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Entscheidung 6 U 180/19


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 6. Zivilsenat Entscheidungsdatum 16.02.2021
Aktenzeichen 6 U 180/19 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2021:0216.6U180.19.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 14.11.2019, Az. 13 O 44/19, wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Der Beklagte ist ein kommunales Wasserversorgungsunternehmen und versorgt die zu Wohnzwecken dienende Immobilie der Klägerin R. 1 - 5 in …7 E. seit Jahrzehnten mit Trinkwasser.

Die Parteien sind durch einen Trinkwasserlieferungsvertrag miteinander verbunden. Diesem Vertrag liegen die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVB-WasserV) und die Ergänzenden Bedingungen des Wasserverbandes S. (WS.) zu den Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV) vom 19.10.2005 in der Fassung der 1. Änderung vom 18.11.2015 zugrunde. Das Gebäude der Klägerin ist ein Plattenbau. Die Versorgung erfolgt derzeit weiterhin über eine Trinkwasserleitung aus DDR-Zeiten, an die im Kellerbereich für jeden der fünf Aufgänge des Gebäudes jeweils Steigleitungen mit Zählern und Absperrventilen angeschlossen sind. Es handelt sich um sogenannte Konverterleitungen, die ausgehend vom öffentlichen Straßenraum durch hintereinander liegende Wohngebäude hindurchgeführt wurden.

Der Beklagte verlegte nach Vertragsschluss in den Straßen F./R. eine neue Trinkwasserleitung, lieferbereit bis an die Giebelwand des betreffenden Gebäudeteils R. 5. Der Beklagte forderte die Klägerin vorprozessual dazu auf, auf ihre Kosten eine neue Grundleitung nebst Anschlüssen für die fünf Steigestränge zu verlegen sowie einen neuen Hausanschluss mit Kernbohrung zu bezahlen. Dem widersprach die Klägerin. Mit Schreiben vom 25.01.2018 kündigte der Beklagte an, die aus seiner Sicht nicht mehr instandsetzungsfähige alte Trinkwasserleitung zum 28.02.2018 stillzulegen und die Trinkwasserversorgung hierüber einzustellen. Die Klägerin erwirkte daraufhin vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) - Az. 11 O 55/18 - eine einstweilige Verfügung gegen den Beklagten, womit diesem die Unterlassung der Wasserversorgungseinstellung aufgegeben wurde. Auf den Widerspruch des Beklagten hin wurde die einstweilige Verfügung vom 23.02.2018 mit Urteil des Landgerichts vom 19.12.2018 aufrechterhalten. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten blieb ohne Erfolg (siehe dazu Senatsurteil vom 28.05.2019 - 6 U 188/18).

Im Rahmen des hiesigen Hauptsacheverfahrens streiten die Parteien hinsichtlich der auf Unterlassung gerichteten Klage weiterhin über die Rechtmäßigkeit der Einstellung der Trinkwasserversorgung. Ferner streiten sie hinsichtlich der von dem Beklagten erstinstanzlich - nach Erlass des Senatsurteils im einstweiligen Verfügungsverfahren - erhobenen (Hilfs-) Widerklage um die Frage, ob die Klägerin zu der vom Beklagten verlangten Neuherstellung des Trinkwasseranschlusses für die Versorgung ihres Gebäudes verpflichtet ist.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen für eine dauerhafte Einstellung der Versorgung nach § 33 AVBWasserV lägen nicht vor. Ihr Gebäude verfüge über eine seit Jahrzehnten funktionierende Trinkwassergrundleitung mit fünf Hausanschlüssen, die jeweils über Absperrvorrichtungen verfügten. Es liege damit hinsichtlich der von dem Beklagten aus technischen Gründen für erforderlich gehaltenen Neuherstellung eines Hausanschlusses schon keine erstmalige Erstellung eines Hausanschlusses vor, sondern nur eine Veränderung der bestehenden Anschlusssituation. Die Herstellung und die Kostentragung für die bloße Veränderung eines Hausanschlusses liege jedoch im Verantwortungsbereich des Beklagten.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, die Trinkwasserversorgungsleitung der Aufgänge 1 bis 5 des Gebäudes R. 1 - 5 in …7 E. stillzulegen und die Trinkwasserversorgung des Gebäudes einzustellen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat gemeint, für das Unterlassungsverlangen der Klägerin bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis. Wegen des Verhaltens der Klägerin sei die Einstellung der Versorgung nach § 33 Abs. 3 AVBWasserV jedenfalls gerechtfertigt, denn er habe gegenüber dieser einen Anspruch auf Anpassung der bestehenden Hausanschlussanlage an die Erfordernisse unter Einhaltung der geänderten anerkannten Regeln der Technik. Die vorhandene Anlage der Klägerin entspreche mit Absperrventilen an den Steigleitungen innerhalb der 5 Aufgänge im Wohnblock nicht mehr den Regeln der Technik. Dies gelte auch für die hier vorliegende Konverterleitung. Die Anschlussleitung beginne an der öffentlichen Anlage in der öffentlichen Straße und gehe dann durch verschiedene Häuser verschiedener Eigentümer und Grundstücke hindurch. Die Bestandsanlage der Klägerin widerspreche zudem den Vorgaben der Hygienevorschriften der TrinkwV. Das Verlangen, die Hauswasseranlage anzupassen, sei auch verhältnismäßig. Die Klägerin habe keinen Anspruch darauf, dass ihre regelwidrige Hausanlage weiterhin an den zur Zeit der DDR errichteten Anschlusspunkten weiter versorgt werde. Die Verantwortung des Versorgers ende an der Hauptabsperrvorrichtung, die nunmehr unmittelbar an der straßenwärts gelegenen Hauswand von der Klägerin anzubringen sei.

Mit Schriftsatz vom 18.09.2019 hat der Beklagte hilfsweise Widerklage erhoben und beantragt,

hilfsweise die Klägerin zur verurteilen, das Gebäude mit den Hausnummern 1 bis 5 des Grundstücks R. 1 - 5 in ..7 E. (Gemarkung E., Flurstück …2 der Flur …) am Anschlusspunkt …1 (markiert mit blauem Kreuz gemäß Bestandsplan Trinkwasser, Anlagen B 1 und B 2) an die dort anliegende öffentliche zentrale Trinkwasserversorgungsanlage des Beklagten (Anschlussleitung, rot markiert gemäß Bestandsplan Trinkwasser, Anlagen B 1 und B 2) anzuschließen,

höchst hilfsweise festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, das Gebäude mit den Hausnummern 1 bis 5 des Grundstücks R. 1 - 5 in …7 E. (Gemarkung E., Flurstück …2 der Flur …) am Anschlusspunkt …1 (markiert mit blauem Kreuz gemäß Bestandsplan Trinkwasser, Anlagen B 1 und B 2) an die dort anliegende öffentliche zentrale Trinkwasserversorgungsanlage des Beklagten (Anschlussleitung, rot markiert gemäß Bestandsplan Trinkwasser, Anlagen B 1 und B 2) anzuschließen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Sie hat dazu die Auffassung vertreten, der Beklagte könne die von ihm neu verlegte Trinkwasserleitung an die vorhandenen fünf Hausanschlüsse - auf seine Kosten - anschließen. Entgegen der Auffassung des Beklagten könne es auch mehr als einen Hausanschluss geben. Der Hausanschluss ende nach den Vorgaben der AVBWasserV mit der Hauptabsperrvorrichtung, hier jedenfalls an den fünf vorhandenen Absperrventilen. Der auf Herstellung eines Anschlusses gerichtete Widerklageantrag zu Ziffer 1. sei auch deshalb unbegründet, weil es insoweit keinen Anschluss- und Benutzungszwang gebe. Für den weiteren Hilfsantrag fehle es zudem an dem dafür erforderlichen Feststellungsinteresse.

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird auf das angefochtene Urteil gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und insoweit zur Begründung auf das im einstweiligen Verfügungsverfahren ergangene Senatsurteil verwiesen. Die hilfsweise erhobene Widerklage hat das Landgericht in beiden Antragsfassungen abgewiesen. Der Beklagte habe gegen die Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Anschluss des streitgegenständlichen Gebäudes an die dort anliegende öffentliche zentrale Trinkwasserversorgungsanlage, insbesondere nicht aus § 12 AVBWasserV oder § 10 AVBWasserV. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 AVBWasserV sei für die ordnungsgemäße Errichtung, Erweiterung, Änderung und Unterhaltung der Anlage hinter dem Hausanschluss zwar mit Ausnahme der Messeinrichtungen des Wasserversorgungsunternehmens der Anschlussnehmer verantwortlich. Der mit der Hilfswiderklage geltend gemachte Anpassungsanspruch betreffe aber nicht die in dieser Vorschrift genannte „Kundenanlage", sondern den in den Verantwortungsbereich des Beklagten fallenden Hausanschluss im Sinne von § 10 Abs. 3 AVBWasserV. Dieser beginne an der Abzweigstelle des Verteilungsnetzes und ende mit der Hauptabsperrvorrichtung (§ 10 Abs. 1 Satz 2 AVBWasserV). Letztere befinde sich derzeit bei den fünf vorhandenen Absperrvorrichtungen mit Zählern. Erst hinter dieser Absperrvorrichtung beginne die Kundenanlage der Klägerin, denn dort sei die Stelle, an der das Wasser und die Gefahr für das Leitungsgut auf den Kunden übergingen und wo die Übereignung nach § 929 BGB stattfinde. Auf die Frage, ob der streitgegenständliche Hausanschluss damit (noch) den derzeitig anerkannten Regeln der Technik entspreche, komme es daher nicht an, denn auch wenn man dies verneine, wäre für eine Erneuerung, Änderung, Abtrennung oder Beseitigung gemäß § 10 Abs. 3 AVBWasserV jedenfalls der Beklagte verantwortlich.

Im Übrigen sei auch nicht ersichtlich, dass die Absperrvorrichtungen für den Beklagten nicht erreichbar seien und deshalb eine Verlegung der Hauptabsperrvorrichtung erforderlich wäre. Die Klägerin habe vorgetragen, dass sich diese jeweils im Kellergang und damit nahe der Außenwand befänden und somit für Mitarbeiter des Beklagten auch zugänglich seien im Sinne von § 16 AVBWasserV. Auf § 10 Abs. 4 AVBWasserV könne sich der Beklagte insoweit ebenfalls nicht berufen. Denn dort sei lediglich eine Verpflichtung des Anschlussnehmers zur Kostenerstattung vorgesehen, nicht jedoch eine eigene Herstellverpflichtung zur Veränderung des Hausanschlusses. Überdies sei weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass die von dem Beklagten für erforderlich gehaltenen Veränderungen des Hausanschlusses durch eine Änderung oder Erweiterung der Kundenanlage oder aus anderen von der Klägerin zu verantwortenden Gründen veranlasst seien.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten mit der er seine erstinstanzlich gestellten Anträge auf Klageabweisung und zur Hilfswiderklage unverändert weiterverfolgt.

Der Beklagte wiederholt zu Klage und Hilfswiderklage im Wesentlichen seinen erstinstanzlichen Vortrag. Hinsichtlich der Anschlusspflicht ist er weiterhin der Auffassung, dass der Hausanschluss gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 AVBWasser an dem Ende der Anschlussleitung und damit „an der Hauptabsperrvorrichtung“ ende. Eine solche einheitliche Hauptabsperrvorrichtung existiere wegen des hohen Alters der Trinkwasseranlage jedoch nicht. Der betreffende Plattenbau verfüge regelwidrig nur über fünf getrennte Steigleitungen, die „tief unter dem Gebäude“ mit Absperrventilen versehen seien. Es falle daher in die Verantwortung der Klägerin, diesen regelwidrigen Zustand durch eine Anschlussneuherstellung zu beseitigen und nicht in diejenige der Solidargemeinschaft der Trinkwassernutzer.

Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Berufung. Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil unter teilweiser Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.

Für die weiteren Einzelheiten im Berufungsrechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung des Beklagten ist statthaft und zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511, 513, 519, 520 ZPO). In der Sache bleibt sie ohne Erfolg. Mit zutreffender Begründung hat das Landgericht der auf Unterlassung der Einstellung der Trinkwasserversorgung gerichteten Klage stattgegeben und die Hilfswiderklage des Beklagten abgewiesen.

1. Soweit sich die unbeschränkt eingelegte Berufung auch gegen die erstinstanzlich erfolgreiche Klage richtet, durch die der Beklagte verurteilt worden ist, die Einstellung der Wasserversorgung für das Wohngebäude der Klägerin zu unterlassen, hat sie aus den vom Senat im vorangegangenen Verfügungsverfahren mit Urteil vom 28.05.2019 (6 U 188/18) bereits ausgeführten Gründen keinen Erfolg. Nach dieser Entscheidung hat die Klägerin einen Anspruch darauf, dass der Beklagte es unterlässt, die bisher genutzte und technisch veraltete Trinkwasserversorgungsleitung des Gebäudes aus der Vorwendezeit R. 1-5 in …7 E. stillzulegen und die Trinkwasserversorgung einzustellen, weil der Beklagte nicht berechtigt ist, die Trinkwasserversorgung der Klägerin zu unterbrechen. Insoweit fehlt es insbesondere an einer Zuwiderhandlung der Klägerin im Sinne des § 33 Abs. 2 AVBWasserV. Der Beklagte hat gegenüber dieser Beurteilung, der das Landgericht gefolgt ist, keine neuen tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte aufgezeigt.

2. Die von dem Beklagten weiterverfolgte Hilfswiderklage, mit der er verlangt, dass die Klägerin einen Neuanschluss ihres Wohngebäudes an die öffentliche Wasserversorgung über einen einheitlichen Hausanschluss herstellt, ist unbegründet.

a) Insbesondere ist die Hilfswiderklage entgegen der Auffassung des Beklagten nicht schon deshalb begründet, weil die auf Unterlassung der Wasserversorgungseinstellung gerichtete Klage ihrerseits begründet ist. Hinsichtlich der Begründetheit von Klage und Widerklage besteht hier kein rechtlicher Konnex, wonach die Widerklage im Falle eines Klageerfolgs automatisch begründet wäre. Der Beklagte verfolgt damit zwar ein auf die Vornahme einer Handlung der Klägerin gerichtetes Klagebegehren, wie es der Senat im vorangegangenen Verfügungsverfahren als anstelle einer eigenmächtigen Wasserversorgungseinstellung zur Durchsetzung von eigenen Rechten jedenfalls erforderlich bezeichnet hat. Damit war indes kein Präjudiz des Inhalts verbunden, dass ein entsprechendes Leistungs- oder Feststellungsbegehren begründet wäre. Vielmehr hat der Senat die dem Streit der Parteien zugrunde liegende Frage, wer von beiden für die Anpassung der Trinkwasserleitung an die neu von dem Beklagten verlegte Trinkwasserversorgungsanlage verantwortlich ist, ausdrücklich offengelassen und den Beklagten lediglich auf die grundsätzliche Notwendigkeit einer gerichtlichen - nicht eigenmächtigen - Durchsetzung von etwaigen Ansprüchen verwiesen.

b) Mit insofern materiell-rechtlich zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht die Hilfswiderklage und den dazu höchsthilfsweise formulierten Feststellungsantrag - letzteren unter Offenlassen seiner Zulässigkeit nach § 256 Abs. 1 ZPO - abgewiesen.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Klägerin nicht nach § 12 Abs. 1 Satz 1 AVBWasserV verpflichtet, einen neuen Hausanschluss mit einheitlicher Hauptabsperrvorrichtung herzustellen. Soweit der Beklagte dafür insbesondere anführt, ein Hausanschluss habe nach den auf das Vertragsverhältnis anzuwendenden Bestimmungen in § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 AVBWasser stets „an der Hauptabsperrvorrichtung“ zu enden und mithin an einer für die gesamte Versorgungsanlage des Anschlussnehmers einheitlichen Absperrvorrichtung, die wegen des hohen Alters der zu DDR-Zeiten errichteten Anlage für das Gebäude der Klägerin aber nicht existiere, weil der Plattenbau nur über Steigleitungen verfüge, die unter dem Gebäude regelwidrig mit Absperrventilen versehen seien, geht diese Argumentation gleich unter mehreren Gesichtspunkten fehl. Weder fehlt es hinsichtlich der Trinkwasserversorgungsanlage der Klägerin an einem bestehenden Hausanschluss, noch besteht nach den Bestimmungen in § 10 AVBWasserV die Notwendigkeit einer einheitlichen Hauptabsperrvorrichtung pro Anschlussnehmer, noch träfe für die erstmalige Herstellung eines Hausanschlusses gegebenenfalls die Klägerin eine Herstellungspflicht.

aa) Zutreffend gehen beide Parteien davon aus, dass auf das zwischen ihnen bestehende Vertragsverhältnis die Regelungen der AVBWasserV Anwendung finden. Der Beklagte ist als Träger der kommunalen Wasserversorgung verpflichtet, mit dem Eigentümer eines Grundstücks einen Vertrag über den Anschluss an das öffentliche Leitungsnetz und über die nachfolgende Versorgung der Anschlussstelle mit Wasser zu ihren Allgemeinen Versorgungsbedingungen zu schließen (vgl. BGH, Urteil vom 06.04.2005 - VIII ZR 260/04, juris Rn. 12). Die AVBWasserV ist eine Rechtsverordnung, deren Inhalt nach ihrem § 1 Abs. 1 Vertragsbestandteil wird, wenn Wasserversorgungsunternehmen - wie hier unstreitig der Beklagte - für den Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung und für die öffentliche Versorgung mit Wasser Vertragsmuster oder Vertragsbedingungen verwenden, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind (vgl. BGH, aaO, juris Rn. 25).

bb) Unstreitig ist zwischen den Parteien ferner, dass die Verantwortungsbereiche zwischen Kunden und Wasserversorger grundsätzlich in § 10 und 12 AVBWasserV verbindlich geregelt sind. Bei der danach vorzunehmenden Abgrenzung kommt es nicht darauf an, in wessen Eigentum die betreffenden Leistungsteile stehen, sondern nur darauf, in wessen Verantwortungsbereich sie fallen sollen (BGH, Urteile vom 23.11.2011 - VIII ZR 23/11, juris Rn. 30; vom 26.09.2007 - VIII ZR 17/07, juris Rn. 15 und vom 06.04.2005 - VIII ZR 260/04, juris Rn. 31; vgl. auch VG Schwerin, Urteil vom 30.10.2018 - 4 A 4217/15 SN, juris Rn. 38).

Die AVBWasserV unterscheidet insoweit zwischen Betriebsanlagen und Kundenanlagen. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AVBWasserV besteht der Hausanschluss, der nach § 10 Abs. 3 Satz 3 vom Versorger bzw. hier dem Beklagten „hergestellt, unterhalten, erneuert, geändert [etc.]“ werden muss, als Teil der sogenannten Betriebsanlage aus der Verbindung des Netzes mit der Kundenanlage. Nach Satz 2 „beginnt [er] an der Abzweigstelle des Verteilungsnetzes und endet mit der Hauptabsperrvorrichtung.“ Umfasst ist von der Betriebsanlage mithin auch die Hauptabsperrvorrichtung selbst. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 AVBWAsserV ist für die sogenannte Kundenanlage und insofern „für die ordnungsgemäße Errichtung, Erweiterung, Änderung und Unterhaltung der Anlage hinter dem Hausanschluss“ der Anschlussnehmer verantwortlich, hier also die Klägerin. Die Verantwortungsbereiche zwischen dem Wasserversorgungsunternehmen und dem Kunden werden damit klar und deutlich abgegrenzt (BGH, aaO, Rn. 31 f.; OLG Naumburg, Urteil vom 23.04.1999 - 6 U 64/98, juris Rn. 6 mwN).

cc) Ausgehend von diesen Regelungen ist das Landgericht zutreffend zu der Auffassung gelangt, dass sich die betreffende Hauptabsperrvorrichtung seit Vertragsbeginn und ungeachtet ihrer womöglich nicht den Regeln der Technik entsprechenden Ausführung bei den fünf vorhandenen Absperrvorrichtungen an den Steigleitungen mit Zählern befindet. Soweit diese Absperrvorrichtungen nicht mehr den aktuellen technischen Anforderungen entsprechen sollten, wäre es daher gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 AVBWasserV jedenfalls Sache des Beklagten, diesen seit Beginn des Vertragsverhältnisses bestehenden Zustand zu ändern. Denn danach werden „Hausanschlüsse […] ausschließlich von dem Wasserversorgungsunternehmen hergestellt, unterhalten, erneuert, geändert, abgetrennt und beseitigt“.

Im Einklang mit dieser bereits vom Landgericht zutreffend beurteilten Sachlage hat im Übrigen der Bundesgerichtshof in einem Fall, in dem nach einer vorgenommenen Modernisierung - gleichsam umgekehrt zum vorliegenden Fall - anstatt wie ursprünglich eine Anschlussleitung mit einem Hausanschluss nunmehr mehrere Anschlussleitungen mit jeweils einem Hausanschluss vorhanden waren, eine kundenseitige Kostenbeteiligung verneint. Denn (auch) in einem solchen Fall, stellt der Umstand, „dass nun jedes Grundstück über eine Anschlussleitung zum Verteilungsnetz verfügt und die Versorgung nicht mehr über nur eine Anschlussleitung erfolgt, […] lediglich eine Änderung eines bestehenden Anschlusses und keine erstmalige Herstellung dar“ (BGH, Urteil vom 23.11.2011 - VIII ZR 23/11, juris Rn. 23. Es geht dann nämlich „nicht mehr um die Frage, ob die Grundstücke […] angeschlossen werden sollen, sondern nur noch darum, wie dieser Anschluss ausgestaltet ist.“ Wörtlich heißt es dort weiter:

„Dazu gehört auch die Entscheidung, mit wie vielen Anschlüssen eine Verbindung zum Verteilungsnetz hergestellt wird. Dies ergibt sich aus der Regelung in § 10 Abs. 2 AVBWasserV. Gemäß dieser Vorschrift werden Art, Zahl und Lage der Hausanschlüsse - also der Verbindungen des Verteilungsnetzes mit der Kundenanlage (§ 10 Abs. 1 Satz 1 AVBWasserV) - sowie deren Änderung nach Anhörung des Anschlussnehmers und unter Wahrung seiner berechtigten Interessen vom Wasserversorgungsunternehmen bestimmt. Die Grundstücke […] waren über einen Hausanschluss angeschlossen und werden nun über mehrere Hausanschlüsse mit dem Verteilungsnetz verbunden. Es liegt somit nur eine Änderung der Zahl der Hausanschlüsse vor. Durch die Leitung im F.-Weg erfolgt zwar ein neu ausgestalteter Anschluss des Bereichs "H.U." an eine Verteilungsleitung, aber es handelt sich gerade nicht um den erstmaligen Anschluss“ (BGH, aaO).

Wie in dem dort entschiedenen Fall ist im Streitfall zu beachten, dass der an einer zu DDR-Zeiten errichteten Trinkwasseranlage vom Beklagten geltend gemachte Änderungsbedarf nach dem Erstanschluss entstanden ist, und dies auch nicht durch eine Änderung der bestehenden Kundenanlage oder eine sonstige Baumaßnahme des Anschlussnehmers, sondern allenfalls dadurch, dass der Beklagte die bisher straßenseitig genutzte Versorgungszuleitung durch eine neue ersetzt hat und in diesem Zusammenhang nunmehr einen - nach seiner Auffassung den aktuellen Regeln der Technik entsprechenden - einheitlichen Hausanschluss hergestellt wissen will.

dd) Soweit aus dem Umstand, dass die Trinkwasserversorgungsanlage der Klägerin fünf Hauptabsperrvorrichtungen aufweist, hier zugleich folgt, dass ihr Wohngebäude derzeit über fünf Hausanschlüsse und nicht lediglich über einen Hausanschluss versorgt wird, vermag das bereits auf Grundlage der obigen Ausführungen für den Beklagten kein günstigeres Ergebnis zu rechtfertigen. Entgegen seiner Auffassung muss ein Anschlussnehmer nicht immer über eine einheitliche Hauptabsperrvorrichtung verfügen.

(1) Richtig ist insoweit nur, dass jeder Hausanschluss eine Hauptabsperrvorrichtung haben muss, wie sich aus § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 AVBWasserV ergibt, wenn es dort heißt: „Der Hausanschluß besteht aus der Verbindung des Verteilungsnetzes mit der Kundenanlage. Er beginnt an der Abzweigstelle des Verteilungsnetzes und endet mit der Hauptabsperrvorrichtung.“ Über die Anzahl der möglichen Hausanschlüsse ist damit nichts gesagt, insbesondere nicht, dass jeder Anschlussnehmer bei einer Mehrzahl von Hausanschlüssen nur eine Hauptabsperrvorrichtung haben muss. Dass für einen Anschlussnehmer eine Mehrzahl von Hausanschlüssen in Betracht kommen kann, liegt schon mit Blick auf die denkbare Mehrzahl von Gebäuden pro Anschlussnehmer oder wie im Streitfall mit Blick auf einen über mehrere Aufgänge verfügenden Plattenbau auf der Hand, ergibt sich aber auch ausdrücklich aus § 10 Abs. 2 AVBWasserV, wenn es dort heißt: „Art, Zahl und Lage der Hausanschlüsse sowie deren Änderung werden nach Anhörung des Anschlußnehmers und unter Wahrung seiner berechtigten Interessen vom Wasserversorgungsunternehmen bestimmt.“ Dabei muss es sich deshalb keinesfalls nur um einen Hausanschluss pro Anschlussnehmer handeln, wie der Beklagte unter Berufung auf „Ziff. 9.1.2. DIN 1988, Teil 2“ und „Ziff. 8 DIN EN 1717“ meint, wonach in der Regel „die Hauptabsperrvorrichtung nahe der straßenwärts gelegenen Hauswand“ anzubringen sein soll. Ungeachtet dessen kann sich aus DIN-Vorschriften von vornherein nicht die mit der Widerklage geltend gemachte Herstellungspflicht der Klägerin ergeben. Es obliegt vielmehr dem Versorger, bei der erstmaligen Herstellung des Anschlusses die Anzahl der notwendigen Hausanschlüsse zu bestimmen und er ist nach Beginn der Wasserversorgung auch nicht daran gehindert, „Art, Zahl und Lage“ der bestehenden Hausanschlüsse entsprechend den Regeln der Technik - gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 AVBWasserV auf seine Kosten - zu verändern.

(2) Soweit der Beklagte der Auffassung ist, die vorhandenen fünf Absperrventile stellten keine Hauptabsperrvorrichtung im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 2 AVBWasserV dar, weshalb deren Ersetzung durch eine Hauptabsperrvorrichtung auch keine Erneuerung, sondern faktisch deren erstmalige Herstellung bedeute, vermag das nach allem nicht zu überzeugen, denn in der Sache behauptet der Beklagte damit nur, dass die alten Absperranlagen technisch veraltet sind, nicht aber, dass sie nicht vorhanden sind oder nicht bisher funktional die Aufgabe von Hauptabsperrvorrichtungen erfüllen.

ee) Nichts anderes ergibt sich, wenn die bestehenden fünf Hausanschlüsse mit ihren jeweiligen Absperrventilen nicht mehr den Regeln der Technik entsprechen, wie der Beklagte behauptet.

(1) Wäre dies der Fall, handelte es sich hinsichtlich der vom Beklagten eingeforderten Modernisierung der vorhandenen Absperrvorrichtungen lediglich um eine Veränderung von bestehenden Hausanschlüssen, für die aber nach § 10 Abs. 3 Satz 3 AVBWasserV ausschließlich der Versorger zuständig ist. Denn danach sind von ihm für erforderlich gehaltene Änderungen an bestehenden Hausanschlüssen von ihm herzustellen. Damit sind im Streitfall die bestehenden Absperrvorrichtungen aber auch unabhängig von ihrer genauen Lage im Gebäude dem Verantwortungsbereich des Beklagten zuzurechnen. Das gilt umso mehr, als es vorliegend nicht um eine Veränderung der bestehenden Hausanschlüsse wegen der Änderung oder Erweiterung der Kundenanlage des Anschlussnehmers geht, wofür der Beklagte nach § 10 Abs. 4 AVBWasserV dann allerdings auch nur eine Kostenerstattung verlangen könnte und nicht etwa die Herstellung von geänderten Hausanschlüssen seitens der Klägerin. Weil Hausanschlüsse nach der Regelung des § 10 Abs. 3 Satz 1 AVBWasserV unabhängig von der Eigentumslage immer zu den Betriebsanlagen gehören, ist das Wasserversorgungsunternehmen selbst in solchen Fällen nach § 10 Abs. 4 AVBWasserV nur berechtigt, vom Anschlussnehmer die Erstattung von Kosten zu verlangen. Darunter fallen jedoch auch nicht die Kosten für die Aufrechterhaltung des Hausanschlusses durch laufende Instandhaltung und Instandsetzung, technische Verbesserung, Erneuerung oder die Auswechselung von Teilen, wie sie der Beklagte hier wegen veränderter Regeln der Technik als notwendig bezeichnet. Auch für eine solche technische Erneuerung respektive Zusammenfassung von bestehenden Hausanschlüssen fällt ihm gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 AVBWasserV die Herstellungsverantwortung zu, denn Unterhalts- und Erneuerungskosten, die sich auch aus geänderten technischen Vorschriften ergeben können, dürfen vom Versorger nur über den Wasserpreis an die Kunden weitergegeben werden (BGH, Urteile vom 26.09.2007 - VIII ZR 17/07, juris Rn. 15; vom 23.11.2011 - VIII ZR 23/11, NJW-RR 2012, 351 Rn. 21 und vom 05.06.2014 - VII ZR 283/13, juris Rn. 19 f.).

(2) Die scheinbar Gegenteiliges hergebende Rechtsprechung, die der Beklagte in der Berufungsbegründung zitiert (OLG Hamm - 30 U 20/10 und BVerfG, NZM 1999, 302), ist nicht einschlägig; sie betrifft insbesondere Mietmängel durch Schadstoffbelastungen in Wohnräumen. Soweit der Beklagte sich zur Begründung dafür, dass die Klägerin die technische Neuherstellung einer für eine einheitliche Hauptabsperrvorrichtung geeigneten Anlage schuldet, auch auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs stützen will (Urteil vom 02.03.2010 - VI ZR 223/09, NJW 2010, 1967 f.), ist diese ebenfalls nicht einschlägig. Dort ging es um die Frage von Nachrüstpflichten eines Verkehrssicherungspflichtigen für bestehende technische Einrichtungen im Falle der Veränderung von DIN-Vorschriften (betreffend eine halbautomatische Glastür als Zugang zu einem Bankautomaten). Das vorliegende Streitverhältnis wird hingegen durch spezialgesetzliche Regelungen im Bereich der Wasserversorgung geprägt, insbesondere durch die AVB-WasserV, nach der die wechselseitigen Verantwortungsbereiche der Parteien maßgeblich zu bestimmen sind, und damit aber nicht durch schadensrechtlich geprägte Verkehrssicherungspflichten und deren Reichweite.

(3) Unabhängig davon bestehen aus Sicht des Senats allerdings auch Zweifel daran, dass die von dem Beklagten behauptete Vereinheitlichung von Hausanschluss und Hauptabsperrvorrichtung aus technischen Gründen zwingend erforderlich ist. Vorprozessual hat der Beklagte der Klägerin die Errichtung von fünf neuen Hausanschlüssen noch selbst als mögliche Alternative vorgeschlagen, wie sich aus Darlegungen der Klägerin in der Berufungserwiderung ergibt. Die Klägerin hat die E-Mail einer Mitarbeiterin des Beklagten dazu in Ablichtung eingereicht, in der diese Möglichkeit als „Variante 1“ genannt wird und die vom Beklagten nunmehr für allein zulässig gehaltene Ausführung als „Variante 2“ (Anlage BK1, Bl. 58 d.A.).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10 Satz 1 und 2, 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die vorliegende Entscheidung mit Rücksicht auf die in den Gründen zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung keine grundsätzliche Bedeutung hat (vgl. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht erfordern (vgl. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO).