S. 1 und 2, § 32 Abs. 1- 3 und 5 - 6 sowie § 50 Sek I-V, maßgeblich.

Nach § 32 Abs. 1 Sek I-V werden, wenn die Zahl der Anmeldungen die Aufnahmekapazität einer Gesamtschule übersteigt, bis zu einem Drittel der Plätze an Schülerinnen und Schüler vergeben, die den Bildungsgang zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife gewählt haben; die übrigen Plätze sind an Schülerinnen und Schüler zu vergeben, die den Bildungsgang zum Erwerb der Fachoberschulreife und der erweiterten Berufsbildungsreife gewählt haben. Nach § 32 Abs. 2 Sek I-V ist die für die Drittelung gemäß § 53 Abs. 3 S. 7 BbgSchulG maßgebliche Aufnahmekapazität die Anzahl der Plätze, die sich aus der Gesamtzahl aller in der Jahrgangsstufe 7 zu vergebenden Plätze abzüglich – soweit vorliegend von Bedeutung – der Plätze für Schülerinnen und Schüler ergibt, die nach § 50 Abs. 2 BbgSchulG aufgenommen werden und nach den Rahmenlehrplananforderungen für den Bildungsgang zum Erwerb des Abschlusses der Schule a) mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt „Lernen“ oder b) mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt „geistige Entwicklung“ unterrichtet werden. Nach § 32 Abs. 3 Sek I-V werden Schülerinnen und Schüler, die nach § 50 Abs. 2 BbgSchulG aufgenommen werden und nach den Rahmenlehrplananforderungen für die Bildungsgänge in der Sekundarstufe I unterrichtet werden oder die nach § 53 Abs. 4 BbgSchulG bei der Aufnahme vorrangig zu berücksichtigen sind, entsprechend dem gewählten Bildungsgang den jeweiligen Aufnahmedritteln gemäß § 53 Abs. 3 S. 7 BbgSchulG vorab zugeordnet.

Für die gerichtliche Überprüfung dieser Voraussetzungen der Kapazitätsberechnung ist im Grundsatz die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Aufnahmeentscheidung maßgebend, die als Abschluss des bei Übernachfrage durchzuführenden Auswahlverfahrens ergeht (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 18. September 2014 – OVG 3 S 47.14 –, juris Rn. 4; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22. August 2019 – OVG 3 S 52.19 –, juris Rn. 2; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22. September 2022 – OVG 3 S 27/22 –-, n. v. Beschlussabdruck S. 2).

Nach alledem sind von den 106 für alle Bildungsgänge zur Verfügung stehenden Plätzen zunächst 2 Plätze für die Schülerin und den Schüler abzuziehen, die dem Gemeinsamen Unterricht in der Gesamtschule „P...“ vom Staatlichen Schulamt wegen sonderpädagogischen Förderbedarfs in dem Förderschwerpunkt „Lernen“ zugewiesen wurden (vgl. zu dieser Berechnung auch: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 27. September 2022 – OVG 3 S 60.22 –, Beschlussabdruck S. 2).

Des Weiteren sind 8 Plätze abzuziehen, die nach § 7 Abs. 2 S. 1 Sek I-V für 8 Wiederholerinnen oder Wiederholer zurückgehalten wurden. Insoweit hat die Antragsgegnerin mit Schreiben an die Schulrätin vom 28. Februar 2023 (Bl. 13 BA II des Verfahrens VG 1 L 148/23) ausgeführt, nach derzeitigem Sachstand könne für 11 Schülerinnen und Schüler eine Versetzung nicht erfolgen und es werde mit Blick auf eine zu erwartende positive Entwicklung gebeten, 8 Plätze zurückzuhalten. Dieser seinerzeitige Bedarf für Wiederholerinnen und Wiederholer, die der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin zudem in dem dortigen Verfahren mit Schriftsatz vom 17. Juli 2023 weiter untersetzt hat, ist plausibel und nicht zu beanstanden.

Von diesen 96 Plätzen sind anschließend die 28 Plätze für die „Spezialklasse Musik“ in Abzug zu bringen. In diese Spezialklasse wurden nach Maßgabe des Schreibens des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport vom 21. Januar 2018 in einem besonderen Aufnahmeverfahren zur Prüfung ihrer Eignung und ihrer musikalischen besonderen Begabung (§ 53 Abs. 7 S. 2 BbgSchulG, § 8 Abs. 1 Sek I-V) diejenigen Schülerinnen und Schüler aufgenommen, die, anders als die Tochter der Antragsteller, das Wahlpflichtfach Musik dieser Spezialklasse gewählt haben („Musik-Ranking“).

Die sich danach ergebenden 68 Plätze stehen für eine Aufteilung auf die Bildungsgänge – AHR auf der einen Seite, EBR/FOS auf der anderen Seite – zur Verfügung, wobei auf den Bildungsgang AHR allerdings lediglich 22 und nicht, wie von der Antragsgegnerin (Bl. 11 Beiakte [BA] II des Verfahrens VG 1 L 148/23) und der Antragserwiderung errechnet, 23 Plätze, entfallen. Es ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 32 Abs. 1 S. 1 Sek I-V („bis zu einem Drittel“), dass insoweit keine Aufrundung, sondern nur eine Abrundung in Betracht kommt (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 18. Oktober 2022 – OVG 3 S 32/22 –, Beschlussabdruck S. 2). Danach stehen für das Kontingent im Bereich EBR/FOS 46 und nicht lediglich 45 Plätze zur Verfügung, von denen mit Blick auf den eindeutigen Wortlaut des § 32 Abs. 3 Sek I-V in diesem Verfahrensstadium – und nicht mit Blick auf § 4 Abs. 4 S. 1 Sek I-V bereits vor der „Drittelung“ (a. A. VG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 19. August 2010 – 1 L 258/10 –, juris Rn. 15) – die weiteren vom Staatlichen Schulamt zugewiesenen Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, in diesem Bildungsgang 3 Schülerinnen und Schüler mit dem Förderbedarf in den Förderschwerpunkten „Emotionale und soziale Entwicklung“ und „Hören“, abzuziehen sind.

Ein Härtefall nach § 53 Abs. 4 BbgSchulG ist in diesem hier maßgeblichen Bildungsgang demgegenüber von der Antragsgegnerin nicht berücksichtigt worden. Die Aufnahme eines Schülers als Härtefall (Bl. 22 ff. BA II VG 1 L 148/23) betrifft den von diesem Schüler gewählten Bildungsgang AHR und wirkt sich im Rahmen der vorliegend maßgeblichen Berechnung EBR/FOR daher nicht aus, § 32 Abs. 3 Sek I-V.

3. Nach alledem stehen im Bildungsgang EBR/FOS nicht lediglich – wie von Antragsgegnerseite errechnet – 42, sondern 43 Plätze für Schülerinnen und Schüler zur Verfügung, die nach der Nähe der Wohnung zur Schule zu vergeben waren.

Insoweit unterliegt das von der Antragsgegnerin erstellte „FOR-Ranking (+EBR)“, anders als die Antragsteller des vorliegenden Eilverfahrens in der Antragsbegründung vom 10. August 2023 vortragen lassen, keinen durchgreifenden Bedenken. Die Antragsgegnerin hat das für sie maßgebliche Kriterium der Nähe der Wohnung zur Schule bis auf zwei Stellen nach dem Komma und daher offenbar nach dem „Falk-Routenplaner“ für die kürzeste Wegstrecke mit dem Kraftfahrzeug ermittelt. Die Nutzung dieses internetbasierten Routenplaners ist zulässig und die sich ergebenden Pauschalierungen und Typisierungen müssen Eltern und ihre Kinder grundsätzlich hinnehmen, sofern sich nicht im Einzelfall aufdrängen muss, dass die vom Routenplaner berechnete Wegstrecke nicht dem nach Länge oder Dauer kürzest möglichen Schulweg entspricht (vgl. etwa Sächsisches OVG, Beschl. v. 05. September 2022 – 2 B 237/22 –, juris Rn. 9 m. w. N.; OVG f. d. Ld. Nordrhein-Westfalen, Beschl. vom 11. August 2021 – 19 B 1245/21 –, juris Rn. 8 m. w. N.). Derartige Umstände sind weder dargelegt noch für das Gericht auf Grund einer Überprüfung der Entfernungen in den noch anhängigen Eilverfahren ersichtlich. Es ist ebenfalls nicht ersichtlich, auf welcher rechtlichen Grundlage es einer „Autorisierung“ der Reihenfolge „durch die Unterschriften der rankingdurchführenden Personen“ bedürfen sollte und schließlich erklärt sich die von Seiten der Antragsteller in der Antragsbegründung des vorliegenden Verfahrens angesprochene Differenz in der Reihenfolge aus dem grün unterlegten Bereich des „FOR-Ranking (+EBR)“ von selbst. „Mängel in der Dokumentation“ im Rahmen des Aufnahmeverfahrens, die geeignet wären, „das gesamte Verfahren in Zweifel zu ziehen“, sind für das Gericht ebenfalls nicht ersichtlich.

4. Der zusätzliche (fiktive) Platz ist im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes - GG) von der Gesamtschule als Ausgleich für den rechtswidrig im Bildungsgang AHR belegten Platz bereitzustellen, soweit die Funktionsfähigkeit des Schulbetriebs – was vorliegend nicht zweifelhaft ist – weiterhin gewährleistet werden kann.

Im Grundsatz sind zusätzliche Plätze, die als Ausgleich für rechtswidrig belegte Plätze bereitgestellt werden müssen, an diejenigen Bewerber zu vergeben, die die Abweisung nicht hingenommen und um verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht haben, ohne dass es auf die Nachrückerliste ankäme (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 06. September 2019 – OVG 3 S 79.19 –, juris Rn. 12 – 13; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 08. Oktober 2019 – OVG 3 S 91.19 –, juris Rn. 11). Demgegenüber verlangt Art. 19 Abs. 4 GG nicht, dass alle Antragstellerinnen und Antragsteller der anhängigen gerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren in die Schule aufgenommen werden müssten, wenn nach Auffassung des Verwaltungsgerichts auch nur ein weiterer Platz zur Verfügung gestellt werden müsste, denn dann würde der Fehler überkompensiert (OVG der Freien Hansestadt Bremen, Beschl. v. 18. August 2017 – 1 B 165/17 –, juris Rn. 6). In diesem Fall ist vielmehr eine Rangfolge unter den Betroffenen zu bilden (OVG Berlin, Beschl. v. 17. Dezember 2004 – 8 S 110.04 –, juris Rn. 16), wobei die Effektivität des Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG dadurch hinreichend sichergestellt ist, dass nunmehr zusätzlich das Kind aufgenommen wird, das die Ablehnung der Aufnahme nicht hat bestandskräftig werden lassen und das unter den verbliebenen Antragstellern über den besten Wartelistenplatz verfügte (OVG der Freien Hansestadt Bremen, Beschl. v. 18. August 2017 – 1 B 165/17 –, juris Rn. 8; anders bei Rechtswidrigkeit des bisherigen Auswahlkonzepts: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 27. September 2013 – OVG 3 S 50.13-, Beschlussabdruck S. 5; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 06. Oktober 2017 – OVG 3 S 71.17 –, Beschlussabdruck S. 5).

Der weitere in dem Bildungsgang EBR/FOR zur Verfügung stehende Schulplatz ist innerhalb der Gruppe der bei der Kammer noch anhängigen Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes daher an die Schülerin oder den Schüler zu vergeben, die oder der nach dem maßgeblichen Kriterium der Antragsgegnerin „Nähe der Wohnung zur Schule“ den vordersten Nachrückerplatz einnimmt. Das ist der Liste der Antragsgegnerin („FOR-Ranking +EBR) nach die auf Platz 62 (58) geführte Tochter der Antragsteller, deren Wohnung 2,96 Kilometer von der Schule entfernt liegt.

4. Die Antragsteller haben auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Es kann ihnen unter Beachtung des Gebotes effektiven Rechtsschutzes nicht zugemutet werden, eine Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren abzuwarten, denn es ist zu befürchten, dass sich ihr Anspruch in diesem Fall durch Zeitablauf mit Ende des Schuljahres 2023/2024 erledigen würde. Das begründet einen wesentlichen Nachteil im Sinne von § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO. Die Antragsteller müssen sich auch nicht darauf verweisen lassen, dass ihr Kind den gewünschten Bildungsgang an einer anderen Schule durchlaufen kann und dass diese Schule zumutbar erreichbar ist, denn § 53 Abs. 1 BbgSchulG vermittelt grundsätzlich ein Recht auf Aufnahme entsprechend dem Elternwunsch (etwa: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 04. September 2013 – OVG 3 S 45.13 –, juris Rn. 3 f.).

II. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. Ziffer 38.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.