Gericht | OLG Brandenburg 1. Strafsenat | Entscheidungsdatum | 13.09.2023 | |
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Aktenzeichen | 1 Ws 129/23 (S) | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:0913.1WS129.23S.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Antrag des Antragstellers nach § 178 Abs. 3 S.2 2. Hlbs. StPO analog in Verbindung mit § 78 b Abs. 1 ZPO, ihm für das Klageerzwingungsverfahren einen Notanwalt beizuordnen, wird zurückgewiesen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
I.
Mit seiner an die Staatsanwaltschaft Potsdam gerichteten Strafanzeige vom 30. Oktober 2022 wirft der Antragsteller, von Beruf Polizeibeamter, den Angezeigten vor, sich unter anderem der Verfolgung Unschuldiger, der Rechtsbeugung und der Nötigung schuldig gemacht zu haben. Die Angezeigten hätten rechtswidrig ein Disziplinarverfahren gegen ihn nicht nur eingeleitet, sondern mehrfach, nämlich unter dem 16. November 2021, 10. Februar 2022 und 07. Februar 2023, erweitert und ihm im Rahmen dessen schon am 09. Juli 2021 rechtswidrig verboten, seinen Dienst auszuüben.
Nach Einsichtnahme in den Disziplinarvorgang teilte die Staatsanwaltschaft Potsdam dem Antragsteller mit Bescheid vom 03. April 2023 mit, gemäß § 170 Abs. 2 StPO in Verbindung mit § 152 Abs. 2 StPO von der Aufnahme von Ermittlungen gegen die Angezeigten abzusehen, weil es an einem Anfangsverdacht strafbaren Verhaltens fehle. Mit ausführlicher Begründung legte die Staatsanwaltschaft dar, dass keine absichtliche oder wissentliche Verfolgung eines Unschuldigen oder das Hinwirken auf eine solche Verfolgung ersichtlich sei, weil gegen den Anzeigeerstatter der für die Einleitung und die Ausdehnung eines Disziplinarverfahrens erforderliche Verdacht einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung vorgelegen habe. Hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Rechtsbeugung oder eine Strafvereitelung im Amt lägen ebenfalls nicht vor. Soweit der Antragsteller wegen der Ausdehnungen des Disziplinarverfahrens die Straftatbestände der Beleidigung, der üblen Nachrede und der Verleumdung verwirklicht sähe, sei darauf hinzuweisen, dass die im Disziplinarverfahren erhobenen Vorwürfe, insbesondere seine Kontaktaufnahme mit dem Bundeswehrkrankenhaus, unstreitig seien. Seine Behauptung, es sei versucht worden, ihn durch Androhung eines vermeidbaren Dienstausführungsverbots zu einem Geständnis zu nötigen, ergebe sich aus dem Protokoll der Anhörung vom 06. Juli 2021 nicht.
Dem Bescheid war eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt.
Mit persönlich verfasstem Schreiben vom 08. April 2023, eingegangen bei der Staatsanwaltschaft Potsdam am selben Tag, erhob der Antragsteller (Vorschalt-) Beschwerde gegen den Bescheid vom 03. April 2023, die er mit weiteren Schreiben vom 10. April 2023 und 20. April 2023 ergänzend begründete.
Der Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg wies die Beschwerde mit ausführlich begründetem Bescheid vom 28. Juni 2023 unter Erteilung einer Rechtsmittelbelehrung als unbegründet zurück.
Hiergegen beabsichtigt der Antragsteller, einen Klageerzwingungsantrag zu stellen. Er trägt zunächst auf Beiordnung eines Notanwalts an, weil es ihm trotz intensiver Bemühungen nicht gelungen sei, einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt zu finden.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt in ihrer Stellungnahme vom 11. August 2023, den Antrag des Anzeigeerstatters, ihm für das Klageerzwingungsverfahren einen Notanwalt beizuordnen, zurückzuweisen.
Der Antragsteller hat hierzu mit Schreiben vom 23. August 2023 Stellung genommen.
II.
1. Der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts als Notanwalt für das Klageerzwingungsverfahren ist unbegründet.
Zwar ist im Klageerzwingungsverfahren die Beiordnung eines Rechtsanwalts in entsprechender Anwendung des § 78 b ZPO (Notanwalt) möglich (OLG Köln, Beschluss vom 09. Oktober 2007 – 52 Zs 494/07 – Rz. 4 ff.; OLG Bamberg, Beschluss vom 07. Mai 2007 – 3 Ws 113/06 – Rz. 3 ff.; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 24. August 2017 – 3 Ws 107/17 – Rz. 11; sämtlich zitiert nach Juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Auflage, zu § 172, Rz. 23 m. w. N.; offen gelassen von OLG Hamm, Beschluss vom 02. August 2007 – 2 Ws 207/07 – Rz. 5, Juris). Die allein auf die Vorschriften der §§ 114 ff. ZPO für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe verweisende Bestimmung des § 172 Abs. 3 S. 2 2. Hlbs. StPO enthält insoweit eine planwidrige Regelungslücke, und die von § 78 b ZPO unmittelbar erfasste Fallgestaltung ist derjenigen des Klageerzwingungsverfahrens rechtsähnlich (OLG Köln a. a. O.; Rz. 7; Senat, Beschluss vom 27. April 2020 – 1 Ws 51/20 – Juris).
Die sonach entsprechend anzuwendende Vorschrift des § 78 b Abs. 1 ZPO sieht die Beiordnung eines Notanwalts vor, wenn die Partei im Anwaltsprozess keinen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Zwar hat der Antragsteller hinreichend substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht, alle zumutbaren Bemühungen unternommen zu haben, um die Übernahme des Mandats durch einen Rechtsanwalt zu erreichen (vgl. zu diesem Erfordernis OLG Köln a. a. O., Rz. 15; OLG Bamberg a. a. O., Rz. 7; Meyer-Goßner/Schmitt a. a. O.). Er hat zehn Rechtsanwälte kontaktiert, die ihm sämtlich Absagen erteilt haben, und sich sodann an die Rechtsanwaltskammer des Landes Brandenburg gewandt, die ihm nicht weiterhelfen konnte.
Der Klageerzwingungsantrag des Anzeigenden bietet aber keine hinreichende Erfolgsaussicht. Zu Recht haben die Strafverfolgungsbehörden die Aufnahme von Ermittlungen gegen die Angezeigten gemäß § 170 Abs. 2 StPO in Verbindung mit § 152 Abs. 2 StPO abgelehnt. Der für die Aufnahme von Ermittlungen erforderliche Anfangsverdacht strafbaren Handelns liegt nicht vor. Zum Vorwurf der Verfolgung Unschuldiger hat die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg in ihrer Stellungnahme vom 11. August 2023 insoweit Folgendes ausgeführt:
„Anhaltspunkte zur Begründung eines Anfangsverdachts wegen Verfolgung Unschuldiger durch Einleitung und Ausdehnung des Disziplinarverfahrens sind, unabhängig davon, ob die zur Begründung der Einleitung und Ausdehnung des Disziplinarverfahrens vom Polizeipräsidenten angeführten Gründe im Einzelnen die Bewertung als Dienstvergehen objektiv rechtfertigen, nicht ersichtlich.
Nach § 18 LDG hat der Dienstvorgesetzte dann, wenn zureichende Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen, die Dienstpflicht, ein Disziplinarverfahren einzuleiten.
Auch dann, wenn die Einleitung und Ausdehnung des Disziplinarverfahrens wegen der Äußerungen in den Schreiben und E-Mails die Bewertung einzelner dieser Äußerungen als Dienstvergehen nach § 47 BeamtStG nicht zuließe, ist weiter zu berücksichtigen, dass die Begründung eines Anfangsverdachts wegen Verfolgung Unschuldiger in subjektiver Hinsicht erfordert, dass zureichende Anhaltspunkte nach § 152 Abs. 2 StPO dafür ersichtlich sind, dass die für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens verantwortlichen Personen absichtlich oder wissentlich gehandelt haben.
Der Täter muss wissen, dass er mit seinem dienstlichen Akt jemanden verfolgt, der nicht verfolgt werden darf, oder es muss ihm darauf ankommen, einen in diesem Sinne Unschuldigen zu verfolgen, auch wenn er keine sichere Kenntnis von dessen Unschuld hat (vgl. Fischer, Anm. 5 zu § 344 StGB, 69. Auflage, 2022).
Hierfür sind Anhaltspunkte, unabhängig davon, ob die von („Vorname Nachname“) in seinen E-Mails u. a. gemachten Äußerungen im Einzelnen als Dienstvergehen nach § 47 BeamtStG zu werten sind, unter Berücksichtigung,
- dass die Inhalte in den E-Mails und Schreiben von dem Antragsteller in tatsächlicher Hinsicht nicht bestritten wurden,
- der Beamte nach § 21 LDG über die Einleitung eines Disziplinarverfahrens grundsätzlich unverzüglich zu unterrichten ist, weshalb die Gründe diesem gegenüber grundsätzlich offenzulegen sind,
- unter weiterer Berücksichtigung, dass die Einleitung und Ausdehnung des Disziplinarverfahrens ausführlich begründet wurde,
nicht ersichtlich.“
Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an. Sie entsprechen der Sach- und Rechtslage und werden durch die Stellungnahme des Antragstellers vom 23. August 2023 nicht entkräftet.
Hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung, Rechtsbeugung, eine Strafvereitelung im Amt oder eine (versuchte) Nötigung liegen ebenfalls nicht vor. Die Beteiligten streiten in rechtlicher Hinsicht darum, ob auf der Grundlage unstreitigen Sachverhalts dem Antragsteller ein Dienstvergehen im Sinne des § 47 BeamtStG zur Last zu legen ist oder nicht. Das ist strafrechtlicher Bewertung nicht zugänglich.
2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil eine Gebühr nach dem KV GKG nicht anfällt und Auslagen nicht erstattet werden (Zöller, ZPO, 35. Auflage, zu § 78 b, Rz. 10).
3. Diese Entscheidung ergeht letztinstanzlich und ist nicht anfechtbar.