Gericht | OLG Brandenburg 11. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 29.09.2023 | |
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Aktenzeichen | 11 U 332/22 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:0929.11U332.22.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Auf die Berufung der Klägerin wird unter ihrer Zurückweisung im Übrigen das am 25.11.2022 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 13. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam - 13 O 291/21 – berichtigend wie folgt neu gefasst:
a. Es wird festgestellt, dass die Erhöhung des Monatsbeitrags in den Tarifen KBK20 und KB30 sowie die Erhöhung des gesetzlichen Zuschlages zum 01.01.2019 in der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Kranken-/Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer … bis zum 31.03.2022 nicht wirksam geworden sind und die Klägerin bis zum 31.03.2022 zur Tragung der Beträge aus den vorgenannten Erhöhungen nicht verpflichtet war.
b. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 459,57 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.11.2021 zu zahlen.
c. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
d. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 90 % und die Beklagte zu 10 % zu tragen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
3. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,- € festgesetzt.
I.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Prämienanpassungen im Rahmen einer privaten Krankenversicherung und in diesem Zusammenhang über Ansprüche auf Auskunft sowie Feststellung der Unwirksamkeit möglicher Prämienerhöhungen.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a ZPO abgesehen.
II.
Soweit das erstinstanzliche Urteil im Tenor den Beginn der Prämienerhöhung mit Datum vom 01.01.2015 und nicht – wie es zutreffend gewesen wäre – vom 01.01.2019 aufführt, handelt es sich um eine offenbare Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung, die gemäß § 319 Abs. 1 ZPO jederzeit - auch vom Rechtsmittelgericht (BGH, Urteil vom 3. April 1996 – VIII ZR 54/95 –, juris m.w.N.) - berichtigt werden kann. Dies ist mit der Neufassung der landgerichtlichen Urteilsformel geschehen.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Landgericht hat die Klage, soweit sie noch Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, zu Recht abgewiesen. Berufungsgründe sind nicht gegeben; weder beruht das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere - für den Kläger günstige(re) - Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
Das Auskunftsbegehren der Klägerin ist – wie vom Landgericht zutreffend erkannt – unbegründet.
Der Auskunftsanspruch, wie er von Klägerseite geltend gemacht wurde, folgt nicht aus § 3 Abs. 3 und 4 VVG. Hieraus ergibt sich zwar ein Anspruch auf erneute Ausstellung der Nachträge zum Versicherungsschein. Die Regelung erfasst nach allgemeiner Meinung, der sich der Senat anschließt, auch über den Wortlaut hinaus nicht nur den Versicherungsschein selbst, sondern auch die hierzu erteilten Nachträge (vgl. OLG Nürnberg, a.a.O.; Prölss/Martin/Rudy, VVG, 31. Aufl., § 3 Rn. 1, 5). Für die Geltendmachung des Anspruchs genügt, dass der Versicherungsnehmer behauptet, nicht mehr im Besitz der Originale zu sein. Es kommt nicht darauf an, aus welchem Grund der Besitzverlust erfolgte (vgl. BeckOK VVG/Filthuth, 17. Ed., § 3 Rn. 18, m.w.N.). Allerdings reicht der pauschale Vortrag der Klägerin, ihr lägen die Versicherungsscheine nicht vor, nicht aus. Hierauf hat der Senat in der mündlichen Verhandlung hingewiesen.
Soweit die Klägerin darüber hinaus Unterlagen verlangt, die Angaben zur Höhe der Beitragsanpassungen unter Benennung der jeweiligen Tarife verlangt, ist nicht ersichtlich, inwiefern dieser Teil des Auskunftsbegehrens über die Übermittlung des Versicherungsscheins bzw. der Nachträge hinausgeht, zumal der Kläger mit seinem Antrag selbst davon ausgeht, dass diese Informationen in den Nachträgen enthalten sind.
Ein Anspruch auf Auskunft, so wie ihn die Klägerin verlangt, ergibt sich weder aus § 242 BGB noch aus Art 15 Abs. 1 DSGVO.
Zwar kann sich aus einem Schuldverhältnis nach Treu und Glauben auch die Pflicht zur gegenseitigen Unterstützung ergeben. Dies kann auch zu der Verpflichtung eines Vertragspartners führen, dem anderen Teil Unterlagen zur Verfügung zu stellen (vgl. Senat, Beschl. v. 04.05.2022 - 11 U 239/21; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 18.07.2022 - 16 U 181/21, Rn. 51 ff., juris, jeweils m.w.N.). Es genügt jedoch nicht, dass der Anspruchsteller behauptet, die begehrte Information sei für ihn von Bedeutung bzw. er sei auf sie angewiesen. Voraussetzung ist vielmehr, dass der Anspruchsteller über den Inhalt der geforderten Information in entschuldbarer Weise im Unklaren ist, der Anspruchsgegner die Auskunft unschwer erteilen kann (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urt. v. 08.02.2018 - III ZR 65/17, NJW 2018, 2629 Rn. 23 m.w.N.) und ausreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein bestimmter durchsetzbarer Anspruch existiert (vgl. BGH, Versäumnisurt. v. 17.07.2002 - VIII ZR 64/01, Rn. 9; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 18.07.2022 - 16 U 181/21, Rn. 52; juris). Diese Voraussetzungen sind hier erkennbar nicht gegeben.
Auch aus der DSGVO ergibt sich zu der begehrten Auskunft über die auslösenden Faktoren kein entsprechendes Auskunftsrecht, da in diesem Fall bereits der Anwendungsbereich der Verordnung nicht eröffnet ist. Damit kann eigentlich dahinstehen, ob hier die Ausnahmeregelung in Art. Artikel 12 Abs. 5 DSGVO greift, der Bekl. also ein Weigerungsrecht zustünde. Personenbezogene Daten sind nach der Legaldefinition in Art. 4 Nr. 1 DSGVO nur Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare Person beziehen. Hierzu zählt der Auskunftsanspruch, der sich allein auf die Höhe des auslösenden Faktors für die Neukalkulation der Prämie im streitgegenständlichen Tarif bezieht, nicht (OLG Dresden, Beschl. v. 12.09.2022 - 4 U 1327/22, Rn. 9; OLG Nürnberg, Beschl. v. 21.11.2022 - 8 U 1621/22, Rn. 46, juris). Bei der Höhe der auslösenden Faktoren handelt es sich um eine Rechengröße ohne direkten Bezug zum Kläger.
Aber selbst wenn man annimmt, dass es sich hier bei den begehrten Auskünften um personenbezogene Daten handelt, hilft das der Klägerin nicht weiter, da in diesem Falle der Beklagten ein Weigerungsrecht nach Art. 12 Abs. 5 S. 2 DSGVO zu Geltung käme.
Dazu im Einzelnen:
Die Vorschrift des Art. 12 Abs. 5 S. 2 DSGVO führt zwar lediglich die häufige Wiederholung als Beispiel für einen "exzessiven" Antrag auf. Die Verwendung des Wortes "insbesondere" macht aber deutlich, dass die Vorschrift auch andere rechtsmissbräuchliche Anträge erfassen will und insoweit nicht abschließend ist (vgl. Heckmann/Paschke, in Ehlmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung 2. Aufl. Art. 12 Rn. 43). Bei der Auslegung, was in diesem Sinne rechtsmissbräuchlich ist, ist auch der Schutzzweck der DSGVO zu berücksichtigen. Wie sich aus dem Erwägungsgrund 63 zu der Verordnung ergibt, ist Sinn und Zweck des in Art. 15 DSGVO normierten Auskunftsrechts, es der betroffenen Person problemlos und in angemessenen Abständen zu ermöglichen, sich der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten bewusst zu werden (so auch BGH, Urt. v. 15.06.2021 - VI ZR 576/19, Rn. 23, juris). Die Ausübung des Rechts nach Art. 15 DSGVO soll der betroffenen Person ermöglichen zu überprüfen, ob sie betreffende Daten richtig sind und auch, ob sie in zulässiger Weise verarbeitet werden (dazu jüngst EuGH, Urt. v. 04.05.2023 - C-487/21, Rn. 34, juris). Dieses Auskunftsrecht ist nach Auffassung des EuGH erforderlich, um es der betroffenen Person zu ermöglichen, gegebenenfalls ihr Recht auf Berichtigung, ihr Recht auf Löschung („Recht auf Vergessenwerden“) und ihr Recht auf Einschränkung der Verarbeitung, die ihr nach den Art. 16, 17 bzw. 18 DSGVO zukommen, sowie ihr in Art. 21 DSGVO vorgesehenes Recht auf Widerspruch gegen die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten oder im Schadensfall ihr in den Art. 79 und 82 DSGVO vorgesehenes Recht auf Einlegung eines gerichtlichen Rechtsbehelfs auszuüben (EuGH, a.a.O., Rn. 35).
Um ein solches Bewusstwerden zum Zweck einer Überprüfung der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten geht es dem Kläger nach seinem eigenen Klagevorbringen jedoch nicht. Sinn und Zweck der von ihm begehrten Auskunftserteilung ist vielmehr ausschließlich die Überprüfung etwaiger, von der Beklagten vorgenommener Prämienanpassungen wegen möglicher formeller Mängel nach § 203 Abs. 5 VVG. Eine solche Vorgehensweise ist vom Schutzzweck der DSGVO nicht umfasst (vgl. Senat, Urt. v. 17.03.2023 - 11 U 208/22; Beschl. v. 04.05.2022 - 11 U 239/21, Rn. 9; OLG Hamm, Beschl. v. 15.11.2021 - 20 U 269/21, Rn. 8ff.; OLG München, Beschl. v. 24.11.2021 - 14 U 6205/21, Rn. 55 f.; OLG Nürnberg, Urt. v. 14.03.2022 - 8 U 2907/21, Rn. 43; OLG Dresden, Urt. v. 29.03.2022 - 4 U 1905/21, Rn. 64 ff.; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 18.07.2022 - 16 U 181/21, Rn. 45 ff.; OLG Karlsruhe, Urt. v. 29.11.2022 - 12 U 305/21, Rn. 52 f.; a.A. OLG Köln, Urt. v. 13.05.2022 - 20 U 295/21, Rn. 48 ff.; OLG Celle, Urt. v. 15.12.2022 - 8 U 165/22, Rn. 125 ff.; juris).
Der Senat verkennt nicht, dass die Kenntnis der Klagepartei von den Unterlagen, auf welche sich der geltend gemachte Anspruch bezieht, für sich genommen den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nicht ausschließt, da dieser dem Betroffenen eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung, etwa eine Prüfung der Richtigkeit der Daten, ermöglichen soll (BGH, Urt. v. 15.06.2021 - VI ZR 576/19, Rn. 25, juris, m.w.N.). Eine derartige datenschutzrechtliche Zielsetzung verfolgt die Klägerin mit ihrem streitgegenständlichen Auskunftsantrag indes - wie ausgeführt - aber nicht. Insbesondere richtet sich sein Begehren gerade nicht auf eine Auskunft darüber, ob die Beklagte die in den ihr bekannten Schreiben enthaltenen Informationen aktuell verarbeitet, insbesondere speichert (vgl. BGH, aaO); vielmehr geht ihr Begehren allein dahin, Auskunft über den Inhalt dieser ihm bereits vorliegenden Schreiben zu erhalten, um etwaige Zahlungsansprüche gegen die Beklagte durchzusetzen (zutreffend für einen ähnlich gelagerten Fall: OLG Karlsruhe, Urt. v. 29.11.2022 - 12 U 305/21, Rn. 55 f.).
Auch der weitere Feststellungsantrag der Klägerin zu dem vermeintlich erledigten Auskunftsanspruch ist in der Sache ohne Erfolg. Insofern kann auf die nicht weiter ergänzungsbedürftigen Ausführungen des Landgerichts verwiesen werden.
Soweit die Klägerin die Freistellung von außergerichtlichen Kosten erstrebt, hat sie damit keinen Erfolg. Zwar ist ein derartiger Anspruch unter schadensersatzrechtlichen Gesichtspunkten durchaus möglich, jedoch mangelt es hier an dem erforderlichen Vortrag.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 543 Abs. 2 ZPO hierfür nicht vorliegen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichts.