Gericht | VG Frankfurt (Oder) 5. Kammer | Entscheidungsdatum | 20.09.2023 | |
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Aktenzeichen | 5 K 339/21 | ECLI | ECLI:DE:VGFRANK:2023:0920.5K339.21.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Nebenbestimmung Nr. 4 im Genehmigungsbescheid vom 20. Januar 2021 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01. März 2021 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i. H. von 110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Der Kläger wendet sich gegen die Auflage von Ersatzpflanzungen in einer Baumfällgenehmigung.
Er ist Eigentümer des Grundstücks (Gemarkung, Flur, Flurstück ).
Auf seinen Antrag vom 4. Januar 2021 erteilte die Beklagte mit Bescheid vom 20. Januar 2021 dem Kläger die Genehmigung zur Fällung von einem Stück Linde und 9 Stück Kiefern mit einem Stammumfang von 0,6-1,7 m, gemessen in 1 m Höhe über dem Boden, auf dem klägerischen Grundstück (Tenorpunkt 1). Des Weiteren beauflagte die Beklagte den Kläger gemäß Tenorpunkt 4 mit der Pflanzung von
7 Stück Laubbaum einheimischer standortgerechter Arten, Hochstamm, dreimal verpflanzt, mit Ballen, Stammumfang 16-18 cm
oder
14 Stück Nadelbaum einer einheimischen standortgerechten Art, Höhe 125-150 cm
sowie 120 Stück Blüh – Sträucher mit einer Mindestwuchshöhe von 2 m gemäß beigefügter Pflanzenliste.
Gegen die beauflagten Ersatzpflanzungen erhob der Kläger Widerspruch vom 16. Februar 2021. Im Wesentlichen brachte er vor, die geforderte Anzahl von Anpflanzungen sei unter realen Bedingungen auf dem Grundstück nicht durchführbar. Er verwies auf erforderliche Grenzabstände, die Notwendigkeit der Entfernung von vorhandenen Obstbäumen, die Schaffung von Pkw – Stellplätzen auf dem Grundstück sowie den Verzicht auf eine Zufahrtsmöglichkeit zum vorhandenen Nebengelass im Falle der Durchführung der geforderten Anzahl von Pflanzungen.
Sein Widerspruch blieb im Wesentlichen erfolglos. Im Widerspruchsbescheid vom 01. März 2021 führt die Beklagte aus: Die Beauflagung von Ersatzpflanzungen finde ihre Rechtsgrundlage in der Baumschutzsatzung der Stadt . Hieraus ergäben sich auch die angeordneten Auflagen zur Ersatzpflanzung. Die Beklagte habe ihr Ermessen ausgeübt, um die Gesamtmenge der zur pflanzenden Gehölze auf dem Grundstück zu reduzieren. Nach § 7 Abs. 4 S. 3 Baumschutzsatzung sei es „aus Gründen der Zweckmäßigkeit möglich, auch andere Pflanzgrößen zu beauflagen“. Weiterhin bestehe jederzeit die Möglichkeit, einen Teil der Pflanzung durch eine Ausgleichszahlung abzulösen.
Sodann hat der Kläger am 26. März 2021 Klage erhoben. Sinngemäß bringt der Kläger vor, es liege ein Ermessensfehlgebrauch der Beklagten zum Nachteil des Klägers vor, indem die Beklagte die für Ersatzpflanzungen zu beachtende Obergrenze gemäß § 7 Abs. 4 der Baumschutzsatzung überschritten habe. Diese Bestimmung lege fest, was seitens der Beklagten maximal gefordert werden könne. Insgesamt seien die Forderungen der Beklagten nicht nachvollziehbar. Zudem würde der Kläger zutreffend auf die ihm nur eingeschränkt zur Verfügung stehenden räumlichen Möglichkeiten auf seinem Grundstück verweisen. So sei die Auflage der Anpflanzung von 120 Blüh – Sträuchern auf seinem Grundstück praktisch nicht umsetzbar.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
die Nebenbestimmung Nr. 4 des Bescheides der Beklagten vom 20. Januar 2021 zum Az. 672010 – 002 - 21 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. März 2021 zum Az. 672015 – W 0002 - 21 aufzuheben.
Die Beklagte hat keinen Klageabweisungsantrag gestellt und verweist auf den Widerspruchsbescheid vom 1. März 2021.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung durch das Gericht gewesen sind.
A.
Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO. Die Übertragung auf den Einzelrichter erfolgte nach § 6 Abs. 1 VwGO.
B.
1. Die Klage ist zulässig.
Zulässige Klage gegen belastende Nebenbestimmungen in einem Genehmigungsbescheid ist die (isolierte) Anfechtungsklage.
2. Die Anfechtungsklage ist begründet.
Die angefochtenen Bescheide erweisen sich im angefochtenen Umfang als rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.
a) Rechtsgrundlage für die in der Nebenbestimmung Nr. 4 des Genehmigungsbescheides verfügten Ersatzpflanzungen ist grundsätzlich § 7 Abs. 3 und 4 sowie Abs. 5 der Satzung der Stadt zum Schutz des Baumbestandes (Baumschutzsatzung) vom 18. Oktober 2001, zuletzt geändert durch die 1. Änderungssatzung der Baumschutzsatzung, beschlossen am 10. April 2003. Die anzuwendende Baumschutzsatzung muss solche normativen Vorgaben enthalten, die eine Bestimmung im Einzelfall aufgrund sachgerechter und konkretisierbarer Kriterien ermöglichen und damit eine willkürliche Behandlung durch die Behörde ausschließen. Notwendig sind Hinweise zu Anzahl und Größe der Ersatzpflanzen und der Abhängigkeit dieser Parameter zu Quantität und Qualität des beseitigten Baums. Da im Hinblick auf die Relation zwischen entfernten Bäumen und Anzahl und Größe der Ersatzpflanzen eine weite Spanne von Regelungen denkbar ist, erscheint eine nähere Konkretisierung in der Baumschutzsatzung zwingend (vgl. Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15. Oktober 2019 – 2 L 37/18 –, Rn. 11, juris). Der Betroffene muss in zumutbarer Weise erkennen können, mit welcher Art von Ersatzpflanzung er bei einer Bestandsminderung rechnen muss (VG München, Urteil vom 28. Februar 2023 – M 19 K 22.4395 –, Rn. 21, juris). Bedenken gegen die Wirksamkeit der hier anzuwendenden Baumschutzsatzung, die ihre Ermächtigungsgrundlage im vormals heranzuziehenden § 24 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 letzter Halbsatz des Gesetzes über Naturschutz und die Landschaftspflege im Land Brandenburg (Brandenburgisches Naturschutzgesetz – BbgNatSchG) in Verbindung mit § 19 Abs. 3 BbgNatSchG findet, bestehen nach den o.g. Maßstäben nicht. Insbesondere enthält die Baumschutzsatzung der Stadt hinreichende normative Vorgaben, die eine Bestimmung von Art und Umfang der Ersatzpflanzung im Einzelfall aufgrund sachgerechter und konkretisierbarer Kriterien ermöglichen und damit eine willkürliche Behandlung durch die Behörde ausschließen (vgl. Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. Januar 2008 – 8 A 10976/07 –, Rn. 37, juris). Einwendungen gegen die Satzung sind im Übrigen weder vorgetragen noch sonst ersichtlich (vgl. auch VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 27. Mai 2021 – VG 5 K 1394/19, S. 6f. des Entscheidungsabdrucks, n.v.).
b) Gemäß § 7 Abs. 3 S. 1 Baumschutzsatzung kann bei Ausnahmen von den Verboten nach § 5 Baumschutzsatzung dem jeweiligen Antragsteller auferlegt werden, Bäume bestimmter Art und Größe als Ersatz auf seine Kosten zu pflanzen und zu erhalten. § 7 Abs. 4 Baumschutzsatzung bestimmt für die Obergrenze der zu leistenden Ersatzpflanzungen, dass je angefangene 50 cm Stammumfang eines gefällten Baumes ein einheimischer Laubbaum mit einem Stammumfang von 12-14 cm oder ein einheimischer Nadelbaum mit einer Höhe von 150 cm neu gepflanzt wird (S. 1). Werden mehrere Bäume gefällt, ist die Summe der Einzelumfänge maßgebend (S. 2). Wenn es aus Gründen der Zweckmäßigkeit geboten scheint, können auch Bäume anderer Pflanzgrößen verwendet werden (S. 3). Zufolge § 7 Abs. 5 Baumschutzsatzung kann in begründeten Einzelfällen für die Ersatzpflanzungen die teilweise Verwendung von Sträuchern zugelassen werden (S. 1). Statt eines Baumes gemäß § 7 Abs. 4 S. 1 Baumschutzsatzung sind in diesem Fall 20 Sträucher zu pflanzen (S. 2). Die regelmäßige Wuchshöhe muss wenigstens 2 m betragen (S. 3). In der genannten Weise dürfen allerdings höchstens 30 % der zu pflanzenden Bäume in Strauchpflanzungen umgewandelt werden (S. 4).
Dass die seitens der Beklagten in der Baumschutzsatzung getroffene Regelung, wonach je angefangene 50 cm Stammumfang ein einheimischer Laubbaum mit 12 bis 14 cm Stammumfang oder ein einheimischer Nadelbaum mit einer Höhe von 150 cm neu zu pflanzen sei, grundsätzlich ermessensfehlerhaft und unverhältnismäßig ist, vermag das Gericht angesichts der unterschiedlichen „ökologischen Wertigkeit“ von alten und neu gepflanzten Baumbeständen und des Umstandes, dass Bäume hiernach regelmäßig erst ab einem Stammumfang von 50 cm geschützt und damit zu ersetzen sind, nicht zu erkennen (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. Februar 2011 – OVG 11 A 1.08 –, Rn. 73, juris).
c) Der Kläger moniert allerdings, die Beklagte habe ihren Ermessensspielraum überschritten, indem sie abweichend von § 7 Abs. 4 S. 1 Baumschutzsatzung die Ersatzpflanzung von Laubbäumen mit einem Stammumfang von 16-18 cm und nicht, wie die Baumschutzsatzung vorsehe, mit einem Stammumfang von lediglich 12-14 cm angeordnet habe.
d) Die Beklagte geht in ihrem Widerspruchsbescheid von einem Gesamtstammumfang von 12,30 m aus, was nach der von der Beklagten angestellten und vom Kläger nicht angegriffenen Berechnung 25 Laubbäumen mit einem Stammumfang von 12-14 cm entspräche. Unter Zugrundelegung einer sog. „Restvitalität“ von 80% hat die Beklagte sodann einen 20%igen Abzug vom Gesamtstammumfang vorgenommen und einen verbleibenden Stammumfang von 9,84 m zugrunde gelegt (= 20 Bäume). Unter weiterer Zugrundelegung der in § 7 Abs. 5 Satz 1 und 4 Baumschutzsatzung enthaltenen Regelungen geht die Beklagte schlussendlich von 14 nachzupflanzenden Laubbäumen mit einem Stammumfang von 12-14 cm als Ersatzpflanzung aus, die sie in Anwendung der Regelung aus § 7 Abs. 4 S. 3 Baumschutzsatzung auf 7 Laubbäume mit einem Stammumfang von 16-18 cm reduziert hat, „um die Gesamtmenge der zu bepflanzenden Gehölze auf dem Grundstück zu reduzieren“.
e) Im Ergebnis greift das Vorbringen des Klägers. Im Hinblick auf das der Beklagten zukommende Ermessen („kann“) hat das Gericht zu überprüfen, ob sich die Behörde in den gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens gehalten und von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Die Anordnung der Pflanzung von 7 Stück Laubbaum bzw. 14 Stück Nadelbaum sowie 120 Stück Blüh-Sträucher auf dem klägerischen Grundstück ist danach rechtswidrig, da die Beklagte das ihr zukommende Ermessen überschritten hat; die Maßnahme ist unverhältnismäßig, § 114 Satz 1 VwGO.
aa) Vieles spricht dafür, dass die verfahrensgegenständliche Nebenbestimmung jedenfalls schon deswegen materiell rechtswidrig ist, weil es an einer. ordnungsgemäßen Begründung gem. § 39 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG i. V. mit § 1 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Brandenburg - VwVfGBbg fehlt. Nach § 39 VwVfG sind in der Begründung eines Verwaltungsaktes die wesentlichen tatsächlichen und sachlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Erforderlich ist insoweit eine in sich verständliche Begründung. Die Begründung muss ausdrücklich erkennen lassen, welche tragenden Ermessenserwägungen bei der Entscheidung maßgeblich waren. Fehlt eine derartige Begründung oder ist sie unvollständig, liegt nicht nur ein Verfahrensfehler vor, sondern indiziert diese fehlende Begründung bei Ermessensentscheidungen einen rechtserheblichen Ermessensnichtgebrauch oder einen Ermessensfehlgebrauch und damit auch zur materiellen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts. Hier hat die Beklagte die Notwendigkeit der Ersatzpflanzung in ihrem Ausgangsbescheid überhaupt nicht begründet. Die Begründung im Widerspruchsbescheid erschöpft sich in der Wiedergabe der Satzungsinhalte (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG 18. Aufl. § 39 Rn. 56; VG Cottbus, Urteil vom 28. Juli 2017 – 3 K 1801/15 –, Rn. 21, juris).
bb) § 7 Abs. 4 S. 3 Baumschutzsatzung, den die Beklagte für die Abweichung von der in § 7 Abs. 4 S. 1 Baumschutzsatzung bestimmten Obergrenze des Stammumfangs für Nachpflanzungen bemüht, fehlt es an sachgerechten und konkretisierbaren Kriterien für die von der Beklagten angeordnete Abweichung, die Bestimmung stellt nach Auffassung des Gerichts schon ihrem Wortlaut nach keine taugliche Rechtsgrundlage für die von der Beklagten beauflagten Ersatzpflanzungen von Laubbäumen mit einem Stammumfang von 16-18 cm dar. Denn in § 7 Abs. 4 S. 3 Baumschutzsatzung heißt es wörtlich: “Wenn es aus Gründen der Zweckmäßigkeit geboten erscheint, können auch Bäume anderer Pflanzgrößen verwendet werden“. Bei verständiger Auslegung handelt es sich dabei schon nicht um eine Abweichungen von der satzungsgemäßen „Obergrenze“ rechtfertigende Regelung, wie die Formulierung „können auch Bäume anderer Pflanzgrößen verwendet werden“, nahelegt. Vielmehr dürfte sich eine solche „Ausnahme“ von der Obergrenze an den Betroffenen richten, der aufgrund konkreter situativer Gegebenheiten auf seinem Grundstück gehindert sein könnte, die im Einklang mit § 7 Abs. 4 S. 1 Baumschutzsatzung festgelegte Anzahl von Ersatzpflanzungen durchzuführen und sich deswegen veranlasst sieht, die Zahl der durchzuführenden Anpflanzungen über eine andere Pflanzgröße zu kompensieren. Auch im Zusammenspiel mit der grundsätzlichen Regelung in § 7 Abs. 3 S. 1 Baumschutzsatzung, wonach bei erteilten Ausnahmen von den satzungsgemäßen Verboten dem Antragsteller auferlegt werden kann, Bäume bestimmter Art und Größe als Ersatz auf seine Kosten zu pflanzen und zu erhalten, ergibt sich nichts Anderes. Hingegen mögen die Erwägungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid, sie habe im Rahmen ihrer Ermessensausübung andere Pflanzgrößen mit einem Stammumfang von 16-18 cm beauflagt, um die Gesamtmenge der zu pflanzenden Gehölze auf dem Grundstück zu reduzieren, zwar faktisch nachvollziehbar sein; diese finden aber in der Baumschutzsatzung insgesamt keine Stütze. Betroffene, mithin auch die Kläger, können in Anwendung von § 7 Abs. 4 S. 3 Baumschutzsatzung nach der von der Beklagten praktizierten Weise mangels sachgerechter und konkretisierbarer Kriterien in der genannten Bestimmung gerade nicht erkennen, mit welcher Pflanzgröße sie bei einer Ersatzpflanzung im Falle einer Bestandsminderung rechnen müssen, zumal die Baumschutzsatzung in ihrem § 7 Abs. 4 S. 1 für die „Obergrenze“ der zu leistenden Ersatzpflanzungen eindeutig einen Stammumfang von 12-14 cm für einen einheimischen Laubbaum bestimmt. Jedenfalls erscheint die Festlegung von 16-18 cm Stammumfang für die nachzupflanzenden Laubbäume als Auflage im Genehmigungsbescheid als willkürlich gegriffen. Andere Pflanzgrößen dürften - als Auflage - rechtmäßig nur unterhalb der bzw. bis zur satzungsmäßigen Obergrenze gerechtfertigt sein. Soweit nach § 7 Abs. 4 S. 5 Baumschutzsatzung bei der Fällung von Bäumen mit einem besonders hohen Wert für den Naturhaushalt oder das Landschaftsbild von der in Satz 1 genannten Obergrenze abgewichen werden kann, fehlen hierzu jegliche Ausführungen der Beklagten in den Bescheiden.
f) Die Anordnung von Ersatzpflanzungen gemäß Nr. 4 des Bescheides vom 20. Januar 2021 kann auch sonst keinen Bestand haben.
Denn die Beklagte hat nicht die Möglichkeit einer Ausgleichszahlung in Betracht gezogen. Der bloße Verweis der beklagten Behörde, es bestehe jederzeit die Möglichkeit, einen Teil der Pflanzung durch eine Ausgleichszahlung abzulösen, zieht nicht. Zwar dürften die Eigentümerinteressen dadurch berücksichtigt worden sein, dass der Kläger den Standort für die geforderten Ersatzpflanzungen auf seinem Grundstück frei wählen könnte. Allerdings bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass ausreichend große Pflanzflächen auf dem mit einem Wohnhaus und einem Nebengelass bebauten Grundstück vorhanden sind. Denn der Kläger hat bereits im Widerspruchsverfahren vorgetragen, dass die geforderte Anzahl an Pflanzungen unter realen Bedingungen auf dem Grundstück nicht durchführbar sei, u.a. wegen einzuhaltender Grenzabstände, der Notwendigkeit einer Entfernung von vorhandenen Obstbäumen, des Verzichts auf eine Zufahrtsmöglichkeit zum vorhandenen Nebengelass und der Schaffung von zwei geforderten Stellplätzen auf dem Grundstück. Insofern bestimmt 7 Abs. 7 S. 1 Baumschutzsatzung, dass eine Ausgleichszahlung zu leisten ist, wenn eine anzuordnende Ersatzpflanzung ganz oder teilweise unmöglich ist.
Das Grundstück der Kläger weist eine Größe – gemessen im Brandenburgviewer – von ca 1182 m² auf. Auf dem Grundstück befindet sich in der vorderen Grundstückshälfte ein Wohngebäude und im hinteren Grundstücksbereich das vom Kläger angegebene Nebengelass. Weiterhin ist im hinteren Grundstücksbereich eine bestehende Bepflanzung mit Bäumen ersichtlich.
Die Beklagte hat sich zu diesen offenkundigen und vom Kläger angeführten örtlichen Gegebenheiten weder im Verwaltungs- noch im Klageverfahren verhalten und ist dem klägerischen Vortrag nicht nachgegangen, so dass nach Auffassung der Kammer insoweit ein Ermessensausfall vorliegt:
Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die Vornahme der Ersatzpflanzung in dem hier aufgegebenen Umfang nicht ohne weiteres möglich ist, ist der Sachverhalt nach § 24 VwVfG i. V. mit § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfGBbg von Amts wegen – gegebenenfalls durch eine Inaugenscheinnahme vor Ort – nach dem im Verwaltungsverfahrensrecht geltenden Untersuchungsgrundsatz weiter aufzuklären (vgl. Kopp/Ramsauer a.a.O. § 24 Rn. 2). Dieser Pflicht ist die Beklagte hier nicht nachgekommen. Damit erweist sich die dem Kläger aufgegebene Ersatzpflanzung auch aus diesen Gründen als rechtswidrig und war daher aufzuheben vgl. hierzu auch VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 27. Mai 2021, a.a.O., S. 12f. des Entscheidungsabdrucks).
g) Angemerkt sei, dass die von der Beklagten vorgesehene Kompensation von 14 Stück Nadelbaum für 7 Stück Laubbaum einheimischer standortgerechter Arten in der Baumschutzsatzung gleichfalls keine Stütze finden dürfte. § 7 Abs. 4 S. 1 Baumschutzsatzung bestimmt, dass je angefangene 50 cm Stammumfang eines gefällten Baumes ein einheimischer Laubbaum mit einem Stammumfang von 12-14 cm oder ein einheimischer Nadelbaum mit einer Höhe von 150 cm neu gepflanzt wird. Die seitens der Beklagten Laubbäumen sinngemäß beigemessene höhere „Wertigkeit“ gegenüber Nadelbäumen (pro nicht gepflanztem Laubbaum 2 Nadelbäume) ist in der Baumschutzsatzung nicht nachvollziehbar.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung.