Gericht | ArbG Brandenburg 1. Kammer | Entscheidungsdatum | 24.10.2019 | |
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Aktenzeichen | 1 Ca 258/19 | ECLI | ECLI:DE:ARBGBRA:2019:1024.1CA258.19.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
3. Streitwert: 7.200,00 Euro.
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.
Die Klägerin, die erfolgreich die Berufsausbildung zur Justizfachangestellten abschloss, ist nach mehreren befristeten Verträgen mit dem beklagten Land und dem Land Berlin, zuletzt auf der Grundlage des unter dem 27.09.2017 geschlossenen Arbeitsvertrages, bei dem beklagten Land seit dem 16.10.2017 als vollbeschäftigte Bedienstete in einer Serviceeinheit der Strafgeschäftsstelle beim Amtsgericht B. beschäftigt. In § 2 des Arbeitsvertrages ist folgendes geregelt:
„…
§ 2 Tarifverträge
(1) Für das Arbeitsverhältnis gelten
- der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L),
- der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder) sowie
- die Tarifverträge, die den TV-L und den TVÜ-Länder ergänzen, ändern oder ersetzen,
in der jeweils für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder und für das Land Brandenburg geltenden Fassung.
(2) Ebenso finden die für die Tarifbeschäftigten in der Landesverwaltung geltenden landesbezirklichen Tarifverträge und Vereinbarungen in der jeweils geltenden Fassung Anwendung, soweit darin nichts Anderes bestimmt ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten, solange der Arbeitgeber an die entsprechenden Tarifverträge und Vereinbarungen gebunden ist (Gleichstellungsabrede). Im Fall der Beendigung der Tarifbindung des Arbeitgebers gelten die in Absatz 1 genannten Tarifverträge in der Folgezeit nur noch statisch, das heißt in der im Zeitpunkt der Beendigung der Tarifbindung des Arbeitgebers geltenden Fassung fort, soweit sie nicht durch andere Abmachungen ersetzt werden. Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Weitergabe künftiger Tarifentwicklungen nach Beendigung der Tarifbindung des Arbeitgebers besteht nicht.
(4) An die Stelle der in Absatz 1 genannten Tarifverträge treten auch solche Tarifverträge, an die der Arbeitgeber jeweils gebunden ist (Tarifwechselklausel). Besteht in Fällen des Betriebs(teil)übergangs bei dem neuen Arbeitgeber eine andere Tarifbindung, finden deshalb die Tarifverträge entsprechend dieser anderweitigen Tarifbindung Anwendung.
…“
Entsprechend der Tätigkeitsdarstellung des beklagten Landes hat die Klägerin in der Serviceeinheit für Strafsachen folgende Tätigkeiten zu verrichten:
- „dem mittleren Dienst zugewiesene Tätigkeiten nach der Geschäftsordnung für die Gerichte und Staatsanwaltschaften,
- Fertigung des gesamten Schreibwerks,
- ganzheitliche Aktenbearbeitung,
- Kostenbearbeitung ohne Schlusskostenrechnung.“
Im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit sind der Klägerin folgende Befugnisse übertragen worden:
Wahrnehmung der Aufgaben eines Geschäftsstellenverwalters bzw. Urkundsbeamten der Geschäftsstelle in Strafsachen nach der Geschäftsstellenordnung. Darüber hinaus stellte das beklagte Land die Tätigkeit der Klägerin in der Serviceeinheit der Strafgeschäftsstelle beim Amtsgericht unter Benennungen der Einzeltätigkeiten mit entsprechenden prozentualen Zeitanteilen wie folgt vor:
…„
lfd. Nr. | Tätigkeitsdar- | ausführliche Beschreibung der dabei anfallenden Arbeitsschritte und ggf. Angabe der anzuwendenden Vorschriften | Anteil an der gesamten Arbeitszeit in % |
1 | 2 | 3 | 4 |
1 | Registratur | Bearbeiten der Eingangspost (Eingänge den Akten zusortieren und dem Sachbearbeiter vorlegen, neue Anklagen in Register/Namenskartei eingeben und dem Richter vorlegen) | 23,0 |
2 | Registratur | Registerführung (ohne Ersteintragung), | 3,6 |
3 | Registratur | Aktenbearbeitung (Akten anlegen, heften, foliieren) | 19,4 |
4 | Assistenz | Richterassistenz (z.B. Vorführtermine telef. mit Dolmetschern absprechen, Hauptverhandlungstermine telef. mit Verfahrensbeteiligte Absprechen | 1,9 |
5 | Anträge | Antragsaufnahme zu Protokoll der Geschäftsstelle | 0,4 |
6 | Ladungen | Bewirkung der vom Vorsitzenden gem. § 214 stopp angeordneten Ladungen einschl. Ladungskontrolle (Postamts- und EMA-Anfragen) | 4,2 |
7 | Beweismittel | Herbeischaffung der als Beweismittel in Betracht kommenden Gegenstände zur Hauptverhandlung in den Fällen des § 214 stopp | 0,0 |
8 | Zustellung | Veranlassung der öffentlichen Zustellung | 0,1 |
9 | Rechtskraft | Erteilung von Rechtskraftzeugnissen | 2,7 |
10 | Registratur | Akten anfordern oder nach Erledigung an Staatsanwaltschaft versenden | 4,0 |
11 | Registratur | Vorbereiten von Terminsakten nebst Schreiben der Terminsrolle | 4,4 |
12 | Kanzlei | Anfragen an BZR und KBA | 1,3 |
13 | BZR/KBA | Mitteilungen an BZR und KBA | 2,4 |
14 | PKH | Aufgaben bei PKH mit Zahlungsbestimmungen (Nebenkläger) | 0,0 |
15 | Kosten/JVEG | Aufgaben des Anweisungs- und Kostenbeamten | 2,3 |
16 | Vollstreckung | Mitwirkung bei der Vollstreckung (Bewährungs- und Vollstreckungshefte anlegen | 1,0 |
17 | Statistik | Aufgaben nach der Zählkartenanordnung | 2,6 |
18 | Registratur | Vorbereitung der Belege für Zeugen- und Sachverständigenentschädigung | 0,9 |
19 | Kanzlei | Erstellen der Presserolle | 0,0 |
20 | Registratur | Fristenüberwachung | 2,3 |
21 | Kanzlei | Kanzleimässige Erledigung von kleinem Schreibwerk | 5,8 |
22 | Kanzlei | Kanzleimässige Erledigung von grossem Schreibwerk | 13,4 |
23 | Schöffen | Verwaltung der Schöffengeschäftsstelle einschl. Vorbereitung und Durchführung der Schöffenwahl | 0,0 |
24 | Verwahrung | Aufgaben des Verwahrungsbeamten / Asservatenverwaltung | 0,1 |
25 | Auskunft | Selbständige Beantwortung schriftlicher Sachstandsanfragen | 0,0 |
26 | Assistenz | Unterschriftsreife Vorbereitung von Beschlüssen, Verfügungen, Anordnungen, Besuchs- und Telefonerlaubnissen | 0,4 |
27 | Registratur | Überwachung von Akteneinsichten | 0,7 |
28 | Registratur | Vorbereitung von Vereidigungsprotokollen für Schöffen oder Hilfsschöffen | 0,0 |
29 | Registratur | Führung der Bussgeldliste | 0,6 |
30 | Registratur | Führung der Liste für Haftkontrolle einschl. Vorlage an den Richter | 0,3 |
31 | Registratur | Pflege der Datensätze im PC (Anschriftenänderung pp.) | 1,0 |
32 | Registratur | Schlussverfügungen fertigen, (u.a. auch zur Einleitung der Bewährungsüberwachung) | 1,2 |
33 | Ausbildung | Ausbildung am Arbeitsplatz | 0,0 |
Summe: | 100,00 |
…“
Im Rahmen der vorzunehmenden Tätigkeitsbewertung legte das beklagte Land folgende Arbeitsvorgänge mit der entsprechenden Zuordnung zu Tätigkeitsmerkmalen fest:
„…
Arbeitsvorgänge | Tätigkeitsmerkmale | ||||||
lfd. | gebildet aus Teil I Nr. 5 | Bezeichnung | Anteil an der gesamten Arbeitszeit in % | erfüllte An-forderungen | Begrün-dung | Entgeltgruppe, Fallgruppe, | |
1 | 1-3, 10-12, | Geschäftsstellen-verwaltung, Schreibarbeiten | 81,9 | PE Nr. 2 | E 6, Fg. 4 | ||
2 | 4, 26 | Assistenz | 2,3 | schw. Tätigkeit | PE Nr. 3 | E 9, Fg. 2 | |
3 | 5 | Anträge | 0,4 | schw. Tätigkeit | PE Nr. 3 | E 9, Fg. 2 | |
4 | 6 | Ladungen | 4,2 | schw. Tätigkeit | PE Nr. 3 | E 9, Fg. 2 | |
5 | 6 | Beweismittel | 0,0 | schw. Tätigkeit | PE Nr. 3 | E 9, Fg. 2 | |
6 | 8 | Zustellung | 0,1 | schw. Tätigkeit | PE Nr. 3 | E 9, Fg. 2 | |
7 | 9 | Rechtskraft | 2,7 | schw. Tätigkeit | PE Nr. 3 | E 9, Fg. 2 | |
8 | 13 | BZR/KBA | 2,4 | schw. Tätigkeit | PE Nr. 3 | E 9, Fg. 2 | |
9 | 14 | PKH | 0,0 | schw. Tätigkeit | PE Nr. 3 | E 9, Fg. 2 | |
10 | 15 | Kosten/ZSEG | 2,3 | schw. Tätigkeit | PE Nr. 3 | E 9, Fg. 2 | |
11 | 16 | Vollstreckung | 1,0 | schw. Tätigkeit | PE Nr. 3 | E 9, Fg. 2 | |
12 | 17 | Statistik | 2,6 | schw. Tätigkeit | PE Nr. 3 | E 9, Fg. 2 | |
13 | 23 | Schöffen | 0,0 | schw. Tätigkeit | PE Nr. 3 | E 9, Fg. 2 | |
14 | 24 | Verwahrung | 0,1 | schw. Tätigkeit | PE Nr. 3 | E 9, Fg. 2 | |
15 | 25 | Auskunft | 0,0 | schw. Tätigkeit | PE Nr. 3 | E 9, Fg. 2 | |
16 | 33 | Ausbildung | 0,0 | schw. Tätigkeit | PE Nr. 3 | E 9, Fg. 2 |
…“
Aufgrund dieser Tätigkeitsbewertung ist die Klägerin in die Entgeltgruppe 6 des TV-L eingruppiert.
Mit Schreiben vom 28.08.2018 machte zunächst die Klägerin gegenüber dem beklagten Land eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 9 zum Zeitpunkt der Übertragung der Service-/Geschäftsstellen-Tätigkeit geltend. Mit Schreiben vom 24. September 2018 teilte der Präsident des Oberlandesgerichts als Vertreter des beklagten Landes der Klägerin mit, er sehe sich einstweilen gehindert, über den Antrag zu entscheiden. Nachdem der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 20.11.2018 sich mit dem Begehren der Klägerin erneut erfolglos an das beklagte Land wandte, macht die Klägerin nunmehr klageweise geltend, sie nach der Entgeltgruppe 9 des TV-L ab Februar 2018 zu vergüten.
Sie vertritt die Auffassung, die von ihr verrichteten Tätigkeiten stellten einen einheitlichen Arbeitsvorgang dar. Für die tarifliche Bewertung komme es nicht darauf an, ob und inwieweit Einzelaufgaben verwaltungstechnisch verschiedenen Beschäftigten zugewiesen werden könnten, solange sie im Zusammenhang als einheitliche Arbeitsaufgabe tatsächlich einer Person übertragen seien. Die Betreuung der Aktenvorgänge in der Strafgeschäftsstelle des Amtsgerichts vom Eingang bis zum Abschluss des Verfahrens, wozu sämtliche mit der Aktenführung und Aktenbetreuung im Zusammenhang stehende Tätigkeiten – einschließlich der Durchführung von Beglaubigungen und die Bearbeitung von Sachstandsanfragen sowie – darüber hinaus – die Fertigung des Schreibwerks und die Verteilung der Neueingänge gehörten, seien als einheitlicher Arbeitsvorgang zu bewerten.
Die Klägerin hat beantragt,
1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin ab 1.2.2018 nach der Entgeltgruppe 9.2, Abschn. 12.1, Protokollerklärungen Nr. 2 und 3 Anlage A zum TV-L in der Fassung des Änderungstarifvertrages Nr. 10 vom 7.11.2017 zu vergüten und die sich insoweit ergebenden Differenzbeträge für die Monate ab Februar 2018 ab dem auf den jeweiligen Fälligkeitstag folgenden Tag mit % % Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins zu verzinsen;
2. die Kosten des Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es vertritt die Auffassung, die Klägerin muss sich an ihrer vertraglichen Vereinbarung festhalten lassen. Es entspreche auch nicht dem Willen der Tarifvertragsparteien, wenn Servicemitarbeiterinnen nicht mehr in die Entgeltgruppen 6 und 8 einzugruppieren wären. Die Tarifvertragsparteien hätten anders als das Bundesarbeitsgericht bei der Eingruppierung in der Justiz auch die tarifliche Wertigkeit verschiedener Einzeltätigkeiten abgestellt. Schließlich würde das bestehende differenzierte Gehaltsgefügt der Serviceeinheiten und Geschäftsstellen auf den nach der Entgeltordnung höchst möglichen Niveau vereinheitlicht. Dadurch käme es auch zu einer Verzerrung des Gehaltsgefüges zwischen den Diensten in der Gerichtsbarkeit.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
I.
Die allgemein übliche Feststellungsklage, ist auch im Hinblick auf die Verzinsungspflicht zulässig (BAG 23. September 2009 – 4 AZR 308/08 – Rn. 10 mwN). Bei ihr ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts das besondere erforderliche rechtliche Interesse an der Feststellung unbedenklich zu bejahen (BAG 22. Februar 2017 – 4 AZR 514/16 – Rn. 13 mwN).
II.
Die Klage ist unbegründet. Denn die Klägerin erbringt als Servicekraft in der Strafgeschäftsstelle des Amtsgerichts zeitlich nicht im erforderlichen Umfang schwierige Tätigkeiten, die eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9 der Entgeltordnung des TV-L rechtfertigt.
1. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahme der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L vom 01.November 2006) Anwendung. Darüber hinaus richtet sich nach § 12 Abs. 1 Satz 1 TV-L die Eingruppierung der des Beschäftigten nach den Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltordnung (Anlage A). Die Tätigkeitsmerkmale sind nach § 12 Abs. 1 Satz 3 TV-L der gesamten, durch die Klägerin nicht nur vorübergehend, auszuübende Tätigkeiten zu entnehmen.
2. Die Klägerin wurde in Anwendung von § 12 Abs. 1 Satz 1 TV-L in die Vergütungsgruppe 6 Fallgruppe 2 Teil II Abschnitt 12. der Anlage A zum TV-L eingruppiert.
a) Gemäß § 12 Absatz 1 Satz 3 TV-L ist die/der Beschäftigte in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr/ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn sie zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen.
b) Für die tarifliche Bewertung ist deshalb der Arbeitsvorgang maßgeblich.
Gemäß der Protokollerklärung zu § 12 Absatz 1 TV-L sind Arbeitsvorgänge Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten), die, bezogen auf den Aufgabenkreis der/des Beschäftigten, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen (z.B. unterschriftsreife Bearbeitung eines Aktenvorgangs, eines Widerspruchs oder eines Antrags, Betreuung bzw. Pflege einer Person oder Personengruppe, Fertigung einer Bauzeichnung, Erstellung eines EKG, Durchführung einer Unterhalts- bzw. Instandsetzungsarbeit). Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderung zeitlich nicht aufgespalten werden. Insofern ist das Arbeitsergebnis für den Arbeitsvorgang maßgeblich (ständige Rechtsprechung des BAG ZBBAG 21. August 2013 – 4 AZR 933/11 – Rn. 13 mwN, BAGE 146, 222).
Die gesamte auszuübende Tätigkeit im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 3 TV-L kann zunächst einmal aus der Gesamtheit aller anfallenden Arbeitsvorgänge im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 4 TV-L darstellen.
Denkbar ist jedoch auch, dass die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmacht. Allerdings können Einzeltätigkeiten dann nicht zusammengefasst werden, wenn die verschiedenen Arbeitsschritte von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt sind (BAG vom 28. Februar 2018 – 4 AZR 816/16 – Rn. 24, zitiert nach Juris). Dafür reicht die theoretische Möglichkeit nicht aus, einzelne Arbeitsschritte oder Arbeitsaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Beschäftigte übertragen zu können, solange sie nach der tatsächlichen Arbeitsorganisation des Arbeitgebers als einheitliche Arbeitsaufgabe einer Person real übertragen sind. Tatsächlich getrennt sind Arbeitsschritte nicht, wenn sich erst im Laufe der Bearbeitung herausstellt, welchen tariflichen erheblichen Schwierigkeitsgrad der einzelne Fall aufweist (ständige Rechtsprechung des BAG, ZBBAG 22. Februar 2017 – 4 AZR 514/16 – Rn. 34, zitiert nach Juris). Zur Tätigkeit gehören dabei auch Zusammenhangstätigkeiten, die wegen ihres engen Zusammenhangs mit bestimmten Aufgaben einer/es Beschäftigten bei der tariflichen Bewertung zwecks Vermeidung tarifwidriger „Atomisierung“ der Arbeitseinheiten nicht abgetrennt werden dürfen, sondern diesen zuzurechnen sind (BAG 10. Dezember 2014 – 4 AZR 773/12 –Rn. 19, zitiert nach Juris).
Andererseits ist die Bildung von Arbeitsvorgängen aus der auszuübenden Gesamt-Tätigkeit ein Analyseprozess, für den die Tarifvertragsparteien in der Protokollnotiz Nr. 1 zu § 12 Abs. 1 TV-L eine Vereinbarung getroffen haben. Danach sind Arbeitsvorgänge solche Arbeitsleistungen, die bezogen auf den Aufgabenkreis der/s Beschäftigten zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen. Deshalb muss bei natürlicher Betrachtung das Arbeitsergebnis abgrenzbar sei, andererseits einen Bezug auf den Aufgabenkreis der Beschäftigten aufweisen.
c) Nach der Bildung der Arbeitsvorgänge ist sodann die tarifliche Wertigkeit dieser anhand des in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals vorzunehmen (BAG 18. März 2015 - 4 AZR 59/13 – Rn. 17, zitiert nach Juris).
3. Unter Berücksichtigung der durch die Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze ist die Klägerin in die Entgeltgruppe 6 der Entgeltordnung des TV-L eingruppiert.
a) Sie erfüllt nicht die Voraussetzungen der Entgeltgruppe 9 der Entgeltordnung zum TV-L. Denn die von der Klägerin aufgezeigten und von dem beklagten Land unstreitig gestellten Einzeltätigkeiten bilden keinen einheitlichen Arbeitsvorgang, der zumindest 50 % schwierig ist.
Die Klägerin stützt ihre Auffassung auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28. Februar 2018 – 4 AZR 816/16 – AP Nr. 47 zu §§ 22, 23 BAT-O). Sie meint, die gesamte ihr dauerhaft übertragene Tätigkeit bilde einen einheitlichen Arbeitsvorgang. Die Betreuung der Aktenvorgänge in der Strafgeschäftsstelle des Amtsgerichts vom Eingang bis zum Abschluss des Verfahrens sei als einheitlicher Arbeitsvorgang zu bewerten. Die Zergliederung der einzelnen Tätigkeiten an ihrem Arbeitsplatz in gesonderte Arbeitsvorgänge sei nicht tarifkonform.
Tatsächlich lässt das BAG nur eine sehr eingeschränkte Differenzierung des Arbeitsvorgangs zu. Das Heraushebungsmerkmal innerhalb eines Arbeitsvorgangs liegt etwa bei 10 %. Deshalb erfüllt der von der Klägerin gebildete Arbeitsvorgang in ihrem Sinne die Voraussetzungen der Entgeltgruppe 9.
b) Allerdings bilden die von der Klägerin zu verrichtenden Tätigkeiten im tarifrechtlichen Sinne keinen einheitlichen Arbeitsvorgang.
Nach der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 12 Abs. 1 TV-L Satz 1 bilden Arbeitsleistungen einschließlich der Zusammenhangsarbeiten dann einen Arbeitsvorgang, wenn sie zu einem abgrenzbaren Ergebnis führen. Dabei erfolgt die Abgrenzung des Arbeitsergebnisses durch natürliche Betrachtung. Der Arbeitsvorgang beinhaltet alle Tätigkeiten, die notwendig sind, um das Arbeitsergebnis zu erreichen.
Die Tätigkeit einer Beschäftigten in einer Serviceeinheit eines Gerichts bezieht sich auch nach den Vorstellungen der Tarifvertragsparteien in der Regel auf die zu bearbeitenden Gerichtsakten. Zur Bearbeitung der Akte gehört das Anlegen, Registrieren, nach der Prozessordnung durchzuführenden weiteren Schritte (Fristenüberwachung, Ladung, Protokollerstellung, Ausfertigung von Beschlüssen und Urteilen), die einfache kostenrechtliche Bearbeitung, die Archivierung oder Zurverfügungstellung der Akte für ein anderes Gericht. Bilden all diese Tätigkeiten einen einheitlichen Arbeitsvorgang, würde die Tätigkeit einer/eines Beschäftigten einer Serviceeinheit eines Gerichts immer einen einheitlichen Arbeitsvorgang darstellen. Genau das ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck der tariflichen Eingruppierungsvorschriften des TV-L.
c) Nach der Protokollerklärung Nr.1 Satz 1 zu § 12 Abs. 1 TV-L kann sowohl die unterschriftsreife Bearbeitung eines Aktenvorgangs, eines Widerspruchs oder eines Antrags jeweils ein abgrenzbares Arbeitsergebnis sein. Gleichwohl kann es sich hierbei auch um zwei unterschiedliche Arbeitsvorgänge handeln, denn die unterschriftsreife Bearbeitung eines
Aktenvorgangs setzt voraus, dass der Tarifbeschäftigte den Vorgang allein und ohne weitere Weisung und Hilfe Dritter unterschriftsreif bearbeitet. Dies wird gewöhnlich bei Sachbearbeitern der Fall sein, die Bescheide in der öffentlichen Verwaltung zu erstellen haben und diese sodann durch den Vorgesetzten abgezeichnet werden. Bei der Bearbeitung von Gerichtsakten ist es jedoch häufig eher der Fall, dass der oder die Justizbeschäftigte bevor die Akte weiter bearbeitet werden kann, diese dem Richter oder Rechtspfleger wegen der Bestimmung eines Termins oder Zwischenverfügungen oder zur Erstellung von Beschlüssen oder Urteilen vorzulegen hat. Deshalb erfolgt die Bearbeitung des Aktenvorgangs in solchen Fällen eben nicht allein bis zur Unterschriftsreife.
d) Für diese Betrachtungsweise spricht auch der Wille der Tarifvertragsparteien.
Als Justizbeschäftigte wird die Klägerin nach Teil II Abschnitt 12 und der Abschnitt 12.1 der Entgeltordnung des TV-L eingruppiert. Beschäftigte in Serviceeinheiten bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften können nach diesem Abschnitt in drei unterschiedliche Entgeltgruppen eingruppiert sein. Dabei unterscheidet sich die Eingruppierung nach der Schwierigkeit der von ihnen zu verrichtenden Tätigkeiten.
aa) Dass die Tarifvertragsparteien solche Regelungen auch grundsätzlich unabhängig von der Rechtsprechung treffen können, folgen aus Artikel 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG). Aufgrund der grundgesetzlich geschützten Tarifautonomie, die ihre Grenzen nur im Rahmen des Grundgesetzes selbst und europäischer Rechtsvorschriften findet, bestimmen die Tarifvertragsparteien ihr Entgeltsystem bzw. ihre Entgeltordnung unabhängig und autonom.
bb) Auch bei Betrachtung der Tarifhistorie wird deutlich, dass eine unterschiedliche Eingruppierung von Beschäftigten in Geschäftsstellen und Serviceeinheiten nach wie vor möglich ist und sein muss.
Mit der Einführung von Serviceeinheiten im tarifrechtlichen Sinne wurde die ursprüngliche klassische ausschließliche Aufgabentrennung in den Geschäftsstellen, Kanzleien und Kostenbeamten aufgegeben. Beschäftigte der Serviceeinheiten sollten nach dem Willen der Tarifvertragsparteien auch vielfältig einsetzbar sein, sowohl mit Aufgabenstellungen der Geschäftsstelle, der Protokollführung, Kanzlei und bei der Bearbeitung einfacher Kosten. Allerdings werden auch heute noch nicht alle Beschäftigte der Gerichte als Servicekräfte eingesetzt. Neben den Servicekräften gibt es auch weiterhin bei manchen Gerichten Geschäftsstellenverwalter, Kanzleikräfte oder auch Kostenbeamte. Damit wird deutlich, dass Servicekräfte keine ganzheitlichen Aufgaben wahrnehmen, sondern insoweit Arbeitsaufgaben, die zu abgrenzbaren Arbeitsergebnissen führen.
4. Unter Berücksichtigung der vorstehend gemachten Ausführungen, sind die von der Klägerin zu verrichtenden Tätigkeiten in drei Aufgabenbereiche abgrenzbar. Die Klägerin erledigt sowohl Aufgaben der Geschäftsstelle, der Kanzlei und der Kostenbearbeitung.
Das beklagte Land hat insoweit die Abgrenzung der Arbeitsvorgänge zutreffend vorgenommen und aufgrund der Wertigkeit der Arbeitsergebnisse die Klägerin zutreffend in die Entgeltgruppe 6 eingruppiert.
Die Klage ist deshalb unbegründet.
III.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin gem. § 91 Abs. 1 ZPO als unterliegende Partei zu tragen.
Die Festsetzung des Streitwerts (Beschwerdewerts) im Urteil ergeht gem. § 61 Abs. 1 ArbGG. Die Höhe des Streitwertes bemisst sich nach §§ 46 Abs. 2 i.V. m. 3 ff, ZPO.