Gericht | VG Cottbus 8. Kammer | Entscheidungsdatum | 25.08.2023 | |
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Aktenzeichen | VG 8 K 1474/17 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2023:0825.8K1474.17.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 3 Abs 2 SorbG BB, Art 25 Verf BB |
1. Der Bescheid vom 15. Mai 2017 wird aufgehoben, soweit er den Gemeindeteil T... der Klägerin als angestammtes Siedlungsgebiet der Sorben/Wenden feststellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen, der diese selbst trägt, tragen die Klägerin und der Beklagte jeweils zur Hälfte.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Beteiligten streiten über die Feststellung des Beklagten, dass das gesamte Gemeindegebiet der Klägerin, bestehend aus den Gemeindeteilen T... und W..., zum angestammten Siedlungsgebiet der Sorben/Wenden nach § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur Ausgestaltung der Rechte der Sorben/Wenden im Land Brandenburg in der Fassung vom 11. Februar 2014 gehört.
Die Sorben sind das kleinste slawische Volk. Ihre Vorfahren sind slawische Stämme, die im Zuge der Völkerwanderung vor mehr als 1.400 Jahren das Land zwischen Oder, Elbe und Saale sowie zwischen Ostsee und den deutschen Mittelgebirgen besiedelten. Nach dem Verlust der politischen Selbstständigkeit im 10. Jahrhundert verringerte sich ihr Siedlungsgebiet durch Assimilation und durch eine zielgerichtete Germanisierung. Lediglich den Nachkommen der oberlausitzischen Milzener und der niederlausitzischen Lusizer ist es gelungen, ihre Sprache und Kultur bis in die Gegenwart zu erhalten. Die Sorben sind eine der vier autochthonen Minderheiten in Deutschland.
Die Klägerin ist eine Gemeinde im Landkreis S... und besteht aus den Gemeindeteilen T...und W.... Das Gebiet des heutigen Landkreises S...zählte neben den heutigen Gebieten der Stadt C...sowie der Landkreise D... und O... zum historischen Siedlungsgebiet der Sorben/Wenden in der Niederlausitz.
Mit der Wiedervereinigung und der Gründung des Bundeslandes Brandenburg wurde 1992 ein Artikel zum Schutz sowie zur Förderung und Pflege der Rechte der Sorben und Wenden in die Landesverfassung Brandenburg aufgenommen. Gemäß Artikel 25 wird das Recht des sorbisch/wendischen Volkes auf Schutz, Erhaltung und Pflege seiner nationalen Identität und seines angestammten Siedlungsgebiets gewährleistet.
Die einfachgesetzliche Umsetzung dieser verfassungsrechtlichen Regelung erfolgte durch das Gesetz zur Ausgestaltung der Rechte der Sorben/Wenden im Land Brandenburg vom 7. Juli 1994.
Auf der Grundlage dieses Gesetzes ließen bereits viele Gemeinden ihre Zugehörigkeit zum angestammten Siedlungsgebiet der Sorben/Wenden feststellen. Aus einer Veröffentlichung des Beklagten im Amtsblatt des Jahres 2008 ergibt sich, dass 28 kreisfreie Städte, Ämter, Gemeinden und Gemeindeteile ihre Zugehörigkeit zum angestammten Siedlungsgebiet des sorbisch/wendischen Volkes feststellten (Amtsblatt für Brandenburg, Nr. 19 vom 14. Mai 2008, S. 1234).
Seit 1994 existiert beim Landtag Brandenburg der – im vorliegenden Verfahren beigeladene – Rat für die Angelegenheiten der Sorben/Wenden. Dieser soll vor allem die verfassungsrechtlich garantierte wirksame politische Mitgestaltung des sorbisch/wendischen Volkes gewährleisten. Er berät den Landtag und die Landesregierung sowie die nachgeordneten Behörden, wenn sorbische/wendische Belange berührt werden. Der Rat wirkt auch an der parlamentarischen Arbeit im Brandenburgischen Landtag mit.
Verschiedene Petitionen von Einwohnern aus Gemeinden, die sich zuvor gegen eine Zugehörigkeit zum Siedlungsgebiet ausgesprochen hatten, lösten einen mehrjährigen Änderungsprozess des Gesetzes aus, der zunächst von mehreren Abgeordneten des Landtags getragen wurde. Dabei sah die ursprüngliche Fassung der Gesetzesänderung eine weite Definition des angestammten Siedlungsgebietes vor (Landtag Brandenburg, Drs. 5/5401, 25. Mai 2012), die sich im Wesentlichen auf die gegenwärtig vorhandene und gelebte sorbisch/wendische Sprache und Kultur bezog. Zur Begründung dieses Gesetzesentwurfs wurde maßgeblich darauf abgestellt, dass sich in einem wesentlich größeren sorbisch/wendisch geprägten Gebiet reaktivierbare Kerne sorbisch/wendischer Identität und Sprache befänden.
Nach verschiedenen wissenschaftlichen Gutachten, Sachverständigenanhörungen und Beratungen wurde das Gesetz zur Ausgestaltung der Rechte der Sorben/Wenden (im Folgenden SWG) schließlich im Jahr 2014 geändert. Während das Procedere der Feststellung über die Zugehörigkeit einer Gemeinde zum angestammten Siedlungsgebiet grundlegend geändert wurde, wurden die materiellen Voraussetzungen jedoch nur minimal novelliert. Nach der Übergangsregelung des § 13 c SWG stellte der Beklagte nunmehr Veränderung des Siedlungsgebiets auf Antrag fest und entschied durch Bescheid über die Zugehörigkeit einer Gemeinde zum angestammten Siedlungsgebiet. Die Frist zur Antragstellung betrug gemäß § 13 c Abs. 1 SWG zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes. Zudem erhielt neben dem eigenen Antragsrecht der Gemeinden auch der Beigeladene ein Recht zur Antragstellung für die Gemeinden. Nach den materiellen Voraussetzungen zum angestammten Siedlungsgebiet des § 3 Abs. 2 SWG war es nun ausreichend, wenn Kultur oder Sprache kontinuierlich bis in die Gegenwart nachweisbar war und es wurde ausdrücklich zwischen Gemeinden und Gemeindeteilen unterschieden.
Auf der Grundlage des § 13 c Abs. 2 SWG erließ der Beklagte im Benehmen mit dem Hauptausschuss des Landtages und dem Beigeladenen ebenfalls im Jahr 2014 zur Konkretisierung der Regelungen des Feststellungsverfahrens die „Verordnung über das Verfahren der Feststellung von Veränderungen des angestammten Siedlungsgebiets der Sorben/Wenden“. In materieller Hinsicht regelt die Verordnung in § 4 in Bezug auf die Feststellungsentscheidung des Beklagten, dass diese aufgrund einer Abwägung aller Umstände des Einzelfalls und in angemessener Gewichtung der Ausdrucksformen zu treffen ist.
Innerhalb der Frist des § 13 c Abs. 1 SWG stellte der Beigeladene am 30. Mai 2016 einen Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit des Gemeindegebiets der Klägerin zum angestammten Siedlungsgebiet der Sorben und Wenden. Die nach dem Gesetz zu beteiligenden Stellen wurden angehört.
Die Klägerin äußerte sich nicht im Rahmen ihrer Anhörung. Der Hauptausschuss des Landtags stimmte in seiner Sitzung am 10. Mai 2017 für die Zugehörigkeit der Klägerin zum Siedlungsgebiet.
Im Bescheid vom 15. Mai 2017 wurde das Gemeindegebiet der Klägerin insgesamt zum angestammten Siedlungsgebiet der Sorben und Wenden erklärt. Der Beklagte nahm darin auf verschiedene Quellen und Belege Bezug, die die kontinuierliche sprachliche und kulturelle sorbisch/wendische Tradition auf dem Gemeindegebiet der Klägerin belegen sollen. Es wird unter anderem auf die Pflege verschiedener Bräuche verwiesen und eine Domowina-Ortsgruppe in W...angeführt.
Am 15. Juni 2017 hat die Klägerin Klage vor dem Verwaltungsgericht Cottbus erhoben.
Die Klägerin rügt im Wesentlichen sinngemäß, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 SWG lägen nicht vor.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 15. Mai 2017 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist diesen Ausführungen entgegengetreten. Mit Schreiben vom 18. August 2023 verwies er auf bekennende Sorben, die in der Gemeinde wohnten bzw. gewohnt hätten. W...habe zum zweisprachigen Gebiet in der DDR gezählt. Zudem sei in einer Verwaltungsvorschrift des Ministerium des Inneren der DDR hinsichtlich der Darstellung in Karten T... als zweisprachig verzeichnet. Weiterhin führte er die sorbischen Bürgermeister und Bürgermeisterinnen von W...an, die auch Domowinamitglieder gewesen seien. Es gebe weitere Quellen zu der Domowina-Ortsgruppe in W.... Beim Fernsehkolbenwerk in T... seien auch sorbische Mitarbeitende beschäftigt gewesen und hätten sich in die Kulturarbeit eingebracht oder als Elternsprecher in der Sorbischen Erweiterten Oberschule betätigt. Zudem sei W...der Austragungsort der sorbisch-deutschen Kreisfeste des Kreises S...in den Jahren 1966 und 1973 gewesen. In der Dissertation von M... zu den Sorbischen Jahresbräuchen in Raum und Zeit, verteidigt 1992, und einer Erhebung von W... aus den 1980er Jahren sei nur W...erfasst. In einer Übersicht zur Pflege sorbischer Bräuche im Kreis S...aus den 1980er Jahren würden dagegen für T... und W... das Maibaumaufstellen, Osterfeuer, Kirmes und Zampern genannt. Der Kindergarten in W... werde in einer Analyse des Kreises S... von 1988 als besonders aktiv in der sorbischen Traditionspflege bezeichnet. Auch der Kindergarten in T... habe bereits in den 1980er Jahren sorbische Kulturpflege betrieben. Die Kulturgruppe T... e.V. und der Dorf- und Jugendclub W... e.V. seien Träger der Traditionspflege und pflegten auch sorbische Traditionen, sie verfügten über eine bis in die 1980er reichende Tradition. Das 1949 gegründete Mandolinenorchester von T...habe auch sorbische Titel im Repertoire und sei daher bereits in den 1980er Jahren mit der Pflege sorbischer Kultur in Verbindung gebracht worden.
Ausgehend von der Information über die Domowina-Ortsgruppe in diesem Bescheid und Andeutungen in anderen Bescheiden, es habe (weitere) Domowina-Ortsgruppe gegeben, und einer unabhängigen Quelle, die bestätigt, dass in den 1970er Jahren eine Vielzahl – darunter auch neugegründete – Ortgruppen in der Niederlausitz existierten (Kunze, Peter, Die Sorben/Wenden in der Niederlausitz – Ein geschichtlicher Überblick, Bautzen 1996, Domowina Verlag, S. 72; GA, BL. 191), hat sich das Gericht in einer Verfügung aus dem Januar 2023 an den Domowina Regionalverband Niederlausitz gewandt und um Auskunft aus deren Archiven gebeten, ob in den Jahren von 1970 bis 1990 Ortsgruppen auf dem Gemeindegebiet der Klägerin existierten oder Einwohner der Gemeindeteile die Ortsgruppen anderer Orte besuchten. Zudem hat es um Aufzeichnungen zu kultureller oder sprachlicher Pflege für diesen Zeitraum gebeten.
Bei der Domowina handelt es sich um einen Dachverband sorbischer Vereine, der seit 1912 als Interessenvertretung des sorbischen Volkes fungiert. Das Wirken der Domowina prägte die politische Geschichte und die öffentliche Wahrnehmung der Sorben seit dem Ersten Weltkrieg. Ab den 1950er Jahren unterteilte sich die Domowina der Niederlausitz in Ortsgruppen und einen „Funktionärsapparat“. Die Ortsgruppen behielten ihre relative Eigenständigkeit und widmeten sich vornehmlich der Pflege von Sprache und Kultur.
Mit Schreiben vom 16. August 2023 hat der Domowina Regionalverband schließlich geantwortet und am 18. August 2023 Ausschnitte aus der sorbischen Wochenzeitung Nowy Casnik übersandt, die Nachweise aus den 1970er und 1980er Jahren über sorbisch/wendisches Leben auf dem Gebiet der Klägerin enthalten sollen. Ausweislich der Übersetzung vom 24. August 2023 entsprechen diese im Wesentlichen den Ausschnitten, die auch der Beklagte vorgelegt hat. Es finden sich jedoch weitere nahezu jährliche Berichte zu den Aktivitäten der Domowina-Ortsgruppe in W... sowie für T... ein Bericht aus dem Jahr 1986, wonach der Kindergarten aus T... auf Einladung des Regionalverbands S... am „Fest der sorbischen Sprache für die Kleinsten“ teilgenommen habe.
Seit dem Jahr 2014 sind die „Gesellschaftlichen Bräuche und Feste der Lausitzer Sorben im Jahreslauf“ in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes in Deutschland aufgenommen. Von dieser Eintragung sind 30 Bräuche umfasst, die ein wichtiges Merkmal der sorbischen Identität und der ethnischen und kulturellen Selbstverwirklichung darstellen. Der Eintrag bezieht sich als Grundlage auf die gelebte Tradition in 120 nicht näher benannten Dörfern der Niederlausitz. Mit Verfügung aus Januar 2022 hat sich das Gericht an den Ansprechpartner des Eintrags gewandt und um eine Auflistung dieser Dörfer sowie um eine Liste und Beschreibung der unter Schutz gestellten Bräuche und zudem um Benennung ggfs. weiterer Erhebungen und Untersuchungen gebeten, die dieser Eintragung zugrunde lagen. Mit Schreiben vom 22. März 2023 hat der Ansprechpartner H... umfangreich geantwortet, konnte jedoch die 120 Dörfer nicht benennen. Er hat bestätigt, dass es keine systematische Erfassung der Gemeinden der Niederlausitz mit sorbischer Traditionspflege gebe. Weiterhin hat er eine Auflistung der einzelnen Bräuche übersandt, in der diese näher beschrieben wurden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
Die vorliegende Anfechtungsklage erweist sich als zulässig und gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) im Umfang des Tenors begründet, weil der angegriffene Bescheid teilweise rechtswidrig ist und die Klägerin insoweit in ihren Rechten verletzt.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Anfechtungsklage die statthafte Klageart, § 42 Abs. 1 VwGO. Die Feststellung des Beklagten, ob eine Gemeinde zum angestammten Siedlungsgebiet der Sorben/Wenden gehört, ist ein Rechtsakt in Gestalt eines feststellenden Verwaltungsaktes, der für das Wirksamwerden des Pflichtenverhältnisses konstitutiv ist. Der Zweck des Verwaltungsaktes besteht gerade darin, den Eintritt normativ geregelter Rechtsfolgen als verbindlich festzustellen (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 16.Januar 2003 – 7 C 31/02 – BVerwGE 117, 322/326,327).
Die Klage ist teilweise begründet. Die Rechtsgrundlage bildet vorliegend § 3 Abs. 2 i. V. m. § 13 c SWG. Danach gelten diejenigen Gemeinden und Gemeindeteile in den Landkreisen Dahme-Spreewald, Oberspreewald-Lausitz und Spree-Neiße/Sprjewja-Nysa als angestammtes Siedlungsgebiet, in denen eine kontinuierliche sprachliche oder kulturelle Tradition bis zur Gegenwart nachweisbar ist.
Zunächst ist von der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage auszugehen. Die hier maßgebliche Fassung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, insbesondere greift das Gesetz nicht in verfassungswidriger Weise in das Recht auf kommunale Selbstverwaltung im Sinne von Art. 97 Abs. 1 Satz 1 Landesverfassung Brandenburg (LV) ein.
Zwar ist davon auszugehen, dass durch § 3 Abs. 2 SWG in die kommunale Selbstverwaltung eingegriffen wird. Gleichwohl wird die kommunale Selbstverwaltungshoheit nicht schrankenlos gewährleistet und der Eingriff erweist sich als gerechtfertigt.
Ein Eingriff in die Selbstverwaltungshoheit liegt vor, weil mit Zugehörigkeit zum angestammten Siedlungsgebiet der Sorben/Wenden die Gemeinden auf verschiedenen Gebieten zur Einrichtung und Vorhaltung verschiedener Leistungen verpflichtet werden, die sonst die Kommunen als freiwillige Selbstaufgaben erfüllen. So sind die Gemeinden beispielweise nach § 7 SWG verpflichtet, die sorbische Kultur angemessen in ihre Kulturarbeit einzubeziehen und darüber hinaus unabhängig von der sonstigen Kulturarbeit besonders zu fördern. Diese gesetzliche Hervorhebung der Förderung sorbischer Kultur wandelt die Kulturpflege in eine pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheit (so auch Dr. Platter/Schmidt/Bohm, Novellierung des brandenburgischen Sorben(Wenden)-Gesetzes, Prüfung einiger Reformvorschläge, 26. Oktober 2011, S. 11).
Dieser Eingriff ist aber gerechtfertigt, wenn die Gemeinde sich auf dem kulturhistorisch belegten angestammten Siedlungsgebiet der Sorben/Wenden befindet. Denn dieses dient dem verfassungsrechtlich ebenfalls verankerten Minderheitenschutz und sichert der Minderheit auf diesem Gebiet besondere Rechte, die dem Schutz sowie der Erhaltung und Pflege ihrer nationalen Identität und insbesondere auch des angestammten Siedlungsgebietes dienen. Der mit Art. 25 LV gewährleistete Minderheitenschutz für die Sorben/Wenden erfordert eine Bewahrung und Sicherung ihrer identitätsstiftenden Eigenheiten und eine Sicherung der Grundlagen, auf denen die Kultur und das Selbstverständnis der Angehörigen der sorbischen Minderheit fußen. Prägend in diesem Sinne ist für die Sorben neben ihrer Sprache insbesondere ihre traditionelle örtliche Verwurzelung in der Region Lausitz. Dem hat der Verfassungsgeber durch die ausdrückliche Verpflichtung zu Schutz, Erhaltung und Pflege auch des angestammten Siedlungsgebiets Rechnung getragen. Es soll als die notwendige räumliche Grundlage zur Entfaltung der nationalen Identität der Sorben geschützt werden. Hieraus folgt, dass nicht nur das Gebiet in seiner äußeren – geographischen – Grenze geschützt ist, sondern auch und insbesondere als gewachsenes Siedlungsgefüge mit der vorhandenen Bevölkerungs- und Infrastruktur, deren Charakter auch durch einzelne Siedlungen mitgeprägt sein kann. Das Schutzgut des Art. 25 Abs. 1 Satz 1 LV ist deshalb nicht erst dann berührt, wenn das Siedlungsgebiet als Ganzes betroffen ist, sondern durch jede Maßnahme, die die bisherigen Siedlungsstrukturen verändert und sich nachteilig auf die Verbundenheit mit dem angestammten Lebensraum auswirken kann (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urt. v. 18. Juni 1998 – 27/97 –, Rn. 83, zitiert nach Juris). Dieser Schutzgehalt des Art. 25 LV überwiegt die kommunale Selbstverwaltung, da wirksamer Minderheitenschutz gerade nicht im Ermessen der Gemeinden stehen und nicht von einer Mehrheitsentscheidung der Gemeinden abhängig sein darf (sinngemäß auch Dr. Platter/Schmidt/Bohm, Novellierung des brandenburgischen Sorben(Wenden)-Gesetzes, Prüfung einiger Reformvorschläge, 26. Oktober 2011, S. 14). Zudem wiegt der Eingriff in die Selbstverwaltung nicht schwer, weil § 13 c SWG eine Kostenerstattung für die mit den Anwendungen dieses Gesetzes entstandenen Mehraufwendungen vorsieht.
Die formelle Rechtmäßigkeit des Bescheids begegnet keinen Bedenken. Die Zuständigkeit des Beklagten ergibt sich aus § 13 c Abs. 1 SWG. Zwar ist der streitgegenständliche Verwaltungsakt an den Beigeladenen als Antragsteller adressiert. Er wurde aber unstreitig der Klägerin ebenfalls bekanntgegeben.
Der Bescheid ist in Teilen materiell rechtswidrig, weil die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 SWG nicht für das gesamte Gemeindegebiet der Klägerin vorliegen. Danach gelten diejenigen Gemeinden und Gemeindeteile als angestammtes Siedlungsgebiet, in denen eine kontinuierliche sprachliche oder kulturelle Tradition bis zur Gegenwart nachweisbar ist.
Ausweislich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und verschiedenen Aufklärungsverfügungen des Gerichts steht fest, dass für den Gemeindeteil T...insgesamt keine ausreichenden Nachweise für eine kontinuierliche sprachliche oder kulturelle sorbisch/wendische Tradition vorliegen. Für den Gemeindeteil W...ist hingegen jedenfalls von einer kontinuierlichen Pflege der sorbisch/wendischen Kultur auszugehen.
Die Regelungen des § 3 Abs. 2 SWG sind vor dem Hintergrund des Art. 25 LV auszulegen, der gleichzeitig auch die verfassungsrechtliche Grenze darstellt. Der Begriff des „angestammten Siedlungsgebietes“ findet seinen Ursprung in dieser Norm. Nach Art. 25 Abs. 1 LV wird das Recht des sorbischen/wendischen Volkes auf Schutz, Erhaltung und Pflege seiner nationalen Identität und seines angestammten Siedlungsgebiets gewährleistet.
Dabei ist der Begriff des angestammten Siedlungsgebietes ein Spezifikum der brandenburgischen Landesverfassung. Das angestammte Siedlungsgebiet wird in der Verfassung nicht durch administrative, politische Grenzen oder politische Besonderheiten definiert. Auch auf eine konkrete geografische Definition wird in der Verfassung verzichtet. Dennoch ist es durch die Wahl des Begriffes „angestammt“ entscheidend geprägt. Der Begriff verweist durch die kulturhistorische Perspektive auf ein „überkommenes“, abgrenzbares Areal. Der Begriff knüpft dagegen nicht daran an, wo Bürger sorbischer Volkszugehörigkeit ihren aktuellen Wohnsitz haben und wie viele es jeweils sind. Unter den Schutz der Verfassung fällt mithin nur das kulturhistorisch belegte Siedlungsgebiet, dieses dann aber unabhängig davon, welchen Bevölkerungsanteil die Angehörigen der nationalen Minderheit in diesem Gebiet aktuell ausmachen. Dem einfachen Gesetzgeber blieb es dabei überlassen, die kulturhistorischen Merkmale dieses Gebiets näher zu beschreiben (Dr. Platter/Schmidt/Bohm, Novellierung des brandenburgischen Sorben(Wenden)-Gesetzes, Prüfung einiger Reformvorschläge, 26. Oktober 2011, S. 11).
Der Gesetzgeber entschied sich in § 3 Abs. 2 SWG dafür, die kulturhistorischen Merkmale des Gebiets durch die Tatbestandsmerkmale der belegbaren kontinuierlichen sprachlichen oder kulturellen Tradition bis in die Gegenwart zu definieren. Erforderlich ist folglich zum einen eine sprachliche oder kulturelle sorbisch/wendische Tradition sowie zum anderen in zeitlicher Hinsicht, dass diese kontinuierlich bis in die Gegenwart vorliegt und zudem nachweisbar ist.
Ausgehend vom Wortlaut enthalten weder das SWG noch die dazugehörige Verordnung eine nähere Bestimmung, was unter die Tatbestandsmerkmale zu fassen ist.
Es handelt sich hierbei um unbestimmte Rechtsbegriffe, die der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegen und der Auslegung bedürfen. Insbesondere die Grenzen der Kontinuität in diesem Zusammenhang lassen sich nicht trennscharf definieren. Das Wort „kontinuierlich“ bedeutet fortdauernd, lückenlos zusammenhängend bzw. gleichmäßig sich fortsetzend. Es beschreibt den Zustand eines Zeitraums, trifft aber per se keine Aussage über den Anfangszeitpunkt. Dessen Bestimmung ist aber mit Blick darauf, dass die Siedlungsgeschichte des sorbischen Volkes in der heutigen Niederlausitz bis in das 6. Jahrhundert zurückreicht (vgl. Kunze, Peter, Die Sorben/Wenden in der Niederlausitz – Ein geschichtlicher Überblick, Bautzen 1996, Domowina Verlag) unerlässlich. Der Endpunkt dieses Zeitraums wird durch das Gesetz mit dem Bezug zur Gegenwart, also dem Zeitpunkt zwischen Vergangenheit und Zukunft, gesetzt.
§ 4 der Verordnung über das Verfahren der Feststellung von Veränderungen des angestammten Siedlungsgebiets der Sorben/Wenden vom 8. September 2014 (GVBl.II/14, [Nr. 68]) enthält lediglich die Bestimmung, dass die Feststellung, dass eine kontinuierliche sprachliche oder kulturelle sorbisch/wendische Tradition bis zur Gegenwart nachweisbar ist, aufgrund einer Abwägung aller Umstände des Einzelfalls und in angemessener Gewichtung der Ausdrucksformen sorbisch/wendischer Sprache oder Kultur zu treffen ist. Art, Dauer, Intensität, Ausstrahlung, Anlass, Bindungswirkung und Aussagekraft einzelner Anhaltspunkte sind angemessenen in Bezug zueinander zu setzen.
Als Auslegungshilfe kann die vorherige Verwaltungsvorschrift des Ministers für Wissenschaft, Forschung und Kultur zum Gesetz zur Ausgestaltung der Rechte der Sorben (Wenden) im Land Brandenburg vom 28. April 1997 (ABl./97, [Nr. 21], S. 422) herangezogen werden. Nach III.2.b. ist dabei von einer kontinuierlichen kulturellen Tradition auszugehen, wenn in einer Gemeinde mindestens seit 50 Jahren bis zur Gegenwart sorbische/wendische Kultur gepflegt wird. Dies ist in der Regel der Fall, wenn
- sorbische/wendische Vereine oder Verbände in der Gemeinde ansässig sind,
- sorbische/wendische Theaterveranstaltungen stattfinden,
- sorbisches/wendisches Brauchtum gepflegt wird,
- sich Kinder der Gemeinde am Sorbisch-/Wendischunterricht beteiligten oder
- Gottesdienst in sorbischer/wendischer Sprache abgehalten wird.
Zudem wird – deklaratorisch – darauf hingewiesen, dass es sich dabei nicht um eine abschließende, sondern lediglich eine beispielhafte Aufzählung von möglichen Kriterien handelt.
Zwar ist diese Verwaltungsvorschrift spätestens mit Inkrafttreten der neuen Verwaltungsvorschrift des Beklagten vom 13. Mai 2016 nicht mehr gültig. Gleichwohl kann sie als Auslegungshilfe genutzt werden, da sich der Wortlaut in dieser Hinsicht zwischen den beiden Fassungen von § 3 Abs. 2 SWG – mit Ausnahme der Ersetzung von „und“ durch „oder“ – nicht geändert hat und die aktuell gültige Verordnung und Verwaltungsvorschrift keine davon abweichenden Regelungen dazu treffen.
Auch die Bestimmung, wie ein Nachweis für sorbisch/wendische Sprache und Kultur zu definieren ist, muss letztlich der Einzelfallbewertung vorbehalten werden. Die Ausführungen aus III.2.b. der Verwaltungsvorschrift können hierbei wiederum als Richtschnur für die Bestimmung dienen. Schon mit Blick auf die Definition von Kultur der UNESCO, die diese als die Gesamtheit der einzigartigen geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Aspekte ansieht, die eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe kennzeichnen, ist vorliegend grundsätzlich eine inhaltliche Einzelfallprüfung der jeweiligen Belege erforderlich, die nicht durch formelle Kriterien oder Kategorien begrenzt werden darf.
Soweit der Beklagte in § 4 seiner Verordnung versucht haben könnte, eine von den Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 SWG abweichende Regelung zu treffen, verstößt dies gegen höherrangiges Recht.
Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 2 SWG vor, gilt die Gemeinde als zugehörig zu angestammten Siedlungsgebiet der Sorben/Wenden. Der entscheidenden Behörde – dem Beklagten – wird durch das Gesetz kein Beurteilungsspielraum eingeräumt, sondern sie wird nur ermächtigt nach einer Prüfung die Feststellung zu treffen. Dies ergibt sich aus § 13 c Satz 3 SWG. Darin heißt es, dass das zuständige Ministerium prüft, ob „die in diesem Gesetz festgeschriebenen Voraussetzungen für die Zugehörigkeit“ vorliegen. Zudem bezieht sich die Verordnungsermächtigung des §13 b Abs. 4 S. 1 SWG nur auf die Ausgestaltung des Verfahrens zur Prüfung.
Vor diesem Hintergrund war der Beklagte vorliegend nicht ermächtigt, in seiner Verordnung vom Gesetz und letztlich auch von der Verfassung abweichende (zeitliche) Tatbestandsmerkmale festzulegen oder sich einen Beurteilungsspielraum einzuräumen.
Gleiches gilt im Übrigen auch für die „freie Beweiswürdigung“ des § 3 Abs. 2 S. 3 der Verordnung. Danach schöpft das zuständige Ministerium seine Erkenntnisse aus freier Überzeugung ohne Bindung an beigebrachte Beweismittel. Auch diese Regelung widerspricht dem Wortlaut des übergeordneten § 3 Abs. 2 SWG, der ausdrücklich auf eine nachweisbare kontinuierliche Tradition abstellt. Folglich hat auch diese Festlegung der Verordnung für die Prüfung außer Betracht zu bleiben.
Nach dem Vorstehenden geht das Gericht zunächst grundsätzlich davon aus, dass eine kontinuierliche kulturelle oder sprachliche Tradition vorliegt, wenn auf dem Gebiet der Klägerin mindestens seit 50 Jahren bis zur Gegenwart sorbische/wendische Kultur gepflegt wird. Dabei verkennt es nicht, dass diese grundsätzliche Annahme in jedem Einzelfall erneut überprüft und auf ihre Sachdienlichkeit in Bezug auf die jeweilige Einzelfallkonstellation kritisch untersucht werden muss. Von dieser Auslegung ausgehend bildet das Jahr 2017, aus dem der streitgegenständliche Bescheid stammt, den Endpunkt der Betrachtung und stellt folglich die „Gegenwart“ dar. Maßgeblich ist also der Zeitraum zwischen 1967 und 2017.
Ob es tatsächlich – ausgehend von der exakten Wortbedeutung von „kontinuierlich“ – eines lückenlosen, also eines Nachweises ohne Unterbrechung bedarf, lässt das Gericht ausdrücklich offen, weil es im vorliegenden Fall keiner Entscheidung bedarf. Mit Blick auf den Gesetzeszweck, eine einfachere Aufnahme von Gemeinden in das angestammte Siedlungsgebiet zu ermöglichen, spricht vieles dafür, dass ein lückenloser Nachweis nicht gefordert werden kann, ohne diese Absicht des Gesetzgebers aus dem Blick zu verlieren. Bedenkt man insbesondere auch den gesellschaftlichen Wandel im Hinblick auf den Stellenwert des Minderheitenschutzes in der Gegenwart im Gegensatz zu den 1960-1980er Jahren, erscheint ein Nachweis beispielweise für jedes Jahr als überspannt. Die vorhandenen Belege zeigen zwar, dass es durchaus Bemühungen gegeben hat, insbesondere in den Anfangsjahren der DDR, das kulturelle Erbe und die Sprache der Sorben in der Niederlausitz zu bewahren und teilweise zu fördern. Viele dieser Bemühungen versandeten aber mit der Zeit, weil der Fokus des DDR-Regimes später vorrangig auf die eigene Machterhaltung verlagert wurde (vgl. Kunze/Peter, Die Sorben/Wenden in der Niederlausitz – Ein geschichtlicher Überblick, S. 73ff., Bautzen 1996, Domowina Verlag). Hinzu tritt auch die schwierige Nachweislage mit Blick auf die Vernichtung vieler Unterlagen und Archive in der Wendezeit der 1990er Jahre.
Gleichwohl ist die Kammer der Ansicht, dass auch der Gesetzeszweck des Minderheitenschutzes nicht zu rechtfertigen vermag, das Tatbestandsmerkmal der Kontinuität als gänzlich entbehrlich zu betrachten oder schon vereinzelte Dokumente als Nachweis dafür ausreichen zu lassen. Ebenso kann das Wiederaufleben sorbisch/wendischer Traditionen und Bräuche nach der Wiedervereinigung Lücken, die fast die gesamte Zeit davor bestehen, nicht schließen oder nicht – jedenfalls ohne weitere gewichtige Anhaltspunkte –als unerheblich gleichsam in den Hintergrund treten lassen. Mit Blick auf die deutlichen Ausführungen des Landesverfassungsgerichts zum Schutzgehaltes von Art. 25 LV im „Horno“-Urteil (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urt. v. 18. Juni 1998 – 27/97 –, Rn. 83, zitiert nach Juris) ist das Merkmal „Kontinuität“ für die Feststellung der Zugehörigkeit zum sorbisch/wendischen Siedlungsgebiet unentbehrlich. Der Wortlaut des Art. 25 LV verdeutlicht, dass nur der kulturhistorisch belegte angestammte Siedlungsraum der Sorben/Wenden geschützt ist. Vor diesem Hintergrund wurde auch der ursprüngliche Gesetzesentwurf mit den weiten Voraussetzungen des Siedlungsgebietes als verfassungswidrig bewertet (vgl. Dr. Platter/Schmidt/Bohm, Novellierung des brandenburgischen Sorben(Wenden)-Gesetzes, Prüfung einiger Reformvorschläge, 26. Oktober 2011, S. 19) und die aktuelle Fassung hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale letztlich dem vorherigen Wortlaut des Gesetzes wieder weitgehend angenähert.
Vorliegend kommt es für den Gemeindeteil W...auf eine exakte Bestimmung der hinsichtlich des Merkmals der Kontinuität zu stellenden Anforderungen nicht an, weil für diesen nach Ansicht der Kammerbei der erforderlichen Gesamtbetrachtung der dem Gericht vorliegenden Belege und Unterlagen ein ausreichend lückenloser Nachweis der kontinuierlichen sorbisch/wendischen Kultur gegeben ist.
Schon die Auswertung der beigezogenen Verwaltungsvorgänge hat ergeben, dass für W...– gerade im Vergleich zu anderen Gemeinden in der Region – bemerkenswert viele Belege existieren. So findet der Gemeindeteil in nahezu allen Quellen des Verwaltungsvorgangs Erwähnung. W...wurde von 1957/58 bis jedenfalls 1991 als Teil des zweisprachigen Gebiets der DDR bzw. der unmittelbaren Nachwendezeit erfasst. 1963 wurde für das als zweisprachig bezeichnete W...ein zweisprachiger Wahldruck in Niedersorbisch und Deutsch festgelegt. Diesen Belegen kann jedenfalls eine (gewisse) Indizwirkung nicht abgesprochen werden.
Die – mit Blick auf die oben dargestellten Schwierigkeiten der Nachweislage – sehr eindeutigen Nachweise für den Gemeindeteil W...erklären sich schon durch die Aktivitäten der Domowina-Ortsgruppe ab 1955. Mit Gründung dieser Domowina Ortsgruppe war in W...seit 1955 bis mindestens 1990 ein Verein ansässig, der sich der Pflege von Kultur und Sprache verschrieben hatte. Ausweislich der vom Domowina- Regionalverband beigebrachten Zeitungsausschnitte des Nowy Casnik wurde nahezu jedes Jahr über die Ortsgruppe berichtet und darunter finden sich Berichte über eine Vielzahl von Aktivtäten, die auch in W...stattfanden. Damit ist unmittelbar nachgewiesen, dass in diesem Bewusstsein gelebte sorbische Kultur in W...bis mindestens 1990 existierte und in diesem Sinne auch III.2.b. der Verwaltungsvorschrift erfüllt ist.
Flankierend dazu wird der Gemeindeteil W...in der Erhebung von W... „Der Brauch des Osterfeuers im deutsch-sorbischen Gebiet der Niederlausitz in der ersten Hälfte der 80er Jahre“ sowie in der Dissertation von M... „Sorbische Jahresbräuche in Raum und Zeit: eine Bestandsaufnahme“ aufgeführt. Walde erfasst das Zampern, Eierholen und Maibaumaufstellen als zum Zeitpunkt der Erhebung noch praktizierter Brauch und die Vogelhochzeitsfeier in Kindergarten und Schule als in den 1970er Jahren neu eingeführten bzw. wiederbelebten Brauch.
Auch wenn die Quellenlage mit der Wiedervereinigung plötzlich merklich geringer wird, finden sich für den Gemeindeteil W...ab Mitte der 2000er Jahre Berichte über die Durchführung der Vogelhochzeit, Zampern, Osterfeuer und Maibaumaufstellen. In der Gesamtwürdigung reichen diese Belege im vorliegenden Einzelfall für den Nachweis der kontinuierlichen kulturellen sorbisch/wendischen Tradition aus, weil durch die nahezu lückenlose Quellenlage bis 1990 davon auszugehen ist, dass in W...die Traditionen überwiegend fortgeführt und nicht nur wiederbelebt wurden. Aufgrund der zahlreichen Aktivitäten der Domowina-Ortsgruppe ist anzunehmen, dass die sorbisch/wendische Kultur während der (üblicherweise hinsichtlich der Quellenlage schwierigen) DDR-Zeit in W...nachweislich präsent war, sodass der weitere Schluss naheliegt, dass auch die nicht nach außen erkennbar exklusiv sorbisch/wendischen Traditionen und Bräuche – jedenfalls auch – in diesem Bewusstsein fortgeführt wurden.
Im Gegensatz dazu finden sich für den Gemeindeteil T... schon kaum tauglichen Nachweise für eine kontinuierliche kulturelle oder sprachliche Tradition, so dass es auch für diesen Gemeindeteil nicht auf die exakte Bestimmung der hinsichtlich der Kontinuität anzulegenden Maßstäbe ankommt.
Zunächst enthalten die beigezogenen Verwaltungsvorgänge jedenfalls für den Zeitraum von 1957 bis 2003 keine Belege für eine sprachliche oder kulturelle sorbisch/wendische Tradition. Die chronologische Auflistung aller vorhandenen Quellen und Belege verdeutlicht, dass der Gemeindeteil T...– anders als andere Gemeinden in der Region und vor allem im Gegensatz zum Gemeindeteil W...– in diesem Zeitraum nirgendwo aufgeführt wird (vgl. VV I und II). Auch die Zeitungsausschnitte, die der Domowina-Regionalverband am 18. August 2023 übersandte, und die Quellen aus dem Schriftsatz des Beklagten können allenfalls punktuelle Belege für sprachliche oder kulturelle sorbisch/wendische Tradition für den Gemeindeteil T... liefern, die in der Gesamtwürdigung des besonderen Einzelfalls nicht ausreichen, um den gesetzlich erforderlichen Nachweisbarkeit einer kontinuierlichen sprachlichen oder kulturellen sorbisch/wendischen Tradition zu erbringen.
In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die vom Beklagten angeführten Karten der Reichsbahn und der Post der DDR sowie die Kartenwerke aus Schulbüchern nach Auffassung der Kammer schon keinen tauglichen Nachweis im Sinne des § 3 Abs. 2 SWG darstellen. Soweit der Beklagte daraus eine Dokumentation der staatlichen Minderheitenpolitik in der DDR ableitet, ist zum einen schon äußerst zweifelhaft, ob dieser Schluss zutreffend ist, und zum anderen ist es für die Prüfung des § 3 SWG ohne Belang, solange diese bloßen Darstellungen nicht auf nachvollziehbaren Erhebungen oder ihrerseits auf Quellen basieren, die eine kulturelle oder sprachliche sorbische Tradition in den abgebildeten Orten belegen können. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Gleiches gilt für die vom Beklagten angeführte Richtlinie des Ministeriums des Inneren der DDR über die Zweisprachigkeit von Karten im „anerkannten Zweisprachengebiet“. Dieser Quelle kann – wie auch den anderen Verzeichnissen aus der DDR-Zeit im Verwaltungsvorgang – allenfalls eine Indizwirkung dergestalt zukommen, dass diese Gemeinden von einer staatlichen Stelle als „sorbisch/wendisch“ wahrgenommen wurden. Zunächst findet sich keine Angabe oder andere Quelle dazu, in welcher Weise das „anerkannte Zweisprachengebiet“ festgelegt wurde. Für dieses – wie auch für alle anderen Verzeichnisse – kann das Gericht nicht nachvollziehen, nach welchen Voraussetzungen es erstellt wurde. Erschwerend tritt hinzu, dass sich die verschiedenen Verzeichnisse widersprechen und teilweise Gemeinden – wie T...– abbilden, für die sich sonst nirgendwo ein Nachweis für sorbisch/wendische Sprache findet (schon bei der Spracherfassung aus dem Jahr 1956 wurde für T... ein Anteil von 0,1% sorbisch sprechender Menschen gemessen an der Gesamtbevölkerung festgestellt), und dagegen Gemeinden wie W... nicht verzeichnet sind, die sonst überall als zweisprachig erfasst sind und für die auch beispielsweise in den Spracherfassungen ein größerer Anteil sorbisch sprechender Menschen dokumentiert ist. Gerade der vorliegende Fall mit seiner recht eindeutigen Quellenlage hinsichtlich beider Gemeindeteile legt nahe, dass jedenfalls dem in der Richtlinie erwähnte „anerkannten Zweisprachengebiet“ eine eher schematische Betrachtung zugrunde lag, die nicht auf einer Betrachtung der einzelnen Gemeinden oder Gemeindeteile basierte. Auch aus der „Information zur Arbeit des Kreisverbandes S...“ der Domowina – wohl – von 1980, die der Beklagte vorgelegt hat, geht hervor, dass T... sich nicht unter den „entsprechend gesetzlicher Grundlage und Beschluß des Rates des Kreises“ als zweisprachig erfassten Gemeinden befindet. Dort ist gleichwohl erneut W... erfasst.
Die Auswertung der weiteren vorgelegten Unterlagen ergibt, dass es – gerade im Vergleich zu anderen Gemeinden in der Region – eigentlich nur für das Jahr 1986 und 1988 jeweils einen Beleg für den Gemeindeteil T... gibt, der gegebenenfalls geeignet erscheint, das Vorhandensein für sorbisch/wendische Kultur oder Sprache nachzuweisen. Im Bericht des Rates des Kreises S... an den Rat des Bezirkes C... zur „Abrechnung des 4. Gemeinsamen Kontrollauftrag des Kreisaktivs für Sorbenfragen“ vom 13. April 1988 wird berichtet, dass in den Kultur- und Bildungsplänen der Arbeitskollektive die sorbische Kultur und Kunst verankert werden müssen. Im Folgenden wird als Beispiel der sorbische Werktätige M... aus dem Fernsehkolbenwerk T... erwähnt, der die Möglichkeit wahrnahm, in der Ausstellung „Freizeit, Kunst und Lebensfreude“ seine Exponate vorzustellen. Schon der Beweiswert dieser Ausstellung als Ausdruck der sorbisch/wendischen Kultur vor Ort ist zweifelhaft, weil aus der Quelle nicht deutlich hervorgeht, wo diese Ausstellung tatsächlich stattgefunden hat. Auch wenn sie im Fernsehkolbenwerk in T... stattgefunden haben sollte, ist festzuhalten, dass es sich hier um einen durch den Staat organisierten Betrieb und gerade nicht um einen dort ansässigen Verband oder Verein – vgl. Ziffer III.2.b der Verwaltungsvorschrift –, der aus der Bevölkerung heraus entstanden ist und dem die Menschen aus eigenem Interesse angehören, und zum anderen erweckt die Berichterstattung den Eindruck, als werde vor allem ein Bildungsauftrag in Bezug auf die Belegschaft verfolgt, wenn berichtet wird, dass die sorbische Kunst und Kultur in den Kultur- und Bildungsplänen verankert werden müsse. Im Ergebnis kann es aber offenbleiben, weil es sich jedenfalls nach Lage der Akten um eine einmalige Veranstaltung gehandelt hat und deswegen – wie der berichtete Inhalt der Veranstaltung ebenfalls schon nahelegt – nicht um die andauernde Pflege sorbisch/wendischer Kultur.
Dies gilt ebenso für die Teilnahme des T... Kindergartens am Fest der sorbischen Sprache und Kultur der Domowina in S... 1986. Selbst wenn man dadurch die Förderung sorbischer Sprache bei Kindern im weiteren Sinn und der Brauchtumspflege annehmen würde, wäre es wiederrum ein isoliertes Ereignis, dass allenfalls einen punktuellen Beleg liefern könnte und bereits im zeitlichen Zusammenhang mit der vorgenannten Quelle steht.
Die weiteren vorgelegten Unterlagen für den Gemeindeteil T... können den Nachweis der kontinuierlichen Pflege sorbisch/wendischen Kultur ebenfalls nicht erbringen. Der Beweiswert der Delegation von 50 T... zur Teilnahme am III. Festival der sorbischen Kultur 1972 in Bautzen ist äußerst zweifelhaft. Diese Quelle vermag zum einen nicht belegen, dass es tatsächlich Teilnehmende aus T... gegeben hat und zum anderen belegt die Quelle nur, dass eine etwaige Teilnahme jedenfalls wohl nicht freiwillig war, sondern es sich um eine staatliche Verordnung durch den Kreis S...gehandelt hat. Folglich liegt hierin kein Nachweis für eine Pflege sorbisch/wendischer Kultur und Tradition durch die ehemalige Gemeinde T... .
Soweit der Beklagte im Weiteren auf das Fernsehkolbenwerk in T... verweist, bei dem auch sorbisch/wendische Mitarbeiter beschäftigt waren, ist fraglich, worin darin mit Blick auf die Tatbestandsmerkmale des § 3 Abs. 2 SWG der Beleg für sorbisch/wendische Kultur oder Sprache liegen soll. Auch in Anbetracht der erschwerten Nachweislage ist die bloße Erwähnung des Gemeindenamens auf Sorbisch oder in einem sorbischen Medium als Beleg für eine kontinuierliche sprachliche oder kulturelle Tradition bis zu Gegenwart nicht ausreichend. Es kommt selbstverständlich auf den Inhalt der Berichterstattung an und dieser ist vorliegend für die Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzung des § 3 Abs. 2 SWG ohne eindeutig erkennbaren Belang.
Auch die „Übersicht zur Pflege sorbischer Bräuche im Kreis S...“, die für T... Maibaumaufstellen, Osterfeuer, Kirmes und Zampern auflistet, kann isoliert nicht den Nachweis sorbisch/wendischer Traditionen erbringen. Zunächst ist die Art der Erhebung, die Kriterien der Einordnung oder auch nur der Austeller unklar, so dass der Aussagegehalt dieser Quelle für sich genommen als gering bewertet werden muss. Schwer wiegt auch, dass sich nicht nachvollziehen lässt aus welchem Jahr diese Quelle stammt. Darüber hinaus handelt es sich hierbei um eine isolierte Quelle, deren Inhalt nicht durch andere Quellen flankiert wird. Denn sowohl in der Dissertation von M... zu den Sorbischen Jahresbräuchen in Raum und Zeit, verteidigt 1992, als auch in der Erhebung von W... von 1988 ist T... gerade nicht erfasst.
Hinsichtlich des Mandolinenorchesters T... ist es aufgrund der Aktenlage ebenfalls eher fernliegend, diesen als einen in T... ansässigen sorbisch/wendischen Verband oder Verein – vgl. Ziffer III.2.b der Verwaltungsvorschrift – zu werten. Dafür spricht schon der Bericht aus der Lausitzer Rundschau vom 24. September 1969. Darin wird in Bezug auf die Gründungsgeschichte erläutert, dass der Zusammenschluss der Musiker erfolgte, um die bereits vor dem Krieg verbreitete Tradition des Volksmusizierens weiterzuführen, und das Orchester sich der Pflege und Förderung der Volks- und Unterhaltungsmusik widmete. Zwar trat esden vorgelegten Berichten zufolge 1988 auch auf dem Kreisfestival der Sorbischen Kultur in D... auf und spielte dort eine Komposition des sorbischen Komponisten Benno Nikolaides. Doch schon der andere Bericht über einen Auftritt 1973 bei „den Veteranen in Berlin-Weißensee“ lässt einen offensichtlichen Bezug zur sorbisch/wendischen Kultur vermissen. Somit fehlen über den einen Auftritt hinaus jegliche weitere Anhaltspunkte für eine gelebte sorbisch/wendische Tradition. Die insoweit vorgelegten Informationen – insbesondere auch mit Blick auf die Gründungsgeschichte – sind lediglich geeignet, den Nachweis dafür zu erbringen, dass ein einmaliger Auftritt im sorbisch/wendischen Kontext stattgefunden hat.
Die vom Beklagten zu den Akten gereichte Satzung der Kulturgruppe T... e.V. vom 21. April 2018 stellt schon keinen tauglichen Beleg für die Pflege sorbisch/wendischer Kultur dar. Darin ist als Zweck der Körperschaft die Förderung von Kunst und Kultur sowie die Förderung des traditionellen Brauchtums angeben. Dieser Satzungszweck werde insbesondere durch Förderung des traditionellen Brauchtums wie der Durchführung von Karnevals- und Faschingsveranstaltungen, auch für Kinder, Senioren und Familien, Darbietungen der Funkengarde, Funkenmariechen und Kindertanzgruppe, Zampern und Osterfeuer unterstützt. Bereits die Zusammenfassung der traditionellen, örtlichen mitunter hier nicht angestammten, aus anderen Regionen stammenden Bräuche lässt erkennen, dass diese Veranstaltungen zwar als gesellschaftliches Leben in der dörflichen Gemeinschaft wahrgenommen, sie können in diesem Kontext aber nicht mit Außenwirkung als zumindest eindeutig überwiegende Pflege sorbisch/wendischer Kultur verstanden werden, die geeignet wäre den Nachweis für § 3 Abs. 2 SWG zu erbringen. Daher kommt es vorliegend nicht entscheidend darauf an, ob die Behauptungen des Beklagten – handschriftlich ohne weitere Angabe von Nachweisen auf der Satzung vermerkt – der Club sei aktiv seit den 1980er Jahren und vor allem aus dem Dorfclub T...hervorgegangen, tatsächlich zutrifft.
Auch die zeitlich nachfolgenden Quellen, die ab Mitte der 2000er Jahre von der Vogelhochzeit, Zampern, Osterbräuchen und Maibaumaufstellen berichten, können für den Gemeindeteil T... nur ein Wiederaufleben der sorbisch/wendischen Traditionen bzw. ein Wiederaufleben von Traditionen mit sorbisch/wendischen Wurzeln vor Ort belegen und sind damit in zeitlicher Hinsicht ausreichend für den Nachweis der kontinuierlichen sorbisch/wendischen Tradition vor Ort über den nach den Vorgaben des Gesetzes geforderten erheblichen Zeitraum.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 155 Abs. 1 VwGO und § 162 Abs. 3 sowie § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.