Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 1. Senat | Entscheidungsdatum | 21.06.2023 | |
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Aktenzeichen | OVG 1 S 76/22 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2023:0621.OVG1S76.22.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | Art 5 Abs 4 EGV 765/2008, Nr 4 DIN EN ISO/IEC 17065:2013, Nr 3.18 DIN EN ISO/IEC 17011:2004, Nr 5.3 DIN EN ISO/IEC 17000, § 80 Abs 5 VwGO |
Zu den Voraussetzungen einer für sofort vollziehbar erklärten Aussetzung einer Akkreditierung gemäß Art. 5 Abs. 4 VO (EG) Nr. 765/2008 i. V. m. der DIN EN ISO/IEC 17065:2013 wegen des Vorwurfs fehlender Kompetenz infolge unzureichender Unparteilichkeit.
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 5. Dezember 2022 wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 14. Juni 2022 wird wiederhergestellt.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt die Antragsgegnerin.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 113.575 EUR festgesetzt.
I. Die Antragstellerin wendet sich gegen die sofort vollziehbar erklärte Aussetzung einer Akkreditierung.
Die Antragsgegnerin, die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS), erteilte der Antragstellerin in mehreren Schritten die Akkreditierung als Zertifizierungsstelle für Produkte, Prozesse und Dienstleistungen nach der DIN EN ISO/IEC 17065:2013 (Konformitätsbewertung – Anforderungen an Stellen, die Produkte, Prozesse und Dienstleistungen zertifizieren, im Folgenden nur: DIN 17065). Die Akkreditierung betrifft die Bereiche Lebensmittelverarbeitung in allen Produktkategorien, Lagerung, Transport und Logistik von Lebensmitteln und anderen Produkten, Beurteilung von Produkten und Prozessen von Lieferanten, die Haushalts- und Körperpflegeprodukte herstellen, sowie die Auditierung von Qualität und Sicherheit von Verpackungsmaterialien.
Im Rahmen der Überwachung der Akkreditierung führte die Antragsgegnerin im Mai 2021 eine Wiederholungsbegutachtung durch, in deren Ergebnis sie verschiedene Abweichungen von der DIN 17065 feststellte, von denen sie zuletzt drei als kritisch einstufte. Diese betreffen die Handhabung der Unparteilichkeit (Vorwurf der unzulässigen Beratung durch Schlüsselpersonal der Zertifizierungsstelle und unzulässigen Durchführung von Beratung und internen Audits bei Kunden der Zertifizierungsstelle; Abweichungsberichte Nr. 1/11 und Nr. 2/11) sowie die Managementsystemanforderungen (Abweichungsbericht Nr. 6/11). Die Antragsgegnerin gab der Antragstellerin auf, die Abweichungen binnen zweier Monate zu beheben. Dem kam die Antragstellerin hinsichtlich der im Bericht Nr. 6/11 vorgeworfenen Abweichung teilweise nach. Hinsichtlich der zwischen den Beteiligten noch streitigen Fragen, ob und inwieweit die Antragstellerin und/oder ihre beiden Gesellschafter in ihren jeweils zusätzlich betriebenen Unternehmensberatungen Kunden aus der Lebensmittelbranche beraten dürfen, ohne die Vorgaben der DIN 17065 zur Unparteilichkeit der Zertifizierungsstelle zu verletzen, konnte im Folgenden keine Einigkeit erzielt werden.
Mit Bescheid vom 14. Juni 2022 setzte die Antragsgegnerin die der Antragstellerin erteilte Akkreditierung als Zertifizierungsstelle für Produkte, Prozesse und Dienstleistungen für die Bereiche
1. Lebensmittelverarbeitung in allen Produktkategorien auf der Grundlage des IFS Food Standards, Version 7,
2. Handel von Lebensmitteln und anderen Produkten auf der Grundlage des IFS Broker Standards, Version 3,
3. Lagerung, Transport und Logistik von Lebensmitteln und anderen Produkten auf der Grundlage des IFS Logistics Standards, Version 2,
4. Beurteilung von Produkten/Prozessen von Lieferanten, die Haushalts- und Körperpflegeprodukte herstellen, auf der Grundlage des IFS HPC Standards, Version 2,
5. Auditierung von Qualität und Sicherheit von Verpackungsmaterialien auf der Grundlage des IFS PACsecure Standards, Version 1,
6. Großhandel, Verteilung und Behandlung von Lebensmitteln sowie Großhandel und Verteilung von anderen Produkten auf der Grundlage des IFS Wholesale/Cash & Carry Standards, Version 2,
mit sofortiger Wirkung aus. Während der Zeit der Aussetzung dürfe die Antragstellerin keine Zertifizierungen und Überwachungen vornehmen. Die Kunden seien über die Aussetzung unverzüglich in Kenntnis zu setzen und müssten ihrerseits den Verweis auf die Akkreditierung beseitigen, sofern es sich um zukunftsbezogene und überwachungspflichtige Konformitätsaussagen handele. Ferner entzog die Antragsgegnerin der Antragstellerin die Erlaubnis zur Verwendung des Akkreditierungssymbols für die vorgenannte Akkreditierung während der Zeit der Aussetzung. Das Akkreditierungssymbol sei aus allen genutzten Medien (Briefbögen, Zertifikaten etc.) mit Zustellung des Bescheides zu entfernen und die den Kunden erteilten Zertifikate mit Akkreditierungssymbol seien unverzüglich aus dem Markt zu entfernen. Die Antragsgegnerin ordnete die sofortige Vollziehung der Maßnahmen an und forderte die Antragstellerin zugleich auf, die bisherige Akkreditierungsurkunde einschließlich der Urkundenanlage innerhalb von zwei Wochen nach Zugang des Bescheides zurückzugeben. Hiergegen hat die Antragstellerin unter dem 15. Juni 2022 Widerspruch erhoben.
Den ferner hiergegen gestellten Eilrechtsschutzantrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 5. Dezember 2022 abgelehnt. Der angefochtene Bescheid sei bei summarischer Prüfung rechtmäßig. Im Hinblick auf das zu schützende Vertrauen in die Integrität des Akkreditierungssystems rechtfertige auch eine nur abstrakte Gefährdung des Handels mit Lebensmitteln die Anordnung der sofortigen Vollziehung.
II. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Das Beschwerdevorbringen, das nach § 146 Abs. 4 VwGO den Umfang der Überprüfung durch das Oberverwaltungsgericht bestimmt, führt zur Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses.
Die Antragstellerin weckt mit der Beschwerde Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung, denen abschließend im Hauptsacheverfahren nachzugehen sein wird. Im Hinblick auf den von ihr plausibel dargelegten Ausschluss einer konkreten Gefährdung der Unparteilichkeit bei der Vornahme von Konformitätsbestätigungen überwiegt bei der im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vom Senat anzustellenden Interessenabwägung ihr Interesse an der vorläufigen Suspendierung der Aussetzung ihrer Akkreditierung das öffentliche Interesse an deren Sofortvollzug. Im Einzelnen:
1. Rechtsgrundlage für die Aussetzungsentscheidung ist Art. 5 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 9. Juli 2008 (ABl. L 218 vom 13. August 2008 S. 30), geändert durch Verordnung (EU) 2019/1020 vom 20. Juni 2019 (ABl. L 169 vom 25. Juni 2019 S. 1 – im Folgenden: VO (EG) Nr. 765/2008). Danach trifft eine nationale Akkreditierungsstelle innerhalb einer angemessenen Frist alle geeigneten Maßnahmen, um die Akkreditierungsurkunde einzuschränken, auszusetzen oder zurückzuziehen, wenn sie feststellt, dass eine Konformitätsbewertungsstelle, der eine Akkreditierungsurkunde ausgestellt wurde, nicht mehr über die Kompetenz verfügt, eine bestimmte Konformitätsbewertungstätigkeit auszuführen, oder ihre Verpflichtungen gravierend verletzt hat.
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, ist unschädlich, dass die Aussetzung einer erteilten Akkreditierung weder im Verwaltungsverfahrensgesetz noch spezialgesetzlich, etwa im Gesetz über die Akkreditierungsstelle vom 31. Juli 2009 (BGBI. I S. 2625), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 2022 (BGBl. I S. 2752 – AkkStelleG), näher geregelt ist. Art. 5 Abs. 4 VO geht als unmittelbar geltendes Unionsrecht nach Art. 288 UAbs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union dem nationalen Verwaltungsverfahrensgesetz vor (vgl. Urteil des Senats vom 14. Dezember 2016 – OVG 1 26.14 – juris, Rn. 38 m.w.N.). Die Aussetzung ist eine Maßnahme, die in Nr. 3.18 der technischen Norm DIN EN ISO/IEC 17011:2004 (im Weiteren: DIN 17011) über Allgemeine Anforderungen an Akkreditierungsstellen, die Konformitätsbewertungsstellen akkreditieren – einer harmonisierten Norm der Europäischen Union (vgl. Art. 2 Nr. 9 VO (EG) Nr. 765/2008 sowie die Mitteilung der Kommission, ABI. EU 2015 C 54, S. 127, 129) – definiert ist als eine „zeitweise Beschränkung der Akkreditierung, entweder völlig oder für einen Teil des Geltungsbereichs der Akkreditierung“.
2. Wie das Verwaltungsgericht ferner zutreffend ausgeführt hat, ist die Antragsgegnerin infolge der Beleihung durch § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Beleihung der Akkreditierungsstelle nach dem Akkreditierungsstellengesetz vom 21. Dezember 2009 (BGBI. I 2009, 3962) mit den Aufgaben der (deutschen) nationalen Akkreditierungsstelle betraut.
3. Fraglich ist jedoch, ob die Antragsgegnerin und ihr folgend das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen haben, die Antragstellerin verfüge nicht mehr über die erforderliche Kompetenz, weil sie maßgebliche Vorgaben der DIN 17065 nicht beachte.
a) Die DIN 17065 sieht in ihrem Kapitel 4.2 Regelungen für die Handhabung der Unparteilichkeit vor. „Unparteilichkeit“ bedeutet gemäß der Legaldefinition in Nr. 5.3 der DIN EN ISO/IEC 17000:2020 (im Folgenden: DIN 17000), die nach Nr. 2 DIN 17065 auch für den Anwendungsbereich dieses Regelungswerks Geltung beansprucht, „Objektivität in Bezug auf das Ergebnis einer Konformitätsbewertungstätigkeit“. Zertifizierungstätigkeiten müssen unparteiisch durchgeführt werden (Nr. 4.2.1 DIN 17065), wofür die Zertifizierungsstelle verantwortlich (Nr. 4.2.2 DIN 17065) und im Zweifel nachweispflichtig (Nr. 4.2.4 DIN 17065) ist. Ihre Leitung muss sich zur Unparteilichkeit verpflichten (Nr. 4.2.5 DIN 17065).
b) Gemäß Nr. 4.2.6 Buchst. d) DIN 17065 dürfen die Zertifizierungsstelle sowie Teile derselben juristischen Person sowie juristische Personen, die unter ihrer organisatorischen Kontrolle stehen, keine Beratungen für ihre Kunden anbieten oder bereitstellen. Nach Nr. 3.1 DIN 17065 ist „Kunde“ eine Organisation oder Person, die gegenüber einer Zertifizierungsstelle verantwortlich dafür ist sicherzustellen, dass die Zertifizierungsanforderungen, einschließlich der Produktanforderungen, erfüllt sind. Ausweislich der Anmerkung zu dieser Regelung ist hiervon in der Regel auch der „Antragsteller“ umfasst. Diese Definition spricht für die Richtigkeit der Annahme der Antragstellerin, „ihre Kunden“ im Sinne der Nr. 4.2.6 Buchst. d DIN 17065 seien ausschließlich „Zertifizierungskunden“ der Zertifizierungsstelle, also (natürliche oder juristische) Personen, die bei ihr um eine konkrete Zertifizierung nachgesucht haben, sowie Antragsteller für eine solche Zertifizierung, nicht aber sonstige Kunden der Organisation, bei der (auch) eine Zertifizierungsstelle eingerichtet ist. Die Antragstellerin bestreitet, gegenüber ihren Zertifizierungskunden Beratungsleistungen i. S. d. Nr. 3.2 DIN 17065 erbracht zu haben. Dem tritt die Antragsgegnerin nicht substantiiert entgegen.
Ebenso dürfte die Annahme der Antragstellerin zutreffen, bei den Gesellschaftern einer GmbH (als natürliche Personen) handele es sich nicht um „Teile derselben juristischen Person“ i. S. d. Nr. 4.2.6 DIN 17065. Die rechtlich selbständigen Unternehmensberatungen der beiden Gesellschafter der Antragstellerin stehen gemäß Nr. 7.6.4 DIN 17065 auch nicht unter der organisatorischen Kontrolle der Antragstellerin. Ihr dürfte darin beizupflichten sein, dass Tätigkeiten sonstiger juristischen Personen, mit denen die Zertifizierungsstelle Beziehungen hat, die sich negativ auf ihre Unparteilichkeit auswirken könnten, nicht der Regelung Nr. 4.2.6, sondern den Regelungen in den Nr. 4.2.7 und 4.2.8 DIN 17065 unterfallen. Hiervon geht im Übrigen auch die Antragsgegnerin in ihrer Festlegung 71 SD 0 013 vom 4. Dezember 2014 (S. 7 f.) aus, die am 25. November 2014 vom Akkreditierungsbeirat bestätigt wurde und im Übrigen im Falle der Bekanntmachung nach § 5 Abs. 3 AkkStelleG von ihr nach § 2 Abs. 1 Satz 2 AkkStelleG anzuwenden wäre (zur Bindungswirkung – nur – für Behörden vgl. BVerwG, Urteil vom 19. September 2018 – BVerwG 8 C 6.17 – juris Rn. 18).
Eine Verletzung der Vorgaben der Nr. 4.2.6 DIN 17065 ist nach allem bislang nicht in einer Weise dargetan, die den Sofortvollzug der Aussetzung der Akkreditierung rechtfertigen würde.
b) Gemäß Nr. 4.2.7 DIN 17065 muss die Zertifizierungsstelle sicherstellen, dass auch die Tätigkeiten rechtlich getrennter juristischer Personen, mit denen die Zertifizierungsstelle oder die juristische Person, der sie angehört, Beziehungen hat, die Unparteilichkeit ihrer Zertifizierungstätigkeiten nicht beeinträchtigen.
Nr. 4.2.8 DIN 17065 bestimmt, dass die Leitung und das Personal der Zertifizierungsstelle nicht an der Herstellung oder dem Angebot des zertifizierten oder zu zertifizierenden Produktes beteiligt sein und hierzu auch keine Beratung anbieten oder erbringen darf. Ob sich das an dieser Stelle geregelte Beratungsverbot nur auf Produktberatung bezieht, wie die Antragstellerin meint und wofür der systematische Zusammenhang spräche, oder auch auf Prozessberatung, bedarf keiner Entscheidung, denn Prozessberatung durch rechtlich getrennte juristische Personen ist jedenfalls vom Anwendungsbereich der Nr. 4.2.7 DIN 17065 erfasst.
Die Antragstellerin hat unwidersprochen betont, dass ihre Gesellschafter auch in ihren Unternehmensberatungen zu keiner Zeit Beratungsleistungen gegenüber Kunden erbracht haben, die Zertifizierungsleistungen erhalten haben. Die Kundenkreise von Zertifizierung und Beratung seien strikt voneinander getrennt; es werde ein System vorgehalten, mit dem Überschneidungen erkannt und ausgeschlossen werden könnten. Auch sei die Regelung in Nr. 4.2.10 DIN 17065, nach der für das Personal der Zertifizierungsstelle eine Karenzzeit zwischen Produktberatung und Produktzertifizierung von in der Regel zwei Jahren vorgesehen ist, noch niemals zur Anwendung gelangt.
