Gericht | OLG Brandenburg 11. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 27.09.2023 | |
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Aktenzeichen | 11 U 135/23 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:0927.11U135.23.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 06.04.2023 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 13. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam - 13 O 77/22 – wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das angefochtene Urteil wird für vorläufig vollstreckbar erklärt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 13.000,00 € festgesetzt.
I.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Berufungsgründe sind nicht gegeben; weder beruht das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere - für die Klägerin günstige(re) - Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
A. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Geltendmachung der Klageanträge im Wege der Stufenklage gemäß § 254 ZPO, die sie im Berufungsverfahren weiterverfolgt, unzulässig (vgl. BGH, Urt. v. 29.09.2023 - IV ZR 177/22 zit nach Pressemitteilung BGH Nr. 164/2023). Dies hat das Landgericht richtig erkannt und begründet (LGU 4 f.). Daran ändert auch der weitere Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren (BB 5) nichts.
Dazu im Einzelnen:
§ 254 ZPO regelt einen privilegierten Sonderfall der objektiven Klagehäufung. Die Stufenklage ermöglicht die Verbindung eines auf Auskunft gerichteten Klageantrags mit einem noch unbezifferten bzw. noch unbestimmten Leistungs- und/oder Feststellungsantrag. Bei dem zunächst unbezifferten Feststellungsantrag kann es sich - wie hier - auch um eine Zwischenfeststellungsklage handeln (vgl. hierzu allgemein BGH, Urt. v. 27.11.1998 - V ZR 180/97, WM 1999, 746). Die einstweilige Befreiung von der Bezifferungspflicht des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO setzt jedoch voraus, dass die auf erster Stufe begehrte Auskunft als bloßes Hilfsmittel (nur) der konkreten Bestimmung des Leistungsanspruchs dient. Sie kommt daher nicht in Betracht, wenn die Auskunft der Beschaffung von sonstigen Informationen über die Rechtsverfolgung des Klägers dienen soll (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 18.04.2002 - VII ZR 260/01, NJW 2002, 2952, 2953 und vom 29.03.2011 - VI ZR 117/10, NJW 2011, 1815 Rn. 8 jeweils m.w.N.; hierzu insgesamt Senatsurt. v. 06.09.2023 – 11 U 241/22; v. 16.06.2023 - 11 U 9/23; so auch OLG Nürnberg, Urt. v. 14.03.2022 – 8 U 2907/21, BeckRS 2022, 7415 Rn. 17).
So liegt der Fall allerdings hier: Die von der Klägerin begehrte Auskunft dient der erstmaligen Prüfung, ob und wann in den Jahren ab 2017 überhaupt Beitragsanpassungen erfolgt sind und infolgedessen ein möglicher Anspruch gegen die Beklagte bestehen könnte. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Klägerin über mögliche Beitragsanpassungen zu bestimmten Zeitpunkten mutmaßt (vgl. BB 5, 6). Dass bedeutet aber, dass es ihr aber bei einzelnen Jahren doch um das „Ob“ einer möglichen Anpassung geht, was aber nicht Gegenstand der Auskunftsklage sein kann. Auch bei Kenntnis des Inhalts der Nachträge bliebe weiterhin der Anspruchsgrund unklar (Senat, a.a.O.). Denn auch bei der vorgenannten Kenntnis des Erhöhungsbetrages wäre eine Prüfung der formellen Rechtmäßigkeit nicht möglich (vgl. Senat, a.a.O.; OLG Nürnberg, a.a.O., Rn. 18 m.w.N.). Hinzu kommt, dass die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung ausdrücklich darauf abstellt, dass sich die ebenfalls monierte materielle Rechtmäßigkeit gar nicht aus den herausverlangten Unterlagen ergebe (BB 6).
B. Dahinstehen kann, ob angesichts der klaren Ausführung in der klägerischen Berufung, wonach die Klägerin - wie vom Landgericht erstinstanzlich unterstellt - weiterhin die Zulässigkeit der Stufenklage auch im Berufungsverfahren verfolgen möchte, die unzulässige Stufenklage in eine allgemeine Klagehäufung gemäß § 260 ZPO umzudeuten war (vgl. hierzu etwa in „Prämienerhöhungsfällen“ OLG Senat, a.a.O.; Nürnberg, a.a.O., Rn. 19; OLG Dresden Urt. v. 29.03.2022 – 4 U 1905/21, BeckRS 2022, 8743 Rn. 36, jeweils unter Hinweis auf die allgemeine Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Umdeutung einer Stufenklage in eine Klagehäufung).
C. Zutreffend hat das Landgericht dem Auskunftsanspruch einen Erfolg auch in der Sache versagt. Es befindet sich mit der Argumentation – wie mit den Parteien im Senatstermin am 27.09.2023 erörtert – vollständig auf der Linie des Senats (vgl. statt vieler Urt. v. 06.09.2023 – 11 U 46/23):
1. Der Auskunftsanspruch, wie er von der Klägerseite geltend gemacht wurde, folgt nicht aus § 3 Abs. 3 und 4 VVG. Hieraus ergibt sich zwar ein Anspruch auf erneute Ausstellung der Nachträge zum Versicherungsschein. Die Regelung erfasst nach allgemeiner Meinung, der sich der Senat anschließt, auch über den Wortlaut hinaus nicht nur den Versicherungsschein selbst, sondern auch die hierzu erteilten Nachträge (vgl. OLG Nürnberg, a.a.O.; Prölss/Martin/Rudy, VVG, 31. Aufl., § 3 Rn. 1, 5). Für die Geltendmachung des Anspruchs genügt, dass der Versicherungsnehmer behauptet, nicht mehr im Besitz der Originale zu sein. Es kommt nicht darauf an, aus welchem Grund der Besitzverlust erfolgte (vgl. BeckOK VVG/Filthuth, 17. Ed., § 3 Rn. 18, m.w.N.). Es ist nach dem klägerischen Vortrag in der Berufungsbegründung allerdings nicht erkennbar, dass ihm die begehrten Nachträge im Sinne des § 3 Abs. 3 VVG abhandengekommen sind. Auch die Erörterungen im Senatstermin waren hierzu nicht weiterführend.
2. Ein Anspruch auf Auskunft, so wie ihn die Klägerin verlangt, ergibt sich weder aus § 242 BGB noch aus Art 15 Abs. 1 DSGVO.
Zwar kann sich aus einem Schuldverhältnis nach Treu und Glauben auch die Pflicht zur gegenseitigen Unterstützung ergeben. Dies kann auch zu der Verpflichtung eines Vertragspartners führen, dem anderen Teil Unterlagen zur Verfügung zu stellen (vgl. Senat, Beschl. v. 04.05.2022 - 11 U 239/21; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 18.07.2022 - 16 U 181/21, Rn. 51 ff., juris, jeweils m.w.N.). Es genügt jedoch nicht, dass der Anspruchsteller behauptet, die begehrte Information sei für ihn von Bedeutung bzw. er sei auf sie angewiesen. Voraussetzung ist vielmehr, dass der Anspruchsteller über den Inhalt der geforderten Information in entschuldbarer Weise im Unklaren ist, der Anspruchsgegner die Auskunft unschwer erteilen kann (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urt. v. 08.02.2018 - III ZR 65/17, NJW 2018, 2629 Rn. 23 m.w.N.) und ausreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein bestimmter durchsetzbarer Anspruch existiert (vgl. BGH, Versäumnisurt. v. 17.07.2002 - VIII ZR 64/01, Rn. 9; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 18.07.2022 - 16 U 181/21, Rn. 52; juris). Diese Voraussetzungen sind hier erkennbar nicht gegeben.
Auch aus der DSGVO ergibt sich zu der begehrten Auskunft kein entsprechendes Auskunftsrecht (vgl. BGH, Urt. v. 29.09.2023 - IV ZR 177/22 zit nach Pressemitteilung BGH Nr. 164/2023), da in diesem Fall bereits der Anwendungsbereich der Verordnung nicht eröffnet ist. Damit kann eigentlich dahinstehen, ob hier die Ausnahmeregelung in Art. Artikel 12 Abs. 5 DSGVO greift, der Beklagten also ein Weigerungsrecht zustünde. Personenbezogene Daten sind nach der Legaldefinition in Art. 4 Nr. 1 DSGVO nur Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare Person beziehen. Hierzu zählt der Auskunftsanspruch, der sich allein auf die Höhe des auslösenden Faktors für die Neukalkulation der Prämien im streitgegenständlichen Tarif bezieht, nicht (OLG Dresden, Beschl. v. 12.09.2022 - 4 U 1327/22, Rn. 9; OLG Nürnberg, Beschl. v. 21.11.2022 - 8 U 1621/22, Rn. 46, juris). Bei der Höhe der auslösenden Faktoren handelt es sich um eine Rechengröße ohne direkten Bezug zur Klägerin (vgl. BGH, Urt. v. 29.09.2023 - IV ZR 177/22 zit nach Pressemitteilung BGH Nr. 164/2023).
Aber selbst wenn man annimmt, dass es sich hier bei den begehrten Auskünften um personenbezogene Daten handelte, würde das der Klägerin nicht weiterhelfen, da in diesem Falle der Beklagten ein Weigerungsrecht nach Art. 12 Abs. 5 S. 2 DSGVO zu Geltung käme. Auch dies hat der Senat bereits mehrfach entschieden (vgl. etwa Urt. v. 16.06.2023 - 11 U 9/23).
Auch rechtfertigt die EuGH-Vorlage des BGH vom 29.03.2022 (VI ZR 1352/20, juris Rn. 12 ff) keine Aussetzung des Verfahrens im Sinne des § 148 ZPO (analog), da es auf die Fragen, die der Bundesgerichtshof dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt hat, nämlich - soweit hier von Interesse - u.a. jene nach der inhaltlichen Beschränkbarkeit des Auskunftsanspruchs bei Verfolgung anderer – datenschutzfremder, aber legitimer – Zwecke, mangels Vorgreiflichkeit nicht ankommt. Denn dem streitgegenständlichen Antrag auf Auskunft liegt weder eine datenschutzrechtliche Zielsetzung noch ein anderer legitimer Zweck zugrunde, so dass er als rechtsmissbräuchlich, mithin gerade nicht legitim anzusehen ist (so auch: Senat, a.a.O.; OLG Hamm, Beschl. v. 15.11.2021 - 20 U 269/21, Rn. 8 ff.; OLG Nürnberg, Urt. v. 14.03.2022 - 8 U 2907/21, Rn. 43; OLG Dresden, Urt. v. 29.03.2022 - 4 U 1905/21, Rn. 64 ff.; OLG Karlsruhe, Urt. v. 29.11.2022 - 12 U 305/21, Rn. 52 f., juris). Aus eben diesem Grunde kommt es auch auf die Entscheidung über die Vorlage des OLG Koblenz vom 19.10.2022 - 10 U 603/22 (anhängig: EuGH, C-672/22) nicht an, da das OLG Koblenz ausweislich seiner Vorlagefrage zu 1. ebenfalls von datenschutzfremden, aber legitimen Zwecken bei der Geltendmachung eines Auskunftsanspruches nach DSGVO ausgeht und die übrigen zur Beantwortung durch den EuGH vorgelegten Fragen in Abhängigkeit davon gestellt werden, dass ein Auskunftsanspruch bei einem lediglich legitimen Zweck bejaht wird (Senat, a.a.O.).
D. Der im Zusammenhang mit der Auskunftsklage stehende Zahlungsantrag bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Dem Zahlungsantrag fehlt es an der erforderlichen Bezifferung des zu zahlenden Betrages. Er genügt damit dem zwingend erforderlichen Bestimmtheitsgebot gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht. Das Gleiche gilt für den Feststellungsantrag. Auch bei einer Feststellungsklage (einschließlich der auf Nutzungen gerichteten Feststellungsklage) muss der Klageantrag hinreichend bestimmt sein, denn der Umfang der Rechtshängigkeit und der Rechtskraft muss feststehen (BGH, Urt. v. 10.01.1983 - VIII ZR 231/81, NJW 1983, 2247). Dass dies bei der gewählten Antragstellung der klägerischen Prozessbevollmächtigten nicht der Fall, hat der Senat bereits mehrfach entschieden (vgl. statt vieler Senatsurt. v. 06.09.2023 – 11 U 241/22; v. 24.05.2023 - 11 U 310/22). Die anderslautenden Ausführungen der Klägerin in ihrer Berufungsbegründung verkennen, dass die beabsichtigte Stufenklage im Streitfall - wie bereits dargelegt - gerade nicht zulässig ist (vgl. zur Unzulässigkeit der Stufenklage BGH, Urt. v. 29.09.2023 - IV ZR 177/22 zit nach Pressemitteilung BGH Nr. 164/2023).
II.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision war entgegen dem klägerischen Hilfsantrag (BB 2) nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 543 Abs. 2 ZPO hierfür nicht vorliegen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichts.