Gericht | OLG Brandenburg 5. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 29.06.2023 | |
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Aktenzeichen | 5 U 226/22 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:0629.5U226.22.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 14. Oktober 2022 verkündete Urteil des Landgerichts Neuruppin, Az. 1 O 44/22, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung nicht zukommt, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht geboten ist.
I.
1.
Das Landgericht hat mit der angefochtenen Entscheidung die Klage, die auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gerichtet ist, abgewiesen, weil der geltend gemachte Anspruch verjährt sei.
Die Klägerin habe am 9. Oktober 2016 das streitgegenständliche Fahrzeug, einen gebrauchten VW Touareg 3.0 V6 TDI (EU6), zu einem Kaufpreis von 53.700 € erworben. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten entwickelten und hergestellten 3.0 Liter EA897 Evo Diesel Euro 6 Motor ausgestattet und verfügt über eine Motorsteuerungssoftware, die den Ausstoß von Stickoxid im Prüfstandbetrieb optimiert. Im Februar 2018 wurde die Klägerin vom Volkswagen Verbraucherschutz schriftlich darüber informiert, dass in den Fahrzeugen des von ihr erworbenen Typs in einem begrenzten Fertigungszeitraum Dieselmotoren mit einer Motorsteuerungs-Software verbaut worden seien, durch die die Stickoxidwerte im Vergleich zwischen Prüfstand und realem Fahrbetrieb verschlechtert worden seien. Deswegen sei aufgrund einer angeordneten Rückrufaktion ein Software-Update erforderlich. Die Klägerin verkaufte das Fahrzeug mit Vertrag vom 8. Oktober 2021 zu einem Kaufpreis von 18.000 € bei einem Kilometerstand von 160.150 km. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegenstehe. Die regelmäßige Verjährungsfrist für einen Schadensersatzanspruch nach §§ 826, 31 BGB betrage drei Jahre und beginne nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei (§ 199 Abs. 1 BGB) und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Tatsachen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt habe oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Die danach für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis habe die Klägerin spätestens im Jahr 2018 durch das an sie adressierte Schreiben des Volkswagen Verbraucherschutzes vom Februar 2018 erlangt. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB habe daher spätestens mit dem Schluss des Jahres 2018 begonnen und habe mit dem Ablauf des Jahres 2021 geendet, also vor Einreichung der Klage im Jahr 2022. Wie der Bundesgerichtshof bereits wiederholt entschieden habe, genüge es in Fällen der vorliegenden Art für den Beginn der Verjährung gemäß § 199 Abs. 1 BGB, dass der geschädigte Fahrzeugkäufer Kenntnis vom „Diesel-“ bzw. „Abgasskandal“ im Allgemeinen, von der konkreten Betroffenheit seines Fahrzeugs und von der Relevanz dieser Betroffenheit für seine Kaufentscheidung habe, wobei die letztgenannte Kenntnis nicht gesondert festgestellt werden müsse, vielmehr naturgemäß bei dem Geschädigten vorhanden sei. (u. a. BGH NJW 2022, 1311 Rn. 15-24; NJW 2021, 918, Rn. 20 ff.).
Durch das Kundenschreiben im Jahr 2018 habe die Klägerin positive Kenntnis von der Betroffenheit ihres Fahrzeugs vom Dieselskandal erhalten. Ihr sei es zumutbar gewesen, im Jahr 2018 Klage zu erheben und etwaige Ansprüche gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 BGB geltend zu machen. Es bedurfte hierzu auch keiner besonderen Kenntnisse von den internen Verantwortlichkeiten im Hause der Beklagten. Darauf, ob die Klägerin bereits im Jahr 2018 aus den ihr bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse gezogen habe, komme es nach der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung ebenfalls nicht an. Auch der Umstand, dass noch nicht alle Fragen aus dem sog. „Dieselskandal“ durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt gewesen seien, könne die Unzumutbarkeit der Klageerhebung bei gesicherter Tatsachengrundlage ebenfalls nicht begründen.
Die Klägerin könne ihren Anspruch auch nicht auf § 852 S. 1 BGB stützen. Ein solcher Anspruch setze jedenfalls voraus, dass die Herstellerin im Verhältnis zum Geschädigten etwas aus dem Fahrzeugverkauf an diesen erlangt habe. Danach liege eine Vermögensverschiebung im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten nicht vor. Der Herstellerin, die einen etwaigen Vorteil bereits mit dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs als Neuwagen realisiert habe, fließe im Zusammenhang mit dem im Abschluss des Vertrages liegenden Vermögensschaden der Klägerin durch ihre unerlaubte Handlung kein weiterer Vorteil mehr zu.
2.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie habe tatsächlich im Februar 2018 ein Schreiben der Fahrzeugherstellerin erhalten, das sie über den Pflichtrückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes informiert habe. Weitere Informationen zu den konkreten Auswirkungen des Rückrufs seien ihr nicht gegeben worden. Erst im Jahr 2020 sei die erste Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum sog. „Dieselskandal“ ergangen, die aber den Motor EA189 zum Gegenstand gehabt habe. Daraus lasse sich nicht erschließen, dass andere Motoren anderer Hersteller ebenfalls unzulässige Abschalteinrichtungen enthalten könnten. Für sie, die Klägerin, sei nur ersichtlich gewesen, dass ihr Fahrzeug umzurüsten sei. Dass dies auf einer sittenwidrigen Handlung der Beklagten beruhe, sei für sie unklar gewesen. Die Beklagte habe zudem bis heute keine Öffentlichkeitsarbeit betrieben bzw. geeignete Maßnahmen ergriffen, um die Verbraucher von ihrer sittenwidrigen Handlung und deren Einfluss auf das Vermögen der Verbraucher zu informieren. Die Verjährungsfrist gem. §§ 195, 199 BGB sei damit vorliegend nicht in Gang gesetzt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbegründung vom 6. Dezember 2022 Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Klägerin hat aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
Die Klägerin ist vom Hersteller im Jahr 2018 darüber informiert worden, dass der Motor ihres Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen ist, die wieder zu entfernen ist. Ausweislich des unangegriffenen Tatbestands des landgerichtlichen Urteils ist die Klägerin mit dem Schreiben vom Februar 2018 ausdrücklich darüber informiert worden, dass durch die verbaute Motorsteuerungssoftware die Stickoxidwerte im Vergleich zwischen Prüfstand und realem Betrieb verschlechtert werden. Gerade dies war aber die allgemein jedenfalls seit September 2015 bekannte unzulässige Umschaltsymptomatik bei dem Motor des Typs EA189. Damit hatte die Klägerin Kenntnis – jedenfalls aber grob fahrlässige Unkenntnis – davon, dass auch ihr Fahrzeug von dem zu diesem Zeitpunkt bereits allgemein bekannten sog. „Dieselskandal“ betroffen ist und eine allgemein bekannte „Umschaltlogik“ aufweist. Der Klägerin war es danach ab diesem Zeitpunkt zumutbar, etwaige Ansprüche gegen die Beklagte gerichtlich geltend zu machen. Einer besonderen Kenntnis von den internen Verantwortlichkeiten im Haus der Beklagten bedurfte es hierzu nicht. Die festgestellte allgemeine Kenntnis der Klägerin vom sogenannten Dieselskandal sowie von der konkreten Betroffenheit seines Fahrzeugs im Besonderen umfasst alle für den Schluss auf eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Beklagten relevanten Tatsachen (BGH NJW 2022, 1311 Rn. 23).
Entgegen der Auffassung der Klägerin wird der Beginn der Verjährungsfrist nicht erst dadurch in Lauf gesetzt, dass für den jeweils betroffenen Motor eine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt.
Mit zutreffenden Ausführungen hat das Landgericht auch festgestellt, dass ein Anspruch nach § 852 S. 1 BGB nicht in Betracht kommt.
III.
Der Klägerin bleibt nachgelassen, zu der beabsichtigten Zurückweisung der Berufung innerhalb einer Frist von drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.