Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 13. Senat | Entscheidungsdatum | 23.11.2011 | |
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Aktenzeichen | L 13 SB 111/08 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 69 SGB 9 |
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 06. Mai 2008 wird zurückgewiesen, soweit der Rechtsstreit nicht abgetrennt worden ist.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beteiligten streiten über die Höhe des bei der Klägerin festzustellenden Grades der Behinderung (GdB).
Für die 1951 geborene Klägerin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 27. Februar 1989 einen GdB von 30 unter Anerkennung von Fehlhaltungen und Verschleiß der Wirbelsäule sowie wiederkehrenden Wurzelreizungen fest; der Bescheid enthielt darüber hinaus die Feststellung, dass die Körperbehinderung zu einer äußerlich erkennbaren dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit geführt habe.
Mit Änderungsantrag vom 22. August 2006 machte die Klägerin eine Verschlimmerung ihres Gesundheitszustandes geltend und gab an, sich in internistischer, orthopädischer und hausärztlicher Behandlung zu befinden. Sie legte MRT-Berichte zur Hals- und Lendenwirbelsäule sowie des linken Kniegelenks, Atteste des behandelnden Orthopäden Dr. C vom 03. März 2003 sowie vom 28. April 2006 und die Entlassungsberichte über stattgefundene Rehabilitationsverfahren vom 08. Juli 2003 sowie 20. Juli 2006 vor. Der Beklagte holte eine gutachtliche Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. T (Facharzt für Neurochirurgie) vom 10. September 2006 nach Aktenlage ein, der einen GdB von 30 feststellte. Dem folgend lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 26. September 2006 die Feststellung eines höheren GdB ab und verwies darauf, dass sich die festgestellte Veränderung auf die Höhe des Gesamt-GdB von 30 nicht auswirke. Auf den dagegen von der Klägerin am 12. Oktober 2006 eingelegten Widerspruch holte der Beklagte einen Befundbericht des Internisten Dr. A vom 14. Dezember 2006 sowie des Orthopäden Dr. C vom 16. Januar 2007 und ein Gutachten der Fachärztin für Neurologie/Psychiatrie, und Sozialmedizin Dr. G vom 03. Mai 2007 ein. Diese stellte einen GdB von 40 fest und legte dem folgende Funktionsbeeinträchtigungen zu Grunde (in Klammern jeweils die zugeordneten Einzel-GdB):
a) Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschäden, Muskelreizerscheinungen der Wirbelsäule (30)
b) Migräne, Kopfschmerz (20)
c) Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks (10)
d) Carpaltunnelsyndrom rechts (10)
e) Psychische Störungen (10).
Dieser Einschätzung folgend stellte der Beklagte durch Bescheid vom 11. Juni 2007 einen GdB von 40 unter Berücksichtigung der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen gemäß den Ausführungen der Sachverständigen Dr. G fest. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2007 wies der Beklagte den Widerspruch nach Erteilung des Bescheides vom 11. Juni 2007 zurück und führte aus, dass der GdB nach Auswertung der ärztlichen Unterlagen mit 40 zutreffend bewertet sei.
Mit der dagegen am 08. Juli 2007 zu dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Zuerkennung eines GdB von 50 weiter. Zur Klagebegründung hat die Klägerin geltend gemacht, dass insbesondere eine deutliche Fehleinschätzung hinsichtlich der Erkrankungen der Wirbelsäule vorläge.
Das Sozialgericht hat die Klage ohne weitere medizinische Ermittlungen durch Gerichtsbescheid vom 06. Mai 2008 abgewiesen. Unter Berücksichtigung und Auswertung aller bereits erhobenen Befunde könne die Klägerin einen höheren GdB als 40 nicht beanspruchen. Das Wirbelsäulenleiden sei nach Seite 116 AhP 08 zutreffend mit einem Einzel-GdB von 30 berücksichtigt worden; die Voraussetzungen für einen höheren GdB lägen nicht vor, da nach den vorliegenden Befunden lediglich Störungen mit mittelgradigen funktionellen Beeinträchtigungen zu konstatieren seien. Auch die Kopfschmerzen seien nach Seite 48 AhP 08 richtig mit einem Einzel-GdB von 20 bemessen worden.
Gegen das am 16. Mai 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 05. Juni 2008 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Sie verweist insbesondere darauf, dass das Sozialgericht mangels eigener medizinischer Sachkunde den Sachverhalt hinsichtlich der psychischen und orthopädischen Leiden hätte weiter aufklären müssen. Das bestehende Magenleiden der Klägerin sei zudem weiter aufzuklären, ebenso der sich verschlechternde Tinnitus. Mit der Berufungsbegründung hat die Klägerin Atteste des Orthopäden Dr. K vom 27. Juni 2009 sowie der HNO-Ärztin Dr. K vom 14. Juli 2008 vorgelegt. Zu dem Attest der Dr. K hat der Beklagte die fachärztliche Stellungnahme der HNO-Ärtzin Dr. M vom 21. August 2008 vorgelegt, mit der diese einen GdB von 10 für die Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen beidseits befürwortet und dies damit begründet hat, dass die Hörstörung mit einer nur geringgradigen Schwerhörigkeit nur des linken Ohres für sich allein genommen noch nicht GdB-relevant sei und die im Zusammenhang mit dem Tinnitus auftretenden Schlafstörungen bereits von der Sachverständigen Dr. G in der Bemessung des GdB wegen der psychischen Störung berücksichtigt worden seien.
Der Senat hat zur weiteren Sachaufklärung einen Befundbericht des behandelnden Internisten Dr. O vom 14. März 2009 inklusive weiterer Angaben vom 14. November 2009, einem Befund über eine Magenspiegelung vom 21. Januar 2010 sowie dem dazugehörigen Mikroskopie-Befund vom 26. Januar 2010, und einen Befundbericht des behandelnden Orthopäden Dr. K vom 08. April 2009 eingeholt. Der Beklagte hat hierzu die versorgungsärztlichen internistischen Stellungnahmen vom 25. Mai 2009, 16. Februar 2010 und 18. Juni 2010 vorgelegt und ausgeführt, dass bei chronischer Magenschleimhautentzündung die Feststellung eines Einzel-GdB von 10 gerechtfertigt sei, sich hieraus jedoch keine Erhöhung des GdB ergebe. Weiterhin hat der Beklagte die fachchirurgischen Stellungnahmen vom 11. Juni 2009 und 25. Mai 2010 vorgelegt und ausgeführt, dass sich höhere Einzel-GdB auf orthopädischem Fachgebiet nicht ergeben würden.
Die Klägerin hat einen Bericht vom 14. Juni 2010 über eine am 11. Juni 2010 stattgefundene Operation der rechten Schulter sowie MRT-Berichte zur linken Schulter vom 16. Dezember 2010 und zum rechten Kniegelenk vom 04. April 2011 vorgelegt.
Zur weiteren Sachaufklärung hat der Senat ein Gutachten des Orthopäden Dr. W vom 17. Juni 2011 eingeholt. Dieser stellte einen GdB von 40 fest und legte dem folgende Funktionsbeeinträchtigungen zu Grunde (in Klammern jeweils die zugeordneten Einzel-GdB):
a) Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule bei mehrsegmentalen Osteochondrosen der Hals- und Lendenwirbelsäule, keine Mitbeteiligung spinaler Nervenstrukturen (30)
b) Migräne, Kopfschmerz (20)
c) geringgradige Funktionsbehinderung beider Schultergelenke, Zustand nach operiertem Carpaltunnelsyndrom rechts ohne Rezidiv (10)
d) Kniegelenksarthrose rechts mehr als links mit geringen Funktionsstörungen, Hallux valgus beidseits (10)
e) Psychische Störungen (10).
Wegen der weiteren Einzelheiten der genannten medizinischen Unterlagen, Stellungnahmen und Ermittlungen wird auf diese Bezug genommen.
Die Klägerin hat gegen das Gutachten eingewandt, dass der Sachverständige Dr. W die orthopädischen Leiden der Klägerin bagatellisiere. Zudem besitze er keine ausreichende Fachkunde, um die internistischen und psychischen Leiden der Klägerin zu beurteilen. Dies zeige sich insbesondere darin, dass er einerseits meine, dass der Einzel-GdB für die Migräne/Kopfschmerzen zu hoch bemessen sei, andererseits aber eine Korrektur unter Hinweis auf seine fehlende Fachkunde nicht vornehme.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Klägerin Unterlagen über eine geplante stationäre Aufnahme der Klägerin am 21. November 2011 im Dominikus Krankenhaus Berlin nebst Anlagen überreicht und Angaben über den erfolgten Krankenhausaufenthalt sowie die am 21. November 2011 stattgefundene Operation des Hallux valgus gemacht.
Der Senat hat das Verfahren für die Zeit ab dem 21. November 2011 abgetrennt und unter einem noch zu vergebenden Aktenzeichen fortgeführt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 06. Mai 2008 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 26. September 2006 sowie des Bescheides vom 11. Juni 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2007 zu verpflichten, für die Klägerin für die Zeit vom 22. August 2006 bis zum 20. November 2011 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen,
hilfsweise,
ein neues orthopädisches Sachverständigengutachten einzuholen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält seine Entscheidung für zutreffend und verweist ergänzend darauf, dass nach den versorgungsärztlichen Stellungnahmen zu den weiteren von der Klägerin geltend gemachten Beeinträchtigungen die begehrte Anhebung des GdB auf 50 nicht gerechtfertigt sei. Zu dem Gutachten des Dr. W hat der Beklagte am 14. November 2011 Stellung genommen und zwei versorgungsärztliche Stellungnahmen (durch die Fachärztin für Neuologie und Psychiatrie Dr. W vom 19. September 2011 und durch die Fachärztin für Chirurgie Dr. H vom 11. Oktober 2011) vorgelegt.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge des Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten.
Die Berufung ist gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG – zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben, jedoch unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Bescheide des Beklagten vom 26. September 2006 und 11. Juni 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2007 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn eine wesentliche Veränderung in den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen, die über die durch den Beklagten mit Bescheid vom 11. Juni 2007 berücksichtigte Veränderung hinausgeht und ab Stellung des Änderungsantrages vom 22. August 2006 die Feststellung eines GdB von 50 rechtfertigt, liegt nicht vor (§ 48 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuch Zehntes Buch –SGB X).
Nach den §§ 2 Abs. 1, 69 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) sind die Auswirkungen der länger als sechs Monate anhaltenden Funktionsstörungen nach Zehnergraden abgestuft entsprechend den Maßstäben des § 30 des Bundesversorgungsgesetzes zu bewerten. Hierbei sind als antizipiertes Sachverständigengutachten die vom Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung herausgegebenen Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit (AHP) heranzuziehen, und zwar entsprechend dem streitgegenständlichen Zeitraum in den Fassungen 2005 und 2008. Seit dem 01. Januar 2009 sind die in der Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) festgelegten „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ in Form einer Rechtsverordnung in Kraft, welche die AHP –ohne Eintritt einer grundsätzlichen Änderung hinsichtlich der medizinischen Bewertung - abgelöst haben.
Die Klägerin hat danach keinen Anspruch auf die Feststellung eines GdB von 50 ab dem 22. August 2006, da die Voraussetzungen für die Feststellung eines höheren GdB als 40 nicht nachgewiesen sind. Dies ergibt sich aus einer Gesamtschau der vorhandenen medizinischen Unterlagen. Insbesondere sind insoweit das vom Senat eingeholte Gutachten des Arztes für Orthopädie Dr. W vom 17. Juni 2011 und ergänzend das vom Beklagten eingeholte Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. G vom 03. Mai 2007 von Bedeutung.
Liegen – wie hier – mehrere Beeinträchtigungen am Leben in der Gesellschaft vor, ist der GdB gemäß § 69 Abs. 3 SGB IX nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Dabei verbietet sich die Anwendung jeglicher Rechenmethoden, insbesondere die bloße Addition der Einzel-GdB (Teil A Nr. 3a der Anlage zu § 2 VersMedV bzw. Teil A Nr. 19.1 AHP 2008, 2005, jeweils Seite 24). Nach Teil A Nr. 3c der Anlage zu § 2 VersMedV (bzw. Teil A Nr. 19.3 AHP 2008, 2005, jeweils Seite 25) ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdB von der Funktionsstörung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird. Leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB-Grad von 10 bedingen, führen grundsätzlich nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung; auch bei leichten Funktionsstörungen mit einem GdB-Grad von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A Nr. 3 d) aa) – ee) der Anlage zu § 2 VersMedV sowie Teil A Nr. 19 Abs. 1, 3, 4 und Teil A Nr. 19 AHP 2005, 2008, jeweils Seite 24 ff.).
Hauptleiden der Klägerin sind die Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule bei mehrsegmentalen Osteochondrosen der Hals- und Lendenwirbelsäule ohne Mitbeteiligung spinaler Nervenstrukturen, die mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten sind. Nach Teil A Nr. 26.18 AHP 2005, 2008 (jeweils Seite 116) und Teil B Nr. 18.9 der Anlage zu § 2 der VersMedV sind Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) mit einem GdB von 10 zu bewerten. Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) sind mit einem GdB von 20 und Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten mit einem GdB von 30-40 zu bewerten. Unter Würdigung der Ausführungen des Sachverständigen Dr. Wist davon auszugehen, dass bei der Klägerin ein Wirbelsäulenschaden in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegt, wobei jeweils keine höhergradigen Bewegungseinschränkungen zu objektivieren sind. Der Sachverständige hat insofern nachvollziehbar ausgeführt, dass die Untersuchung zwar eine endgradige Entfaltungsstörung der Hals- und Lendenwirbelsäule ergeben habe, jedoch die Mitbeteiligung spinaler Nervenstrukturen ausgeschlossen werden konnte. Bei Fehlen außergewöhnlicher Schmerzsyndrome, einer unauffälligen Neurologie und einer als eher durchschnittlich/unspezifisch zu bezeichnenden Schmerztherapie verneint der Sachverständige zutreffend Indizien, die eine weitere Anhebung des GdB von über 30 nach den genannten Vorgaben der VersMedV bzw. AHP 2005 und 2008 begründen könnten.
Weiter führt der Sachverständige Dr. W überzeugend aus, dass hinsichtlich der oberen Gliedmaßen nur eine geringgradige Funktionsbehinderung beider Schultergelenke und ein Zustand nach operiertem Carpaltunnelsyndrom rechts ohne Rezidiv vorliegen. Nach der Carpaltunnelspaltung sowie der Ganglionexstirpation am linken Handrücken seien keine Funktionsstörungen verblieben. Insofern hätten sich weitestgehend unauffällige Untersuchungsergebnisse gezeigt. Die vorgetragenen Schwächegefühle seien nicht objektivierbar. Diese Einschätzung werde durch einen neurologischen Befund aus dem Jahr 2007 bestätigt. Hinsichtlich der Schulter sei von einem guten bis sehr guten Operationsergebnis auszugehen. Bewegungsverzögerungen und damit verbundene Belastungsdefizite würden sich lediglich bei der Armhebung über 90° zeigen; ohne zusätzliche Last könne der Arm bis in die endgradige Abduktion und die vollständige Rotation geführt werden. Insgesamt seien danach im Bereich der Arme und Schulter trotz erkennbarer Abnutzungserscheinungen aus funktioneller Betrachtungsweise die Defizite beider Seiten mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. Dies ist mit der Anlage zu § 2 VersMed V, Teil B Nr. 18.13 sowie Nr. 26.18 AHP 2005 und 2008 (jeweils Seite 119) in Einklang zu bringen, wonach die Bewegungseinschränkung des Schultergelenks mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten ist, wenn der Arm nur um 120° zu erheben ist und eine entsprechen de Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit vorliegt. Folgerichtig bewertet der Sachverständige die bei der Klägerin vorliegenden Bewegungsverzögerungen und Belastungsdefizite ohne Einschränkungen der Abduktion und Rotation mit einem GdB von 10.
Letztlich sieht der Sachverständige Dr. W in orthopädischer Hinsicht eine Kniegelenksarthrose rechts mehr als links mit geringen Funktionsstörungen sowie einen Hallux valgus beidseits. Die Gesamtbeweglichkeit der Knie und die umgebenden Weichteile seien normal gewesen, ebenso hätten sich Anzeichen für eine regelmäßige Entzündlichkeit in der Untersuchung nicht gezeigt. Der Kniegelenksverschleiß rechts sei größer als der links und führe zu mittelgradigen Bewegungsstörungen. In Übereinstimmung mit der Anlage zu § 2 VersMed V, Teil B Nr. 18.14 sowie Nr. 26.18 AHP 2005 und 2008 (jeweils Seite 126) bewertet der Sachverständige die Kniegelenksarthrose mit einem Einzel-GdB von 10.
Die Einschätzungen des gerichtlichen Sachverständigen sind unter Beachtung der ausführlichen Begründungen sowie der bereits dargestellten Übereinstimmung dieser Einschätzungen mit den jeweiligen Vorgaben der VersMedV und den AHP 2005 und 2008 überzeugend. Insbesondere ist zutreffend, dass allein radiologische Aspekte nicht zu einem definierten Behinderungsgrad führen, sondern ausschlaggebend die funktionellen Möglichkeiten unabhängig von bildmorphologischen Veränderungen sind. Der Senat teilt danach und aufgrund der jeweils anhand der Untersuchungsergebnisse sowie unter Berücksichtigung der vorliegenden weiteren Unterlagen/Befunde gut begründeten und nachvollziehbaren Ausführungen des Dr. W nicht den Vorwurf, dass der Sachverständige die orthopädischen Leiden der Klägerin bagatellisiere. Danach sind das Wirbelsäulenleiden der Klägerin mit einem Einzel-GdB von 30, das Kniegelenksleiden mit einem Einzel-GdB von 10 und die Leiden an Schultern und Armen mit einem Einzel-GdB von 10 jeweils angemessen bewertet.
In Übereinstimmung mit der Gutachterin im Vorverfahren Dr. G teilt der Sachverständige Dr. W weiterhin mit, dass die Klägerin unter einer mit einem Einzel-GdB von 10 zu beurteilenden psychischen Störung sowie unter Migräne und Kopfschmerzen, die mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten seien, leide. Zu diesen Leidenskomplexen hat die Sachverständige Dr. G ausgeführt, dass die Klägerin im Gespräch lebhaft und gut kontaktfähig gewesen sei. Affektiv sei sie leicht eingeengt schwingend erschienen; die Stimmung sei leicht gedrückt, aber aufhellbar gewesen, der Antrieb nicht gestört. Es bestünden nach Angaben der Klägerin Ein- und Durchschlafstörungen sowie eine Überlastungssituation bei der Arbeit. Das Migräneleiden sei, da ein- bis zweimal monatlich tagelang anhaltende Migräneanfälle auftreten würden, höher zu bewerten. Die Bewertung der Migräne/Kopfschmerzen mit einem Einzel-GdB von 20 steht danach in Einklang mit Teil B Nr. 2.3 der Anlage zu § 2 der VersMedV sowie Teil A Nr. 26.2 der AHP 2005, 2008 (jeweils Seite 39), wonach Migräne bei mittelgradiger Verlaufsform (häufigere Anfälle, jeweils einen oder mehrer Tage anhaltend) mit einem Einzel-GdB von 20 bis 40 zu bewerten sind. Die Annahme eines höheren Einzel-GdB als 20 für die Migräne/Kopfschmerzen ist nicht gerechtfertigt. Nach den genannten Vorschriften der VersMedV bzw. AHP 2005, 2008 ergibt sich folgendes: Migräneleiden sind je nach Anfallshäufigkeit, -intensität und –dauer zu bewerten. Dabei liegt die von der Klägerin gegenüber zuletzt dem Sachverständigen Dr. W angegebene Häufigkeit der Anfälle (ein Anfall in drei Wochen) nur unwesentlich über der Häufigkeit, die mit einem GdB von 0-10 zu bewerten wäre (Anfall einmal monatlich). Unter Berücksichtigung dieser Tatsache und der für den mittleren Bereich der Migräne als durchschnittlich anzusehenden Dauer der Anfälle sowie ihrer Intensität ist die Einstufung des Migräneleidens der Klägerin am unteren Ende der genannten Vorschriften für eine Migräne mit mittelgradiger Verlaufsform, also mit einem Einzel-GdB von 20, gerechtfertigt. Auch die Einschätzung eines Einzel-GdB von 10 für die psychischen Probleme der Klägerin, die nur in leichterer Form vorliegen, steht im Einklang mit der Anlage zu § 2 VersMed V, Teil B Nr. 18.14 sowie Nr. 26.18 AHP 2005 und 2008 (jeweils Seite 126). Die Annahme eines höheren Einzel-GdB als 10 für die psychischen Probleme ist nach den dortigen Kriterien nicht angezeigt. Denn die nach den genannten Vorschriften der VersMedV bzw. AHP 2005 und 2008 hierfür erforderliche psychische Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit oder gar mit mittelgradigen bzw. schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten liegt nicht vor.
Verschlechterungen der Migräne und Kopfschmerzen sind von der Klägerin weder vorgetragen, noch durch die Ermittlungen des Gerichts belegt worden. Angesichts der überzeugenden Ausführungen der Dr. G, denen sich der gerichtliche Sachverständige Dr. W im Ergebnis anschließt, vermag der Senat die Kritik der Klägerin an den Einschätzungen hinsichtlich der Bewertungen der Migräne und der psychischen Leiden nicht zu teilen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Attestes der behandelnden Hals-Nasen-Ohren-Ärztin Dr. K vom 14.07.2008 über einen bestehenden beidseitigen Tinnitus. Diesen hat der versorgungsmedizinische Dienst in der fachärztlichen Stellungnahme vom 21.08.2008 ausführlich gewürdigt und mit einem GdB von 10 bei Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen beidseits eingestuft. Dem schließt sich der Senat unter Beachtung von Teil B Nr. 5.2, 5.3 der Anlage zu § 2 VersMedV sowie Teil A Nr. 26.5 AHP 2004, 2005, 2008 an, da nur auf dem linken Ohr eine geringgradige Schwerhörigkeit vorliegt und die mit den Ohrgeräuschen einhergehenden Schlafstörungen bereits bei der psychischen Störung durch die Sachverständige Dr. G gewürdigt worden sind. Bestätigt wird die Einschätzung der Dr. G zudem durch die versorgungsärztliche Stellungnahme der Fachärztin für Neuologie und Psychiatrie Dr. W vom 19. September 2011, die ebenfalls keine Notwendigkeit einer weiteren neurologisch-psychiatrischen Begutachtung sieht.
Schließlich ist nach den durchgeführten Ermittlungen unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen Dr. W sowie der versorgungsmedizinischen internistischen Stellungnahmen des Beklagten vom 25. Mai 2009, 16. Februar 2010 sowie 18. Juni 2010 in internistischer Hinsicht im Hinblick auf die chronische Magenschleimhautentzündung die Annahme eines Einzel-GdB von 10 gerechtfertigt. Die entsprechende Einschätzung des Beklagten vom 18. Juni 2010 stimmt mit der Anlage zu § 2 VersMed V, Teil B Nr. 10.2.1 sowie Nr. 26.10 AHP 2005 und 2008 (jeweils Seite 78) überein, wonach eine chronische Magenschleimhautveränderung mit einem GdB von 0-10 zu bewerten ist. Eine höhere Bewertung dieser Erkrankung ist nicht angezeigt. Der vom behandelnden Internisten bescheinigte Zustand nach Zwölffingerdarmgeschwür begründet darüber hinaus nach der Anlage zu § 2 VersMed V, Teil B Nr. 10.2.1 sowie Nr. 26.10 AHP 2005 und 2008 (jeweils Seite 77) mangels Rezidiven keinen GdB.
Dem mit dem Hilfsantrag gestellten Beweisantrag auf Einholung eines weiteren orthopädischen Gutachtens war unter Berücksichtigung der gezielten Auseinandersetzung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. W mit den orthopädischen Erkrankungen der Klägerin nicht nachzugehen. Die Klägerin rügt in dieser Hinsicht im Ergebnis lediglich die Einschätzung ihrer Erkrankungen, die der Sachverständige –wie bereits ausgeführt- nachvollziehbar begründet hat. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin nunmehr aufgrund des Hallux valgus am rechten Fuß operiert worden ist. Der gerichtliche Sachverständige Dr. W wusste bei Erstellung seines Gutachtens, dass die Operation stattfinden würde und hat unter Berücksichtigung dieser Tatsache sowie der erhobenen Untersuchungsbefunde und der weiteren von der Klägerin zu dieser Erkrankung eingereichten Unterlagen seine Einschätzung getroffen. Zumindest bis zum Zeitpunkt der Abtrennung, also bis zum Tag vor der Operation am 21. November 2011, ist nicht erkennbar, welche weiteren Erkenntnisse sich aus dem beantragten weiteren Gutachten ergeben sollen.
Aus den genannten Funktionsbeeinträchtigungen ist unter Berücksichtigung der oben dargestellten Kriterien ein GdB von insgesamt 40 zu bilden.
Ausgehend von den Wirbelsäulenschäden der Klägerin und einem Einzel-GdB von 30 ist der GdB aufgrund des Einzel-GdB von 20 für die Migräne/Kopfschmerzen auf 40 zu erhöhen. Der Senat berücksichtigt dabei, dass das Hauptleiden der Wirbelsäulenschäden einen vollständig anderen Lebensbereich als die Migräne und Kopfschmerzen betrifft und sich deswegen daraus weitere Beeinträchtigungen ergeben, so dass hier der Einzel-GdB von 30 für das Hauptleiden um 10 Punkte auf 40 zu erhöhen ist, wie es auch bereits die Sachverständige Dr. G eingeschätzt hat. Eine weitere Erhöhung durch die jeweils mit 10 bewerteten weiteren Einzel-GdB ist nach (Teil A Nr. 3 d) ee) der Anlage zu § 2 VersMedV und Teil A Nr. 19 Abs. 1, 3, 4 und AHP 2005, 2008 (jeweils Seite 26) in aller Regel und so auch im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision war mangels Vorliegen der Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.