Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 10. Senat | Entscheidungsdatum | 06.10.2023 | |
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Aktenzeichen | OVG 10 S 25/23 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2023:1006.OVG10S25.23.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 146 Abs 4 S 3 VwGO, § 9a Abs 2 WEG |
Die Beschwerde wird verworfen.
Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.
Die am 22. August 2023 erhobene Beschwerde mit dem Begehren, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 4. August 2023 aufzuheben und dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage im Verfahren VG 13 K 130/23 gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 28. Februar 2023 stattzugeben, ist in Ansehung der innerhalb der Begründungsfrist, § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO, dargelegten Gründe unzulässig und nach § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO zu verwerfen.
Das Vorbringen genügt bereits nicht den nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO an eine Beschwerdebegründung zu stellenden Anforderungen. Nach dieser Norm muss der Beschwerdeführer nicht nur einen bestimmten Antrag stellen, sondern auch die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Diese Anforderungen sind nicht bereits dann erfüllt, wenn nur aufgezeigt wird, dass die Erwägungen, auf die das Verwaltungsgericht seinen Ausspruch gestützt hat, unzutreffend sind. Durch die Beschwerdebegründung muss vielmehr das Entscheidungsergebnis in Frage gestellt werden. Lehnt das erstinstanzliche Gericht den Antrag als unzulässig ab, muss die Beschwerdebegründung sowohl die Zulässigkeit wie die Begründetheit des Antrags darlegen (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 8. August 2006 - 11 CE 05.2152 -, juris Rn. 8 f.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31. Juli 2013 - 14 B 528/13 -, juris Rn. 3; OVG Lüneburg, Beschluss vom 25. Juli 2014 - 13 ME 97/14 -, juris Rn. 4; Sächsisches OVG, Beschluss vom 19. September 2017 - 5 B 224/17 -, juris Rn. 3 f.).
Dem wird die innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO eingereichte Beschwerdebegründung der Antragstellerin vom 31. August 2023, die den Umfang der gerichtlichen Nachprüfung in dem vorliegenden Verfahren begrenzt, § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO, nicht gerecht. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage im Verfahren VG 13 K 130/23 mit der Begründung abgelehnt, ihre Klage werde mangels Klagebefugnis keinen Erfolg haben, und zwar sowohl hinsichtlich einer Verletzung der nachbarschützenden Bestimmungen über die Art der baulichen Nutzung als auch in Bezug auf einen besorgten Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot. Damit hat das Verwaltungsgericht erkennbar – wenn auch nicht ausdrücklich – die Antragsbefugnis der Antragstellerin für den streitgegenständlichen Antrag nach § 80a Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO gemäß § 42 Abs. 2 VwGO in analoger Anwendung verneint (vgl. Schoch, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 44. EL März 2023, VwGO § 80 Rn. 462 f. m.w.N.). Die Antragstellerin hat in ihrer Beschwerdebegründung vom 31. August 2023 dementsprechend zwar dargelegt, weshalb die Entscheidung des Verwaltungsgerichts – eine Ablehnung der Klagebefugnis – fehlerhaft sei. Sie hat aber nicht erläutert, weshalb der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung in der Sache Erfolg haben müsse. Die beiläufige Charakterisierung des Bauvorhabens der Beigeladenen als „auf Basis einer rechtswidrigen Baugenehmigung“ beruhend lässt weder andeutungsweise die Gründe für diese Einschätzung erkennen noch stellt sie eine hinreichende Bezugnahme auf die im Antragsverfahren vorgetragenen Erwägungen dar.
Anderes folgt nicht aus dem Schriftsatz der Antragstellerin vom 15. September 2023, mit welchem sie auf ihre Ausführungen im Hauptsacheverfahren sowie im Klageverfahren der WEG P ... Bezug nimmt. Da es sich insoweit um einen neuen Sachvortrag bei unveränderter Sach- und Rechtslage handelt, ist dieser mangels Einhaltung der Begründungsfrist, § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO, nicht zu berücksichtigen. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts ist der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 8. August 2023 zugestellt worden, so dass ihr Schriftsatz vom 15. September 2023 außerhalb der Frist eingegangen ist.
Im Übrigen teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Antragstellerin weder als Miteigentümerin der Grundstücke P ... und 6 ... noch als Eigentümerin von Wohneinheiten antrags- bzw. klagebefugt ist.
Dies gilt zunächst im Hinblick auf den nachbarschützenden Gebietserhaltungsanspruch. Nach § 9a Abs. 2 WEG übt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenen Rechte sowie solche Rechte der Wohnungseigentümer aus, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern. Dies umfasst die Geltendmachung öffentlich-rechtlicher Nachbaransprüche im Hinblick auf das Gemeinschaftseigentum, die der Eigentümergemeinschaft als „geborene“ Ausübungsbefugnis zusteht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24. Februar 2021 - 3 S 2373/20 -, juris Rn. 21). Daraus folgt, dass im Anwendungsbereich der Vorschrift – d.h. hinsichtlich der genannten öffentlich-rechtlichen nachbarschaftlichen Rechte – die Ausübungs- und Wahrnehmungsbefugnis und damit auch das Recht zur gerichtlichen Geltendmachung ausschließlich dem Verband und nicht dem einzelnen Wohnungseigentümer zusteht (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 2021 - V ZR 299/19 -, juris Rn. 6). Dies entspricht auch der bisherigen Rechtsprechung des Senats (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. August 2011 - OVG 10 S 7.11 -, juris Rn. 6), an der festgehalten wird.
Ebenso wenig erwächst eine Klage- bzw. Antragsbefugnis vorliegend aus der von der Antragstellerin besorgten Verletzung des Rücksichtnahmegebots bezüglich der von ihr erworbenen Dachgeschossflächen. Zwar kann sich der Schutzbereich des Rücksichtnahmegebots auch auf das Sondereigentum erstrecken, sofern die besorgte Beeinträchtigung ausschließlich oder zumindest auch dieses betrifft (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 21. Januar 2009 - 9 CS 08.1330 -, juris Rn. 2). Eine solche Betroffenheit des rechtsschutzsuchenden Nachbarn ist jedoch ausgeschlossen, wenn dieser zum maßgeblichen Zeitpunkt noch kein solches Sondereigentum erworben hat. So liegt der Fall hier: Ob eine angefochtene Baugenehmigung den Nachbarn in seinen Rechten verletzt, beurteilt sich – entgegen der Annahme der Antragstellerin – grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung. Nur nachträgliche Änderungen zugunsten des Bauherrn sind zu berücksichtigen, Änderungen zu seinen Lasten haben hingegen außer Betracht zu bleiben, denn die erteilte Baugenehmigung vermittelt dem Bauherrn eine Rechtsposition, die sich, wenn ein Nachbar die Genehmigung anficht, gegenüber während des Rechtsmittelverfahrens eintretenden Änderungen der Sach- und Rechtslage durchsetzen kann (BVerwG, Beschluss vom 8. November 2010 - BVerwG 4 B 43.10 -, juris Rn. 9 m.w.N.). Als der Beigeladenen die verfahrensgegenständliche Baugenehmigung am 28. Februar 2023 erteilt wurde, hatte die Antragstellerin jedoch noch kein Sondereigentum an den Dachgeschossflächen erlangt, weil nach ihrer eigenen Darstellung die erforderliche Grundbucheintragung zu diesem Zeitpunkt zwar beantragt, aber noch nicht vollzogen worden war; welche Ursachen dies hatte, ist für die Reichweite ihrer Rechte ohne Belang.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als erstattungsfähig anzusehen, da sie sich durch die Stellung eines Antrags in der Sache auch im Beschwerdeverfahren einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, vgl. § 154 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs.
Mit der Verwerfung der Beschwerde der Antragstellerin wird ihr Antrag vom 4. Oktober 2023 auf Erlass eines sog. Hängebeschlusses gegenstandslos.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).