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tarifliche Einstufung


Metadaten

Gericht ArbG Brandenburg 6. Kammer Entscheidungsdatum 28.06.2023
Aktenzeichen 6 Ca 10079/23 ECLI ECLI:DE:ARBGBRA:2023:0628.6CA10079.23.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Leitsatz

LS1: Bei Tarifkollision und einzelvertraglicher Vereinbarungist dieser entsprechend der einzelvertraglichen Vereinbarung zur Anwendung der Tarifverträge aufzulösen.

LS2. Der Eingruppierung und Stufenzuordnung nach einem Tarifvertrag erfolgt entsprechend der bisherigen Dauer des Arbeitsverhältnisses und begründet nicht erst mit der erstmaligen oder wiederholten Geltung des Tarifvertrags auf das Arbeitsverhältnis

Tenor

1.  Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.094,97 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz hierauf seit dem 27.06.2021 zu zahlen.

2.  Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin seit dem 01.06.2020 Vergütung nach der Entgeltgruppe 9 TVöD, Anlage für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-K), nebst monatlichen Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB auf die monatlichen Differenzbeträge zwischen der Entgeltgruppe in den Stufen 5 und Stufe 6 zu bezahlen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtstreits zu tragen.

4. Der Streitwert wird festgesetzt auf 5.441,17 Euro.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende Stufenzuordnung innerhalb der Eingruppierung der Klägerin sowie entsprechende Zahlung.

Die Klägerin ist seit dem 1. September 1985 als OP–Krankenschwester bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern beschäftigt.

Ihre regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden. Zuletzt wurde ihr ein Entgelt in Höhe von 3.880,82 Euro gezahlt. Die Klägerin ist Mitglied bei der Gewerkschaft Ver.di. Die Beklagte ist seit dem 1.6.2020 wieder Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Brandenburg.

Bei der Beklagten bestand bis zum 31.12.2022 ein Haustarifvertrag, der zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft Ver.di abgeschlossen war.

Danach war die Klägerin in die Entgeltgruppe 9 Stufe 5 eingruppiert, wobei die Stufe 5 die letzte Erfahrungsstufe darstellt.

Bei dem Kommunalen Arbeitgeberverband besteht für seine Mitglieder – also auch für die Beklagte – ein Tarifvertrag nebst einer Anlage für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser im Bereich der Kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD–K).

Mit Schreiben vom 08.10.2020, bzgl. dessen genauen Inhaltes auf die Anlage K3 (Bl. 10 f. der Akte) verwiesen wird, teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses der TVöD–K ab dem 01.06.2020 für die nicht–ärztlich Beschäftigten zur Anwendung gelange.

Die Beklagte teilte weiter mit, dass der TV–EVB als speziellerer Tarifvertrag weiter gelte, und bot der Klägerin die Änderung des Arbeitsvertrages dahingehend an, dass rückwirkend ab dem 01.06.2020 der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) in der durchgeschriebenen Fassung für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser im Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD–K) und die diesen Tarifvertrag ergänzenden Tarifverträge in seiner jeweils geltenden Fassung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden sollte.

In dem Schreiben war auch mitgeteilt, dass die Klägerin in der Entgeltgruppe E 9, Stufe 5, des TVöD eingruppiert sei und ihr Tabellenentgelt (zum damaligen Zeitpunkt) 3.759,57 Euro betrage.

Die Klägerin nahm den angebotenen Änderungsvertrag, bzgl. dessen genauen Wortlauts auf Blatt 9 der Akte verwiesen wird, an. In dem Änderungsvertrag heißt es:

„... 8. Eingruppierung:

Die/Der Beschäftigte ist in der Entgeltgruppe E 9 TVöD–K eingruppiert. Die Angabe der Entgeltgruppe ist deklaratorisch und folgt der Tarifautomatik.“

Die Beklagte vereinbarte mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat unter dem 15. September 2020 eine Regelungsabrede zur Stufenzuordnung (Anlage K8, Bl. 24 ff. d. A.). Hierin heißt es in der Präambel:

„Aufgrund eines Gesellschafterbeschusses soll ab Juni 2020 auf die Arbeitsverhältnisse der nicht–ärztlich Beschäftigten des Klinikums der TVöD–K Anwendung finden. Da der TV–EVB ungekündigt als speziellerer Tarifvertrag weiter gilt und im Übrigen die Mehrzahl der Beschäftigten nicht gesetzlich tarifgebunden sind, bedarf es hierzu einer einzelvertraglichen Zustimmung der jeweiligen Beschäftigten (Änderung der Bezugnahmeklausel in den Arbeitsverträgen). Da spezielle tarifvertragliche Überleitungsvorschriften aus verbandrechtlichen Gründen nicht vereinbart werden konnten, soll mit dieser Regelungsabrede ein einheitlicher Maßstab für die Zuordnung der Beschäftigten für die Stufen der Entgelttabelle des TVöD in analoger Anwendung der Ermessensregelungen gem. § 16 Absatz 2 Satz 3 TVöD–K herbeigeführt werden. Außerdem soll der Umgang mit Zulagen, die im TVöD nicht vorgesehen sind, grundsätzlich geregelt werden.“

Aus der Regelungsabrede ergab sich eine Eingruppierung der Klägerin in die Stufe 5 der Entgeltgruppe E 9, die die Beklagte auch so vollzog.

Mit E–Mail vom 08.03.2021 bat die Klägerin die Beklagte, die Eingruppierung in die Stufe 5 des TVöD zu prüfen. Wörtlich führte sie aus:

„... Dennoch wurde ich nur in Stufe 5 in den TVöD übergeleitet, was für mich absolut nicht nachvollziehbar ist. Es gibt viele Mitarbeiter in der OP–Abteilung, die nach kürzerer Zeit als ich die, Stufe 6 erhalten. ...“

Mit E–Mail vom 13.07.2021 erinnerte die Klägerin an ihr Anliegen. Mit Schreiben vom 19.07.2021 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie den Antrag auf vorzeitige Stufengewährung in Stufe 6 nicht entsprechen könne/wolle.

Mit der am 21.06.2022 bei dem Arbeitsgericht Potsdam eingegangenen Klage macht die Klägerin die Zuordnung zur Stufe 6 der Entgeltgruppe E9 TVöD–K geltend.

Sie trägt vor, dass sie, da sie seit 1985 als OP–Krankenschwester beschäftigt sei, die Voraussetzungen der Stufenzuordnung in die höchste Erfahrungsstufe unzweifelhaft erfülle.
Da sie ihre Ansprüche mit Schreiben vom 08.03.2021 ausreichend geltend gemacht habe, sei die Beklagte verpflichtet, ihr die Entgeltdifferenz zwischen der gewährten Vergütung nach der Entgeltgruppe E 9 TVöD Stufe 5 und Entgeltgruppe E 9 Stufe 6 für den Zeitraum vom 01.09.2020 bis zum 30.06.2022 zu zahlen.

Weiter sei festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, sie nach der Entgeltgruppe E 9 Stufe 6 zu vergüten und dass die entsprechenden Vergütungsansprüche zu verzinsen seien.

Sie meint, dass die Regelungsabrede zwischen Betriebsrat und Arbeitgeberin gegenstandslos sei. Jedenfalls könne hierdurch nicht in bestehende tarifliche Ansprüche eingegriffen und diese gekürzt werden. Ihre Eingruppierung ergebe sich unmittelbar aus der Anwendung des TVöD.

Sie beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.094,97 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent über den Basiszinssatz der EZB hierauf seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin seit dem 01.06.2020 Vergütung nach der Entgeltgruppe 9 TVöD, Anlage für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-K), nebst monatlichen Zinsen in Höhe von 5 Prozent über den Basiszinssatz der EZB aus den monatlichen Differenzbeträge zwischen der Entgeltgruppe in den Stufen 5 und Stufe 6 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, dass die Zahlungs– und Feststellungsklage verfristet als auch unbegründet sei.

So habe die Klägerin die Ansprüche nicht hinreichend dem Grunde und der Höhe nach beziffert. Die Klägerin habe nicht innerhalb der Ausschlussfrist einen Anspruch auf Zahlung nach der Stufe 6 geltend gemacht, der auf § 16 Absatz 3 TVöD beruhe.

Sie habe vielmehr die rückwirkende Gewährung der Stufe 6 ohne die Benennung einer Rechtsgrundlage gefordert und den Anspruch nach § 17 Absatz 2 TVöD begründet, der eine vorzeitige Höherstufung nur für den Fall erheblicher überdurchschnittlicher Leistungen vorsehe.

Darüber hinaus sei die Klage unschlüssig, da die Klägerin sich mit der Regelung des § 16 Absatz 3 TVöD nicht auseinandersetze.

Die Klage sei aber auch unbegründet, da die Beklagte die Klägerin zu Recht in die Entgeltgruppe E 9 Stufe 5 TVöD–K eingestuft habe.

Dies ergebe sich insbesondere aus § 3 Absatz 2 der von der Klägerin als Anlage K8 eingereichten Regelungsabrede zur Stufenzuordnung.

Da die Klägerin den ihr angebotenen Änderungsvertrag vom 08.10.2022 am 08.10.2022 angenommen habe, gelte zwischen den Parteien rückwirkend zum 01.06.2020 der TVöD–K. Aus der Regelungsabrede zur Stufenzuordnung ergebe sich, dass die Klägerin die zum Stand 01.06.2020 ein Tabellenentgelt in Höhe von 3.747,88 Euro erhalten habe, nunmehr Anspruch auf Entgelt in Höhe von 3.759,57 Euro habe. Dies entspräche der Entgeltgruppe E 9 Stufe 5.

Im Übrigen ergebe sich aus § 16 Absatz 3 TVöD, dass die Klägerin mit dem 01.06.2020 erstmals nach dem TVöD–K eingruppiert werde, so dass ohne Geltung der Regelungsabrede allenfalls eine Zuordnung zur Stufe 3 der Entgeltgruppe E9, wie bei Neueinstellungen, möglich gewesen wäre.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze, den Inhalt der Akte und die Ausführungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der Erörterung waren.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche zu. Sie ist gem. § 16 TVöD in die Entgeltgruppe E 9 Stufe 6 eingruppiert.

Der TVöD–K findet auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.

Zwar finden – jedenfalls bis zum 31.12.2022 (Kündigungszeitpunkt des Haustarifvertrages EVB) – sowohl der zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft Ver.di vereinbarte Haustarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung als auch der TVöD. Dieser ist zwischen dem Kommunalen Arbeitgeberverband, dem die Beklagte zum 01.06.2022 beigetreten ist, und der Gewerkschaft Ver.di vereinbart worden. Beide Parteien sind jeweils tarifgebunden.

Damit besteht sogenannte „Tarifkonkurrenz“, da verschiedene Tarifverträge mit sich überschneidenden Regelungsbereichen für ein und dasselbe Arbeitsverhältnis normativ gelten, ohne dass sich diese Tarifverträge ergänzen, wie dies z. B. bei Mantel– und Entgelttarifverträgen der Fall ist (Erfurter Kommentar TVG 4 A, Rn. 29).

Tarifkonkurrenz muss notwendigerweise durch Kollisionsregeln aufgelöst werden, weil die konkurrierenden Tarifverträge unterschiedliche Rechtsfolgen im selben Arbeitsverhältnis setzen können (Erfurter Kommentar a. a. O. Rn. 31).

Nach allen in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassungen zur Auflösung von Tarifvertragskollisionen, würde der zwischen der Gewerkschaft Ver.di und der Beklagten vereinbarte Haustarifvertrag als der sachnähere, speziellere und autonomienähere Tarifvertrag gelten.

Vorliegend haben die Parteien jedoch mit Übereinkunft vom 08.10.2020 vereinbart, dass der TVöD–K alleinig auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden soll.

Die Vereinbarung ist auch und gerade wegen der Tarifkollision zwischen den Parteien geschlossen worden.

Soweit die Arbeitsvertragsparteien die Tarifkollision erkennen und beseitigen wollen, kann auf allgemeine Regelungen zur Beseitigung dieser Tarifkollisionen nicht mehr zurückgegriffen werden. Es gelten dann die diesbezüglichen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen. Dies jedenfalls immer dann, wenn – wie hier – die Vereinbarung ausdrücklich wegen der bestehenden Tarifkollision geschlossen wurde.

Damit ist auf das Arbeitsverhältnis ausschließlich der TVöD–K auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden.

Die Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 9 TVöD–K ist zwischen den Parteien nicht streitig, so dass das Gericht insoweit von der Richtigkeit dieser Eingruppierung ausgehen muss/kann.

Die Klägerin war zum 01.06.2020 in die Stufe 6 der E 9 des TVöD–K einzugruppieren.

Nach Absatz 3 erreichen die Beschäftigten die Stufe 2 nach einem Jahr in Stufe 1, die Stufe 3 nach zwei Jahren in Stufe 2, Stufe 4 nach drei Jahren in Stufe 3, Stufe 5 nach vier Jahren in Stufe 4 und Stufe 6 nach fünf Jahren in Stufe 5, wobei entsprechend § 16 Absatz 3 Satz 1 von Stufe 3 an die jeweils nächste Stufe in Abhängigkeit der Leistungen des § 17 Absatz 2 TVöD erreicht wird.

Gemäß § 17 Absatz 2 können bei Leistungen des/der Beschäftigten, die erheblich über den Durchschnitt liegen, die erforderlichen Zeiten für das Erreichen der Stufen 4 bis 6 jeweils verkürzt werden.

Bei Leistungen, die erheblich unter dem Durchschnitt liegen, kann die erforderliche Zeit für das Erreichen der Stufen 4 bis 6 jeweils verlängert werden.

Mit der Anwendbarkeit des TVöD auf das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 01.06.2020 war die Beklagte also verpflichtet, festzustellen, in welche Stufe der Entgeltgruppe E 9 die Klägerin einzustufen ist.

Dazu muss sie den bisherigen beruflichen Werdegang der Klägerin betrachten, etwaige (hypothetische) Stufenzuordnungen, Aufstiege und die hierzu erforderlichen Zeiten nachvollziehen.

Bei dem beruflichen Werdegang der Klägerin, die seit Beginn ihres Arbeitsverhältnisses nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien – unverändert die gleiche Tätigkeit als OP–Krankenpflegerin erbracht wird, steht der mehr als 24–jährigen Tätigkeit das Erfüllen der Voraussetzungen für eine Zuordnung in Stufe 6 jedoch fest.

Eine Verlängerung der Stufenlaufzeiten der hypothetischen Stufenlaufzeiten gem. § 17 Absatz 2 TVG ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Diese wäre bei dieser langen Beschäftigungsdauer auch nicht – jedenfalls nicht ohne weiteren Vortrag – plausibel.

Die Stufenzuordnung erfolgt nicht, wie die Beklagte meint, aufgrund der Regelungsabrede, die die Beklagte mit dem Betriebsrat vereinbart hat.

So ergibt sich die tarifliche Eingruppierung wie auch die Zuordnung zu den Stufen unmittelbar aus dem geltenden Tarifvertrag selbst. Für eine betriebsverfassungsrechtliche Vereinbarung – sei es eine Regelungsabrede oder Betriebsvereinbarung – ist hier schlicht kein Raum.

Im Übrigen kann eine Regelungsabrede zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber tarifvertragliche Regelungen ohnehin nicht ändern, ergänzen oder interpretieren.

Auch soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 28.06.2023 meinte, dass mit der Geltung des Tarifvertrages für das streitbefangene Arbeitsverhältnis, die Eingruppierung wie bei einer Neueinstellung zu erfolgen habe, mag nicht zu überzeugen.

So spricht § 16 TVöD zum einen von Neueinstellungen, zum anderen kann die Kammer das Argument nicht nachvollziehen.

Natürlich kann und dürfen die Tarifvertragsparteien in ihren Tarifverträgen bestimmen, wie bei Neueinstellungen oder auch der erstmaligen Anwendung des Tarifvertrages zu verfahren ist. Jedoch ist die erstmalige Anwendung eines Tarifvertrages aufgrund neu eintretender Tarifzugehörigkeit einer der Parteien in der Regel keine Neueinstellung.

Es mag sein, dass dies zusammenfällt, jedoch im vorliegenden Fall ist die Klägerin weit mehr als 20 Jahre bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern beschäftigt. Von einer Neueinstellung kann daher nicht die Rede sein.

Die erstmalige Anwendung eines Tarifvertrages auf ein Arbeitsverhältnis, ist aber erkennbar von den Tarifvertragsparteien in § 16 nicht geregelt worden.

Diese nun wie eine Neueinstellung zu behandeln, wäre von dem niedergeschriebenen Willen der Tarifvertragsparteien nicht gedeckt und im Übrigen auch sachwidrig.

Die Stufenzuordnung lässt sich ohne Weiteres aus dem Verlauf des bisherigen Arbeitsverhältnisses rekonstruieren. Ebenso wie die Eingruppierung in Tarifgruppen/Entgeltgruppen des Tarifvertrages.

So ist es zwar denkbar, dass auch zwischen den Parteien Streit hinsichtlich der Eingruppierung einer bestimmten früher ausgeübten Tätigkeit oder dem tatsächlichen Verweilen in einer Erfahrungsstufe aufgrund besonderer, besonders oder erheblich vom Normalmaß abweichender Leistungen, jedoch ließe sich auch dies ggf. gerichtlich klären.

Eine seit mehreren Jahren bei dem Arbeitgeber tätige Arbeitnehmerin jedoch als neu eingestellt zu behandeln, hätte zumindest eine ausdrückliche Regelung der Tarifvertragsparteien hierzu erfordert.

Diese müsste im Übrigen auch nicht im entsprechenden Tarifvertrag selbst erfolgen, sondern könnte – ggf. auch in einem Überleitungstarifvertrag (vgl. Überleitungstarifverträge BAT, TVL, TVöD) – vereinbart werden.

Eine solche tarifliche Überleitung der Arbeitsverhältnisse aus dem Firmentarifvertrag EVB in den TVöD ist aber nicht vereinbart worden – weder von der Beklagten noch von dem Arbeitgeberverband, in dem die Beklagte nunmehr Mitglied ist.

Die Zahlungsansprüche der Klägerin ergeben sich aus den Differenzen zwischen der ihr zustehenden Vergütung nach der Entgeltgruppe E 9 Stufe 6 und der gezahlten Vergütung für den Zeitraum September 2020 bis zum 30.06.2022.

Die Ansprüche sind auch nicht, wie die Beklagte meint, wegen der Verfallfristen des Tarifvertrages untergegangen.

Die Klägerin machte mit E–Mail vom 08.03.2021 ihre Ansprüche auf Zahlung der Stufe 6 der Entgeltgruppe 9 geltend.

Sie begehrte nicht, wie die Beklagte meint, eine vorzeitige Höherstufung wegen besonderer Leistungen. Sie führt in der von ihr abgesandten E–Mail ausdrücklich auf, dass sie meint, dass ihr nach 35 Berufsjahren die Stufe 6 der Entgeltgruppe 9 zustehe.

Damit war für die Beklagte klar, worauf die Klägerin Bezug nimmt und welche Ansprüche sie geltend macht. Sie hat gerade nicht eine Höhergruppierung, eine höhere Stufenzuordnung wegen besonderer Leistungen oder eine Verkürzung der Stufenzuordnungszeiten geltend gemacht.

Da sich die Beklagte mit der Zahlung der, der Höhe nach richtig berechneten Vergütungsdifferenzen, in Verzug befindet, war der Zahlungsanspruch gem. § 281 BGB zu verzinsen

Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 91 ZPO. Der Streitwert war in Höhe des 36–fachen Differenzbetrages sowie der begehrten Zahlung festzusetzen.

Rechtsmittelbelehrung


Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten Berufung eingelegt werden.

Die Berufungsschrift muss von einem zugelassenen Rechtsanwalt oder einem Vertreter einer Gewerkschaft bzw. einer Arbeitgebervereinigung oder eines Zusammenschlusses solcher Verbände eingereicht werden.


Die Berufungsschrift muss innerhalb


einer Notfrist von einem Monat

bei dem


Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg,
Magdeburger Platz 1, 10785 Berlin


eingegangen sein.


Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass Berufung gegen dieses Urteil eingelegt werde.


Die Berufung ist gleichzeitig oder innerhalb


einer Frist von zwei Monaten


in gleicher Form schriftlich zu begründen.


Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgesetzten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.


Dabei ist zu beachten, dass das Urteil mit der Einlegung in den Briefkasten oder einer ähnlichen Vorrichtung für den Postempfang als zugestellt gilt.

Wird bei der Partei eine schriftliche Mitteilung abgegeben, dass das Urteil auf der Geschäftsstelle eines Amtsgerichts oder einer von der Post bestimmten Stelle niedergelegt ist, gilt das Schriftstück mit der Abgabe der schriftlichen Mitteilung als zugestellt, also nicht erst mit der Abholung der Sendung. Das Zustellungsdatum ist auf dem Umschlag der Sendung vermerkt.

Der Schriftform wird auch durch Einreichung eines elektronischen Dokuments im Sinne des § 46c Abs. 2 ArbGG über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) genügt.

Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Gleiches gilt für die nach diesem Gesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 46c Abs. 4 ArbGG zur Verfügung steht.

Ab dem 01.01.2022 muss der in § 46g ArbGG genannte Personenkreis grundsätzlich elektronisch einreichen.


Die technischen Rahmenbedingungen für die elektronische Einreichung sind in der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) festgelegt.


Für die Klägerin ist keine Berufung gegeben.

 Von der Begründungsschrift werden zwei zusätzliche Abschriften zur Unterrichtung der ehrenamtlichen Richter erbeten.

 Weitere Statthaftigkeitsvoraussetzungen ergeben sich aus § 64 Abs.2 ArbGG:
"Die Berufung kann nur eingelegt werden,
a) wenn sie in dem Urteil zugelassen worden ist,
b) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c) in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d) wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall schuldhafter Versäumung nicht vorgelegen habe."




C.