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Entscheidung 3 O 26/23


Metadaten

Gericht LG Cottbus 3. Zivilkammer Entscheidungsdatum 17.05.2023
Aktenzeichen 3 O 26/23 ECLI ECLI:DE:LGCOTTB:2023:0517.3O26.23.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über den Bestand des Nachlasses des am 27.04.2022 in Cottbus verstorbenen Erblassers Herrn ... zu erteilen, und zwar durch Vorlage eines durch einen Notar aufgenommen und beglaubigten Bestandsverzeichnisses nebst entsprechenden Verträgen und Belegen, welches folgende Punkte umfasst:

- alle beim Erbfall vorhandenen Sachen, Immobilien und Forderungen (Aktiva),

- alle beim Erbfall vorhandenen Nachlassverbindlichkeiten (Erblasser- und Erbfallschulden),

- alle ergänzungspflichtigen Zuwendungen, welche der Erblasser zu Lebzeiten getätigt hat, einschließlich Pflicht- und Anstandsschenkungen und ehebezogener Zuwendungen,

- alle ungeklärten Zuwendungen und Veräußerungen des Erblassers zu Lebzeiten, deren Umstände es nahelegen, es handele sich wenigstens zum Teil um eine Schenkung,

- alle unter Abkömmlingen ausgleichspflichtigen Zuwendungen, welche der Erblasser zu Lebzeiten an seine Abkömmlinge getätigt hat,

- den Güterstand, in dem der Erblasser verheiratet war.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt als Pflichtteilsberechtigte von der Beklagten als Erbin Auskunft über den Nachlassbestand.

Mit vorprozessualen Schreiben vom 06.10.2022 forderte die Klägerin die Beklagte auf, ein notarielles Nachlassverzeichnis vorzulegen. Sie setzt eine Frist zur Anzeige der Beauftragung eines Notars bis zum 01.11.2022.

Mit Schriftsatz vom 21.11.2022 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie am 27.10.2022 den Notar ... mit der Anfertigung eines Nachlassverzeichnisses beauftragt habe.

Die Klageschrift vom 23.01.2023 ist am 25.01.2023 bei Gericht eingegangen. Mit Verfügung vom 17.02.2023 wurde das schriftliche Vorverfahren angeordnet. Es wurde eine Frist zur Klageerwiderung von 6 Wochen nach Ablauf der Notfrist für die Verteidigungsanzeige gesetzt. Die Klageschrift wurde der Beklagten am 20.02.2023 zugestellt.

Auf den am 14.04.2023 bei Gericht eingegangenen Antrag der Beklagten vom 13.04.2023 wurde diese Frist mit Verfügung vom 14.04.2023 bis zum 25.05.2023 verlängert.

In dem am 10.05.2023 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz der Beklagten vom 10.05.2023 heißt es unter anderem: „… Erklären wir im Hinblick auf die Klage hiermit das sofortige Anerkenntnis unter Verwahrung gegen die Kostenlast“, wobei die Worte „sofortige Anerkenntnis“ durch Fettdruck und Einrücken hervorgehoben wurden. Im weiteren Inhalt dieses Schriftsatzes erläutert die Beklagte, warum sie meint, die Kosten des Rechtsstreits seien gemäß § 93 ZPO der Klägerin aufzuerlegen. Im Schriftsatz vom 10.05.2023 vertritt die Beklagte darüber hinaus die Auffassung, der mit der Klage geltend gemachte Auskunftsanspruch sei durch Übergabe eines notariellen Nachlassverzeichnisses vom 26.04.2023 erfüllt.

Die Klägerin äußerte Zweifel an der Wirksamkeit des Anerkenntnisses. Sie begründet dies damit, dass als Teil des Nachlassverzeichnisses vom 26.04.2023 ein Wertgutachten vorgelegt worden sei, das den Wert eines Grundstückes zum 19.04.2011 feststelle, „obwohl die Immobilie am 17.12.2019 übertragen wurde“. Die Klägerin meint: „Damit liegt ein implizites Bestreiten des Klageanspruchs vor, sodass ein vollständiges Anerkenntnis nicht vorliegt, sodass aus diesem Grund auch ein sofortiges Anerkenntnis gem. § 93 ZPO nicht in Betracht kommt“.

Die Klägerin beantragt,

1. wie erkannt

2. Der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Die Beklagte meint, der Klage hätte es zur Durchsetzung des Anspruchs nicht bedurft, die Kosten des Rechtsstreits seien deshalb der Klägerin aufzuerlegen.

Entscheidungsgründe

1. Die Verurteilung der Beklagten beruht in der Hauptsache auf deren Anerkenntnis, § 307 ZPO. Eines besonderen Antrages bedarf es insoweit nicht.

Die im Schriftsatz vom 10.05.2023 abgegebene prozessuale Erklärung ist unzweifelhaft als Anerkenntnis zu verstehen. Schon der Wortlaut der Erklärung lässt kaum eine andere Interpretation zu: Es ist kaum vorstellbar, dass ein Rechtsanwalt, der ausdrücklich (und hier durch Einrücken und Fettdruck hervorgehoben) für die von ihm vertretene Partei ein „Anerkenntnis“ erklärt, etwas anderes meint als ein prozessuales Anerkenntnis im Sinne von § 307 ZPO. Etwa verbleibende Zweifel am Sinngehalt der Erklärung würden dadurch ausgeräumt, dass die Beklagte ihr Anerkenntnis als „sofortiges“ Anerkenntnis bezeichnet und sie mit der Begründung, der Klage hätte es nicht bedurft, beantragt, die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin aufzuerlegen. Es ist offensichtlich, dass die Beklagte damit zum Ausdruck bringen will, es lägen die Voraussetzungen des § 93 ZPO vor. Diese Argumentation ergibt einen Sinn überhaupt nur dann, wenn die Erklärung als Anerkenntnis gewollt war.

Es stünde der Auslegung der prozessualen Erklärung der Beklagten als Anerkenntnis nicht entgegen, wenn das notarielle Nachlassverzeichnis vom 26.04.2023 zu Erfüllung des streitgegenständlichen Anspruches nicht ausreicht. Allenfalls könnte es umgekehrt der Auslegung als Anerkenntnis entgegenstehen, dass die Klägerin meint, der Anspruch sei erfüllt. Es kann nämlich für eine beklagte Partei prozesstaktisch klug sein, ein prozessuales Anerkenntnis zu erklären, wenn der eingeklagte Anspruch bereits durch Erfüllung erloschen ist. Das Anerkenntnis führt nämlich – sofern die Klage zulässig ist – ohne weiteres zu einer dem anerkannten Klageantrag entsprechenden Verurteilung (§ 307 ZPO). Gegenüber der Vollstreckung aus dem Anerkenntnisurteil könnte die Beklagte nicht geltend machen, dass der Anspruch im Zeitpunkt des Anerkenntnisses bereits durch Erfüllung erloschen war (vgl. § 767 Abs. 2 ZPO und Brdbg. OLG, NJOZ, 2002, 204). Diese Erwägungen sind jedoch angesichts des eindeutigen Wortlauts der mit Schriftsatz vom 10.05.2023 abgegebenen Erklärung und des weiteren Inhaltes des Schriftsatzes nicht geeignet, eine vom Wortlaut der Erklärung abweichende Auslegung zu rechtfertigen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 93 ZPO.

a. Das Anerkenntnis erfolgte „sofort“ im Sinne von § 93 ZPO. Dies ist jedenfalls dann, wenn – wie hier – die beklagte Partei vor dem Anerkenntnis nicht einen Klageabweisungsantrag angekündigt hatte, immer dann der Fall, wenn das Anerkenntnis innerhalb der Klageerwiderungsfrist abgegeben wird. Dies ist hier geschehen, denn die zunächst am 17.04.2023 endende Klageerwiderungsfrist wurde bis zum 15.05.2023 verlängert, die Anerkenntniserklärung ist am 10.05.2023 bei Gericht eingegangen.

b. Die Klägerin hat keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben. Die Klägerin hat der Beklagten mit Schriftsatz vom 21.11.2022 mitgeteilt, dass am 27.10.2022 ein Notar mit der Anfertigung eines Nachlassverzeichnisses beauftragt wurde. Dem konnte die Klägerin entnehmen, dass die Beklagte auch ohne dahingehende Verurteilung bereit ist, den streitgegenständlichen Anspruch zu erfüllen.

Dass sodann bis zum Eingang der Klageschrift am 25.01.2023 weder ein notarielles Nachlassverzeichnis vorgelegt worden war, noch seitens der Beklagten eine Mitteilung zum Sachstand erfolgte, rechtfertigt auf Seiten der Klägerin noch nicht die Annahme, dass die Beklagte ihren Standpunkt geändert haben könnte und nunmehr nicht mehr zur freiwilligen Erfüllung bereit ist. Erfahrungsgemäß nimmt nämlich die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses einen gewissen Zeitraum in Anspruch, wobei auch zu berücksichtigen ist, dass der beauftragte Notar wohl allenfalls in Ausnahmefällen sofort im Zeitpunkt seiner Beauftragung mit der Erstellung des Nachlassverzeichnisses beginnen kann und beginnt.

Vor diesem Hintergrund hätte die Beklagte Anlass zur Klageerhebung nur gegeben, wenn sie durch positives Tun zum Ausdruck gebracht hätte, dass sie zu Erfüllung des Anspruchs nicht mehr bereit ist. Möglicherweise wäre ein Anlass zur Klageerhebung auch dann anzunehmen, wenn die Klägerin innerhalb eines Zeitraums, der ohne jeden Zweifel zur Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses ausgereicht hätte, weder ein solches Verzeichnis vorliegt noch sich unaufgefordert zum Sachstand erklärt oder wenn sie auf eine Sachstandsanfrage der Klägerin nicht reagiert. Nichts davon ist vorliegend der Fall.

Nachdem die Beklagte der Klägerin die Beauftragung eines Notars mitgeteilt hatte, brauchte sie nicht damit zu rechnen, dass die Klägerin Klage erhebt, ohne sich zuvor zumindest bei der Beklagten nach dem Sachstand zu erkundigen.

3. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 1 ZPO.