Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 1 K 1132/21


Metadaten

Gericht VG Frankfurt (Oder) 1. Kammer Entscheidungsdatum 19.10.2023
Aktenzeichen 1 K 1132/21 ECLI ECLI:DE:VGFRANK:2023:1012.1K1132.21.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Leitsatz

Der Anspruch von Studierenden auf Erstattung von Rückmeldegebühren, die auf der Grundlage der vom Bundesverfassungsgericht rückwirkend für nichtig erklärten Vorschrift des § 30 Abs. 1a Satz BbgHG a.F. gezahlt worden sind, verjähren in entsprechender Anwendung von § 199 Abs. 4 BGB spätestens 10 Jahre nach der jeweiligen Zahlung.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Erstattung von Rückmeldegebühren.

Die Klägerin studierte seit ihrer Immatrikulation zum 1. Oktober 2002 an der beklagten Universität.

Am 1. Juli 2000 trat mit dem Haushaltsstrukturgesetz 2000 vom 28. Juni 2000 (GVBl. I S. 90) § 30 Abs. 1a Satz 1 des Brandenburgischen Hochschulgesetzes (BbgHG a.F.) mit folgendem Wortlaut in Kraft: „Bei der Immatrikulation und bei jeder Rückmeldung werden Gebühren von 100 Deutschen Mark pro Semester erhoben; …“. Durch das am 24. März 2004 in Kraft getretene 1. Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Hochschulgesetzes vom 22. März 2004 (GVBl. I S. 51) wurde der Betrag von „100 Deutsche Mark“ durch „51 Euro“ ersetzt. Mit Wirkung vom 20. Dezember 2008 wurde § 30 Abs. 1a BbgHG a.F. aufgehoben.

Die Beklagte informierte die Studierenden in den letzten fünf Wochen der Vorlesungszeit eines Semesters jeweils durch Aushänge über die Modalitäten der für das folgende Semester erforderlichen Rückmeldung. Dabei erfolgte ein Hinweis auf den jeweils aktuellen Rückmeldetermin, die zu zahlende Rückmeldegebühr und weitere Gebühren. Die Klägerin zahlte auf der Grundlage von § 30 Abs. 1a Satz 1 BbgHG a.F. für das Sommersemester 2003 und Wintersemester 2003/2004 jeweils 100,00 DM (umgerechnet 51,13 Euro) und für den Zeitraum von Sommersemester 2004 bis Wintersemester 2008/2009 jeweils 51,00 Euro, mithin insgesamt 612,26 Euro, an Rückmeldegebühren.

Das Bundesverfassungsgericht entschied mit Beschluss vom 17. Januar 2017 (– 2 BvL 2/14 u.a. – juris), dass § 30 Abs. 1a Satz 1 BbgHG a. F. mit Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit den Art. 104a ff. des Grundgesetzes (GG) sowie mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig ist, soweit danach bei jeder Rückmeldung Gebühren von 100,00 DM bzw. 51,00 Euro pro Semester erhoben wurden. Die Nichtigerklärung galt rückwirkend vom Zeitpunkt des ersten Inkrafttretens der Norm (a. a. O. Rn. 111).

Die Klägerin beantragte bei der Beklagten mit Schreiben vom 11. Dezember 2020 die Erstattung von Rückmeldegebühren in Höhe von insgesamt 663,39 Euro. Diesen Antrag lehnte die Beklagten mit Schreiben vom 18. Dezember 2020, wobei die Klägerin belehrt wurde, dass gegen „diesen Bescheid“ Widerspruch eingelegt werden könne. Über den daraufhin von der Klägerin unter dem 23. Dezember 2020 eingelegten Widerspruch hat die Beklagte bislang nicht entschieden.

Am 30. Dezember 2020 hat die Klägerin bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) Klage auf Zahlung von 663,39 Euro nebst Zinsen erhoben. Sie ist der Auffassung, einen Anspruch auf Erstattung der verfassungswidrig erlangten Rückmeldegebühren zu haben. Die Voraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs seien erfüllt. Eine Verjährung sei nicht eingetreten. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch sei nicht bereits im Zeitpunkt der Zahlung entstanden, sondern erst mit der Entscheidung des Bundesverfassungsrecht vom 17. Januar 2017. Weder die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist noch die kenntnisunabhängige zehnjährige Verjährungsfrist sei verstrichen. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. Mai 2021 – 5 B 23.19 – (juris), das den Verjährungsbeginn auf den Zeitpunkt der Zahlungen „vorverlegt“ habe, sei fehlerhaft. Denn im Zeitpunkt der jeweiligen Zahlung der Rückmeldegebühren habe mit § 30 Abs. 1a Satz 1 BbgHG a.F. noch der Rechtsgrund für die Gebührenerhebung vorgelegen. Zudem habe das Oberverwaltungsgericht in der genannten Entscheidung erkannt, dass „maßgeblich für den Beginn der Verjährung (…) die Zumutbarkeit der Erhebung der Klage“ sei und im Fall der Rückmeldegebühren „eine frühere Klageerhebung (…) nicht zumutbar“ gewesen sei. Weshalb dies bei der Frist des § 199 Abs. 4 BGB nicht gelten solle, habe das Oberverwaltungsgericht nicht erläutert. Im Übrigen sei die grundsätzliche Frage, ob § 199 Abs. 4 BGB im öffentlichen Recht und insbesondere auf öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche analog anwendbar sei, in der Rechtsprechung noch nicht geklärt. Schließlich habe die Beklagte verkannt, dass es sich bei der Erhebung der Einrede der Verjährung um eine Ermessensentscheidung handele.

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin im Hinblick auf die vor ihrer Immatrikulation zum 1. Oktober 2002 gezahlte Immatrikulationsgebühr in Höhe von (umgerechnet) 51,13 Euro zurückgenommen.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Dezember 2020 zu verurteilen, 612,26 Euro nebst Zinsen in der vom Gesetz vorgesehenen Höhe seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung und verweist auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. Mai 2021 (OVG 5 B 23.19).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen.

Entscheidungsgründe

I. Das Gericht hat das Rubrum von Amts wegen dahingehend berichtigt, dass die Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) und nicht deren Präsident beklagt ist, § 78 Abs. 1 Nr. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Ein Fall von § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Satz 1 des Brandenburgischen Verwaltungsgerichtsgesetzes (BbgVwGG) liegt nicht vor, da weder eine Anfechtungs- noch eine Verpflichtungsklage erhoben worden ist.

Die Entscheidung ergeht durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin, nachdem die Kammer ihr den Rechtsstreit durch Beschluss vom 25. September 2023 gemäß § 6 Abs. 1 VwGO übertragen hat.

II. Das Verfahren war einzustellen, soweit die Klägerin die Klage in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat.

Die im Übrigen als allgemeine Leistungsklage zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen vor Gericht durchsetzbaren Anspruch auf Erstattung der von ihr gezahlten Rückmeldegebühren.

1. Zwar steht der Klägerin grundsätzlich ein Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der von ihr im Zeitraum Sommersemester 2003 bis Wintersemester 2008/2009 in Höhe von insgesamt 612,26 Euro gezahlten Rückmeldegebühren zu.

a) Rechtsgrundlage für den Rückzahlungsanspruch ist mangels vorrangiger sondergesetzlicher Regelungen der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21. Mai 2021 – OVG 5 B 23.19 – juris Rn. 36; VG Cottbus, Gerichtsbescheid vom 23. März 2023 – 1 K 1913/20 – juris Rn. 23). Bei dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch handelt es sich um ein aus den Grundsätzen des Verwaltungsrechts, insbesondere der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung abgeleitetes eigenständiges Rechtsinstitut des öffentlichen Rechts, dessen Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen, soweit sie nicht spezialgesetzlich geregelt sind, grundsätzlich denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruches (§§ 812 ff. BGB) entsprechen. Funktion des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches ist es, eine dem materiellen Recht nicht entsprechende Vermögensverschiebung zu korrigieren.

b) Danach steht der Klägerin im Ausgangspunkt ein Anspruch auf Rückzahlung der von ihr gezahlten Rückmeldegebühren in Höhe von 612,39 Euro zu. Die Beklagte hat diese Gebühren ohne Rechtsgrund erlangt, da das Bundesverfassungsgericht § 30 Abs. 1a Satz 1 BbgHG a.F. rückwirkend vom Zeitpunkt des Inkrafttretens für nichtig erklärt hat, insoweit mit der Norm bei jeder Rückmeldung Gebühren in Höhe von 100 DM bzw. später 51 Euro erhoben werden (Beschluss vom 17. Januar 2017 – 2 BvL 2/14 u.a. – juris Rn. 109).

2. Dieser Erstattungsanspruch ist allerdings nicht mehr durchsetzbar. Die Beklagte, die die Einrede der Verjährung mit Schreiben vom 18. Dezember 2020 und im Rahmen des vorliegenden Klageverfahrens mit Schriftsatz 9. Oktober 2023 erhoben hat, ist in entsprechender Anwendung von § 214 Abs. 1 BGB berechtigt, die Leistung zu verweigern. Der Anspruch der Klägerin ist jedenfalls nach der kenntnisunabhängigen zehnjährigen Verjährungsfrist des § 199 Abs. 4 BGB verjährt.

a) Auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch findet die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist des § 195 i. V. m. § 199 BGB analoge Anwendung (m. w. N. aus der Rechtsprechung des BVerwG siehe: OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21. Mai 2021 – OVG 5 B 23.19 – juris Rn. 40). Mit dem am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) hat der Gesetzgeber die 30-jährige, mit der Entstehung des Anspruchs beginnende Regelverjährung gemäß §§ 195 und 198 BGB a.F. durch die kenntnisabhängige und damit relative, am Schluss des maßgebenden Jahres beginnende Regelverjährung gemäß §§ 195 und 199 BGB ersetzt, wobei der relative Verjährungsbeginn von absoluten Höchstfristen (§ 199 Abs. 2 bis 4 BGB) flankiert wird. Erst aus dem Zusammenwirken von relativer Verjährungsfrist, absoluter Höchstfrist, Beginn, Ende, Hemmung und Unterbrechung (Neubeginn) ergibt sich der vom Gesetzgeber gewollte verjährungsrechtliche Interessenausgleich (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 – 3 C 7.15 – juris Rn. 39 und Beschluss vom 5. November 2021 – 2 B 15/21 – juris Rn. 10).

aa) Danach dürfte zwar die (relative) dreijährige Verjährungsfrist im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht abgelaufen gewesen sein. Die kenntnisabhängige dreijährige Verjährungsfrist beginnt am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 BGB). Kenntnis von ihrem Rückforderungsanspruch dürfte die Klägerin erst aufgrund der Berichterstattung über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 2017 erlangt haben. Die dreijährige Verjährungsfrist dürfte daher erst zum Ende des Jahres 2017 zu laufen begonnen haben, so dass diese Frist durch die am 30. Dezember 2020 erhobene Klage gehemmt wurde (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Diese Frage kann aber hier dahinstehen.

bb) Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist jedenfalls nach § 199 Abs. 4 BGB verjährt. Danach verjähren andere Ansprüche, als die auf Schadensersatz und auf einem Erbfall beruhenden, ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an. Die in § 199 Abs. 2 bis Abs. 4 BGB geregelten Höchstfristen sollen bewirken, dass der Anspruch unabhängig von dem Lauf der regelmäßigen Verjährungsfrist im Einzelfall spätestens zu dem dort jeweils bestimmten Zeitpunkt verjährt. Die Höchstfristen laufen neben der regelmäßigen Verjährungsfrist gewissermaßen „im Hintergrund“ (vgl. Peters/Jacoby in: Staudinger, BGB, Stand: 18. Juni 2020, § 199 Rn. 91). Das hat zur Folge, dass für Ansprüche, die der regelmäßigen Verjährungsfrist und ihrem in § 199 geregelten Beginn unterliegen, mehrere Verjährungsfristen parallel gelten. Der Anspruch ist verjährt, sobald eine von ihnen abgelaufen ist. Dies wird meist die regelmäßige Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB sein. Verzögert sich deren Beginn, kann der Anspruch nach Maßgabe von § 199 Abs. 2 bis 4 BGB verjährt sein, bevor sie zu laufen beginnt (vgl. Schmidt-Räntsch, in: Erman, BGB, 17. Aufl. 2023, § 199 Rn. 31). Die „Höchstfristen“ beginnen anders als die regelmäßige Verjährungsfrist nicht erst mit dem Schluss des Jahres (vgl. Peters/Jacoby, a. a. O., Rn. 90), sondern mit der Entstehung des Anspruchs. Sie sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im öffentlichen Recht ebenfalls entsprechend anwendbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. November 2021 – 2 B 15/21 – juris Rn. 10 und Urteil vom 17. März 2016 – 3 C 7/15 – juris Rn. 39).

Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der auf verfassungswidriger Grundlage entrichteten Rückmeldegebühren ist mit den jeweiligen Zahlungen „entstanden“ im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 4 BGB. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist dem zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch nachgebildet, der nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte im Zeitpunkt der rechtsgrundlosen Zuwendung entsteht (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2015 – XI ZR 303/12 - NJW 2015, 1984). Dies ist vorliegend der Zeitpunkt der Zahlung der jeweiligen Rückmeldegebühr in den Jahren 2002 bis 2008 (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21. Mai 2021 – OVG 5 B 23.19 – juris Rn. 42). Weil das Bundesverfassungsgericht § 30 Abs. 1a Satz 1 BbgHG a.F. rückwirkend vom Zeitpunkt des ersten Inkrafttretens der Norm für nichtig

erklärt hat (vgl. BVerfG, a. a. O. Rn. 111), ist der Rückzahlungsanspruch auch als bereits als im Zeitpunkt der Zahlung entstanden anzusehen. Die in dem von der Klägerin vorgelegten Rechtsgutachten vertretene gegenteilige Rechtsauffassung (Seite 14 f. des Kurzgutachtens) teilt die Einzelrichterin nicht. Dass die Klägerin im Zeitpunkt der jeweiligen Zahlung der Rückmeldegebühren keine Kenntnis von deren Rechtsgrundlosigkeit haben konnte, ist für den Beginn der kenntnisunabhängigen (absoluten) Verjährungsfrist des § 199 Abs. 4 BGB ohne Bedeutung.

Da die letzte unter der Geltung der für nichtig erklärten Vorschrift des § 30 Abs. 1a Satz 1 BbgHG a.F. erfolgte Zahlung der Klägerin, nämlich diejenige der Rückmeldegebühr für das Wintersemester 2008/2009, im Jahr 2008 erfolgt war, war die zehnjährige Verjährungsfrist bei Erhebung der Klage am 30. Dezember 2020 hinsichtlich sämtlicher Zahlungen verstrichen.

b) Die Beklagte ist auch nicht aus Rechtsgründen an der Erhebung der Einrede der Verjährung gehindert.

aa) Die Erhebung der Einrede der Verjährung stellt sich nicht als rechtsmissbräuchlich dar. Die Erhebung der Einrede kann treuwidrig sein, wenn der Schuldner den Gläubiger veranlasst hat, von Maßnahmen abzusehen, die den Verjährungseintritt verhindern. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Gläubiger aufgrund eines bestimmten Verhaltens des Schuldners annehmen durfte, dieser werde sich auf die Verjährungseinrede nicht berufen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2019 – 9 C 5/18 – juris Rn. 30). Derartige Umstände werden von der Klägerin nicht geltend gemacht und sind auch sonst nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf Aussagen des Rektors der Universität Potsdam verwiesen hat, die die Studierendenschaft im gesamten Land Brandenburg dahin habe verstehen dürfen, dass die Verjährungsfrist vor einer Klärung der Frage der Verfassungswidrigkeit von § 30 Abs. 1a Satz 1 BbgHG a. F. durch das Bundesverfassungsgericht nicht zu laufen beginne, muss sich die Beklagte diese Äußerungen bereits nicht zurechnen lassen.

bb) Die Erhebung der Einrede der Verjährung ist auch nicht wegen Fehlens einer Ermessensentscheidung zu beanstanden. Anders als die Klägerin meint, lag die Erhebung der Einrede der Verjährung durch die Beklagte nicht in deren Ermessen. Die öffentliche Hand ist nicht nur berechtigt (vgl. § 214 Abs. 1 BGB), sondern nach dem Grundsatz der sparsamen Haushaltsführung grundsätzlich auch verpflichtet, gegenüber ihr erhobenen finanziellen Ansprüchen die Einrede der Verjährung zu erheben (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juni 2020 – 2 C 20/19 – juris Rn. 46). Die Geltendmachung der Einrede der Verjährung ist somit nur dann unzulässig, wenn sie unter den bereits genannten, hier aber nicht vorliegenden besonderen Umständen als Verstoß gegen Treu und Glauben zu werten ist. Etwas Anderes folgt auch nicht aus dem von der Klägerin angeführten Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 30. November 2011 (– 14 W 702/11 – juris). In dem dort zu entscheidenden Fall existierte ein Erlass des zuständigen Ministeriums, wonach von der Erhebung der Verjährungseinrede unter bestimmten Voraussetzungen regelmäßig abzusehen war (a.a.O. Rn. 11), was vorliegend fehlt. Eine Bindung der Beklagten, die Einrede der Verjährung nicht zu erheben, folgt auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte bei anderen Studierenden, der erst im Jahr 2019 oder später Klage auf Rückzahlung erhoben haben, die Verjährungseinrede nicht erhoben hat, liegen dem Gericht nicht vor und werden von der Klägerin auch nicht behauptet. Dass Universitäten anderer Bundesländer nach vergleichbaren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu den dortigen Hochschulgesetzen von der Erhebung der Verjährungseinrede abgesehen haben mögen, führt zu keiner Bindung der Beklagten.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO).