Gericht | OLG Brandenburg 4. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 15.08.2023 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 4 U 51/22 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:0815.4U51.22.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 07.03.2022, Az. 12 O 334/21, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte, bei der es sich um die Herstellerin sowohl des streitgegenständlichen Fahrzeugs als auch des darin verbauten Motors handelt, auf Schadensersatz wegen vermeintlich unzulässiger Abschalteinrichtungen in Anspruch.
Der Kläger erwarb am 11.02.2016 aufgrund eines mit der Autohaus M... GmbH in Berlin geschlossenen Kaufvertrages einen gebrauchten VW Golf VI 1.6 TDI mit einem Kilometerstand von 95.291 km zu einem Kaufpreis von 11.000 €. In dem Fahrzeug ist ein Motor des Typs EA 189 verbaut.
Der Kläger hat insbesondere geltend gemacht, auch nachdem die Beklagte die ursprüngliche Manipluation der zur Reduzierung der Stickoxidemissionen dienenden Abgasrückführung durch Umschaltung des im Prüfstand verwandten Modus in einen im Realverkehr weniger effektiven Modus beginnend ab dem 22.09.2015 offengelegt und das KBA Fahrzeuge mit dem Motor des Typs EA189 zurückgerufen habe, habe die Beklagte ihr Verhalten nicht geändert. Sie habe vielmehr mit dem anschließend entwickelten Software-Update eine neue unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters aufgespielt, das dazu führe, dass die gesetzlichen Vorschriften weiterhin nicht eingehalten würden, sondern die Fahrzeuge den Grenzwert für NOx-Emissionen von 180 mg/km unter normalen Bedingungen weiterhin erheblich überschritten. Darüber hinaus seien mit dem Software-Update weitere Nachteile, u.a. ein höherer Kraftstoffverbrauch verbunden. Ebenso habe die Beklagte das OBD in der Weise manipuliert, dass es einen nicht ordnungsgemäßen Betrieb der Abgassysteme im Normalbetrieb im Fehlerspeicher nicht anzeige.
Die Beklagte hat u.a. geltend gemacht, sie habe gegenüber dem KBA die Funktionsweise des Software-Updates umfassend, insbesondere auch in Bezug auf das Thermofenster, offengelegt. Bei dem Thermofenster handele es sich nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung; es sei vielmehr zum Motorschutz erforderlich und deshalb zulässig. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben und geltend gemacht, die Verjährung sei nicht durch die Beteiligung des Klägers an der Musterfeststellungsklage gehemmt; der Kläger habe seine Ansprüche nicht hinreichend identifizierbar – insbesondere ohne Benennung der FIN des von ihm erworbenen Fahrzeugs – angegeben.
Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 522 Abs. 2 S. 4 ZPO Bezug genommen wird, hat die Klage insgesamt als unbegründet abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, ein Anspruch aus § 826 BGB stehe dem Kläger nicht zu, da sich das Verhalten der Beklagten zum Zeitpunkt des Erwerbs des Klägers infolge der mit der Verlautbarung vom 22.09.2015 einhergegangenen Verhaltensänderung nicht mehr als sittenwidrig darstelle. Ansprüche des Klägers aus Kauf eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen Fahrzeugs seien im Übrigen verjährt, da sich der Kläger nicht wirksam zu der Musterfeststellungsklage beim Oberlandesgericht Braunschweig angemeldet habe. Der Beklagten sei auch in Bezug auf die Ausgestaltung des Software-Updates kein sittenwidriges Verhalten vorzuwerfen. Schon im Ausgangspunkt lasse sich der Vorwurf der Sittenwidrigkeit aus dem Vorhandensein einer Steuerung des Emissionskontrollsystems, die in der Fahrsituation auf der Straße ebenso arbeite wie im Prüfzyklus, nicht rechtfertigen. Jedenfalls scheide ein Schädigungsvorsatz ebenso aus wie das für die Sittenwidrigkeit erforderliche Bewusstsein der Rechtswidrigkeit angesichts der nicht eindeutigen Gesetzeslage zu Inhalt und Reichweite der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 S. 2 a der VO (EG) Nr. 71572007.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrages das Urteil des Landgerichts in vollem Umfang zur Überprüfung stellt. Er hält insbesondere daran fest, dass die Beklagte durch das erneute Aufspielen einer unzulässigen Abschalteinrichtung mit dem Software-Update gegen die guten Sitten im Sinne des § 826 BGB verstoßen habe und dieser Anspruch auch nicht verjährt sei; die Verjährung habe vielmehr frühestens nach der Rückrufaktion wegen des Software-Updates betreffend das Fahrzeugmodell VW EOS mit Ablauf des Jahres 2020 begonnen, die im Übrigen auch die fehlende Offenlegung der konkreten Wirkungswiese des Software-Updates bei der Beantragung der Freigabe durch das KBA belege.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des zum Az. 12 O 334/21 am 07.03.2022 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt (Oder) wie folgt zu erkennen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 9.683,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Verurteilung erfolgt Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs der Marke VW vom Typ Golf VI 1.6 TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) W... nebst Fahrzeugschlüsseln, Kfz-Schein und Kfz-Brief.
hilfsweise:
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz zu zahlen für Schäden, die aus dem Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung i.S.v. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 durch die Beklagte in das Fahrzeug der Marke VW vom Typ Golf VI 1.6 TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) W... resultieren.
weiter:
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der in den vorgenannten Klageanträgen genannten Zug-um-Zug-Leistung in Annahmeverzug befindet.
4. Es wird festgestellt, dass der in Antrag 1) bezeichnete Anspruch aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung der Beklagten herrührt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil des Landgerichts.
II.
Die Berufung ist offensichtlich unbegründet.
1. Auch unter Berücksichtigung des Vortrages der Parteien im Berufungsverfahren ist ein Anspruch des Klägers auf Schadensersatz in Form des mit dem Hauptantrag zu 1. geltend gemachten großen Schadensersatzes unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet. Auf die zwischen den Parteien diskutierten Fragen in Bezug auf die Verjährung und einen ggf. daran anknüpfenden Anspruch aus § 852 BGB kommt es dabei nicht an.
a) Wegen der zum Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs am 11.02.2016 - unstreitig - in dem Fahrzeug verbauten ursprünglichen unzulässigen Abschalteinrichtung in Form der sog. Umschaltlogik ist der Vorwurf einer vorsätzlichen deliktischen Schädigung, gleichgültig auf welche Anspruchsgrundlage dieser gestützt wird (BGH, Urteil vom 26.06.2023 – VIa ZR 335/21 – Rn. 61; Urteil vom 10.07.2023 – VI a ZR 1119/22 – Rn. 16), ausgeräumt, weil die Beklagte, wie sie unbestritten dargelegt hat, ab dem 22.09.2015 diese unzulässige Manipulation des Emissionskontrollsystems öffentlich gemacht und in der Folge Maßnahmen zur Beseitigung dieser Abschalteinrichtung nicht nur für neue, sondern auch für gebrauchte Fahrzeuge ergriffen hat.
b) Die für einen Anspruch aus §§ 826, 31 BGB erforderliche Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten setzt sich auch nicht deshalb lediglich in veränderter Form fort, weil die Beklagte mit dem nach Erwerb des Fahrzeugs durch den Kläger - dem Senat ist bekannt, dass die von der Beklagten infolge des Rückrufs der Fahrzeuge mit Motoren des Typs EA189 entwickelten und durch das KBA freigegebenen Software-Updates am 11.02.2016 noch nicht zur Verfügung standen - aufgespielten Software-Update unstreitig eine temperaturabhängige Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermofenster) implementiert hat, die nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. nur: Urteil vom 14.07.2022 – C-128/20) ebenfalls als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 S. 1 VO (EG) Nr. 715/2007 anzusehen sein könnte. Der darin liegende Gesetzesverstoß allein würde nicht ausreichen, das Verhalten der Beklagten als verwerflich erscheinen zu lassen (BGH, Urteil vom 09.03.2021 – VI ZR 889/20 – Rn. 25 ff.); die Behauptung der Beklagten, die – im Übrigen von Fahrzeugtyp zu Fahrzeugtyp unterschiedlich parametrierte - temperaturabhängige Steuerung sei zur Vermeidung von plötzlichen und unvorhersehbaren Motorschäden und Gewährleistung eines sicheren Betriebs des Fahrzeugs erforderlich und damit gemäß Art. 5 Abs. 2 S. 2 Nr. VO (EG) Nr. 715/2007 zulässig, bedarf deshalb keiner Klärung. Weitere Umstände, die den Schluss zulassen, dass die für die Beklagte handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Applikation des Thermofensters in dem Bewusstsein handelten, eine (weitere) unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen, hat der Kläger nicht vorgetragen. Insbesondere reicht dafür die Behauptung des Klägers nicht aus, die Beklagte habe dem KBA vor Freigabe des Software-Updates dessen konkrete Wirkungsweise nicht offengelegt, die der Kläger nach eigenem Vortrag im Wesentlichen auf seine Annahme gründet, das KBA hätte das Software-Update bei entsprechender Offenlegung nicht freigegeben. Dieser Annahme ist die Beklagte spätestens mit ihrem im Schriftsatz vom 21.06.2022 gehaltenen dezidierten und mit Zitaten aus amtlichen Auskünften des KBA belegten Vortrag entgegengetreten, so dass die klägerseits beantragte Einholung einer weiteren Auskunft des KBA durch den Senat keine weiteren Erkenntnisse verspricht. Ebenso wenig genügt der Umstand, dass nach dem – bestrittenen - Vortrag des Klägers mit dem Software-Update nicht nur die unzulässige Manipulationssoftware entfernt, sondern auch eine Veränderung des Kraftstoffverbrauchs oder sonstiger Parameter verbunden worden ist, um das Gesamtverhalten der Beklagten als sittenwidrig zu qualifizieren (BGH, Urteil vom 09.03.2021 – VI ZR 889/20 - Rn. 30). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Klägers betreffend das OBD. Durfte die Beklagte nämlich das Thermofenster zumindest vertretbar für eine zulässige Abschalteinrichtung halten, durfte sie auch das OBD so ausgestalten, dass es den Einsatz des Thermofensters nicht als Fehler anzeigt (BGH, Beschluss vom 15.09.2021 – VII ZR 2/21 –Rn. 18).
c) Für einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB fehlt es bei dem hier in Rede stehenden Gebrauchtwagenkauf darüber hinaus an der Bereicherungsabsicht und der in diesem Zusammenhang erforderlichen Stoffgleichheit zwischen dem erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteil und dem Vermögensschaden des Klägers (vgl. nur: BGH, Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 5/20 – Rn. 18).
d) Dem Kläger steht auf der Grundlage seines bisherigen Vortrages auch kein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV oder Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 zu.
Zwar schützen die Regelungen in § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV i.V.m. Art 5 VO (EG) Nr. 715/2007 das Vertrauen des Käufers auf die Übereinstimmung des Fahrzeugs mit allen Rechtsakten beim Fahrzeugkauf (EuGH, Urteil vom 21.03.2023 – C-100/21 – Rn. 81, 82; BGH, Urteil vom 26.06.2023 – VIa ZR 335/21 – Rn. 21). Auch wäre die Beklagte, bei der es sich nicht nur um die Herstellerin des Motors, sondern auch um die Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs, eines VW Golf, handelt, auch für einen aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den vorgenannten Vorschriften folgenden Anspruch passiv legitimiert (BGH, Urteil vom 10.07.2023 – VIa ZR 1119/22 – Rn. 20). Der Schutz der Regelungen in § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV i.V.m. Art 5 VO (EG) Nr. 715/2007 erstreckt sich jedoch – wie der BGH überzeugend begründet hat – nicht auf das im Hauptantrag zu 1. des Klägers mit dem Anspruch auf großen Schadensersatz verfolgte Interesse des Käufers, nicht an dem Vertrag festgehalten zu werden (BGH, Urteil vom 26.06.2023 – VIa ZR 335/21 - Rn. 22 ff.).
2. Der auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz von aus dem Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung resultierenden Schäden gerichtete Hilfsantrag zu 2. ist – selbst wenn man ihn dahin auslegen würde, dass er auch einen aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV, Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 herzuleitenden Anspruch auf Erstattung des Differenzschadens (BGH, Urteil vom 26.06.2023 – VIa ZR 335/21 – Rn. 32 ff.) umfasst und Zulässigkeitsbedenken im Hinblick auf einen Vorrang der Leistungsklage oder das erforderliche Feststellungsinteresse außer Acht lässt – auf der Grundlage des bisherigen Vortrages der Parteien ebenfalls unbegründet.
Dies gilt für Ansprüche wegen vorsätzlichen deliktischen Handelns der Beklagten aus denselben Gründen wie für den Hauptantrag zu 1.
Auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV oder Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 besteht für den Kläger nicht.
a) Soweit die von der Beklagten erteilte Übereinstimmungsbescheinigung zu dem auch für die Erstattungsfähigkeit des Differenzschadens maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages wegen der zu diesem Zeitpunkt in dem streitgegenständlichen Fahrzeug vorhandenen ursprünglichen unzulässigen Abschalteinrichtung in Form der sog. Umschaltlogik unzutreffend war, fehlt es infolge der ab dem 22.09.2015 öffentlich gemachten Verhaltensänderung der Beklagten sowohl an der erforderlichen Kausalität für den Abschluss des Kaufvertrages als auch an einem Verschulden der Beklagten in Form von Fahrlässigkeit (vgl. dazu: BGH, Urteil vom 26.06.2023 – VIa ZR 335/21 – Rn. 57 und Rn. 61).
Der Kläger hat nicht in Abrede gestellt, dass ihm bei Erwerb des Fahrzeugs bekannt war, dass dieses von dem im Herbst 2015 bekannt gewordenen Dieselskandal betroffen war; er hat vielmehr lediglich vorgetragen, er habe darauf vertraut, dass sich das Fahrzeug nach dem von der Beklagten angekündigten Software-Update in einem gesetzeskonformen Zustand befinden werde. Auf den die Vermutung der Kausalität begründenden Erfahrungssatz, er hätte den Kaufvertrag bei Kenntnis der wegen des Vorhandenseins einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Form der Umschaltlogik unzutreffenden Übereinstimmungsbescheinigung nicht geschlossen, kann der Kläger sich deshalb nicht stützen.
Unabhängig davon kann der Beklagten bezogen auf den Zeitpunkt des Erwerbs des Klägers am 11.02.2016 wegen der mit Blick auf die Abschalteinrichtung in Form der Umschaltlogik unzutreffenden Übereinstimmungsbescheinigung auch ein Fahrlässigkeitsvorwurf nicht mehr gemacht werden, nachdem sie die Verwendung dieser Abschalteinrichtung ab dem 22.09.2015 in einer Weise bekannt gemacht hatte, die eine allgemeine Kenntnisnahme erwarten ließ, und eine Beseitigung dieser Abschalteinrichtung nicht nur für neue, sondern auch für gebrauchte Fahrzeuge veranlasst hatte.
b) Nimmt man in den Blick, dass die Beklagte mit dem in Zusammenhang mit der Beseitigung der ursprünglichen unzulässigen Abschalteinrichtung aufgespielten Software-Update erneut eine – den streitigen Vortrag der Parteien, der jedenfalls im Hinblick auf die Behauptungen der Beklagten zum Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 S. 2 a VO (EG) 715/2007 der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedürfte, zugunsten des Klägers als ausreichend und wahr unterstellt – unzulässige Abschalteinrichtung in Form des Thermofensters verwandt hat, ist die von der Beklagten als Fahrzeugherstellerin erteilte Übereinstimmungsbescheinigung zwar weiterhin unzutreffend geblieben.
Dem Kläger mag auch dahin zu folgen sein, dass es nicht schon deshalb an der erforderlichen Erwerbskausalität fehlt, weil die Abschalteinrichtung in Form des Thermofensters erst mit dem Software-Update und damit erst nach Abschluss des Kaufvertrages in dem streitgegenständlichen Fahrzeug implementiert wurde. Fraglich ist allerdings bereits, ob angesichts der seit Herbst 2015 öffentlich geführten Diskussion über die Eignung des von der Beklagten angekündigten Software-Updates ein Erfahrungssatz Geltung beanspruchen kann, dass ein Käufer im Februar 2016 typischerweise davon ausging, dass die von der Beklagten als Fahrzeugherstellerin ausgegebene Übereinstimmungsbescheinigung nach Aufspielen des angekündigten Software-Updates die gesetzlich vorgesehene Übereinstimmung mit allen maßgebenden Rechtsakten richtig ausweisen werde.
Entscheidend ist indes, dass es auf der Grundlage des bisherigen Vortrages der Parteien auch mit Blick auf das mit dem Software-Update aufgespielte Thermofenster an dem erforderlichen Verschulden der Beklagten fehlt, da diese sich wegen der in der - unstreitig erfolgten - Freigabe des Software-Updates liegenden Genehmigung durch das KBA auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen kann. Die Beklagte hat nämlich spätestens mit ihrem Schriftsatz vom 21.06.2022 vorgetragen und mit einem wörtlichen Zitat aus einer amtlichen Auskunft des KBA gegenüber dem Thüringischen Oberlandesgericht vom 02.05.2022 (Schriftsatz vom 21.06.2022, dort S. 42/43, Bl. 104 R/105 d.A.) belegt, dass sie dem KBA als zuständiger Behörde mit dem Antrag auf Freigabe des Software-Updates für jedes einzelne der EA 189-Fahrzeug-Cluster die Applikationsrichtlinien mit den dem KBA vorgestellten und mit ihm abgestimmten Mindestanforderungen an die Bedatung der Thermofenster sowie die konkrete Abrampung übermittelt habe. Auf dieser Grundlage habe das KBA die Software-Updates freigegeben, wobei sich der unter „B. Offenlegung zulässiger Abschalteinrichtungen Ergebnis: Die vorhandenen Abschalteinrichtungen wurden als zulässig eingestuft.“ erfolgte Passus der Freigabebestätigungen gerade auf die Applikationsbedingungen der Thermofenster beziehe. Gegenüber diesem Vortrag ist weder die pauschale Behauptung des Klägers, die Beklagte habe dem KBA das Thermofenster nicht bzw. jedenfalls nicht hinreichend konkret offengelegt, noch der Umstand erheblich, dass es nach Aufspielen eines Software-Updates, etwa bei Fahrzeugen des Typs EOS, noch weitere Maßnahmen gegeben haben mag. Ein Anhaltspunkt dafür, dass diese Maßnahmen auf unzureichenden Angaben der Beklagten gegenüber dem KBA betreffend die Wirkungsweise des Thermofensters beruhten und die Beklagte deshalb nicht auf die Freigabe durch das KBA in Bezug auf Fahrzeuge des streitgegenständlichen Typs VW Golf VI 1.6 TDI vertrauen durfte, ergibt sich daraus nicht.
III. Sind danach die Anträge zu 1. und zu 2. des Klägers unbegründet, so kann er auch mit den weiteren Anträgen zu 3. und 4., gerichtet auf Feststellung, dass die Beklagte sich mit der Annahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet bzw. auf Feststellung, dass der Anspruch aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung der Beklagten herrührt, keinen Erfolg haben.