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Entscheidung 2 U 36/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 2. Zivilsenat Entscheidungsdatum 16.10.2023
Aktenzeichen 2 U 36/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:1016.2U36.22.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 31.08.2022, Az. 11 O 378/20, wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil des Landgerichts und dieses Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 60.595,95 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt Ersatz für Verluste, die er in den Jahren 2017 bis 2019 bei der Teilnahme an von der Beklagten veranstalteten Online-Glücksspielen erlitt.

Die Beklagte ist eine Gesellschaft maltesischen Rechts mit Sitz in (Ort 01). In dem hier in Rede stehenden Zeitraum betrieb sie unter der Domain https… einen deutschsprachigen Internetauftritt, über den sie unter anderem virtuelle Automatenspiele anbot. Zu dem Angebot ließ sie Spieler aus Deutschland zu. Über eine Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Satz 1 des Glücksspielstaatsvertrages in der bis zum 30.06.2021 geltenden Fassung (im Folgenden: GlüStV 2012) verfügte sie nicht.

Der Kläger meldete sich über ein Online-Formular bei der Beklagten an, wobei er seine Wohnanschrift in (Ort 02) mitteilte. Von dieser Wohnung aus nahm er in der Zeit vom 14.03.2017 bis 05.05.2019 an virtuellen Automatenspielen der Beklagten teil. Die Spieleinsätze wurden von dem in Deutschland geführten Girokonto des Klägers an die Beklagte gezahlt.

Der Kläger hat behauptet, an den Glücksspielen der Beklagten ausschließlich zur Freizeitgestaltung teilgenommen zu haben. Er habe angenommen gehabt, die Veranstaltung der Spiele sei erlaubt gewesen. Anderes habe sich auch nicht aus den im fraglichen Zeitraum geltenden AGB der Beklagten ergeben; jedenfalls könne er sich nicht an eine dahingehende Klausel erinnern. Ihm seien erstmals nach einem Newsfeed, der ihm im Februar 2020 über sein Mobiltelefon zugegangen sei, Zweifel an der Legalität des Angebotes der Beklagten gekommen. Insgesamt habe er, wie sich der – unstreitig von der Beklagten erstellten – als Anlage K1 vorgelegten Kontoübersicht (Blatt 55 ff. d.A.) entnehmen lasse, Spielverluste von 67.169,29 € erlitten, die – neben einem nicht streitgegenständlichen Verlust aus Online-Sportwetten in Höhe von 4.308,34 € – in Höhe von 62.860,95 € aus den virtuellen Automatenspielen resultierten.

Der Kläger hat mit der Klageschrift den Widerruf sämtlicher mit der Beklagten geschlossenen Spielverträge erklärt und gemeint, die Beklagte habe durch das Angebot der Automatenspiele gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 GlüStV 2012 und § 284 StGB verstoßen, weshalb die von ihm mit der Beklagten geschlossenen Verträge gemäß § 134 BGB nichtig seien. Ihm stehe daher sowohl unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung als auch der unerlaubten Handlung ein Anspruch auf Ersatz seiner Spielverluste zu.

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sich einen Betrag in Höhe von 62.860,95 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat das Landgericht für international nicht zuständig gehalten, weil dem Kläger die Verbrauchereigenschaft fehle und ein deliktischer Anspruch nicht schlüssig dargelegt sei.

Die Klage sei auch unbegründet. Sie – die Beklagte – sei aufgrund einer Lizenz der (Firma 01) vom 09.11.2011 zur Veranstaltung der hier in Rede stehenden Glücksspiele berechtigt gewesen und habe diese Dienste nach Art. 56 AEUV auch in anderen Staaten der EU anbieten dürfen. Die Bestimmungen nach § 4 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 GlüStV 2012 rechtfertigten eine Einschränkung der unionsrechtlich gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit nicht. Die Regelungen, die Sportwetten im Internet grundsätzlich zugelassen, Online-Casinoangebote hingegen per se ausgeschlossen hätten, seien schon nicht kohärent gewesen. Zudem fehle es nach wie vor an einem wissenschaftlichen Nachweis dafür, dass das Angebot von Online-Casinospielen zu einer erheblichen Verschlechterung des Spielerschutzes führe. Dass ein Verbot von Online-Casinospielen hierfür weder geeignet noch erforderlich sei, sei mittlerweile von den Bundesländern auch eingestanden worden. Denn dieses Verbot sei nach dem Umlaufbeschluss der Cheffinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien vom 08.09.2020 (Anlage B2, Blatt 159 ff. d.A.) seit dem 15.10.2020 nicht mehr vollzogen worden und sei nach der seit dem 01.07.2021 geltenden Fassung des Glücksspielstaatsvertrages (im Folgenden: GlüStV 2021) entfallen.

Die Vorschriften der § 4 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 GlüStV 2012 sowie § 284 StGB stellten im Übrigen keine Verbotsgesetze dar, weil es nach § 9 Abs. 1 GlüStV 2012 im Ermessen der für die Glücksspielaufsicht zuständigen Behörde stehe, Verstöße gegen das Glücksspielrecht mittels Untersagungsverfügung zu ahnden. Für eine privatrechtliche Sanktionierung derartiger Verstöße bleibe daher aus Gründen der Einheit der Rechtsordnung kein Raum. Auch sei zu berücksichtigen, dass ihr – der Beklagten – bzw. einem mit ihr verbundenen Unternehmen mittlerweile eine Sportwetterlaubnis erteilt worden sei. Mit der Erteilung dieser Erlaubnis, die eine erweiterte Zuverlässigkeitsprüfung vorausgesetzt habe, sei dokumentiert, dass sie und mit ihr verbundene Unternehmen in der Vergangenheit kein illegales Glücksspiel angeboten hätten.

Der Rückforderung der vom Kläger geleisteten Spieleinsätze stünden zudem § 762 Abs. 1 und § 817 Satz 2 BGB entgegen. In Ziffer I.7 ihrer AGB sei auf die Möglichkeit des Verbots der Nutzung der Seite in bestimmten Ländern hingewiesen und die Inanspruchnahme ihres Services nur gestattet worden, soweit dies dem Nutzer nach dem jeweils geltenden nationalen Recht erlaubt sei. Angesichts umfangreicher Medienberichterstattung sei davon auszugehen, dass der Kläger Kenntnis zumindest von der rechtlichen Umstrittenheit der in Rede stehenden Angebote gehabt habe.

Die Klage könne im Übrigen auch deshalb keinen Erfolg haben, weil es der Kläger damit letztlich entgegen Treu und Glauben darauf anlege, risikolos gestellt zu werden, und weil die Forderung verjährt sei. Ein Recht zum Widerruf der Spielverträge stehe dem Kläger ebenfalls nicht zu. Ein Schaden sei ihm nicht entstanden, weil er durch die Spieleinsätze tatsächlich Gewinnchancen und Spielmöglichkeiten erlangt gehabt habe.

Die Klageforderung sei ungeachtet dessen nicht schlüssig dargelegt. Die als Anlage K1 vorgelegte Kontoübersicht beinhalte Gebühren an den Zahlungsdienstleister, die sie – die Beklagte – aus keinem Rechtsgrund zu erstatten habe. Tatsächlich habe der Kläger – wie in der Anlage B26 (Blatt 764 ff. d.A.) im Einzelnen dargestellt sei – aus den in Rede stehenden Spielen einen Verlust in Höhe von 60.595,95 € erlitten.

Das Landgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 16.05.2022 auf seine Rechtsauffassung zu bereicherungsrechtlichen Ansprüchen wegen der Zahlungen an den Zahlungsdienstleister hingewiesen und den Parteien eine Stellungnahme zu den Hinweisen nachgelassen. Innerhalb der gewährten Stellungnahmefrist hat die Beklagte mit weiteren Ausführungen vorgetragen, wegen einer von ihr nach (Ort 01) Glücksspielrecht zu gewährleistenden Mindestausschüttungsquote von 85 % der Wetteinsätze insoweit nicht bereichert zu sein.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf welches wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 60.595,95 € nebst Zinsen verurteilt. Es hat gemeint, international sachlich und örtlich zuständig zu sein. Der Kläger habe die Tatsachen für das Vorliegen des Verbrauchergerichtsstandes nach Art. 17, 18 EuGVVO schlüssig dargelegt. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger gewerblicher Glücksspieler sei, seien nicht ersichtlich. Im Übrigen sei gerichtsbekannt, dass die Beklagte im Land (Bundesland …) die Genehmigung zum Angebot von Online-Casinospielen erhalten habe und ihre gewerbliche Tätigkeit unter anderem in Deutschland ausübe.

Die Klage sei auch überwiegend begründet. Auf das Rechtsverhältnis der Parteien finde nach Art. 6 Abs. 1 lit. b) Rom-I-VO sowie nach Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO deutsches Recht Anwendung. Demnach seien die geschlossenen Verträge wegen Verstoßes gegen das Verbot der Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im Internet nach § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 gemäß § 134 BGB nichtig. Die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit stehe dem nicht entgegen, da die Regulierung des Glücksspiels aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, namentlich dem Jugend- und Spielerschutz sowie der Betrugsvorbeugung, gerechtfertigt sei. Die nachträgliche Aufhebung des Verbots führe zu keiner anderen Würdigung. Die Rückforderung des bei den Spielen erlittenen Verlustes sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Umstände, aufgrund derer die Beklagte darauf habe vertrauen dürfen, dass der Kläger die rechtsgrundlos geleisteten Einsätze nicht zurückverlangen werde, seien nicht festzustellen. § 762 Abs. 1 Satz 2 BGB stehe dem Herausgabeanspruch nicht entgegen, da die Vorschrift einen wirksamen Spielvertrag voraussetze. Auf § 817 Satz 2 BGB könne sich die Beklagte nicht mit Erfolg stützen, da zu ihren Lasten nicht festzustellen sei, dass dem Kläger hinsichtlich der Teilnahme an den Spielen gleichfalls ein Gesetzes- oder Sittenverstoß zur Last falle.

Die Klage sei allerdings nur in dem Umfang begründet, in dem die Spielverluste unstreitig seien. Die darüber hinausgehende Zahlungsforderung sei nicht substantiiert dargelegt. Die Spielmöglichkeiten und Gewinnchancen müsse sich der Kläger nicht anrechnen lassen, da diese keine adäquate verbliebene Bereicherung darstellten. Auch sei die Klageforderung nicht verjährt, da die frühestens mit dem 31.12.2020 abgelaufene Verjährungsfrist durch die am 29.12.2020 beim Gericht eingegangene und demnächst zugestellte Klage gehemmt worden sei.

Gegen das Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie rügt, das Landgericht habe die Unionsrechtmäßigkeit des Verbots von Online-Automatenspielen nach § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 zu Unrecht und mit unzureichender Begründung angenommen. Unrichtig sei ferner, dass der vermeintliche Verstoß gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 gemäß § 134 BGB zur Nichtigkeit der Spielverträge führe und dass der Klageforderung nicht der Spieleinwand gemäß § 762 Abs. 1 BGB entgegenstehe. Auch greife der Einwand nach § 817 Satz 2 BGB durch. Insoweit habe das Landgericht verkannt, dass es nach ihrem – der Beklagten – Vorbringen zur Medienberichterstattung bezüglich der Frage der Legalität des Online-Glücksspiels am Kläger gewesen sei, darzulegen und zu beweisen, die betreffenden Medienberichte nicht wahrgenommen zu haben; es werde angeregt, den Kläger hierzu informatorisch anzuhören. Eine die Anwendbarkeit der Vorschrift im Streitfall ausschließende teleologische Reduktion sei unter anderem deshalb nicht gerechtfertigt, weil sie über eine bundesweit gültige Erlaubnis zur Veranstaltung virtueller Automatenspiele verfüge und weil auch das einschlägige maltesische Recht darauf abziele, den Glücksspielsektor zu entkriminalisieren sowie einen effektiven Jugend- und Spielerschutz zu gewährleisten, und die insofern an die Lizenznehmer gestellten Anforderungen nicht nur den deutschen Bestimmungen entsprächen, sondern in zahlreichen Punkten darüber hinausgingen. Das Landgericht habe des Weiteren ihren Vortrag unberücksichtigt gelassen, nach maltesischem Recht eine Mindestausschüttungsquote von 85 % gewährleisten zu müssen. Da alle Spieleinsätze auf ein einheitliches Treuhandkonto flössen, von dem sie höchstens 15 % entnehmen könne, habe sie auch von den Spielverlusten des Klägers höchstens 15 % tatsächlich erlangt.

Die Klageforderung rechtfertige sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung, da die hier in Rede stehenden Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrages keine Schutzgesetze seien, der Kläger keinen Schaden erlitten habe, zumal ihm erzielte Gewinne in Höhe von 143.321,05 € ausgezahlt worden seien, und weil es jedenfalls am Schutzzweckzusammenhang fehle, sondern sich in der Vermögensminderung das typische Risiko realisiert habe, das jedem Glücksspiel immanent sei und das der Kläger mit der Teilnahme an den Spielen bereitwillig eingegangen sei. Anders als das Landgericht gemeint habe, stehe der Klageforderung auch § 242 BGB entgegen. Sie habe dem Kläger in Erfüllung der Spielverträge eine Gewinnchance und die Teilnahme an ihrem Angebot gewährt und deshalb darauf vertrauen dürfen, die Spieleinsätze behalten zu können. Dieses Vertrauen sei noch dadurch bestärkt worden, dass der Kläger ihre Angebote über Jahre genutzt habe.

Die Beklagte trägt des Weiteren vor, aufgrund einer vom Kläger geschlossenen Prozessfinanzierungsvereinbarung sei die Erhebung der Klage im Verbrauchergerichtsstand unzulässig, fehle dem Kläger die Aktivlegitimation und stelle sich die Klage als unzulässige Rechtsausübung dar. Sie verweist ferner auf das unter dem Aktenzeichen C-440/23 beim Europäischen Gerichtshof anhängige Verfahren nach Art. 267 AEUV und beantragt mit näherer Begründung, den vorliegenden Rechtsstreit bis zur Erledigung jenes Verfahrens auszusetzen.

In der Sache beantragt sie:

Das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 31.08.2022, Az. 11 O 378/20, wird abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Dem Vortrag der Berufung, wonach die Glücksspielregulierung und -aufsicht in der Republik (Ort 01) deutschen Standards entspräche, tritt der Kläger mit näheren Ausführungen entgegen. Ferner treffe es nicht zu, dass die Beklagte bei jedem Spiel eine Mindestausschüttungsquote von 85 % der Einsätze gewährleisten müsse und dem auch Rechnung trage, sowie dass die Spieleinsätze auf einem Treuhandkonto zu halten gewesen seien und der Beklagten nicht zur Verfügung gestanden hätten. Vielmehr habe er die Einsätze direkt an die Beklagte gezahlt, die hierüber die alleinige Verfügungsbefugnis erlangt habe. Das Vorbringen der Beklagten zum Prozessfinanzierungsvertrag sei in Bezug auf die Klageforderung unerheblich. Davon abgesehen habe er die streitgegenständliche Forderung nicht abgetreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der überreichten Unterlagen, im Übrigen auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die statthafte Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.

1.

Das Landgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Das Urteil entspricht der im Wesentlichen einheitlichen obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG Frankfurt a. M. Hinweisbeschluss vom 08.04.2022 – 23 U 55/21, NJW-RR 2022, 1280; OLG München, Beschluss vom 20.09.2022 – 18 U 538/22, BeckRS 2022, 30008; OLG Dresden, Urteil vom 27.10.2022 – 10 U 736/22, NJW-RR 2023, 344; OLG Köln, Urteil vom 31.10.2022 – 19 U 51/22, BeckRS 2022, 37044; OLG Braunschweig, Urteil vom 23.02.2023 – 9 U 3/22, BeckRS 2023, 2622; OLG Hamm, Urteil vom 21.03.2023 – 21 U 116/21, BeckRS 2023, 8297), von der abzuweichen der Streitfall keinen Anlass bietet.

a)

Die Klage ist zulässig.

Die internationale Zuständigkeit – die nicht gemäß § 513 Abs. 2 ZPO der Überprüfung durch das Berufungsgericht entzogen, sondern in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist (BGH, Urteil vom 17.03.2015 – VI ZR 11/14, NJW-RR 2015, 941, Rn. 17 m.w.N.) – begründet sich aus Art. 18 Abs. 1, Art. 17 Abs. 1 lit. c) der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO). Auf die diesbezüglichen Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung, denen beizutreten ist und die auch von der Berufung nicht angegriffen sind, wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

Anderes ergibt sich auch nicht aus dem in der Berufungsinstanz zuletzt gehaltenen Vortrag der Beklagten, der Kläger habe zur Finanzierung des vorliegenden Rechtsstreits einen der Anlage BK19 entsprechenden Prozessfinanzierungsvertrag geschlossen. Art. 17 ff. EuGVVO erfasst gerichtliche Verfahren, die Verträge zum Gegenstand haben, welche eine Einzelperson ohne Bezug zu einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit oder Zielsetzung und unabhängig von einer solchen allein zu dem Zweck schließt, ihren Eigenbedarf beim privaten Verbrauch zu decken. Bei Verträgen, deren Zweck in einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit besteht, ist dieser besondere Schutz hingegen nicht gerechtfertigt (vgl. EuGH, Urteil vom 25.01.2018 – C-498/16, NJW 2018, 1003, Rn. 30 m.w.N. zu Art. 15 f. der VO [EG] 44/2001; zur Übertragbarkeit dieser Grundsätze auf Art. 17 f. EuGVVO s. Paulus, NJW 2018, 987, 989). Da der Begriff des Verbrauchers im Sinne der Verordnung mithin anhand der Stellung dieser Person innerhalb des konkreten Vertrags in Verbindung mit dessen Natur und Zielsetzung und nicht anhand ihrer subjektiven Stellung zu bestimmen ist, hat auch eine Forderungsabtretung ohne weiteres keinen Einfluss auf die Bestimmung des zuständigen Gerichts (EuGH, Urteil vom 25.01.2018 – C-498/16, a.a.O., Rn. 48). Von daher kann vorliegend offen bleiben, ob der Kläger nach wie vor Inhaber des geltend gemachten Anspruchs ist oder aber – wie die Beklagte behauptet – er die Ansprüche an einen gewerblichen Prozessfinanzierer abgetreten hat (im Ergebnis ebenso OLG Hamm, Urteil vom 21.03.2023 – 21 U 116/21, BeckRS 2023, 8297).

In anderer Hinsicht begegnet die Klage ebenfalls keinen Zulässigkeitsbedenken.

b)

Die behauptete Sicherungsabtretung steht der Geltendmachung der Klageforderung auch im Übrigen nicht entgegen.

Zu Gunsten der Beklagten kann unterstellt werden, dass der Kläger – wie von ihm mit nachgelassenem Schriftsatz vom 27.09.2023 bestritten ist – die Klageforderung entsprechend der Bestimmungen nach § 5 des als Anlage BK19 vorgelegten Prozessfinanzierungsvertrags zur Sicherung an den Prozessfinanzierer abgetreten hat. Denn ausgehend von den weiteren Bestimmungen dieses Vertrages lägen jedenfalls die Voraussetzungen einer gewillkürten Prozessstandschaft vor. So ist der Vertragspartner des Prozessfinanzierers gemäß § 2 Abs. 1 des Vertrages nach näheren Maßgaben verpflichtet, den vertragsgegenständlichen Anspruch durchzusetzen. Diese Verpflichtung beinhaltet die Ermächtigung, das nach der Abtretung fremde Recht im eigenen Namen im Prozess geltend zu machen. Auch ist bei dem Zedenten als Sicherungsgeber ohne weiteres ein schutzwürdiges Interesse an der Prozessführung zu bejahen (vgl. BGH, Urteil vom 07.03.2017 – VI ZR 125/16, NJW 2017, 2352, Rn. 10). Anhaltspunkte dafür, dass durch die Prozessstandschaft berechtigte Belange der Beklagtenpartei unzumutbar beeinträchtigt werden, sind in der hier in Rede stehenden Fallgestaltung nicht erkennbar.

Einer Aufklärung der Streitfrage, ob der Kläger die klagegegenständliche Forderung sicherungshalber abgetreten hat, bedarf es auch im Hinblick auf die Antragstellung nicht. Grundsätzlich kann der Zedent zwar nach der Offenlegung der Sicherungsabtretung im Prozess nur noch Zahlung an den Sicherungsnehmer verlangen (s. etwa Weth, in: Musielak/Voit, ZPO, 20. Auflage 2023, § 51 ZPO, Rn. 30 m.w.N.). Vorliegend ist die Sicherungsabtretung aber nicht in diesem Sinne offen gelegt worden, sondern wird diese vom Kläger weiterhin in Abrede gestellt. Davon abgesehen ist in § 5 Abs. 5 Satz 2 des vorgelegten Prozessfinanzierungsvertrages vorgesehen, dass der Zedent die Ansprüche auch nach Offenlegung der Sicherungsabtretung selbst einzuziehen hat (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 16.12.2021 – 2 U 4/20, GRUR-RS 2022, 6379, Rn. 83; OLG Hamm, Urteil vom 21.03.2023 – 21 U 116/21, BeckRS 2023, 8297, Rn. 21).

c)

Die Klage ist begründet. Der Kläger kann nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz für die Einsätze beanspruchen, die er für die hier in Rede stehenden Online-Glücksspiele an die Beklagte gezahlt hat. Diese Einsätze sind ohne Rechtsgrund geleistet worden, weil die vom Kläger mit der Beklagten über die Teilnahme an den von ihr angebotenen Casino-Glücksspielen geschlossenen Verträge wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 gemäß § 134 BGB nichtig sind. Die Rückforderung des Geleisteten ist auch nicht aus anderen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ausgeschlossen.

Im Einzelnen:

aa)

Die Wirksamkeit der hier in Rede stehenden Spielverträge und deren Rückabwicklung richten sich gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. b) der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.06.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) nach deutschem Recht. Insofern wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden und von der Berufung nicht angegriffenen Erwägungen des Landgerichts verwiesen, denen der Senat beitritt.

bb)

Die Verträge sind an § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 i.V.m. § 1 des Gesetzes zu dem Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag vom 28.06.2012 (GVBl. Teil I Nr. 29, Seiten 1, 12 ff.) bzw. §§ 1, 2 Abs. 1 des Gesetzes zu dem Zweiten Glücksspieländerungsstaatsvertrag (GVBl. Teil I Nr. 23, Seite 1) zu messen. Der gegenteiligen Auffassung der Beklagten, wonach das darin verankerte sog. Internetverbot nicht im Einklang mit der unionsrechtlich verbürgten Dienstleistungsfreiheit stehe und deshalb im Streitfall nicht anzuwenden sei, folgt der Senat nicht.

In der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist anerkannt, dass den Mitgliedstaaten ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsraum zukommt, im Einklang mit ihrer jeweiligen Werteordnung zu beurteilen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Gemeinschaftsgüter im Glücksspielbereich ergeben, und – unter Beachtung insbesondere des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – die Ziele ihrer Politik festzulegen sowie das angestrebte Schutzniveau zu bestimmen (vgl. etwa EuGH, Beschluss vom 18.05.2021 – C-920/19 – Fluctus und Fluentum, NVwZ 2021, 1049, Rn. 27 ff.; Urteil vom 28.02.2018 – C-3/17 – Sporting Odds, BeckRS 2018, 1963, Rn. 22 ff., Urteil vom 15.09.2011 – C-347/09 – Dickinger und Ömer, MMR 2012, 54, Rn. 47 ff.; Urteil vom 08.07.2010, C-447 und 448/08 – Sjöberg und Gerdin, BeckRS 2010, 90873, Rn. 37 ff.; Urteil vom 03.06.2010 – C-203/08 – Betfair/Minister van Justitie, MMR 2010, 850, Rn. 26 ff.; Urteil vom 03.06.2010 – C-258/08 – Ladbrokes/ Stichting de Nationale Sporttotalisator, BeckRS 2010, 148173, Rn. 52; Urteil vom 08.09.2009 – C-42/07 – Liga Portuguesa, MMR 2009, 823, Rn. 57 ff.). Mitgliedstaatliche Beschränkungen der Spieltätigkeiten können demnach durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses wie den Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen gerechtfertigt sein, wenn die Beschränkungen – die auf solche Gründe sowie auf die Notwendigkeit gestützt sind, Störungen der Sozialordnung vorzubeugen – geeignet sind, die Verwirklichung der Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dazu beizutragen, die Wetttätigkeiten in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen (EuGH, Urteil vom 08.09.2010 – C-316, 358, 359, 360, 409, 410/07 – Markus Stoß u.a., NVwZ 2010, 1409, Rn. 88). Bei der demnach gebotenen Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer restriktiven Maßnahme im Bereich der Glücksspiele ist eine Gesamtwürdigung derjenigen Umstände vorzunehmen, unter denen die restriktive Regelung erlassen worden ist und durchgeführt wird. Im Rahmen dieser Würdigung ist insbesondere zu prüfen, ob die nationalen Vorschriften tatsächlich dem Anliegen entsprechen, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern, die Tätigkeiten in diesem Bereich zu begrenzen und die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität systematisch und kohärent zu bekämpfen (vgl. EuGH, Urteil vom 30.04.2014 – C-390/12 – Pfleger, BeckRS 2014, 80759, Rn. 43). Dabei darf der Ansatz der Prüfung der Verhältnismäßigkeit nicht statisch sein; erforderlich ist vielmehr eine dynamische Prüfung in dem Sinne, dass es die Entwicklung der Umstände nach dem Erlass der betreffenden Regelung berücksichtigt (EuGH, Beschluss vom 18.05.2021 – C-920/19 – Fluctus und Fluentum, NVwZ 2021, 1049, Rn. 43 m.w.N.).

Ausgehend hiervon entspricht es herrschender Auffassung in der deutschen Rechtsprechung, dass das Internetverbot in seiner Ausgestaltung durch § 4 Abs. 4, 5 GlüStV 2012 mit Unionsrecht vereinbar ist. Das Verbot schränkte zwar die durch Art. 56 f. AEUV gewährleistete Dienstleistungsfreiheit von Glücksspielanbietern ein, die ihren Sitz in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union hatten und ihre Dienstleistungen im Bundesgebiet erbringen wollten. Diese Einschränkung war aber gerechtfertigt, weil sie auch im unionsrechtlichen Sinn verhältnismäßig und insbesondere geeignet war, zur Erreichung der mit ihr verfolgten Gemeinwohlzwecke in systematischer und kohärenter Weise beizutragen (s. insbesondere BVerwG, Urteil vom 26.10.2017 – 8 C 18/16, NVwZ 2018, 895, Rn. 38 ff. m.w.N.; sowie dem folgend etwa BGH, Urteil vom 22.07.2021 – I ZR 194/20, GRUR 2021, 1534, Rn. 45). Dies gilt insbesondere auch für die partielle Öffnung des Internetvertriebswegs hinsichtlich der Sportwetten nach § 10 a GlüStV 2012 (BVerwG, Urteil vom 26.10.2017 – 8 C 18/16, a.a.O., Rn. 43).

Auf die diesbezüglichen Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts, die sich der Senat zu eigen macht, wird wiederum zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Die dagegen von der Beklagten bereits erstinstanzlich vorgebrachten und mit der Berufung wiederholten Einwände greifen nicht durch.

Dass der von § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 bewirkte Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit des Art. 56 AEUV gerechtfertigt ist, wird nicht dadurch infrage gestellt, dass das Verbot im Glücksspielstaatsvertrag 2021 zu Gunsten eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt entfallen ist. In den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021 (veröffentlicht etwa in der Mitteilung des Senats an die Bremische Bürgerschaft vom 16.06.2020, BB-Drs. 20/448, Seite 3 ff.) wird hierzu u.a. ausgeführt:

„Trotz des bestehenden weitgehenden Internetverbots hat sich jedoch ein Schwarzmarkt im Internet gebildet, auf dem virtuelle Automatenspiele, Online-Poker und Online-Casinospiele angeboten und von Spielern nachgefragt werden.… Insbesondere, weil die Veranstaltung dieser unerlaubten Spiele zumeist aus dem Ausland heraus über das Internet erfolgt, hat sich die Bekämpfung des Schwarzmarktes in den vergangenen Jahren als schwierig erwiesen … Aufgrund der Nichtbeachtung von Regulierungsvorgaben sind die mit dem Glücksspiel verbundenen Gefahren für Spieler im Schwarzmarkt regelmäßig höher als im erlaubten Markt. So zeigt eine Studie aus Frankreich, dass Spielaktivitäten bei unlizenzierten Anbietern im Vergleich zu Spielaktivitäten bei erlaubten Anbietern mit mehr glücksspielbezogenen Problemen verbunden sind (…). Zugleich sind zahlreiche Berichte vorhanden, in denen Betreibern unerlaubter Online-Glücksspiele unseriöse Geschäftspraktiken, Spielmanipulationen oder andere betrügerische Aktivitäten vorgeworfen werden.… Um die Ziele dieses Staatsvertrages künftig besser zu erreichen, sollen daher auch Erlaubnisse für die Veranstaltung von Online-Casinospielen, virtuellen Automatenspielen und Online-Poker erteilt werden, welche ein inhaltlich begrenztes Angebot dieser Spielformen ermöglichen. Hierdurch soll spielwilligen Personen, deren Nachfrage sich nicht in weniger gefährliche Spielformen kanalisieren lässt, eine weniger gefährliche Alternative zum bisherigen Schwarzmarkt geboten werden, in der Schutzmaßnahmen gegen Spielsucht, gegen Manipulationen und andere betrügerische Aktivitäten vorgeschrieben sind und tatsächlich durchgeführt werden, so dass ein kontrolliertes Spiel in geordneten Bahnen ermöglicht wird.“

Entgegen den Ausführungen auf Seite 6 der Berufungsbegründung trifft es daher nicht zu, dass der Onlinemarkt für Casino-Angebote mit dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 geöffnet worden ist, weil sich die besondere Gefährlichkeit des Online-Glücksspiels nicht bewahrheitet hat. Die Neuregelung stellt sich vielmehr als eine – von dem vorstehend skizzierten Beurteilungs- und Gestaltungsraum umfasste – Reaktion auf eine nach Inkrafttreten des GlüStV 2012 zu verzeichnende Entwicklung dar, nämlich, dass das Verbot von Online-Glücksspielen den (insbesondere vom Ausland aus operierenden) Schwarzmarkt nicht eindämmen konnte, sondern dieser sogar angewachsen ist mit der Folge, dass die weiterhin geltenden Ziele des § 1 Satz 1 GlüStV 2012 nicht effektiv verwirklicht werden konnten. Darauf, dass das Internetverbot zur Erreichung dieser Ziele von vornherein ungeeignet war, kann hieraus hingegen nicht geschlossen werden.

