Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 12 U 211/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 12 . Zivilsenat Entscheidungsdatum 08.06.2023
Aktenzeichen 12 U 211/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:0608.12U211.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das am 02.12.2022 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Neuruppin, Az. 5 O 55/21, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Es ist ferner beabsichtigt, den Tenor des v.g. Urteils zu Ziffer 1 und 2 gemäß § 319 ZPO dahingehend zu berichtigen, dass Zinsen jeweils in Höhe von 4 % pro Jahr (statt 4 Prozentpunkten) zu zahlen sind.

1.1.Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vier Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte, eine englische Limited, auf Rückzahlung einer Genussrechtsbeteiligung nach außerordentlicher Kündigung, hilfsweise auf Schadensersatz in Anspruch. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 6.596,50 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten pro Jahr seit dem 18.12.2020 sowie den verbleibenden Rest der entstandenen außergerichtlichen Geschäftsgebühr in Höhe von 587,04 € nebst 4 Prozentpunkten pro Jahr seit dem 20.07.2022 zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt:

Die Klage sei zulässig. Das Landgericht Neuruppin sei sowohl international als auch örtlich nach Art. 17 Abs. 1 c), Art. 18 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 EuGVVO zuständig. Der Kläger sei Verbraucher i.S. des Art. 17 Abs. 1 EuGVVO. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe auch die erforderliche Ausrichtung ihrer Geschäftstätigkeit auf den deutschen Markt aufgewiesen. Der Verbrauchergerichtsstand sei nicht nachträglich entfallen. Die Gerichtsstandsregelung in § 13 Abs. 2 der Genussrechtsbedingungen stehe der vom Kläger ausgeübten Gerichtswahl nicht entgegen. Die örtliche Zuständigkeit ergebe sich aus Art. 18 Abs. 1 EuGVVO, da der Kläger seinen Wohnsitz im Gerichtsbezirk des Landgerichts Neuruppin habe. Die Klage sei in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Für die rechtliche Beurteilung sei das Recht der Republik Österreich maßgeblich. Der Kläger habe nach § 6 Abs. 4 der Genussrechtsbedingungen einen vertraglichen Anspruch auf Rückzahlung seiner Einlage in Höhe von 6.596,50 €. Daraus folge bei Beendigung des Rechtsverhältnisses ein Anspruch auf Rückzahlung zu 100% des Nennbetrages abzüglich etwaiger Verlustanteile. Der Nennbetrag in diesem Sinne entspreche dem Anlagebetrag. Der rechnerische Wert der Genussrechte sei insoweit nicht maßgeblich. Die Beklagte habe im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast Verluste für 2017 nicht hinreichend dargetan. Eine Umwandlung der Beteiligung des Klägers in eine Aktienbeteiligung habe ohne dessen Zustimmung nicht erfolgen können. Ferner bestehe ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Verzugszinsen, jedoch nur in Höhe von 4 % p.a. Der Kläger habe auch Anspruch auf Ersatz seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Die Beklagte hat gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 08.12.2022 zugestellte Urteil mit einem am 09.12.2022 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der auf rechtzeitigen Antrag verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit einem am 21.02.2023 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter. Sie rügt, das Landgericht habe zu Unrecht seine internationale Zuständigkeit angenommen. Aufgrund der Regelungen des Austrittsabkommens zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich seien die Zuständigkeitsbestimmungen der EuGVVO für nach dem 31.12.2020 eingeleitete Gerichtsverfahren nicht anwendbar. Das vorliegende Verfahren sei nach Ablauf dieser Übergangsphase eingeleitet worden, so dass die im Vereinigten Königreich ansässige Beklagte nicht vor einem deutschen Gericht verklagt werden könne. Dem Kläger fehle auch das Rechtsschutzbedürfnis, da ein obsiegendes Urteil mangels Existenz eines Exequaturverfahrens nicht für vollstreckbar erklärt werden könne. Das Landgericht hätte die Klage daher als unzulässig abweisen müssen. Die Klage sei auch unbegründet, da die Genussrechte entgegen der rechtlichen Würdigung des Landgerichts durch die Eintragung der Verschmelzung gemäß § 226 Abs. 3 öAktG erloschen seien, so dass der Kläger nicht als Gläubiger, sondern als Inhaber von Sonderrechten anzusehen sei. Die Genussrechte seien durch die Ausgabe von B-Anteilen wirksam surrogiert worden. Diese seien den Genussrechten rechtlich und wirtschaftlich gleichwertig. Dies ergebe sich bereits aus der vom Kläger selbst vorgetragenen Rechtmäßigkeitsbescheinigung nach § 14 Abs. 3 öEU-Verschmelzungsgesetz. Bei der Beurteilung der Frage der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit sei nach § 4 Abs. 2 des Verschmelzungsplanes auf den Stichtag 31.12.2017 abzustellen. Der wirtschaftliche Wert der Genussrechte habe zu diesem Stichtag 0,00 € betragen, wie sich aus der bereits erstinstanzlich vorgelegten Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung ergebe. Die B-Anteile mit einem Nominalwert von 0,001 € seien also im wirtschaftlichen Wert vergleichbar. Die Genussrechte hätten Verluste in Höhe des Nennbetrages getragen, was zu dem ausgewiesenen Buchwert von 0,00 € führe. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Abrechnung des Rückzahlungsanspruches zum 31.12.2018 oder zum 31.12.2019.

Die Ausführungen in dem Schreiben der Beklagten aus Februar 2019 seien nicht widersprüchlich. In diesem Schreiben habe die Beklagte lediglich einen vom Buchwert abweichenden sogenannten rechnerischen Wert zum Stichtag 31.12.2018 mitgeteilt. Aufgrund der Verwendung der unterschiedlichen Begrifflichkeiten sei für einen objektiven Betrachter erkennbar gewesen, dass es sich dabei nicht um identische Bezeichnungen für identische Werte handele. Der Inhalt des Jahresabschlusses 2017 sei also nicht widersprüchlich zu dem Inhalt des Schreibens von Februar 2019. Sie, die Beklagte, habe zu keinem Zeitpunkt behauptet, dass der rechnerische Wert der Genussrechte dem Rückzahlungsbetrag entspreche. Sie habe vielmehr klargestellt, dass die Darstellung zum rechnerischen Wert der Genussrechte kein Anerkenntnis darstelle und keine Zahlungspflichten begründe. Sie habe bewusst vom Buchwert den Begriff des rechnerischen Wertes unterschieden, um zu verdeutlichen, dass der rechnerische Wert der Genussrechte wirtschaftlich dem Wert der B-Anteile entsprechen werde. Die Rückzahlung der eingezahlten Nennbeträge sei nicht geschuldet. Der Gleichwertigkeit der B-Anteile zu den Genussrechten stehe nicht entgegen, dass der Nennwert 0,001 € betrage. Etwaige Gewinne der Beklagten würden unter den Inhabern der B-Anteile kapitalanteilig verteilt, sodass die Höhe des Nennwertes unerheblich sei. Die kapitalanteilige Gewinnverteilung führe sogar zu einer besseren wirtschaftlichen Ausstattung der B-Anteile. Auch stehe das fehlende Kündigungsrecht und der Rücknahmepreis von 0,001 € der Gleichwertigkeit nicht entgegen.

Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten seien entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht zu erstatten, da der Kläger die zunächst nur außergerichtliche Vertretung durch seinen Bevollmächtigten nicht habe darlegen können. Nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei die in dem anwaltlichen Schreiben vom 10.12.2020 enthaltene Klageandrohung als Indiz gegen die Behauptung anzusehen, es sei zunächst nur ein außergerichtliches Mandat erteilt worden.

Die Beklagte kündigt an zu beantragen,

das am 02.12.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Neuruppin, Az. 5 O 55/21, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger kündigt an zu beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Das Landgericht sei international zuständig, da das Vereinigte Königreich als Drittstaat i.S. des Art. 6 EuGVVO anzusehen sei, so dass der Verbrauchergerichtsstand weiterhin anwendbar sei. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei deutsches Recht anwendbar. Er habe aufgrund der Kündigung einen Rückzahlungsanspruch gemäß § 6 Abs. 4 der Genussrechtsbedingungen. Die Beklagte sei aufgrund der Akzeptanz seiner Kündigung zum 31.12.2019 verpflichtet gewesen, ihn aufgrund der Verschmelzung bereits zum 31.12.2018 aus der Gesellschaft zu entlassen. Die Genussrechte hätten somit an der Umwandlung nicht teilnehmen können, so dass der Rückzahlungsanspruch auch nicht untergegangen sei. Hilfsweise mache er einen Schadensersatzanspruch geltend. Eine Pflichtverletzung der Rechtsvorgängerin der Beklagten liege vor, indem sie durch die von ihr gewählte grenzüberschreitende Umwandlung die Genussrechte vernichtet habe. Auch seien ihm keine gleichwertigen Rechte an der Beklagten eingeräumt worden. Aus der Rechtmäßigkeitsbescheinigung des Handelsgerichts Wien folge nichts anderes. Für den in dem Wegfall der Genussrechtsbeteiligung liegenden Schaden habe die Beklagte Schadensersatz zu leisten.

Der Prozessbevollmächtigte sei zunächst nur zur außergerichtlichen Klärung beauftragt worden. Erst nachdem die Beklagte sämtliche Ansprüche zurückgewiesen habe, habe seine Rechtsschutzversicherung Deckungszusage für eine gerichtliche Auseinandersetzung erteilt. Der nach § 86 Abs. 1 VVG auf die Rechtsschutzversicherung übergegangene Anspruch sei von dieser zur Einziehung an ihn abgetreten worden.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gem. §§ 517 ff. ZPO eingelegte Berufung ist nach einstimmiger Auffassung des Senats offensichtlich unbegründet. Die Rechtssache weist auch weder grundsätzliche Bedeutung auf, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Eine mündliche Verhandlung ist auch nicht aus sonstigen Gründen geboten. Es ist daher die Zurückweisung der Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss beabsichtigt.

Das Landgericht hat der Klage zu Recht in dem ausgeurteilten Umfang stattgegeben. Das Urteil des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung.

1.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Neuruppin, die entgegen dem Wortlaut des § 513 Abs. 2 ZPO auch in der Berufungsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist, gegeben. Sie folgt aus Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 EuGVVO.

Zwar ist für ein nach dem 01.01.2021 neu eingeleitetes Verfahren gegen einen Beklagten mit Wohnsitz in Großbritannien die EuGVVO grundsätzlich nicht (mehr) anwendbar, da das Vereinigte Königreich infolge seines Austritts aus der Europäischen Union nach Ablauf des in Art. 126 des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft (Austrittsabkommen) vorgesehenen Übergangszeitraums zum 31.12.2020 kein Mitgliedstaat mehr, sondern ein Drittstaat ist (vgl. BGH ZIP 2021, 1514 Rn. 42). Eine Ausnahme gilt jedoch, soweit die EuGVVO die internationale Zuständigkeit auch im Verhältnis zu nicht der EU angehörigen Staaten regelt (Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 18 Abs. 1, 21 Abs. 2, 24 und 25 EuGVVO). Im Streitfall ist der Verbrauchergerichtsstand des Art. 18 Abs. 1 EuGVVO gegeben, da der Kläger die zugrunde liegende Genussrechtsbeteiligung als Verbraucher i.S. des Art. 17 Abs. 1 c) EuGVVO zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann, und die Rechtsvorgängerin der Beklagten ihre berufliche oder gewerbliche Tätigkeit zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auch in Deutschland ausgeübt hat. Die entsprechenden zutreffenden Ausführungen des Landgerichts werden von der Beklagten mit der Berufung nicht in Frage gestellt. Der Verbrauchergerichtsstand des Art. 18 Abs. 1 EuGVVO greift „ohne Rücksicht auf den Wohnsitz des anderen Vertragspartners“ ein, so dass es ohne Bedeutung ist, wo sich der Sitz des anderen Vertragspartners befindet.

Der Klage fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Es kann nicht mit der Begründung verneint werden, ein obsiegendes Urteil könne in Großbritannien nicht für vollstreckbar erklärt werden. Bei Leistungsklagen ergibt sich ein Rechtsschutzbedürfnis regelmäßig schon aus der Nichterfüllung des behaupteten materiellen Anspruchs, dessen Vorliegen für die Prüfung des Interesses an seiner gerichtlichen Durchsetzung zu unterstellen ist. Der voraussichtliche Vollstreckungserfolg ist für die Beurteilung des Rechtsschutzbedürfnisses einer Klage im Erkenntnisverfahren ohne Belang (vgl. BGH NJW 2013, 464, juris Rn. 51).

2.

Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch jedenfalls i.H.v. 6.596,50 € nebst Zinsen und Rechtsanwaltskosten aus § 1295 öABGB.

a) Entgegen der Auffassung des Klägers findet im Streitfall gemäß der in § 13 Nr. 1 der Genussrechtsbedingungen getroffenen Rechtswahl das Recht der Republik Österreich Anwendung. Der die Zulässigkeit der Rechtswahl bei Verbraucherverträgen regelnde Art. 6 Rom-I VO ist nicht anwendbar, da der zugrunde liegende Vertrag am 17.04.2007 und damit vor Inkrafttreten der Rom-I VO zum 17.12.2009 geschlossen worden ist (vgl. Art. 28 Rom-I VO). Für vor dem 17.12.2009 geschlossene Verträge gilt demgegenüber das EVÜ bzw. dessen Inkorporation durch die Art. 27 ff. EGBGB a.F. weiter (vgl. Hanseatisches OLG Bremen, Urteil vom 01.07.2021 - 3 U 39/20, juris Rn. 37; KG, Urteil vom 29.03.2022 - 14 U 87/21, vorgelegt als Anlage K 29 S. 7; OLG Stuttgart, Urteil vom 31.03.2021 – 20 U 24/20, juris Rn. 51).

b) Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz nach § 1295 öABGB liegen vor.

aa) Die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin hat ihre vertraglichen Pflichten aus § 8 der Genussrechtsbedingungen verletzt, indem sie dem Kläger infolge des Verschmelzungsvorganges keine mit der Genussrechtsbeteiligung gleichwertigen Rechte gewährt hat. Nach § 8 Abs. 1 der Genussrechtsbedingungen wird der Bestand der Genussrechte vorbehaltlich § 5 der Bedingungen im Falle der Beteiligung der Gesellschaft an einem Umwandlungsvorgang oder Bestandsübertragung der Gesellschaft nicht berührt. Nach Abs. 2 sind im Falle einer solchen Maßnahme nach Abs. 1 den Genussrechtsinhabern gleichwertige Rechte an dem neu übernehmenden Rechtsträger einzuräumen. Dies entspricht § 226 Abs. 3 des österreichischen Aktiengesetzes. Gegen diese Verpflichtung hat die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin verstoßen. Die dem Kläger zustehenden Genussrechte sind dadurch, dass das für die Beklagte geltende britische Recht keine Genussrechte kennt, untergegangen.

bb) Die der Klägerin eingeräumten B-Anteile an der Beklagten stellen keine den Genussrechten gleichwertigen Rechte dar. Für die Frage, ob den Inhabern von Genussrechten gleichwertige Rechte gewährt worden sind, kommt es nicht auf eine etwaige „Gleichartigkeit“ der gewährten Rechte, sondern vielmehr allein auf deren wirtschaftliche Gleichwertigkeit, also die Wertäquivalenz, an (vgl. Hanseatisches OLG Bremen a.a.O. Rn. 47; OLG Stuttgart, Urteil vom 31.03.2021 a.a.O. Rn. 82; KG, Urteil vom 29.03.2022 a.a.O. S. 9f.). Die den Inhabern der Genussrechte eingeräumten B-Anteile sind nicht wirtschaftlich gleichwertig. Denn die zugeteilten B-Anteile weisen lediglich einen Betrag von 0,001 € auf. Der Gesamtnennbetrag der Wertpapiere des Klägers reduziert sich durch die Verschmelzung demnach in einem Verhältnis von 1000:1. Der Wert der Genussrechtsbeteiligung des Klägers, der nach dem Schreiben der Anlegerverwaltung aus Februar 2019 noch per 31.12.2018 6.955,62 € betragen hatte, verringerte sich somit ohne nachvollziehbare Berechnungsgrundlage auf einen Anteil am Nominalkapital von 6,95 €. Die den Genussrechtsinhabern eingeräumte Möglichkeit, die B-Anteile an die Beklagte zurückzugeben, stellte bei wirtschaftlicher Betrachtung insoweit keine sinnvolle Beendigungsmöglichkeit dar (vgl. Hanseatisches OLG Bremen a.a.O. Rn. 48; KG, Urteil vom 29.03.2022 a.a.O. Seite 10). Die für die Gleichwertigkeit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat keinen ausreichend schlüssigen Vortrag dazu gehalten, um darauf zu schließen, dass der angegebene Anteil am Nominalkapital von 6,95 € dem wirtschaftlichen Wert der bisherigen Genussrechtsbeteiligung zum Verschmelzungsstichtag entsprach (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 31.03.2022 - 8 U 1783/21).

Die Einwendungen der Beklagten in der Berufungsbegründung vermögen dagegen nicht zu überzeugen. Soweit sie sich auf die Rechtmäßigkeitsbescheinigung des Handelsgerichts Wien vom 16.10.2018 beruft, weshalb die Einräumung gleichwertiger Rechte im Grunde nicht in Streit stehen könne, belegt diese nicht – schon gar nicht mit Bindungswirkung für den vorliegenden Rechtsstreit -, dass den Genussrechtsinhabern gleichwertige Rechte an der Beklagten eingeräumt worden sind. Das österreichische Registergericht prüft bei einer wie hier vorliegenden grenzüberschreitenden Verschmelzung die Gleichwertigkeit von für den Entfall von Genussrechten gewährten Anteilen an der aufnehmenden Gesellschaft nicht. Vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Prüfung, von dem Ausnahmefall der gerichtlichen Überprüfung der Barabfindung auf den Antrag eines ausscheidenden Gesellschafters abgesehen, nach §§ 14 Abs. 3, 15 öEU-Verschmelzungsgesetz auf eine formelle Prüfung der ordnungsgemäßen Durchführung der der Verschmelzung vorausgehenden Rechtshandlungen und Formalitäten anhand der von dem Vorstand der übertragenden Gesellschaft nach § 14 Abs. 1 öEU-Verschmelzungsgesetz vorzulegenden Unterlagen und nach §§ 14 Abs. 2, 15 öEU-Verschmelzungsgesetz vorzulegenden Vorstandserklärungen und Nachweisen (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 23.12.2021 - 5 U 114/21, vorgelegt als Anlage K 34, dort S. 30 ff.).

Die weiteren Ausführungen der Beklagten gründen auf der weiterhin nicht nachvollziehbaren Behauptung der Beklagten, der Rückzahlungsbetrag aus den Genussrechten habe zum 31.12.2017 0,00 € betragen. Dies ist jedoch nicht dargelegt, da in der Anlegerinformation vom Februar 2019 der rechnerische Wert noch mit 6.955,62 € angegeben wurde. An diesen Angaben muss sich die Beklagte festhalten lassen. Denn ausweislich der Fußnote 3 der Anlegerinformation liegen der Berechnung des rechnerischen Wertes zum Stand 31.12.2018 die Werte der Rechnungslegung mit Stand vom 31.12.2018 zugrunde. Auch wenn es weiter heißt, dass die Darstellungen zum rechnerischen Wert kein Anerkenntnis darstellen und keine Zahlungspflichten der Beklagten begründen, bedeutet dies nicht, dass diesen Angaben kein Aussagewert zukäme, an welchem sich die Beklagte als Rechtsnachfolgerin grundsätzlich festhalten lassen muss (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 31.03.2022 a.a.O.). Hinzu kommt, dass die Beklagte – wie dem Senat aus Parallelverfahren bekannt ist – in einem an andere Anleger gerichteten Schreiben mitgeteilt hat, dass es aus rechtlichen und steuerlichen Gründen unvermeidlich gewesen sei, die Genussrechtsbeteiligungen zum 31.12.2017 lediglich temporär auf ein Minimum abzuwerten, der Betrag von 0,00 € spiegele jedoch weder den tatsächlichen Wert noch das mögliche zukünftige Wertsteigerungspotenzial wieder, womit die Beklagte die Relevanz ihrer Angaben selbst in Zweifel gezogen hat (vgl. LG Verden, Urteil vom 17.07.2020 – 2 O 259/19).

cc) Aufgrund der Pflichtverletzung der Rechtsvorgängerin der Beklagten war der Kläger zur außerordentlichen Kündigung mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten vom 10.12.2020 berechtigt. In dem Schreiben ist zugleich die konkludente Geltendmachung von Schadensersatz zu sehen.

dd) Der dem Kläger danach entstandene und zu ersetzende Schaden liegt jedenfalls in Höhe der vom Kläger geleisteten Einlage von 6.596.50 €. Ob der Schaden des Klägers darüber hinaus auch den ersatzlos weggefallenen Wert der Genussrechtsbeteiligung zum 31.12.2018 i.H.v. 6.955,62 € umfasst, kann dahinstehen, da der Kläger gegen die teilweise Klageabweisung kein Rechtsmittel eingelegt hat. Aufgrund des in der Anlegerinformation von Februar 2019 mitgeteilten rechnerischen Wertes i.H.v. 6.955,62 € ist es gerechtfertigt darauf zu schließen, dass sich der wirtschaftliche Wert der Genussrechte mindestens auf den Betrag von 6.596,50 € belief. Aus der Perspektive eines verständigen und aufmerksamen Anlegers liegt ein Verständnis nahe, dass eine Mitteilung zum aktuellen Wert unter Berücksichtigung einer etwaigen Verlustbeteiligung erfolgt. Die von der Beklagten verwendete Begrifflichkeit („rechnerischer Wert“) steht dem nicht entgegen. Unerheblich ist der Einwand, der Begriff des rechnerischen Wertes spiegele den Rückzahlungswert der Genussrechte nicht wieder, weil darin werterhöhende stille Reserven und der Unternehmenswert mit einbezogen seien. Dies verfängt schon deshalb nicht, weil Genussrechte generell an stillen Reserven nicht beteiligt sind.

Dass die Genussrechte der Klägerin aufgrund einer Verlustbeteiligung tatsächlich einen Wert von 0,00 € hatten, hat die hierfür darlegungsbelastete Beklagte mit Ausnahme einer pauschalen Behauptung nicht substantiiert vorgetragen. Die Vorlage einer Bilanz oder der Gewinn- und Verlustrechnung zum 31.12.2017 besagt nichts über das Bestehen von Verlusten zum hier insoweit maßgeblichen Verschmelzungsstichtag 31.12.2018. Eine Bilanz oder Gewinn- und Verlustrechnung zum Stichtag 31.12.2018 hat die Beklagte jedoch gerade nicht vorgelegt. Zwar trifft es zu, dass nach § 4 Abs. 2 des Verschmelzungsplanes im Innenverhältnis der 31.12.2017 als Verschmelzungsstichtag gelten sollte und die für diesen Stichtag zu erstellenden Jahresabschlüsse als Schlussbilanzen herangezogen werden sollten. Diese Festlegung hat umwandlungsrechtliche Bedeutung für die beteiligten Gesellschaften und Gesellschafter, nicht aber für die den Genussrechtsinhabern im Außenverhältnis zustehenden Rechte, wonach im Außenverhältnis die Verschmelzung erst zum 31.12.2018 vollzogen wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt galten die Genussrechtsbedingungen uneingeschränkt weiter.

Im Übrigen ist es widersprüchlich, wenn die Beklagte ihre Angaben zum rechnerischen Wert der Genussrechte einerseits zum Gegenstand einer Anlegerinformation macht, andererseits den Angaben aber jede rechtliche Relevanz absprechen will (vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 10.11.2021 - 5 U 85/21, vorgelegt als Anlage K 28, S. 6).

c) Der Kläger hat ferner Anspruch auf Ersatz der ihm entstandenen außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten. Die Einschaltung eines Rechtsanwaltes war im Streitfall zur zweckgerichteten Rechtsverfolgung erforderlich. Der Kläger hat auch durch Vorlage der Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung belegt, dass die Prozessbevollmächtigten zunächst nur mit der außergerichtlichen Geltendmachung der Forderung beauftragt worden sind und kein unbedingter Klageauftrag erteilt wurde. Dieser Vortrag ist auch in zweiter Instanz noch zu berücksichtigen, nachdem es für die Entscheidung des Landgerichts darauf nicht ankam und die Beklagte den entsprechenden Einwand auch erstmals mit der Berufungsbegründung erhoben hat. Die Höhe der abgerechneten Geschäftsgebühr ist im Hinblick auf den gesellschaftsrechtlichen Bezug und die Prüfung ausländischen Rechts nicht zu beanstanden (vgl. Senat, Beschluss vom 08.09.2022 – 12 U 47/22).

Soweit der Anspruch in dieser Höhe infolge Zahlung durch die Rechtsschutzversicherung gem. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG auf diese übergangen ist, hat diese den Kläger mit dem als Anlage BB 15 vorgelegten Schreiben vom 04.04.2023 zur gerichtlichen Einziehung ermächtigt. Zwar dürfte es sich nach dem Wortlaut des Schreibens entgegen der Auffassung des Klägers nicht um eine Abtretungserklärung handeln. Der Senat legt das Schreiben aber dahin aus, dass dem Kläger damit eine Einziehungsermächtigung erteilt worden ist, die ihn berechtigt, auch insoweit Zahlung an sich zu verlangen, so dass der Kläger zur Prozessführung im eigenen Namen befugt ist.

d) Der Zinsanspruch folgt aus §§ 1333 Abs. 1, 1334 Sätze 1 und 3 i.V.m. § 1000 Abs. 1 öABGB. Danach sind gesetzliche Verzugszinsen i.H.v. 4 % p.a. zu zahlen. Die Beklagte befindet sich nach Ablauf der in dem Schreiben vom 10.12.2020 gesetzten Frist mit der Zahlung der Hauptforderung in Verzug. Soweit im angefochtenen Urteil Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten tenoriert sind, handelt es sich um eine offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 319 ZPO, da aus den Entscheidungsgründen eindeutig hervorgeht, dass das Landgericht Verzugszinsen in Höhe von 4 Prozent hat zusprechen wollen. Diese Unrichtigkeit kann auch durch den Senat berichtigt werden, solange das Verfahren in der Rechtsmittelinstanz bei ihm anhängig ist.

III.

Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).