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Entscheidung 21 StVK 32/23


Metadaten

Gericht LG Cottbus Strafvollstreckungskammer Entscheidungsdatum 17.02.2023
Aktenzeichen 21 StVK 32/23 ECLI ECLI:DE:LGCOTTB:2023:0217.21STVK32.23.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Beiordnung eines notwendigen Verteidigers wird zurückgewiesen.

2. Die Vollstreckung des Restes der

a. Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten aus dem Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 4. August 2020 (Az.: (222 Ds) 3014 Js 3896/18 29101V (41/18)),

b. der Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 17. Juli 2019 (Az.: (222 Ds) 3014 Js 3476/19 (42/19)) und

c. der Freiheitsstrafe von sieben Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 16. Dezember 2019 (Az.: (281 Js) 3014 Js 9391/19 (99/19))

wird nach Verbüßung von ½-2/3 (11. März 2023) zur Bewährung ausgesetzt.

3. Die Verurteilte wird der Aufsicht und Leitung des für ihren Wohnsitz zuständigen Bewährungshelfers unterstellt.

4. Der Verurteilten werden folgende Weisungen erteilt:

a. Die Verurteilte wird angewiesen, sich einmal monatlich, erstmals binnen zwei Wochen nach ihrer Entlassung, bei ihrem Bewährungshelfer nach dessen näherer zeitlicher Weisung zu melden, wobei dieser bestimmt, ob die Meldung durch persönliche Vorsprache oder telefonisch zu erfolgen hat.

b. Die Verurteilte wird angewiesen, jeden Wechsel der Wohnanschrift unverzüglich ihrem Bewährungshelfer zu melden.

5. Die Belehrung der Verurteilten über die Bedeutung der Aussetzung der Strafe zur Bewährung, die Dauer der Bewährungszeit, die Weisungen sowie die Möglichkeit des Widerrufs wird der Leiterin der Justizvollzugsanstalt Luckau-Duben übertragen (§§ 268a Abs. 3 S. 1, 454 Abs. 4 S. 2 StPO).

Gründe

I.

Der Antrag auf Beiordnung eines notwendigen Verteidigers war zurückzuweisen, da die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO nicht vorliegen.

Zwar ist anerkannt, dass auch im Strafvollstreckungsverfahren ein notwendiger Verteidiger beigeordnet werden kann, wenn die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO vorliegen. Diese liegen jedoch nicht vor.

Der Vollstreckungsfall stellt sich weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht als besonders schwierig dar. Auch stellt er sich nicht als schwer im Sinn von § 140 Abs. 2 StPO dar, da über die Aussetzung von Strafresten, die in Summe etwas mehr als ein Jahr betragen, zu entscheiden ist. Zudem ist die Verurteilte in der Lage, sich selbst zu verteidigen. Soweit sie der deutschen Sprache nicht mächtig ist, hat die Kammer eine Dolmetscherin hinzugezogen.

II.

21 StVK 32/22: Das Amtsgericht Tiergarten erkannte mit Urteil vom 31. Oktober 2018 (Az.: (222 Ds) 3014 Js 3896/18 (41/18)) wegen vier Fällen des Diebstahls auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Das Amtsgericht Nauen verhängte mit Strafbefehl vom 11. Februar 2019 in Verbindung mit dem Beschluss vom 6. Mai 2019 (Az.: 26 Cs 445 Js 1224/19 (13/19)) wegen fünf Fällen des Erschleichens von Leistungen eine Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 5,00 Euro.

Das Amtsgericht Cottbus, Zweigstelle Guben verhängte mit Strafbefehl vom 20. Juni 2019 (Az.: 252 Cs 1511 Js 43526/18 (12/19)) wegen Hausfriedensbruchs eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15,00 Euro.

Das Amtsgericht Tiergarten bildete mit Beschluss vom 4. August 2020 aus den Einzelstrafen der vorgenannten Erkenntnisse unter Auflösung der bereits gebildeten Gesamtstrafen nachträglich eine Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten.

21 StVK 33/23: Das Amtsgericht Tiergarten erkannte mit Urteil vom 17. Juli 2019 (Az.: (222 Ds) 3014 Js 3476/19 (42/19)) wegen zwei Fällen des Diebstahls auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten.

21 StVK 34/23: Mit Urteil vom 16. Dezember 2019 (Az.: (281 Ds) 3014 Js 9391/19 (99/19)) verhängte das Amtsgericht Tiergarten wegen Diebstahls eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten.

Da sich die Verurteilte dem Vollzug nicht stellte, wurde sie aufgrund Vollstreckungshaftbefehls am 10. Februar 2022 festgenommen und verbüßt seit diesem Tag die vorgenannten (Gesamt-) Freiheitsstrafen in der Justizvollzugsanstalt Luckau-Duben. Der gemeinsame ½-2/3-Termin wird am 11. März 2023 und der gemeinsame 2/3-Termin am 20. April 2023 erreicht sein. Das Strafende ist auf den 12. Januar 2024 notiert. Im Anschluss ist die Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe bis 25. Mai 2024 notiert.

Die Verurteilte beantragte, die Vollstreckung des Strafrestes zum gemeinsamen ½-2/3-Termin zur Bewährung auszusetzen.

Die Justizvollzugsanstalt Luckau-Duben nahm hierzu am 3. Januar 2023 Stellung und führte im Wesentlichen an, dass sich die Verurteilte im Vollzug beanstandungsfrei führe. Eine Suchtmittelproblematik sei nicht festzustellen. Sie halte Kontakt zu ihrer Schwester und einer Freundin. Die Verurteilte habe einen Asylantrag gestellt, der jedoch negativ beschieden worden sei. Sie habe hiergegen Klage eingereicht, worüber bislang nicht entschieden worden sei. Die Justizvollzugsanstalt Luckau-Duben ging von einer negativen Legalprognose aus, so dass sie sich gegen eine Aussetzung der Vollstreckung aussprach. Im Übrigen wird auf die Stellungnahme (Bl. 173 f. d. A.) verwiesen.

Die Staatsanwaltschaft Berlin beantragte, die Vollstreckung des Strafrestes nicht zur Bewährung auszusetzen.

Die Verurteilte wurde am 14. Februar 2023 mündlich angehört. Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Anhörung (Bl. 200 f. d. A.) verwiesen.

III.

Die Vollstreckung des Restes der Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten aus dem Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 4. August 2020 (Az.: (222 Ds) 3014 Js 3896/18 29101V (41/18)), der Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 17. Juli 2019 (Az.: (222 Ds) 3014 Js 3476/19 (42/19)) und der Freiheitsstrafe von sieben Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 16. Dezember 2019 (Az.: (281 Js) 3014 Js 9391/19 (99/19)) war nach Verbüßung der Hälfte bzw. 2/3 zur Bewährung auszusetzen, da dies unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit zu verantworten war.

Hinsichtlich der Aussetzung des Restes der Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten aus dem Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 4. August 2020 hatte die Kammer zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB vorliegen, und hinsichtlich der übrigen Freiheitsstrafen, ob die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 StGB vorliegen.

Gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB kann das Gericht schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, zumindest jedoch von sechs Monaten, die Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung aussetzen, wenn die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt, die verurteilte Person zustimmt und dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann.

Gemäß § 57 Abs. 1 StGB setzt das Gericht die Vollstreckung einer zeitigen Freiheitsstrafe aus, wenn 2/3 der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind, die verurteilte Person einwilligt und dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann.

Die formellen Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StGB liegen vor. So hat die Verurteilte in eine Aussetzung der Vollstreckung eingewilligt und wird sie am 11. März 2023 die Hälfte und mindestens sechs Monate der Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten aus dem Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 4. August 2020 und 2/3 der übrigen Freiheitsstrafen verbüßt haben.

Die Aussetzung der Vollstreckung der Strafreste war auch unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit zu verantworten.

Die Kammer hat zunächst beachtet, dass die Verurteilte Erstverbüßerin ist, so dass grundsätzlich eine Vermutung dafür spricht, dass der Vollzug seine Wirkungen erreicht hat (vgl. Fischer, StGB, 67. Auflage, § 57 Rn. 14 m.w.N.). Diese Vermutung kann nicht widerlegt werden.

Wie sich aus dem Bundeszentralregisterauszug vom 27. Januar 2023 ergibt, beging die Verurteilte zwar seit 2016 wiederholt Vermögensdelikte, wobei sie elfmal verurteilt werden musste. Hierbei ließ sie sich weder durch die Verhängung von Geld- noch von Freiheitsstrafen, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, beeindrucken.

Auf der anderen Seite ist jedoch festzustellen, dass die Verurteilte jedenfalls seit August 2020 keine Straftaten mehr begangen hat. Angesichts der Erklärung der Verurteilten, dass Hintergrund der Diebstahlstaten gewesen sei, dass sie hierdurch ihre Kinder in Tschetschenien habe unterstützen wollen, diese jedoch nunmehr eigenständig ihren Lebensunterhalt finanzieren können, steht nicht zu erwarten, dass sie deshalb erneut Vermögensdelikte begehen wird.

Darüber hinaus ist sowohl sichergestellt, dass die Verurteilte künftig über Wohnraum in der Asylbewerberunterkunft in … haben wird, als auch, dass sie Sozialleistungen beziehen wird, so dass ihren Lebensunterhalt finanzieren kann.

Für die Verurteilte spricht darüber hinaus, dass sie sich im Vollzug beanstandungsfrei führt und sich durch die Haft beeindruckt gezeigt hat.

Unter Abwägung dieser Umstände, insbesondere der erstmaligen Haftverbüßung, konnte die Vollstreckung der Strafreste unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit zur Bewährung ausgesetzt werden.