Der Berufung ist im Übrigen auch darin zu widersprechen, den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021 sei zu entnehmen, dass sich die Befürchtungen der besonderen Gefährlichkeit des Online-Glücksspiels nicht bewahrheitet hätten. Ausweislich der Erläuterungen haben sich seit Inkrafttreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags zahlreiche Studien mit der Suchtgefahr von Online-Glücksspielen befasst, wobei insbesondere das Internet als Vertriebsweg näher betrachtet worden sei. In zahlreichen Studien sei festgestellt worden, dass die Teilnahme an Online-Glücksspielen häufiger als bei anderen Spielformen mit problematischem bzw. pathologischem Spiel assoziiert bzw. die Teilnahme an Online-Glücksspielen ein Prädiktor für das Vorliegen glücksspielbezogener Probleme sei. Eine systematische Literaturauswertung von Studien aus den vergangenen zehn Jahren, die sich mit den Suchtgefahren von Online-Glücksspielen befasst hätten, habe ergeben, dass die Mehrzahl der Studien ein erhöhtes Gefährdungspotenzial bzw. besondere Suchtgefahren von Online-Glücksspielen nachweise. Zwar gebe die Mehrzahl der sich wegen pathologischen Glücksspiels in ambulanter oder stationärer Behandlung befindenden Personen weiterhin als Hauptglücksspielform das Automatenspiel in Spielhallen an. Casinospiele im Internet (einschließlich des virtuellen Automatenspiels) wiesen aber den größten Anteil an mindestens problematischen Spielern aus. Entgegen den Ausführungen der Beklagten sind die Länder demnach weiterhin – unter Bezugnahme auf eingeholte Studien und Berichte – von einem vergleichsweise höheren Suchtpotenzial von Online-Casinospielen und Online-Poker ausgegangen (vgl. auch KG, Urteil vom 06.10.2020 – 5 U 72/19, GRUR-RS 2020, 49879, Rn. 26).

Der Beklagten ist daher auch nicht darin zu folgen, das zitierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.10.2017 (8 C 18/16, a.a.O.) sowie die weiteren einschlägigen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 08.09.2009 – C-42/07 – Liga Portuguesa, EuZW 2009, 689), des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 14.10.2008 – BvR 928/08, NVwZ 2008, 1338) und Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 01.06.2011 – 8 C 5/10, NVwZ 2011, 1319) seien überholt, weil neuere wissenschaftliche Erkenntnisse zum Gefährdungspotenzial von Online-Glücksspielen vorlägen, die wegen der nach der dargestellten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gebotenen dynamischen Eingriffsprüfung bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen seien. Denn auch die von der Beklagten in Bezug genommenen Studien lassen nicht darauf schließen, dass der Gesetzgeber – entgegen der in den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021 dargestellten Forschungsergebnisse und unter Berücksichtigung der ihm zukommenden Einschätzungsprärogative – eine besondere Gefährlichkeit von Online-Casinospielen verneinen musste.

Daraus, dass nach den weiteren Angaben in den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021 der Anteil auffälliger Spieler im Vergleich zu 2009 signifikant gesunken sei, kann die Beklagte ebenfalls nichts für sich herleiten. Dieser Umstand mag für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der im Glücksspielstaatsvertrag 2021 getroffenen Regelungen relevant sein. Die Eignung von § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 zur Erreichung der Ziele nach § 1 Satz 1 GlüStV 2012 wird hierdurch indes nicht in Zweifel gezogen, sondern eher bestätigt.

Auch ist der Berufung nicht darin zu folgen, diese Eignung sei im vorliegenden Rechtstreit nicht hinreichend nachgewiesen. In den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2012 (veröffentlicht etwa als Teil des Gesetzentwurfes der Landesregierung von Baden-Württemberg, LT-Drs. 15/1570, Seite 48 ff.) sind die Ergebnisse der dem Vertragsentwurf zu Grunde gelegten Evaluierung unter konkreter Benennung der dabei berücksichtigten Forschungsergebnisse mitgeteilt. Dass die genannten Studien und Berichte die getroffenen Regelungen – zumal unter Berücksichtigung des den Ländern nach dem Vorstehenden insoweit zukommenden Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum – nicht rechtfertigen, ist von der Beklagten nicht konkret dargelegt und auch sonst nicht ersichtlich.

Aus denselben Erwägungen bleibt der Verweis der Beklagten auf den Umlaufbeschluss der Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder vom 08.09.2020 unbehelflich. Denn ebenso wenig wie die mit dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 vorgenommenen Rechtsänderungen lässt die Anpassung des Gesetzesvollzuges an diese – bei Erlass des Beschlusses noch potentiell – zukünftige Rechtslage Rückschlüsse auf die Unionsrechtmäßigkeit des Glücksspielstaatsvertrages 2012 zu. Dies gilt zumal deshalb, weil der Beschluss – anders als der Glücksspielstaatsvertrag – nicht auf der Ratifikation parlamentarischer (Landes-) Gesetzgeber beruht, sondern es sich lediglich um eine unverbindliche Kooperationsabsprache der Landesverwaltungen handelt (so auch die Ausarbeitung des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages, WD 3-3000-210/20).

cc)

Der von der Berufung geltend gemachte Umstand, dass sich der Europäische Gerichtshof bislang nicht zu der Unionsrechtsmäßigkeit des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 in Bezug auf Online-Automatenspiele geäußert hat, gibt für die Beklagte nichts her. Insbesondere besteht kein Anlass für eine Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV. Die für die hier anzustellende Prüfung maßgeblichen Grundsätze des Unionsrechts hat der Europäische Gerichtshof mit den vorzitierten Entscheidungen bereits geklärt. Danach noch nicht geklärte oder zweifelsfrei zu beantwortende Fragen zur Auslegung des Unionsrechts sind im Streitfall nicht entscheidungserheblich (vgl. BGH, Beschluss vom 22.07.2021 – I ZR 199/20, BeckRS 2021, 21504).

Aus diesem Grund ist auch der Antrag der Beklagten abzulehnen, die Verhandlung analog § 148 ZPO bis zur Erledigung des Vorabentscheidungsverfahrens des Europäischen Gerichtshofs Az. C-440/23 auszusetzen. Hinzu kommt, dass jene Sache jedenfalls insoweit nicht präjudiziell für den hiesigen Rechtsstreit ist, als die Vorlagefragen unter anderem zugrunde legen, dass stationäres Automatenspiel mit Online-Casinospielen ähnlich sei und dass im Gesetzgebungsverfahren keine wissenschaftlichen Belege für spezifische Gefahren der Online-Casinospiele vorgelegt worden seien. Hiervon ist im Streitfall aus den dargelegten Erwägungen nicht auszugehen.

dd)

Dass die Glücksspiele, die Gegenstand der zwischen den Parteien geschlossenen Spielverträge waren, demnach von der Beklagten entgegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 veranstaltet worden sind, hat gemäß § 134 BGB die Nichtigkeit dieser Verträge zur Folge.

§ 4 Abs. 4 GlüStV 2012 beinhaltet nicht lediglich eine Ordnungsvorschrift, sondern nach ihrem unmissverständlichen Wortlaut und dem in den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2012 eindeutig zum Ausdruck gebrachten Regelungsziel ein Verbot im Sinne von § 134 BGB, nämlich das Verbot, öffentliche Glücksspiele im Internet zu veranstalten und zu vermitteln. Hiergegen hat die Beklagte verstoßen, indem sie über ihren Internetauftritt mit Ausrichtung auf Spieler aus Deutschland die Online-Casinospiele anbot, an denen der Kläger teilnahm.

Die Verstöße ziehen die Nichtigkeit der zwischen den Parteien geschlossenen Spielverträge nach sich.

Die Frage, ob der in einem Rechtsgeschäft liegende Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führt, ist, wenn eine ausdrückliche Regelung fehlt, nach Sinn und Zweck der jeweiligen Verbotsvorschrift zu beantworten. Entscheidend ist, ob das Gesetz sich nicht nur gegen den Abschluss des Rechtsgeschäfts wendet, sondern auch gegen seine privatrechtliche Wirksamkeit und damit gegen seinen wirtschaftlichen Erfolg (s. etwa BGH, Urteil vom 30.04.1992 – III ZR 151/9, NJW 1992, 2021). In der Regel hat der Verstoß gegen ein Verbotsgesetz die Nichtigkeit zur Folge, wenn sich das Verbot gegen beide Seiten richtet (BGH, Urteil vom 10.07.1991 – VIII ZR 296/90, NJW 1991, 2155, 2956 m.w.N.). Die Nichtigkeit kann sich aber auch aus einem einseitigen Verstoß ergeben, falls nämlich der Zweck des Verbotsgesetzes anders nicht zu erreichen ist und die rechtsgeschäftlich getroffene Regelung nicht hingenommen werden darf (BGH, Urteil vom 20.01.2004 – XI ZR 53/03, EuZW 2004, 252, 253). Eine solche Ausnahme liegt etwa vor, wenn der angestrebte Schutz des Vertragspartners die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts erfordert (BGH, Urteil vom 17.05.1979 – III ZR 118/77, NJW 1979, 2092) oder wenn der Erfüllungsanspruch auf eine unerlaubte Tätigkeit gerichtet ist (BGH, Urteil vom 25.06.1962 – VII ZR 120/61, NJW 1962, 2010, 2011). Reicht es dagegen aus, dem gesetzlichen Verbot durch verwaltungs- bzw. strafrechtliche Maßnahmen Nachdruck zu verleihen, so hat die zivilrechtliche Sanktion der Nichtigkeit daneben keinen Platz (BGH, Urteil vom 19.01.1984 – VII ZR 121/83, NJW 1984, 1175).

In den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2012 ist das Internetverbot mit der hohen Manipulationsanfälligkeit von Casinospielen, deren herausragendem Suchtpotenzial und deren Anfälligkeit für eine Nutzung zu Zwecken der Geldwäsche begründet (LT-BW-Drs. 15/1570, Seite 59). Entgegen der Auffassung der Beklagten soll das Internetverbot demnach nicht nur dann dem Schutz des Spielers dienen, wenn dieser suchtfördernden, ruinösen und betrügerischen Erscheinungsformen des Glücksspiels ausgesetzt ist. § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 trägt vielmehr dem Umstand Rechnung, dass das Angebot von Online-Casinospielen per se besondere Gefahren birgt.

Diesen Gefahren kann durch Maßnahmen der Glücksspielaufsicht gemäß § 9 Abs. 1 GlüStV 2012 oder der Verfolgung von Straftaten nach §§ 284 ff. StGB nicht hinreichend begegnet werden, da sich diese Gefahren typischerweise bereits realisieren, ehe behördliche Maßnahmen angeordnet und durchgesetzt werden können. Dies gilt zumal deshalb, weil durch Wettangebote, die über das Internet verbreitet werden, in kurzer Zeit ein großes Publikum angesprochen und mithin eine Vielzahl von Spielverträgen zu Stande gebracht werden kann, ehe der Glücksspielaufsicht oder der Staatsanwaltschaft – erst recht bei nicht im Geltungsbereich des Grundgesetzes ansässigen Veranstaltern – eine Reaktion möglich ist. Vor diesem Hintergrund erfordert insbesondere der Spielerschutz die Nichtigkeit der Spielverträge. So kann etwa dem für den Spieler bestehenden Risiko, wegen einer Manipulation des Spiels Einsätze zu tätigen, die nicht der tatsächlichen Gewinnchance entsprechen, praktisch nicht anders Rechnung getragen werden, da die Manipulation dem Spieler in aller Regel verborgen bleibt und er abgesehen davon kaum jemals in der Lage sein wird, eine derartige Täuschung in einem Zivilrechtsstreit mit dem Veranstalter zu beweisen. Entsprechendes gilt für den Schutz der Spieler vor sonstigen betrügerischen, ruinösen oder suchtfördernden Erscheinungsformen des Glücksspiels. Demgegenüber erwiese sich das Internetverbot als relativ wirkungslos, wenn die unter Verstoß hiergegen zustande gekommenen Verträge wirksam wären und dem Veranstalter damit Aussicht auf die Erzielung rechtlich gesicherter Gewinne böten. Von daher vermag die Berufung auch nicht mit der Erwägung durchzudringen, Rückzahlungsansprüche der Spieler setzten den Zielen des Glücksspielstaatsvertrages zuwiderlaufende Anreize zur weiteren Inanspruchnahme des Glücksspiels, da den Spielern hierdurch die Wahl zwischen dem Gewinn und der Rückforderung des Einsatzes eröffnet würde. Vielmehr wirkt eben dieses wirtschaftliche Risiko für den Veranstalter dem verbotenen Glücksspielangebot von vornherein entgegen. Der Erreichung der Ziele des § 1 Satz 1 GlüStV 2012 kann daher nur durch die Nichtigkeit der auf die betreffenden Spiele gerichteten Verträge Rechnung getragen werden (im Ergebnis ebenso etwa OLG Braunschweig, Urteil vom 23.02.2023 – 9 U 3/22, BeckRS 2023, 2622, Rn. 88 f.; OLG Hamm, Urteil vom 21.03.2023 – 21 U 116/21, BeckRS 2023, 8297, Rn. 28; OLG Köln, Urteil vom 31.10.2022 – 19 U 51/22, BeckRS 2022, 37044, Rn. 49).

Dass die Untersagung der Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV 2012 im Ermessen der Behörde steht, führt entgegen der Auffassung der Beklagten zu keiner anderen Würdigung. Nach den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2012 wird hierdurch die Verhältnismäßigkeit der im Einzelfall zu treffenden Anordnung sichergestellt (vgl. LT-BW-Drs. 15/1570, Seite 79). Dass der Gesetzgeber die verbotenen Online-Glücksspiele bis zu einer anderweitigen behördlichen Maßnahme zu dulden bereit war, kann hieraus schon angesichts der den zuständigen Behörden mit § 9 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2012 übertragenen Aufgabe, darauf hinzuwirken, dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben, nicht geschlossen werden.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu den Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Verbot der Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel nach § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2012 (Beschluss vom 13.09.2022 – XI ZR 515/21, BKR 2022, 811) vermag die gegenteilige Auffassung der Beklagten ebenfalls nicht zu stützen. In der Entscheidung ist ausgeführt, dass § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2012 im Zusammenhang mit der Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GlüStV 2012 zu sehen ist, wonach die zuständige Behörde den am Zahlungsverkehr Beteiligten, insbesondere den Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten, nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote die Mitwirkung an Zahlungen für unerlaubtes Glücksspiel und an Auszahlungen aus unerlaubtem Glücksspiel untersagen kann. Aus diesem Zusammenhang ist auf den gesetzgeberischen Willen zu schließen, dass durch das Verbot nicht in das zivilrechtliche Schuldverhältnis zwischen Zahlungsdienstleister und Zahlungsdienstnutzer eingegriffen werden soll. Die Interessen des Spielers gebieten es in diesem Zusammenhang nicht, ihn durch die Nichtigkeit der von ihm bewirkten Autorisierung der Zahlung vor den wirtschaftlichen Folgen des Glücksspiels zu schützen. Denn ein drohender Vermögensschaden resultiert gerade nicht aus dem Verbot unerlaubten Glücksspiels, sondern aus dem jedem Glücksspiel immanenten Risiko, dass Gewinne oder Verluste ungewiss und rein zufällig sind. Zudem ist die Autorisierung nicht auf die Erfüllung einer schlechthin unerlaubten Tätigkeit gerichtet. Zwar ermöglicht der Zahlungsdienstleister mit der Ausführung des autorisierten Zahlungsvorgangs seinem Kunden überhaupt erst die Teilnahme am Glücksspiel. Insoweit besteht nach § 4 Abs. 4 und 5 GlüStV 2012 aber nur ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Ob sich der Kunde als Spieler am Glücksspiel beteiligt oder nicht, beruht auf seinem eigenen Willensentschluss, für den der Zahlungsdienstleister, der nach § 675f Abs. 1 und 2, § 675o Abs. 2 BGB gegenüber seinem Kunden zur Ausführung des Zahlungsvorgangs verpflichtet ist, zivilrechtlich nicht haftbar gemacht werden kann (BGH, Beschluss vom 13.09.2022 – XI ZR 515/21, a.a.O., Rn. 16 f.).

Nach Auffassung des Senats treffen diese Erwägungen für das Verbot nach § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 nicht zu. Nach der Vorschrift sind das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet schlechthin verboten. Dementsprechend sind repressive Maßnahmen der Glücksspielaufsicht gemäß § 9 Abs. 1 GlüStV 2012 ohne weiteres und nicht erst nach einer Mitteilung der Behörde zulässig. Auch leistet der Veranstalter oder Vermittler öffentlicher Internet-Glücksspiele nicht lediglich – wie der Zahlungsdienstleister – Unterstützung bei der Abwicklung des vereinbarten Glücksspiels, sondern hat er die Durchführung des verbotenen Glücksspiels (mit) veranlasst. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass öffentlichen Online-Glücksspielen neben dem üblichen Zufallsrisiko in besonderer Weise das Risiko der Manipulation immanent ist, dem nach dem Vorstehenden mit dem Verbot des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 entgegengewirkt werden sollte (ausführlich OLG Braunschweig, Urteil vom 23.02.2023 – 9 U 3/22, BeckRS 2023, 2622, Rn. 90 ff.).

ee)

Gegen die demnach aus dem Verstoß gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 folgende Nichtigkeit der Verträge, die die Parteien über die seitens der Beklagten verbotenerweise veranstalteten Glücksspiele geschlossen haben, kann die Berufung auch nicht mit Erfolg einwenden, dass das absolute Internetverbot nach § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 mit dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 zu Gunsten eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt entfallen ist. Denn für die Frage, ob ein Rechtsgeschäft im Sinne von § 134 BGB gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist grundsätzlich auf das zum Zeitpunkt seiner Vornahme geltende Recht abzustellen (BGH, Urteil vom 23.02.2012 − I ZR 231/10, GRUR 2012, 1050 Rn. 21), sodass ein demnach nichtiges Geschäft auch bei Außerkrafttreten des Verbots grundsätzlich nichtig bleibt (BGH, Urteil vom 27.06.2007 – VIII ZR 150/06, BeckRS 2007, 11749, Rn. 10). Besondere Umstände, die eine von diesem Grundsatz abweichende Würdigung rechtfertigten, sind im Streitfall nicht ersichtlich.

Aus denselben Erwägungen verhilft es der Berufung nicht zum Erfolg, dass der Beklagten ihrem Vorbringen nach mittlerweile eine Erlaubnis zur Veranstaltung virtueller Automatenspiele erteilt worden sei und die maltesische Glücksspielaufsicht einen umfassenden sowie effektiven Spielerschutz gewährleiste. Ferner geht es vorliegend nicht – wie es in Rn. 110 der Berufungsbegründung heißt – darum, der Beklagten ihr Angebot für die Vergangenheit entgegenzuhalten, sondern um die Beurteilung der Wirksamkeit der geschlossenen Spielverträge, der nach dem Vorstehenden die seinerzeit geltende Rechtslage zugrunde zu legen ist.

ff)

Dem Bereicherungsanspruch des Klägers steht § 817 Satz 2 BGB nicht entgegen.

Nach der Vorschrift ist die Rückforderung ausgeschlossen, wenn dem Leistenden – neben dem Leistungsempfänger oder allein (BGH, Urteil vom 29.04.1968 – VII ZR 9/66, NJW 1968, 1329, 1330) – ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten zur Last fällt, es sei denn, dass die Leistung in der Eingehung einer Verbindlichkeit bestand. Der Ausschluss setzt grundsätzlich einen bewussten Gesetzes- oder Sittenverstoß voraus, wobei es vorsätzlichem Handeln allerdings gleichsteht, wenn der Leistende sich der Einsicht in den Gesetzesverstoß oder die Sittenwidrigkeit seines Handelns leichtfertig verschließt (BGH, Urteil vom 09.10.1991 – VIII ZR 19/91, NJW 1992, 310, 311 m.w.N.). Darlegungs- und beweisbelastet hierfür ist nach den allgemeinen Grundsätzen der Anspruchsgegner (statt vieler Schwab, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 817 BGB, Rn. 89), hier also die Beklagte.

Vorliegend ist nicht festzustellen, dass sich der Kläger bei Abschluss der Verträge über seine Teilnahme an den Online-Casinospielen bewusst war, dass deren Veranstaltung gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verstößt oder er mit seiner Teilnahme hieran den objektiven Tatbestand des § 285 StGB verwirklicht. Ebenso wenig ist mit der nach § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit anzunehmen, dass er sich dieser Erkenntnis leichtfertig verschlossen hat. Der erstinstanzlich gehaltene und mit der Berufung wiederholte Vortrag der Beklagten, angesichts umfangreicher Medienberichterstattung sei es kaum glaubhaft, dass der Kläger über einen längeren Zeitraum an Online-Glücksspielen teilgenommen habe, ohne Kenntnis von der rechtlichen Umstrittenheit diese Angebote erlangt zu haben, lässt weder für sich noch in Zusammenschau mit den vorgelegten Medienberichten auf das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 817 Satz 2 BGB beim Kläger schließen. Das Bestehen eines allgemeinen Erfahrungssatzes dahingehend, dass sich Konsumenten Klarheit über die rechtlichen Rahmenbedingungen ihres Konsums verschaffen bzw. Teilnehmer an Glücksspielen sich über die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür erkundigen, ist nicht ersichtlich. Ebenso wenig kann unterstellt werden, dass jedermann Print- oder Onlinemedien in einer Weise konsumiert, die es bei lebensnaher Betrachtung ausschließt, vor oder jedenfalls während des hier in Rede stehenden Zeitraums keine Kenntnis von rechtlichen Zweifeln an der Zulässigkeit des Online-Glücksspiels erlangt zu haben.

Dass die Spielteilnahme als solche dem Kläger Veranlassung gegeben haben muss, sich aktiv über deren Rechtmäßigkeit zu informieren, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Die Gestaltung des Internetauftritts der Beklagten, der in deutscher Sprache abgefasst war und Spielern aus Deutschland (außerhalb (Bundesland 02)) die Möglichkeit der Registrierung und der Spielteilnahme bot, musste keine Zweifel an der Legalität der Wahrnehmung des Angebotes in Deutschland begründen. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Verweis der Beklagten auf Ziffer I.7 ihrer AGB. Zum einen hat sie keinen Beweis dafür angetreten, dass die fragliche Klausel bereits in dem hier in Rede stehenden Zeitraum Bestandteil ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen war. Zum anderen ist nicht vorgetragen, dass auf diese Klausel in einer Weise hingewiesen worden ist, die eine Teilnahme an den Spielen ohne deren Kenntnisnahme ausschließt.

Sonstige Umstände, die die Annahme nahe legten, dass sich der Kläger bereits vor dem 14.03.2017, jedenfalls aber bis zum 05.05.2019 mit der Frage nach der Rechtmäßigkeit von Online-Casinospielen konfrontiert sah, sind ebenfalls nicht erkennbar. Selbst wenn das Vorbringen der Beklagten unterstellt wird, wonach aufgrund der Algorithmen „des Internets des Klägers“ wegen des regelmäßigen Aufrufs von Glücksspielseiten von der Platzierung glücksspielbezogener Themen in Newsfeeds und Werbung auszugehen ist, ist es nach der Lebenserfahrung gleichwohl plausibel, dass der Kläger entsprechenden Meldungen keine Beachtung geschenkt hat.

Da es mithin bereits an hinreichenden Anhaltspunkten dafür fehlt, dass sich der Kläger der Teilnahme an unerlaubten Glücksspielen entweder bewusst war oder sich dieser Erkenntnis leichtfertig verschlossen hat, liefe die von der Berufung angeregte Anhörung des Klägers hierzu auf eine unzulässige Ausforschung hinaus. Auch kommt es, weil die Voraussetzungen nach § 817 Satz 2 BGB mithin zulasten der Beklagten nicht festzustellen sind, nicht auf die von den Parteien erörterte Frage an, ob dem Kondiktionsausschluss der Schutzzweck des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 entgegensteht.

gg)

Zu Recht hat das Landgericht ferner angenommen, dass der klagegegenständliche Zahlungsanspruch nicht an § 762 Abs. 1 Satz 2 BGB scheitert.

Ein Spielvertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist schlechthin nichtig. Das auf Grund eines solchen Vertrages Geleistete kann aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung zurückgefordert werden. § 762 Abs. 1 Satz 2 BGB steht dem nicht entgegen; er schließt – bei nicht verbotenem Spiel – die Rückforderung nur aus, soweit sie darauf gestützt wird, dass das Spiel nach § 762 Abs. 1 Satz 1 BGB keine Verbindlichkeit begründet hat. Die Bestimmung ist auf Spiele, die gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, nicht anwendbar (BGH, Urteil vom 12.07.1962 – VII ZR 28/61, NJW 1962, 1671; Urteil vom 10.11.2005 – III ZR 72/05, NJW 2006, 45, 46).

hh)

Der Kondiktionsanspruch des Klägers ist des Weiteren nicht nach § 242 BGB wegen Rechtsmissbräuchlichkeit infolge eines Verstoßes gegen das Verbot des venire contra factum proprium ausgeschlossen. Angesichts des eigenen gesetzwidrigen Handelns ist die Beklagte schon nicht – jedenfalls nicht im Verhältnis zu ihren Kunden – vorrangig schutzwürdig, zumal sie selbst den Weg zur Teilnahme an dem Online-Glücksspiel eröffnet hat, der Kläger sich den Zugang nicht etwa erschlichen hat und er im Übrigen auch bereit ist, sich die Gewinne anrechnen zu lassen (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 03.12.2021 – 8 W 20/21, BeckRS 2021, 55956, Rn. 18).

Der Einwand, die Rückgewähr von verlorenen Spieleinsätzen ermögliche dem Kläger im Ergebnis ein risikoloses Spiel, was dem Sinn und Zweck bzw. der Geschäftsgrundlage des Spielvertrags aber zuwiderlaufe, rechtfertigt keine andere Würdigung, da sich die Beklagte nicht auf die Geschäftsgrundlage der unwirksamen Spielverträge berufen kann (OLG Braunschweig, Urteil vom 23.02.2023 – 9 U 3/22, BeckRS 2023, 2622, Rn. 149).

ii)

Der mithin dem Grunde nach gegebene Zahlungsanspruch des Klägers besteht in der vom Landgericht ausgeurteilten Höhe. Dabei kann der von der Beklagten erstmals in der Berufungsinstanz gehaltene Vortrag, der Kläger habe Gewinne von 143.321,05 € erzielt (Rn. 169 der Berufungsbegründung) dahingestellt bleiben, da die Berufung nicht infrage stellt, sondern vielmehr ausdrücklich bekräftigt, dass dem Kläger Casino-Verluste in Höhe von 60.595,95 EUR entstanden seien (Rn. 4 der Berufungsbegründung).

Der von der Berufung geführte Angriff, das Landgericht habe sich nicht mit dem Vorbringen zur Gewährleistung einer Mindestausschüttungsquote auseinandergesetzt, dringt nicht durch. Das Landgericht hat diesen Vortrag nach § 296a Abs. 1 ZPO zu Recht unberücksichtigt gelassen. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 16.05.2022 (Blatt 770 f. d.A.) ist den Parteien zwar Gelegenheit zum Vortrag zu den Hinweisen des Gerichts gegeben worden. Nach dem weiteren Protokollinhalt hat das Gericht aber lediglich darauf hingewiesen, „dass durch die behaupteten PayPal Zahlungen, die allerdings nur die Beklagte der Höhe nach kennen kann, wohl keine Bereicherung eingetreten sein dürfte“. Der von der Beklagten innerhalb der nachgelassenen Frist gehaltene Vortrag zu der Mindestausschüttungsquote steht mit diesem Hinweis in keinem sachlichen Zusammenhang. Auch gab dieses Vorbringen dem Landgericht keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO. Die mit der Berufungsbegründung wiederholten und vertieften Ausführungen zur Mindestausschüttungsquote stellen daher ein neues Verteidigungsmittel dar (vgl. BGH, Urteil vom 11.01.2007 – IX ZR 31/05, NJW 2007, 1357, Rn. 18). Dieses ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen eines Zulassungsgrundes nach § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO – auch auf den in der Ladungsverfügung erteilten Hinweis (Blatt 145 eAkte) hin – weder glaubhaft gemacht worden noch sonst ersichtlich sind.

Davon abgesehen rechtfertigt das Vorbringen der Beklagten den von ihr hieraus gezogenen Schluss, allenfalls in Höhe von 15 % der Spielverluste des Klägers bereichert zu sein, auch in der Sache nicht.

Nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB schuldet der ungerechtfertigt Bereicherte primär die Herausgabe des erlangten Etwas. In diesem Sinne erlangt ist etwas, wenn es sich auf Grund des Bereicherungsvorgangs im Vermögen des Bereicherten konkret manifestiert und dadurch eine Verbesserung seiner Vermögenslage eintritt (vgl. BGH, Urteil vom 25.03.2015 – VIII ZR 38/14, NJW 2015, 1748, Rn. 19 m.w.N.). Vorliegend ist unstreitig, dass der Kläger die Spieleinsätze auf ein Konto der Beklagten gezahlt hat. Dass dieses Konto nicht dem Vermögen der Beklagten zuzurechnen war, ist schon nicht hinreichend dargelegt. Insbesondere genügt hierfür nicht die nicht näher ausgeführte Behauptung, es handele sich um ein „einheitliches Treuhandkonto“. Da dieses angebliche Treuhandregime weder dargelegt noch unter Beweis gestellt ist, ist vielmehr davon auszugehen, dass sich die Zahlungen des Klägers im Vermögen der Beklagten konkret manifestiert haben und folglich im vorgenannten Sinne von der Beklagten erlangt worden sind.

Die angebliche Verpflichtung, 85 % der Spieleinnahmen an die Spieler auszuschütten, vermag demnach allenfalls eine Entreicherung im Sinne von § 818 Abs. 3 BGB zu begründen. Hierauf kann sich die Beklagte aber nach § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4 BGB nicht berufen, weil davon auszugehen ist, dass sie als gewerbliche Anbieterin von auf den deutschen Markt ausgerichteten Online-Casinospielen sich der Einsicht, die für die verbotenerweise veranstalteten Spiele erlangten Einsätze nicht behalten zu dürfen, zumindest bewusst verschlossen hat. Von daher kommt es auch nicht mehr darauf an, dass die Beklagte keinen Beweis für die Behauptung angeboten hat, die angebliche Verpflichtung erfüllt und 85 % ihrer Einnahmen aus denjenigen Online-Casinospielen, an denen sich der Kläger beteiligt hatte, an die Mitspieler ausgezahlt zu haben.

d)

Da sich die Klageforderung in der im Berufungsverfahren noch im Streit stehenden Höhe mithin bereits unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung begründet, können die von den Parteien des Weiteren erörterten Fragen, ob der Kläger die Spielverträge wirksam widerrufen hat und ob sich die Klageforderung auch aus § 823 Abs. 2 BGB rechtfertigt, dahingestellt bleiben.

2.

Der nachgelassene Schriftsatz vom 27.09.2023, in welchem der Kläger zu dem Aussetzungsantrag der Beklagten und zu der von dieser behaupteten Abtretung der Klageforderung Stellung nimmt, gibt keinen Anlass für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

3.

Die Nebenentscheidungen rechtfertigen sich aus § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, §§ 711, 709 Satz 2 ZPO.

Die Revision ist nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen. Die Frage, ob ein Spielvertrag gemäß § 134 BGB nichtig ist, wenn mit dessen Abschluss der Veranstalter gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012, der Spieler aber nicht gegen § 285 StGB verstößt, wird in der Literatur abweichend von der zitierten Rechtsprechung – der der Senat hier folgt – beurteilt (s. etwa Köhler, NJW 2023, 2449). Diese Frage ist bislang nicht höchstrichterlich entschieden und kann sich in einer Vielzahl von Fällen stellen. Nach Auffassung des Senats ergibt sich die Grundsatzbedeutung dieser Rechtsfrage zudem aus ihrem Gewicht für die beteiligten Verkehrskreise.

Die Streitwertfestsetzung folgt § 47 Abs. 1, § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO.