Gericht | OLG Brandenburg 1. Strafsenat | Entscheidungsdatum | 23.08.2023 | |
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Aktenzeichen | 1 Ws 65/23 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:0823.1WS65.23.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der 6. kleinen Strafkammer des Landgerichtes Potsdam vom 17. März 2023 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Wiedereinsetzungsantrag als unzulässig zurückgewiesen wird.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Rechtsmittels.
I.
Mit Urteil vom 14. Januar 2022, Az.: 21 Ds 144/21, erkannte das Amtsgericht Luckenwalde gegen den Angeklagten, der in den Jahren 1990 bis 2021 bereits mehrmals u.a. wegen Unterschlagung, Betruges und Untreue strafrechtlich in Erscheinung getreten war, wegen Unterschlagung in drei Fällen auf die Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten, deren Vollstreckung das Gericht nicht zur Bewährung aussetzte.
Hiergegen legte der Verteidiger des Angeklagten Berufung ein, die das Landgericht Potsdam, Az.: 26 Ns 28/22, mit Urteil vom 10. Januar 2023 verworfen hat.
Im Termin zur Berufungshauptverhandlung zeigte zuvor der Verteidiger des ordnungsgemäß geladenen und abwesenden Angeklagten den Verfahrensbeteiligten eine „WhatsApp“-Nachricht mit dem Lichtbild eines vom 09. Januar 2023 datierenden ärztlichen Attestes, das dem Angeklagten die Reise- und Verhandlungsunfähigkeit für die Zeit vom 09. bis 14. November 2022 bescheinigen sollte. Die Versuche des Vorsitzenden der Berufungskammer, die ausstellende Arztpraxis zu kontaktieren, scheiterten an den besetzten Telefonleitungen.
Mit Schriftsatz vom 17. Januar 2023, beim Gericht am 18. Januar 2023 eingegangen, überreichte der Verteidiger ein am 09. Januar 2023 ausgestelltes ärztliches Attest, in dem dem Angeklagten für die Zeit vom 09. bis 15. Januar 2023 die Reise- und Verhandlungsunfähigkeit bescheinigt wurde. Das Verwerfungsurteil wurde am 26. Januar 2023 dem Verteidiger zugestellt.
Am 31. Januar 2023 ging beim Landgericht Potsdam der unter dem 27. Januar 2023 datierende Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand „zu dem Urteil des Landgerichts Potsdam vom 10.01.2023“ ein. Diesen begründete der Angeklagte damit, dass laut der korrigierten ärztlichen Bescheinigung vom 09. Januar 2023 in der Zeit vom 09. Januar 2023 bis zum 15. Januar 2023 tatsächlich Reise- und Verhandlungsunfähigkeit bestanden habe, so dass er ohne eigenes Verschulden am Erscheinen zum Hauptverhandlungstermin gehindert gewesen sei.
Mit Verfügung vom 16. Februar 2023 wies der Vorsitzende der Berufungskammer darauf hin, dass das vorgelegte Attest eine Wiedereinsetzung nicht zu begründen vermag, weil es keine nachvollziehbare Diagnose enthalte. Innerhalb der vom Vorsitzenden gesetzten Frist reichte der Angeklagte keine weiteren Unterlagen nach.
Mit dem angegriffenen Beschluss vom 17. März 2023 hat das Landgericht Potsdam den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die versäumte Berufungshauptverhandlung als unbegründet verworfen. Zur Begründung führte die Berufungskammer aus, das vom Angeklagten
vorgelegte Attest enthalte keine Diagnose und entschuldige ihn daher nicht. Trotz der bei der Terminsversäumung im Berufungsverfahren nicht zu hoch zu stellenden Anforderungen an die Entschuldigung müsse dem Gericht möglich sein, die Schlüssigkeit des Inhaltes eines ärztlichen Attestes zu überprüfen. Der Beschluss wurde am 29. März 2023 zugestellt.
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner am 04. April 2023 erhobenen sofortigen Beschwerde. Er führt aus, aus dem in der Anlage zur Beschwerdeschrift beigefügten Attest sei die Diagnose nach ICD-10: F 32.1 G, mithin eine mittelgradige depressive Episode, aufgeführt. Aufgrund dieser Diagnose sei dem Angeklagten nicht möglich gewesen, an der Hauptverhandlung teilzunehmen.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat in ihrer Stellungnahme vom 03. Mai 2023 beantragt, die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichtes Potsdam vom 17. März 2023 als unbegründet zu verwerfen.
Der Angeklagte hatte Gelegenheit zur Stellungnahme, wovon er die mit dem Anwaltsschriftsatz vom 13. Mai 2023 Gebrauch gemacht hat.
II.
Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg.
1.
Die sofortige Beschwerde des Angeklagten ist gemäß §§ 329 Abs. 7, 46 Abs. 3 StPO statthaft. Sie ist auch form- und fristgerecht nach Maßgabe der §§ 329 Abs. 7, 44 Satz 1, 45 Abs. 1 Satz 1 StPO eingelegt worden.
2.
Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Landgericht Potsdam hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungshauptverhandlung zu Recht verworfen.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist bereits unzulässig, so dass es auf dessen vom Landgericht angenommene Unbegründetheit nicht ankam.
a)
Nach §§ 329 Abs. 7, 44 Satz 1, 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 StPO kann der Angeklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beanspruchen, wenn er darlegt und glaubhaft macht, dass er ohne Verschulden verhindert war, an der Berufungshauptverhandlung teilzunehmen. Gemäß § 329 Abs. 7 StPO in Verbindung mit § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO sind binnen Wochenfrist nach Wegfall des Hindernisses alle Tatsachen so vollständig vorzutragen, dass ihnen - als wahr unterstellt - die unverschuldete Verhinderung des Angeklagten ohne Weiteres entnommen werden kann. Hierzu bedarf es einer genauen Darstellung der Tatsachen, die für die Frage bedeutsam sind, wie und durch welche Umstände es zur Versäumung der Berufungshauptverhandlung gekommen ist. Nach Fristablauf kann der Tatsachenvortrag allenfalls verdeutlicht oder ergänzt werden (vgl. OLG Hamm, Beschlüsse vom 24. November 2016, Az.:
5 Ws 360/16, und vom 27. März 2008, Az.: 2 Ws 80/08; juris). Zwar ist eine Krankheit, wenn sie nach Art und Auswirkungen eine Beteiligung an der Hauptverhandlung unzumutbar macht, ein Entschuldigungsgrund. Jedoch hat der Angeklagte detailliert darzulegen, welche konkrete Symptomatik der behaupteten Erkrankung bei ihm vorlag und ihn am Erscheinen in der Hauptverhandlung hinderte (vgl. OLG Hamm, a.a.O.).
Voraussetzung für ein zulässiges Wiedereinsetzungsgesuch nach §§ 329 Abs. 7, 45 StPO sind u.a. konkrete Angaben zum Hinderungsgrund. Diesem Erfordernis genügt der Antragsteller nur, wenn er im Einzelnen die Umstände vorträgt, die dazu geführt haben, dass ihm die Teilnahme an der Hauptverhandlung nicht zuzumuten war. Beruft er sich auf eine Erkrankung, ist deren Art anzugeben sowie der Umfang der von ihr ausgehenden körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen darzulegen. Es ist detailliert anzugeben, welche konkrete Symptomatik der behaupteten Erkrankung beim Antragsteller vorlag und ihn am Erscheinen in der Hauptverhandlung hinderte (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 24. November 2016, Az.: 5 Ws 360/16; OLG Braunschweig, Beschluss vom 08. Januar 2014, Az.: 1 Ws 380/13; KG, Beschlüsse vom 02. November 2009, Az.: 3 Ws 624/09, und vom 06. Februar 2007, Az.: 2 Ws 99/07; OLG Köln, Beschluss vom 10. Dezember 2008, Az.: 2 Ws 613/08; juris).
b)
Der Antrag des Angeklagten vom 27. Januar 2023, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung am 10. Januar 2023 zu gewähren, genügt den zu II.2.a) genannten Anforderungen nicht.
In der Antragsschrift werden keine Tatsachen oder Umstände tatsächlicher Art vorgetragen, die dazu geführt haben sollen, dass es dem Angeklagten unmöglich oder unzumutbar gewesen sei, an der Hauptverhandlung vor dem Berufungsgericht am 10. Januar 2023 teilzunehmen. Der Vortrag des Angeklagten erschöpft sich im wesentlichen in der Wiedergabe der Geschehnisse in der Hauptverhandlung am 10. Januar 2023 sowie in dem Hinweis auf die Korrektur des ärztlichen Attestes vom 09. Januar 2023, ohne Tatsachen zur Verhinderung des Angeklagten am 10. Januar 2023 anzuführen.
Es ist zwar denkbar, dass ein Tatsachenvortrag in der oben dargestellten Form in dem Antrag entbehrlich sei, wenn sich die vorzutragenden Tatsachen und Umstände aus der Glaubhaftmachung selbst ergeben, auf die dann zurückgegriffen werden kann. Denn aus ihrem Inhalt könnten sich Anhaltspunkte tatsächlicher Art ergeben, die das Verschulden des Angeklagten an der Versäumung der Teilnahme an der Berufungshauptverhandlung entfallen ließen. Das mit dem Antrag vom 27. Januar 2023 als Mittel der Glaubhaftmachung eingereichte ärztliche Attest vom 09. Januar 2023 benennt jedoch keine Tatsachen oder Umstände tatsächlicher Art, die die Verhinderung des Angeklagten belegen könnten. Es führt lediglich eine allgemein behauptete Reise- und Verhandlungsunfähigkeit für die Zeit vom 09. Januar bis 15. Januar 2023 an.
Damit hat der Angeklagte innerhalb der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 StPO nicht alle Tatsachen vorgetragen, die für die Frage der Zulässigkeit und der Begründetheit des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Bedeutung sind, so dass der Antrag bereits aus diesem Grunde unzulässig war, ohne dass es auf die Frage der Glaubhaftmachung ankam.
Der sofortigen Beschwerde ist daher der Erfolg zu versagen.
c)
Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass das ärztliche Attest vom 09. Januar 2023 ein taugliches Mittel der Glaubhaftmachung war, jedoch inhaltlich deren Anforderungen nicht genügte.
Wie bereits oben unter II.2.a) ausgeführt, ist bei der behaupteten Erkrankung der Umfang der von der Erkrankung ausgehenden körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen darzulegen (vgl. OLG Braunschweig, a.a.O.; OLG Köln, a.a.O.). Die diesbezüglichen Angaben sind in dem Attest aufzunehmen, da das für die Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zuständige Gericht bzw. das Beschwerdegericht ohne konkreten Angaben nicht feststellen können, ob dem Erscheinen des Angeklagten in der Hauptverhandlung ein objektives Hindernis entgegenstand (vgl. KG, Beschluss vom 06. Februar 2007, Az.: 2 Ws 99/07; juris). Dass der Arzt Verhandlungsunfähigkeit diagnostiziere, ist bedeutungslos, denn dies ist ein Rechtsbegriff (vgl. OLG Braunschweig, a.a.O.; KG, a.a.O.).
Das ärztliche Attest vom 09. Januar 2023 genügt als Mittel der Glaubhaftmachung den vorbezeichneten Anforderungen nicht, weil ihm - wie die Berufungskammer zutreffend ausgeführt hat - die Art der Erkrankung nicht zu entnehmen ist und auch Angaben zu den Auswirkungen der Erkrankung fehlen, die Rückschlüsse auf das möglicherweise anzunehmende Fehlen des Verschuldens des Angeklagten erlaubten.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.