Die Antragstellerin macht darüber hinaus unwidersprochen geltend, sich zur Gewährleistung ihrer Unparteilichkeit an die Vorgaben der European Accreditation in ihrem Guidance-Dokument EA-2/20 G: 2020 vom 14. April 2020 zu halten und dies gegenüber der Antragsgegnerin wiederholt nachgewiesen zu haben. Das Dokument enthält Leitlinien zu der Frage, wann Beratung vorliegt und in welchen Fällen, unter welchen Voraussetzungen und wem gegenüber Zertifizierungsstellen Beratungsleistungen erbringen können. In bestimmten Fällen schließt es (Beratungs-)Leistungen auch gegenüber anderen als Zertifizierungskunden aus.
Der Einwand des Verwaltungsgerichts, die Dokumente der European Accreditation fänden nur im Verhältnis der Antragsgegnerin zu dieser Vereinigung Anwendung und seien nicht drittschützend (BA S. 19) ändert nichts daran, dass die Verordnung (EG) Nr. 765/2008 gerade auf eine unionsweite Harmonisierung der Akkreditierung und auf die Beseitigung uneinheitlich strenger Akkreditierungsvoraussetzungen in den Mitgliedsstaaten abzielt (vgl. etwa Art. 2 Nr. 9 sowie Erwägungsgrund 10 der Verordnung). Deshalb sollten Stellungnahmen des Horizontal Harmonization Committees bei Auslegung der Bestimmungen der DIN 17065 nicht unberücksichtigt bleiben, auch wenn es sich hierbei „nur“ um ein Guidance-Dokument handelt. Dass das – bis April 2021 umzusetzende – Dokument den Vorgaben der DIN 17065 widerspricht, wie die Antragsgegnerin meint, ist zwischen den Beteiligten streitig und im Hauptsacheverfahren zu klären. Der Wortlaut der DIN 17065 sowie der DIN 17000 lässt nach dem zuvor Gesagten keinesfalls nur das Verständnis der Antragsgegnerin zu. Im Übrigen sind DIN-Normen keine Rechtsvorschriften im Sinne von § 36 Abs. 1 Alt. 1 VwVfG, sondern rein private Regelwerke mit Empfehlungscharakter, die als Orientierungshilfe im Rahmen der tatrichterlichen Bewertung der zu beurteilenden Sachverhalte dienen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. September 2018 – BVerwG 8 C 6.17 – juris Rn. 27).
c) Ist nach allem der Ausgang des Klageverfahrens offen, hat der Senat das Interesse der Antragstellerin an der vorläufigen Suspendierung der Aussetzung ihrer Akkreditierung gegen das öffentliche Interesse an deren sofortiger Vollziehung abzuwägen. Danach überwiegt das Interesse der Antragstellerin, vorerst von der Aussetzung verschont zu bleiben. Ihre berufliche Tätigkeit genießt nicht nur den Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG, sondern, da Unionsrecht vollzogen wird, auch den Schutz durch Art. 15 und 16 EU-GR-Charta (vgl. deren Art. 51 Abs. 1 Satz 1). Zwar ist dem Verwaltungsgericht darin beizupflichten, dass auch das Vertrauen in die Qualität der Akkreditierungstätigkeit ein bedeutendes Gut ist. Eine konkrete Gefährdung dieses Gutes steht jedoch nicht im Raum, schon gar nicht der Vorwurf einer konkreten parteiischen Zertifizierung eines Zertifizierungskunden durch die Antragstellerin. Die Vertraulichkeit der Informationen der Zertifizierungskunden ist unabhängig von der Frage zu gewährleisten, ob und ggf. welche Beratungsleistungen die Antragstellerin erbringen darf oder nicht (vgl. Kapitel 4.5 DIN 17065). Eine konkrete Verletzung dieser Vertraulichkeitspflicht durch die Antragstellerin wirft die Antragsgegnerin ihr nicht vor.
Sollten im Verlauf des Hauptsacheverfahrens Anhaltspunkte für eine konkrete Verletzung der Pflicht der Antragstellerin zur Unparteilichkeit auftreten oder sollte sie hinter den bislang praktizierten Vorsorgemaßnahmen zur strikten und dauerhaften Trennung von Zertifizierungs- und Beratungskunden sowie zur Einhaltung der Vorgaben des Guidance-Dokuments EA-2/20 G: 2020 zurückbleiben, wäre zu prüfen, ob die hiesige Entscheidung gemäß § 80 Abs. 7 VwGO zu ändern ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).